Autor: Jenny&Mary
veröffentlicht am: 25.06.2012
Danke für eure ganzen tollen Kommis :)
Freuen uns immer wieder total.
Viel Spaß beim weiterlesen!
________________________
Mary:
Als ich zum dritten Mal an Jennys Tür klingelte, öffnete die sich endlich. Aber anstatt Jenny, die ich erwartet hatte, stand auf einmal eine Frau Mitte 50 vor mir, die mich von oben bis unten abfällig musterte. Das konnte nur eine Frau sein- Gabrielle.
Zum Glück hatte Jenny mich am Telefon bereits vorgewarnt.
„Can I helpYou?“, fragte sie mit amerikanischem Akzent und zeigte dabei deutlich ihre Abneigung. Ja, der Begriff „Schwiegermonster“ war in ihrem Fall ziemlich zutreffend.
„Maaaaaary, du bist da!“, rief Jenny glücklich, als sie auf einmal hinter Gabrielle auftauchte. Wir umarmten uns heute extra lange, immerhin hatten wir uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Und ich glaube, es lag auch ein Hauch von Erleichterung auf ihrem Gesicht. Die Arme war wohl alleine mit Gabrielle.
Die wiederum verdrehte bei unserer emotionalen Begrüßung nur die Augen und ging dann ohne ein weiteres Wort zurück ins Haus.
„Das ist also deine zukünftige Schwiegermutter“, sagte ich grinsend und konnte richtig sehen, wie Jennys Mundwinkel herunter gingen. „Nette Frau.“
„Nicht witzig.“
Da Gabrielle sich noch frisch machen musste, was natürlich nicht weniger als eine halbe Stunde in Anspruch nahm, warteten Jenny und ich im Wohnzimmer auf sie. Am liebsten wären wir einfach direkt los gefahren, und wahrscheinlich wäre das auch gar keine schlechte Idee gewesen. Aber heute war ein großer Tag: heute suchten wir endlich ihr Brautkleid aus. Und leider bestand Jensen nun mal darauf, dass seine Mutter dabei war.
„Sie hasst mich“, begann Jenny, nachdem wir uns aufs Sofa geschmissen hatten.
„Jenny… sag das doch nicht so laut. Sie kann dich hören!“ Ich bemühte mich, nicht zu lachen, das fiel mir allerdings nicht besonders leicht. Vor allem, weil Jenny das genauso ernst meinte, wie sie es sagte.
„Nein ernsthaft, sie hasst mich. Sie hasst wie ich aussehe, sie hasst wie ich heiße, wo ich wohne und wie ich rede. Und am meisten hasst sie, dass ich ihren Jensen heirate.“
Und als hätten sie sich abgesprochen, kam genau in diesem Moment Gabrielle herein. Mit einem Gesichtsausdruck, der mir wirklich Angst einjagte.
„JENNIFER! The bathroom mirror is not as clean as it is supposed to be!“
Ach du Scheiße. Sie sagte „Jennifer“ anstatt „Jenny“. Und sie achtete peinlich genau darauf, jedes Wort mit arrogantem Unterton auszusprechen. An Jennys Stelle hätte ich sie schon längst mit dem Badezimmer Spiegel erschlagen. „Jennifer“ blieb aber ganz cool, widmete dem Schwiegermonster keinen Blick und antwortete nur mit einem unterkühlten „dann mach ihn doch sauber.“ Und sie wusste ganz genau, dass Gabrielle das nicht verstand.
Zwanzig Minuten und einen heftigen Catfight später saßen wir tatsächlich alle zusammen in Jennys Auto- unverletzt. Gabrielle hatte darauf bestanden, auf dem Beifahrersitz zu sitzen, obwohl sie sich nicht dazu herab ließ, mit einem von uns während der Fahrt zu reden. Jenny und ich beschlossen daher ganz einfach, sie auszuschließen und unterhielten uns auf Deutsch über Ian.
„Und dann bist du einfach gegangen?“, fragte Jenny schockiert und betrachtete dabei mein Gesicht im Rückspiegel.
„Naja. Mein Zug kam ja.“ Und damit das nicht allzu gleichgültig klang- und das war ich nun wirklich nicht!- fügte ich noch schnell hinzu: „Außerdem hatten wir uns eh nichts mehr zu sagen.“
„Und was hast du jetzt vor?“
Darüber musste ich erst eine Weile nachdenken. Aber nicht mal das konnte mir weiter helfen.
„Ich habe keine Ahnung.“
Und die hatte ich wirklich nicht. Wir hatten nicht Schluss gemacht, aber irgendwie fühlte es sich so für mich an. Der Ian, mit dem ich zusammen gekommen war und den ich so abgöttisch liebte, war irgendwie mit der Zeit verschwunden. Der Typ, den ich in Berlin besucht hatte, war er jedenfalls nicht. Er schien so gleichgültig zu sein, gegenüber mir und unserer Beziehung. Und was war das noch für eine Beziehung, wenn der eine sich nicht für den anderen interessierte?
Aber ich konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen- und das machte die Sache noch schlimmer. Klar hatte ich ihn vermisst und natürlich wollte ich nichts sehnlicher als eine schöne Beziehung mit ihm. Aber ich war in letzter Zeit auch zu beschäftigt gewesen, mit Jennys Hochzeit und meinem Roman. Und obwohl wir uns ganze zwei Monate lang nicht gesehen hatten, hatte ich es geschafft, mein Leben allein zu meistern. Zumindest mehr oder weniger. Also hatte ich ihn wirklich so sehr vermisst, wie man das sollte, wenn man jemanden liebt?
Zum Glück erreichten wir in gen au diesem Moment den Brautmodenladen, sodass ich mir nicht noch mehr den Kopf darüber zerbrechen konnte.
Jenny parkte direkt vor dem Laden, der von Gabrielle ziemlich missmutig beäugt wurde. Tatsächlich war er aber einer der teuersten und exklusivsten in ganz Köln.
„Oh Gott, ich bin soooo aufgeregt, Mary!“, freute sich Jenny als wir den Laden betraten. Und ehrlich gesagt war ich das auch. Aber erst mal war ich völlig überwältigt.
Der Laden war schön hell und weiträumig und bot einen wunderschönen Anblick, mit den hunderten von weißen Kleidern, die einem entgegen strahlten. Umgeben von diesem Traum aus Weiß drehte ich mich einmal um meine eigene Achse und bestaunte alles, was mir ins Auge fiel. Da waren Berge an weißem Stoff, lange wallende Schleier und wunderschöne Schnitte.
„Guten Morgen. Sie müssen die zukünftige Frau Ackles sein“, begrüßte uns eine schlanke Frau. Jenny nickte überglücklich und zeigte der netten Verkäuferin sofort ihren Verlobungsring, der mit den vielen Kleidern und Jennys Grinsen um die Wette strahlte.
Auch ich reichte der Verkäuferin gut gelaunt die Hand und freute mich zu hören, dass bei Jennys letztem Besuch schon ein paar Kleider für sie zurück gelegt worden waren.
Fröhlich brachte uns die Verkäuferin also in eine Ecke des Ladens und suchte nach Jennys Kleidern, sodass wir auf einem der weißen Sofas Platz nahmen und uns noch einmal alles anschauten. Nur Gabrielle saß still da und beobachtete uns mit herunter gezogenen Mundwinkeln. Ich fragte mich langsam, ob Jensen wirklich ihr Sohn war.
„So, das sind die drei Kleider, die Sie beim letzten Mal ausgesucht haben.“ Die Verkäuferin kam mit drei wirklich schönen Kleidern zurück und hing sie so nebeneinander, dass wir uns alle in Ruhe ansehen konnten.
„Wow Jenny, die sind alle wunderschön!“, stieß ich hervor und ahnte jetzt schon, dass uns die Auswahl extrem schwer fallen würde.
Gabrielle hielt es wohl immer noch für besser, mit mürrischem Gesichtsausdruck daneben zu sitzen, aber das konnte Jenny die gute Laune zum Glück nicht verderben.
„Kann ich eins anprobieren?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Wahrscheinlich würden wir gleich alle vor Freude heulen. Also alle, außer Gabrielle.
Jenny verschwand also mit dem ersten Kleid in der Umkleidekabine. Die Verkäuferin war so freundlich und half ihr beim Anziehen. Das bedeutete aber leider für mich, dass ich ganz alleine mit Gabrielle zurück blieb und gezwungen war, mich mit ihr zu unterhalten.
„I guess you’re really excited about the wedding!”, sagte ich und versuchte damit, sie halbwegs zum Reden zu bekommen. Und tatsächlich, sie redete mit mir!
„I am sure, it will be… interesting.“Interessant? Oha. Gabrielles Freude kannte ja keine Grenzen.
Zum Glück war Jenny schnell fertig. Der Vorhang öffnete sich und vor uns stand sie, in einem wunderschönen, elfenbeinfarbenen Kleid. Es war bodenlang, sehr schlicht und geradlinig geschnitten und wurde einzig von einem schwarzen Band geziert, das unter ihrer Brust lag.
„Das Kleid ist toll“, stellte ich nach eingehender Beobachtung fest und schaute Jenny dabei zu, wie sie sich selbst im Spiegel betrachtete. Sie schaute sich alles an, drehte sich ein paar Mal und zog automatisch den Bauch ein und streckte den Rücken gerade.
Gabrielles abfälliger Blick verhärtete sich.
„Die Haare würde ich dazu offen tragen, damit die klaren Linien des Kleides ein wenig aufgelockert werden“, warf die Verkäuferin ein und ich konnte ihr darin nur zustimmen.
Ich versuchte mir Jenny in diesem Kleid vorzustellen, bei der Zeremonie am Altar oder bei einem Tanz mit Jensen. Aber vielleicht war es noch eine Spur zu schlicht.
„Es ist nicht schlecht, aber auch noch nicht perfekt“, sagte Jenny, als hätte sie meine Gedanken gehört. „Irgendwie finde ich es ein bisschen zu spießig.“
„Ja…“, musste ich ihr zustimmen, als ich es noch einmal betrachtete „… ich glaube es ist zu schlicht für dich. Auch wenn es wirklich schön ist, passt das noch nicht so ganz.“
Auf Gabrielles Meinung wurde kein Wert gelegt, also verschwand Jenny direkt wieder in der Umkleidekabine und widmete sich dem nächsten Kleid.
Dieses Mal versuchte ich erst gar nicht, mich mit Gabrielle zu unterhalten. Ich log einfach, ich müsste mal auf die Toilette und flüchtete dann dorthin, um die peinliche Stille zu vermeiden.
Als ich zurück kam, stand Jenny schon vor dem bodentiefen Spiegel und ließ sich von der Verkäuferin die Schärpe richten.
„Maaary, guck dir das an!“, rief sie mir glücklich entgegen. Und wirklich, es sah sehr gut aus!
Das Kleid war ebenfalls elfenbeinfarben und ein Traum aus Spitze. Es war wieder bodenlang und ohne richtige Träger, hatte dafür aber lange Arme aus Spitze und einen weit ausgeschnittenen Rücken.
„Jennifer…“ Oh Gott, Gabrielle. Sie wollte etwas sagen, und das konnte nichts Gutes bedeuten. Empört starrte sie auf Jennys Rücken und wiederholte mehrmals und mit ruhiger, aber harter Stimme „You are not going to wear this!“
Die arme Verkäuferin warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Aber da konnte ich leider auch nichts machen.
„Ich find es schön“, sagte Jenny grinsend und betrachtete sich noch einmal selbst im Spiegel. „Aber fehlt da nicht der Schleier?“
„Zu diesem Kleid gibt es leider keinen Schleier. Man könnte aber einen passenden Blumenschmuck ins Haar anbringen“, schlug die Verkäuferin vor und holte direkt ein passendes Haarband.
„Jennifer. You are not going to wear this.“Die Frau machte mir wirklich Angst.
Das Haarband sah nicht übel aus, aber irgendwie erschien es mir nicht passend für eine Hochzeit. Es war zwar sehr modern, hatte aber nichts Festliches an sich und passte auch nicht so besonders zu dem Kleid. Da waren Jenny und ich uns einig.
Und da wir ja wussten, was das Schwiegermonster von dem Kleid hielt, beschloss Jenny, sich erst mal das Dritte anzugucken. Sonst wäre sie wahrscheinlich auch enterbt worden.
Dieses Mal kam mir das Warten überhaupt nicht lang vor. Der Vorhang öffnete sich und als Jenny vor mir stand, verschlug es mir glatt die Sprache.
Jenny strahlte mich in diesem schneeweißen Kleid so glücklich an, dass ich sofort merken konnte, wie mir Freudentränen in die Augen schossen. Es war bodenlang, trägerlos und hatte einen herzförmigen Ausschnitt, der Jenny einfach unglaublich gut stand. Die Taille war ebenfalls eng geschnitten, doch darunter fiel der weiße Stoff weit, sodass das Kleid eine schöne, weibliche Figur zeichnete. Auch der Rücken war ausgeschnitten, wenn auch nicht so gewagt wie bei dem Kleid davor. Und es hatte einen wunderschönen Schleier aus Spitze. Elegant, aber nicht so streng. Das war es. Das war Jennys Kleid.
„Ooooh, Jeeeeenny…“, war alles, was ich bei diesem Anblick sagen konnte. Und schon flossen die Tränen, bei uns beiden.
„Mary, ich will es haben! Es ist so perfekt!“ Überglücklich lagen wir uns in den Armen und heulten wie Teenager.
„Guck dich nur mal an. Du siehst aus wie eine richtige Braut!“ Ich zeigte auf ihr Spiegelbild und sah darin unsere strahlenden Gesichter. Jenny sah so erwachsen aus, dass es mir beinahe wieder die Sprache verschlug. Ich war mir sicher, sie noch nie im Leben so schön und so glücklich gesehen zu haben. Sie strahlte, mehr als jemals zuvor, und mit dem Lächeln, das nur eine Braut haben konnte. Es war so perfekt!
Leider hatten wir die Rechnung ohne Gabrielle gemacht.
„No, no, no!“, rief sie empört und sprang vom weißen Sofa auf.Oh nein, bitte nicht.
„She cannot wear this dress! It’s white!”
Verwirrt schauten wir uns an. Als wir nichts antworteten, stöhnte Gabrielle genervt auf und wurde auf einmal richtig hysterisch. „White is the colour of virginity! I forbid you to wear it!“
Und auf einmal war es still im gesamten Laden. Keiner sagte ein Wort, alle Leute starrten Jenny und Gabrielle an. In dem Moment kam auch noch die nette Verkäuferin dazu, mit Champagner zum Anstoßen.
Ungläubig schaute Jenny zu mir, zu Gabrielle und wieder zurück.
„Hat sie gesagt, sie verbietet mir, das Kleid zu kaufen?“, fragte sie so langsam, als hätte sie sich verhört. Ich nickte nur und überlegte mir schon eine diplomatische Lösung, aber Jenny hatte die Sache schon für sich entschieden.
Sie atmete einmal tief durch, setzte dann wieder das glückliche Gesicht auf, das sie eben noch hatte und bat dann die Verkäuferin, das Kleid einzupacken und die Rechnung dafür fertig zu machen.
„Das ist meine Hochzeit, also werde ich auch tragen, was ich will!“, rief sie mir aus der Kabine zu, als sie sich umzog. Und da konnte ich ihr nur Recht geben.
„Das Kleid ist so perfekt“, sagte ich und konnte mir dieses Mal bildlich vorstellen, wie sie darin auf ihrer Hochzeit aussehen würde. Jensen würde es lieben, er würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, wenn er sie das erste Mal sah!
Zur Feier des Tages tranken wir noch eine ganze Flasche Champagner zu dritt. Zu dritt, das heißt: Jenny, ich und die nette Verkäuferin. Die war uns so sympathisch, dass Jenny sie direkt zur Hochzeit einlud.
Dummerweise konnte danach keiner von uns beiden mehr fahren. Wir mussten also wohl oder übel Bus und Bahn nehmen, aber das war uns auch herzlich egal. Denn es war viel wichtiger, dass Jenny endlich ein Kleid hatte. Und sie hatte das perfekte Kleid. Wir fuhren also gerne Bus und schwärmten dabei ausgiebig über die Hochzeit, die jetzt schon so greifbar schien. Wir, das waren Jenny und ich.
Das Schwiegermonster bestellte sich ein Taxi.
Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30