Autor: Jenny&Mary
veröffentlicht am: 27.05.2012
Kapitel 6, - I’m living a good life
Um Punkt 8 Uhr klingelte mein Wecker, wie jeden Tag, und mittlerweile hatte ich mich so sehr daran gewöhnt, dass ich eigentlich gar keinen Wecker gebraucht hätte. Ich stand sofort auf und quälte mich eine halbe Stunde auf dem Laufband, ging dann duschen und frühstückte um neun. Danach arbeitete ich exakt vier Stunden an meinem Roman, aß dann Mittag und ging nachmittags zu Jenny, um mit ihr die Hochzeitsvorbereitungen zu treffen. So ging das ganze jetzt schon seit zwei Wochen. Zwei Wochen genau, seitdem Ian in Atlanta war und ich von ihm so gut wie nichts gehört hatte.
Eigentlich hatten wir ausgemacht, mindestens alle zwei Tage miteinander zu telefonieren, aber das hatte schon nach vier Tagen nicht mehr funktioniert. Ich stand auf, wenn er ins Bett ging und umgekehrt. Und außerdem hatten wir beide einfach viel zu viel zu tun, um stundenlang telefonieren zu können. Was mir aber auch ehrlich gesagt ganz Recht war. Die Sache mit dem vermeintlichen Antrag saß mir irgendwie immer noch in den Knochen, also war ein bisschen Abstand vielleicht gar nicht so übel.
Das Laufbandtraining machte mir heute besonders wenig Spaß und nicht mal die Dusche danach konnte meine Laune irgendwie steigern. Lag vielleicht daran, dass es jetzt April war- und das Wetter dementsprechend. Danach gönnte ich mir ein Croissant mit Nutella, ein Glas O-Saft und einen Apfel, so wie jeden Morgen. Ich hatte mir nämlich vorgenommen, ein bisschen gesunder zu leben.
Um neun Uhr schickte ich meiner Lektorin dann einen ersten Ausschnitt aus dem Roman und setzte mich danach, fleißig wie ich war, an die Arbeit. Bisher hatte ich nicht mehr als 50 Seiten, die waren mir aber soweit ganz gut gelungen. Bevor Ian und Jensen nach Amerika geflogen waren, hatten sie immer versucht, an das ein oder andere Kapitel zu kommen, aber dieser Roman wurde von mir mit meinem Leben verteidigt. Nicht mal Jenny wusste, worum es darin ging- und das sollte auch genauso bleiben, bis ich es zu Ende geschrieben und perfektioniert hatte.
Ich war gerade mal wieder mitten im Schreibwahn, als es plötzlich an der Tür klingelte. Verwirrt und verärgert ging ich zur Tür und versuchte meine Gedanken unterwegs zu ordnen. Ich war gerade so im Schreibefluss, dass ich jetzt bloß nichts vergessen durfte! Solche Kreativschübe hatte ich in letzter Zeit öfters- und ohne sie würde ich meinen Roman niemals zu Ende schreiben können. Dementsprechend in Gedanken versunken öffnete ich die Tür und nahm erst gar nicht richtig wahr, dass Jenny vor mir stand.
„Hey Mary…“
„Warte kurz!“ Ihre liebe Begrüßung musste leider warten, gerade schoss mir eine neue Idee durch den Kopf. Wie eine Irre griff ich nach dem Block, der auf der Kommode neben der Tür lag, und kritzelte schnell auf, was ich mir gerade ausgedacht hatte. Jennys verstörten Blick muss ich jetzt wohl nicht genauer beschreiben.
„Soll ich vielleicht später noch mal wieder kommen?“, fragte sie daher mit einer Mischung aus Verwirrung und Lachen und versuchte meine Notizen zu entziffern. Sofort schloss ich das Notizbuch und legte es wieder weg.
„Nö, komm ruhig rein. Ich hab Zeit. Hatte nur gerade so einen Kreativschub, weißt du?“ Und mit diesen Worten umarmten wir uns, wir hatten uns immerhin seit fünf Tagen nicht gesehen.
„Was hast du denn da Schönes?“, fragte ich neugierig, als mir jetzt erst auffiel, dass Jenny ein großes Buch mitgebracht hatte.
„Das hier…“, begann sie grinsend und drückte es mir in die Hand, „Das sind Fotos von Hochzeitslocations. Und wir beide suchen uns jetzt die Schönsten aus!“
Und sofort war meine Laune gestiegen! Eine Location auszusuchen war wirklich ein bisschen spannender als der Alltag, der mich seit zwei Wochen quälte.
Wir setzten uns also zusammen auf die große Couch auf der Terrasse und machten es uns mit dem Buch bequem.
„Also…“, begann Jenny und schlug das Heft auf. Die erste Location war ein Schloss, ganz in der Nähe von Köln. Ein altes Gebäude mit hohen Wänden, Stuck und Fachwerk. Die Fotos zeigten den Essraum mit langer Theke, den großzügigen Garten und der Raum, in dem später die Zeremonie stattfinden sollte.
„Das ist richtig schön!“, freute sich Jenny und las voller Eifer die Beschreibungen, die neben den Fotos standen.
„Ist es wirklich.“ Aber so ganz konnte mich das noch nicht überzeugen. Klar, es war wunderschön und unglaublich romantisch. Aber irgendwie war es viel zu altmodisch und traditionell für Jenny und Jensen. Wir blätterten also weiter.
„Und was ist mit dem hier?“ Jenny legte mir das Buch auf den Schoss und zeigte auf die nächsten Fotos. Dieses Mal lag die Location in der Kölner Innenstadt und unterschied sich grundlegend von der davon. Die Zeremonie fand auf der Dachterrasse eines Hochhauses statt, genauso wie Banquett und Buffet. Das Geländer war verchromt und passte sehr gut zu dem neuen Parkettboden. Es war durch und durch stilvoll gestaltet, sah aber auch ein wenig teuer aus und war irgendwie zu viel des Guten.
„Passt irgendwie nicht zu euch“, sagte ich daher und warf Jenny dabei einen vorsichtigen Blick zu. Überreden musste ich sie allerdings nicht, sie sah das nämlich genau so.
Sie blätterte schnell weiter, die nächste Seite war nicht besonders viel versprechend und die danach auch nicht. Jenny stieß einen genervten Seufzer aus und blätterte in dem Moment genau die Seite auf, die ihre Augen so richtig zum Leuchten brachten.
„Mary! Das ist es!“, rief sie auf Anhieb, ohne sich die Beschreibungen überhaupt durchgelesen oder die Bilder richtig angeguckt zu haben. Ihr Gesicht erhellte sich und sie zeigte mir, was sie so begeisterte.
Es war perfekt. Es war einfach so einzigartig und passend, dass mir die Worte fehlten. Es war ein Schiff auf dem Rhein. Und nicht einfach irgendein ein Schiff. Auf dem oberen Deck standen zehn Reihen mit Stühlen, alle aus dunklem Holz und mit weißen Tüchern bedeckt. Sie waren stilvoll mit roten Rosen- Bouquets geschmückt und bildeten den festlichen Rahmen. Dann viel mein Blick auf den weißen Teppich, der den Gang bedeckte, der zwischen den Stühlen hindurch führte und das glückliche Brautpaar bis zum Altar leiten sollte. Dieser war ein großer Torbogen, ebenfalls mit roten Rosen geschmückt, und sehr stilvoll. Das Foto war wohl abends aufgenommen worden, denn die untergehende Sonne strahlte im Hintergrund und verlieh dem ganzen Bild einen wunderschönen Hauch von Romantik. Und genauso sollte es sein.
„Das ist perfekt Jenny“, nickte ich zufrieden und umarmte sie gerührt. „Einfach perfekt für euch beide. Nicht zu steril, nicht zu altmodisch und nicht zu langweilig. Ich würde die Fotos direkt Jensen zuschicken. Der sagt eh ja und dann kannst du die Location buchen und…“ ich brach mitten im Satz ab, als ich ihr Gesicht sah. Sie strahlte eine Euphorie aus, wie ich sie bei ihr selten gesehen hatte. Und obwohl sie versuchte, es zu vertuschen, konnte ich genau sehen, dass ihr die Tränen in den Augen standen.
„Oh mein Gott, Jenny!“ Lachend umarmte ich sie erneut. „Ich freu mich so für dich!“
„Ich wollte doch gar nicht heulen!“ Grinsend wischte sie sich die Tränen weg und schaute sich alles noch einmal ganz genau an.
„Das ist echt perfekt für uns. Fehlt nur noch eins.“
Fragend schaute ich sie an und sah, wie das Grinsen in ihrem Gesicht immer breiter wurde.
„Hol Ians besten Sekt. Jetzt wird gefeiert!“
Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30