Autor: Jenny&Mary
veröffentlicht am: 13.06.2012
Kapitel 11, - Nobody’s home
Mary
Umständlich versuchte ich, meine überdimensionale Reisetasche aus dem Kofferfach in der Bahn zu befreien, was mir auch nach dem dritten Versuch nicht wirklich gelang. Ich war vielleicht nur übers Wochenende in Berlin, aber ich war und blieb nun mal eine Frau. Und ich konnte nicht verreisen, ohne alles drei oder viermal dabei zu haben.
„Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?“ Vor mir stand ein Mann in meinem Alter, die Verzweiflung in meinem Gesicht war ihm wohl aufgefallen.
„Das wäre nett“, sagte ich daher, setzte ein dankendes Lächeln auf und ließ mir von ihm helfen. Da es im Gang der Bahn ziemlich eng war, beugte er sich förmlich über mich, um an den Koffer zu kommen, sodass ich seinen außerordentlich guten Geruch einatmen konnte. Ich fühlte, wie ich ein wenig errötete und wusste nicht, ob ich mich deswegen nicht schämen sollte. Ich war ja wie ein Teenager. Verlegen versuchte ich, nicht wie eine Irre auf die Muskeln zu starren, die sich in seinem weißen Band T-Shirt abzeichneten.
„So, das wärs“, sagte er, ohne dabei angeberisch zu klingen, und drückte mir meinen riesigen Koffer in die Hand. Lächelnd bedankte ich mich und hievte das Monster aus dem Gang. Aber nicht, ohne noch einmal einen Blick auf das Gesicht des Fremden zu werfen. Er sah ohne Zweifel sehr gut aus, hatte wuschelige dunkle Haare, schöne braune Augen und ein Lippenpiercing, das mir wirklich sehr gut gefiel.
Als ich die Bahn verließ fand ich mich auf dem Berliner Hauptbahnhof wieder und fragte mich zum ersten Mal ernsthaft, ob mein Plan so eine gute Idee gewesen war. Für jemanden wie mich, der vom Land kam, war es alles andere als schön, sich allein durch die Großstadt zu schlagen. Man muss dazu sagen, dass ich einmal in der Woche im Verlag in Köln war und mich dort immer noch nicht auskannte. Und jetzt war ich in Berlin, ganz alleine.
Verwirrt schaute ich auf eine der Anzeigetafeln für die S-Bahn. Ich wusste zum Glück, in welchem Hotel Ian wohnte. Das wusste ich zwar nicht von ihm, denn auf meine zahlreichen Anrufe hatte er natürlich nicht geantwortet. Aber dank diversen Promi-Zeitungen war ich perfekt informiert.
Nachdem ich eine gefühlte Stunde auf die Anzeigetafel gestarrt hatte und immer noch nicht wusste, welche S-Bahn wohin fuhr, beschloss ich mir ganz einfach ein Taxi zu nehmen. Warum kompliziert, wenn es auch einfach ging?
Allein für den Weg aus dem Bahnhof brauchte ich noch eine Stunde, weil ich mich unterwegs mehrmals verlief und dann einen chinesischen Imbiss mit gebratenen Nudeln fand. Und danach auch noch einen Starbucks. Und einen Zeitschriftenladen, in dem ich mir gleich drei Klatsch-Zeitungen kaufte. Mit Java Chip Chocolate Cream, höllischen Kopfschmerzen, haufenweise Klatsch-Stories und meiner XXL-Reisetasche bewaffnet machte ich mich also auf die Suche nach einem Taxi und wurde auch bald fündig. Zu meinem großen Glück war noch genau ein Taxi da. Und das ließ ich mir bestimmt nicht nehmen!
Mit schnellen Schritten trabte ich darauf zu, öffnete die hintere Tür und staunte nicht schlecht, als sich genau in dem Moment die Tür gegenüber öffnete. Es war ausgerechnet der Kerl, der mir im Zug geholfen hatte, und der jetzt im Begriff war, mir mein Taxi zu klauen. Bevor ich mich aber schon beschweren konnte, kam er mir zuvor.
„Oh, tut mir wirklich Leid. Ich dachte, es wäre noch niemand bei dem Taxi und…“ In dem Moment schaute er herauf und erkannte mich.
„Sie schon wieder!“ Die Art wie er das sagte, hatte irgendwie etwas Naives an sich. Aber ich musste ehrlich gestehen, dass mir seine Freude über unser Wiedersehen schmeichelte.
Wir grinsten uns einen Moment an, erstaunt über diesen Zufall. Bis der Taxifahrer sich umdrehte und mal gerne wissen wollte, wem denn jetzt das Taxi gehörte und wo es hingehen sollte.
„Also ich muss nach Berlin Mitte, zum Großen Tiergarten“, warf ich ein und hoffte für einen Moment, dass wir zusammen fahren konnten. Irgendwie war mir der Gute ziemlich sympathisch. Und tatsächlich- er musste auch in die Richtung, also beschlossen wir, uns das Taxi doch ganz einfach zu teilen.
Auf der Fahrt erfuhr ich dann, dass er Marc hieß. Marc war Photographie-Student an der Uni in Berlin und war jetzt auf dem Weg in seine Studenten-Bude. Wir unterhielten uns ziemlich gut auf der Fahrt und ehrlich gesagt war ich sogar ein bisschen enttäuscht, dass ich schon nach zehn Minuten aussteigen musste. Mit Marc konnte man einfach wunderbar reden, man merkte sofort, dass er genau in meinem Alter war. Bis das Taxi plötzlich anhielt, vor Ians Hotel.
„War cool, dich kennen zu lernen“, verabschiedete Marc sich, denn mittlerweile duzten wir uns natürlich. Grinsend nahm ich meine riesige Reisetasche, schloss die Autotür und winkte noch einmal, als das Taxi davon fuhr. Dann warf ich einen Blick auf mein Handy. Wir hatten unsere Nummern ausgetauscht.
Ein paar Minuten später stand ich schon an der Rezeption des exklusiven Hotels. Der Mann in Uniform, der dahinter stand, beäugte mich und meinen Reisekoffer ziemlich abwertend. Das konnte meinen neu erworbenen Enthusiasmus aber keinesfalls dämpfen.
„Ich möchte zu Ian Somerhalder“, begann ich und versuchte dabei so selbstbewusst wie möglich zu klingen. Aller was ich erntete war aber ein ungläubiger Blick.
„Es wollen so einige zu Mister Somerhalder.“
„Aber nicht jeder kann von sich sagen, seine Freundin zu sein.“ Und das sagte ich mit einem so triumphierenden Blick, dass der Mann zunächst nichts erwidern konnte. Doch dann zog er die Augenbraue hoch und warf noch mal einen Blick auf meine alte Reisetasche und musterte mich von oben bis unten. In zerrissenen Chucks, Jeans und Sweatshirt Jacke sah ich wohl nicht so aus wie die Freundin von Ian Somerhalder.
„Und das soll ich Ihnen glauben?“, fragte er daher. Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. Aber ich hatte schon damit gerechnet, dass man mir das nicht glaubte. War schließlich nicht das erste Mal, dass ich Ian in einem überteuerten Hotel besuchte. Die drei Zeitschriften, die ich mir im Bahnhof gekauft hatte, waren genau für diesen Moment bestimmt.
„Bittesehr“, sagte ich mit einem zuckersüßen Lächeln, holte eine der Zeitschriften hervor und legte sie vor ihm auf den Tresen. Direkt auf der dritten Seite, in einem Artikel über Prominente und ihre Partner, waren Ian und ich abgebildet. Auf einem Konzert, auf dem wir Anfang des Jahres zusammen gewesen waren. Ich trug sogar dieselben Chucks wie jetzt. Missmutig verglich der Portier das Bild mit mir und musste dann wohl oder übel zugeben, dass ich es wirklich war.
„Mister Somerhalder befindet sich in Zimmer 125“
Und schon eine Minute später stand ich dank Aufzug direkt vor besagtem Zimmer im vierten Stock. Es war ein Penthouse, wie immer. Und ich wusste schon bevor ich es überhaupt betreten hatte, dass es eine riesige Fensterfront und weitläufige Zimmer haben musste.
Mit weniger Luxus gab sich ein Ian Somerhalder eben nicht zufrieden.
Ich atmete noch einmal tief durch, strich mir die Haare aus dem Gesicht und klopfte dann nervös gegen die vertäfelte Tür. Ich war in dem Moment so unsicher wie noch nie, weil ich absolut nicht wusste, ob ich Ian mit Freude oder Enttäuschung gegenüber stehen sollte. Immerhin hatte ich einen guten Grund, wütend und enttäuscht zu sein. Hätte ich dieses Interview nicht gesehen, hätte ich schließlich keinen blassen Schimmer, dass er im Moment in Deutschland war. Von seiner neuen Rolle mal ganz zu schweigen. Und überhaupt hatte sich der Kerl in den letzten paar Monaten nur ein paar ganz seltene Male gemeldet, wenn überhaupt.
Aber auf der anderen Seite fiel es mir unglaublich schwer, das wohlige Gefühl in mir zu unterdrücken, das jetzt aufkam, als ich auf ihn wartete. Wir hatten uns so lange nicht gesehen. Und welche Grund es auch immer geben mochte, auf ihn wütend zu sein- ich liebte ihn. Und ich hatte ihn verdammt noch mal vermisst.
Mit diesen Gedanken beschäftigt wartete ich eine gefühlte Ewigkeit, bis die Tür sich ganz urplötzlich öffnete.
„What the fuck? Mary! Was machst du denn hier?“ Ungläubig stand ich dort, zu verwirrt um auch nur ein Wort zu sagen.
Vor mir stand Jensen.
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