Weirdly - Teil 8

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 27.05.2014


8. Friend, Friends, Boyfriend, Girlfriend

Seit dieser Nacht habe ich meinen Dad erst mal nicht wieder gesehen. Der Alltag nimmt darauf keine Rücksicht und ich sitze jetzt im Unterricht, wo der Englischlehrer zum Wohl hundertsten Mal erklärt, dass unsere Sprache so besonders ist und zwischen den Formen von Freundschaft unterscheidet. Weil es Sprachen gibt, in denen sowohl „boyfriend oder girlfriend“ als auch „friend“
zum Beispiel nicht unterschieden werden und einfach nur als „Freund“ oder „Freundin“ bezeichnet werden und man so doch nicht eindeutig wüsste welcher Beziehungsstand gemeint ist. Langeweile kann unheimlich frustrierend sein und am liebsten würde ich diesen Mann da vorne einfach nur anschreien und mich vom Schuldach stürzen.
Kenan dagegen scheint jede Schulstunde in sich aufzusaugen, ob es neues Wissen ist, oder nicht.
Beinahe beneide ich ihn. Er hat sich sehr gut in der Klasse eingefunden, hat gewissermaßen einen Freundeskreis aufgebaut, wird von allen Mädchen angehimmelt und hat auch mit den Lehrern keine Probleme. Ganz im Gegensatz zu mir, die von Mitschülern verachtet und von Lehrern permanent aufgerufen wird um zu zeigen, dass ich nur zu faul bin, mich am Unterricht zu beteiligen.
All das ist mir mittlerweile ziemlich gleichgültig. Kenan macht es relativ erträglich in dem zumindest er nett zu mir ist und das sorgt dafür, dass der größte Teil der Klasse sich anständig mir gegenüber verhält. Dumm nur, dass es eine Situation eher verschärft. Tessa und ihre Klone haben gemerkt, dass Kenan und ich uns gut verstehen. Während des letzten Monats bin ich ihnen zunehmend aus dem Weg gegangen, es ist mir lieber ein Außenseiter zu sein, als Freunde zu haben, die Feinde überflüssig machen.
„Was soll das werden?“ Die einzige Tatsache, warum ich den Sportunterricht hasse ist, dass es Tessas liebste Zeit ist um mich abzufangen.
„Was meinst du?“
„Erst machst uns zum Deppen indem du dich kleidest wie ein Depp, dann lässt du uns links liegen und jetzt schmeißt du dich an Kenan ran.“
„Also zunächst, kleide ich mich, wie ich es will.“ Ich habe zu lange meine Klappe gehalten. „Als nächstes freunde ich mich eher mit einer echten Schlange an, als mit Menschen, die sich wie eine verhalten. Und als drittes: Was zwischen mir und irgendwelchen Jungs ist, geht euch zwar nichts an, aber Kenan und ich sind nur Freunde. Also macht euch nicht ins Höschen.“
Vielleicht war es zu viel. Dass es ganz sicher zu viel war, stelle ich fest, als sie mich gegen die Wand drücken und mir die Luftröhre zerquetschen. Sie hätten sicher noch mehr getan, würde nicht in diesem Moment Sean zur Sporthalle kommen. „He, was macht ihr da?“
„T-Sean... d-das ist nichts“, ich habe Tessa noch nie so hilflos stottern gesehen. „Nur ein Spaß unter Freundinnen“
Sehr überzeugend ist sie nicht, besonders da hinter ihr eine nach Luft ringende Akira steht.
„Spaß sieht mir anders aus. Macht, dass ihr wegkommt, bevor ich es dem Rektor melde.“
Ich verziehe meinen Mund zu einem schwachen Grinsen. „Ich habe die drei noch nicht einmal im Sportunterricht so rennen gesehen.“ Als ich es wieder schaffe besser zu atmen, richte ich mich wieder auf. „Danke.“
„Keine Ursache... Du bist Akira, richtig?“
Ich nicke. Sean ist in der zehnten, ziemlich sportlich, aber eher der ruhige Typ. Er sieht ziemlich gut aus, aber da er nicht gerade ein Aufreißer ist, haben die Mädchen eher Interesse an seinem besten Freund.
„Soll ich dich zurück zur Schule begleiten?“
„Nein, nicht nötig... du wolltest doch gerade zum Sportunterricht. Du kommst sonst noch zu spät.“
Die Sporthalle liegt etwa einen halben Kilometer neben der Schule.
„Nicht schlimm.“
Wie erklärt man jemandem, dass es nicht nötig ist einen zu begleiten, weil man gewöhnlich einen Bodyguard hat, der nur gerade nicht da ist, wenn man ihn braucht, ohne ihm zu sagen, dass man einen Lifeguard hat um nicht als Looser dazustehen?
Also begleitet Sean mich zur Schule.
Und wieder bedanke ich mich. Mit seinem freundlichen Lächeln, sieht er mich eine Weile an. „Hey, ähm...“ er kratzt sich verlegen am Nacken „Hättest du nicht Lust, mal mit mir ins Kino zu gehen?“
Ich brauche einen Moment um zu verstehen, dass er wirklich mich meint. „Ins Kino?“
„Sorry, ich wollte nicht aufdringl-“
„Gerne“, unterbreche ich.
„Wirklich?“
Ich nicke. Mein Dad ist nicht da um es mir zu verbieten und Kenan werde ich schon überzeugen sich frei zu nehmen.
Ich habe ein Date.

„Du kennst ihn doch gar nicht.“
„Kenan, du bist nicht mein Dad.“
„Aber-“
„Nimm dir frei, oder was auch immer. Dad ist sowieso nicht da um es zu kontrollieren.“
„Darum geht es doch gar nicht. Was, wenn etwas passiert?“
„Dann Ist Sean da um mir zu helfen.“
„Und wer hilft dir, wenn du Hilfe vor ihm brauchst?“
„Wir gehen nur ins Kino. Gott, das ist doch lächerlich, normalerweise müsste ich so eine Diskussion mit meinen Eltern führen und nicht mit meinem Bodyguard.“
„Nur Bodyguard also, hm?“
„Kenan, so war das nicht gemeint... Aber verstehst du nicht, es ist einfach mal schön, dass sich ein Junge für mich interessiert.“
„Ich verstehe... Amüsier\' dich.“
„Danke...“ Ich lächle ihn an „Und am Wochenende lerne ich mit dir.“
„Soll mich das aufheitern?“ Als ich ihn lachen höre, bin ich beruhigt.
„Du bist ein guter Freund, Kenan.“
„Ich weiß“, sagt er und zwinkert mich mit einem Funkeln in seinen grünen Augen an.

Ich bin verdammt aufgeregt. Geschlagene zwei Stunden lang, habe ich mir überlegt – gewöhnlich brauche ich keine zehn Minuten.
Als Sean mich jedoch anlächelt, fällt die Anspannung einfach ab. Er hat etwas unglaublich beruhigendes. Das Date verläuft super und am Ende begleitet er mich sogar nach Hause. Ja, ich glaube ich bin zum ersten Mal seit langem, so etwas wie verliebt.
„Also, wir sehen uns dann in der Schule?“
Ich nicke, um nicht versehentlich etwas Dummes zu sagen. Aber dann schafft er es, mir selbst diese Angst zu nehmen. Gerade als er gehen will, bleibt er noch einmal stehen und kommt zu mir zurück. „Ich war ziemlich aufgeregt, weil ich wirklich wollte, dass du mich magst... entschuldige, dass ich nicht so viel gesprochen habe.“
Ziemlich überrascht, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu gestehen, dass es mir nicht anders ging und plötzlich ist die Stimmung wie entfesselt. Ich schätze er geht genauso erleichtert nach Hause, wie ich.
Als ich die Tür aufschließe, bleibe ich an der Schwelle stehen und warte. Nach einer Weile sage ich dann ziemlich gereizt: „Ich weiß, dass du da bist.“
Hinter einem großen Baum, kommt mein bezahlter Stalker hervor. „Du wusstest es?“
„Natürlich. Du bist nicht so unauffällig, wie du denkst.“
„Mist.“
„Na los, langsam wird’s kalt.“
Als ich die Jacke aufhänge, bin ich sogar ziemlich froh, dass ich mit Kenan gleichzeitig ins Haus gekommen bin. Dad kommt aus der Küche. „Oh, da seid ihr ja. Akira, du siehst heute so anders aus. Wo wart ihr?“
„In der Stadt.“ Und noch ehe ich ausgesprochen habe, wird mir im Blick meines Vaters klar, was es bedeutet einen Bodyguard zu haben, bei einem Vater, der Gedanken lesen kann.
„Das hast du nicht wirklich getan?“
Kenan versteht nicht, was ich meine. Mein Dad schon. Es bedarf keiner weiteren Erklärung. Enttäuscht schüttle ich den Kopf und gehe. „Ich dachte, wenigstens so viel wäre ich dir wert, dass du das respektierst.“
Dass er meine Gedanken nicht lesen kann, heißt nicht, dass er nicht über Kenan herausfinden kann, was ihn interessiert. Das Bisschen Leben, das ich damit hatte ist hiermit weg.
Es klopft an meiner Tür. Demnach wird es wohl Dad sein. „Geh – einfach -weg.“
„Können wir reden?“ Dringt es gedämpft durch die Tür.
Ich schließe auf. Warum, weiß ich nicht. Dann fällt es mir ein. Ich will meine Wut auslassen. Aber hätte ich die Antwort auf folgende Frage gekannt, hätte ich sie nie gestellt.
„Wenn du mich sowieso nicht haben willst, warum gibst du mich nicht einfach in ein Heim?“
Jeder andere Vater hätte gesagt: „Schätzchen, wie kannst du so etwas nur sagen. Du bedeutest mir alles, niemals würde ich dich in ein Heim geben.“
Das war die Antwort mit der ich gerechnet habe. Warum auch immer.
Was mein Dad sagte war: „Willst du das?“






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