Gifted - Die Befreiung - Teil 8

Autor: Aven
veröffentlicht am: 10.07.2012


So ihr lieben,
danke erst Mal an alle die meine Geschichte verfolgen! Hab mich mit dem neuen Teil beeilt und hoffe natürlich dass er gut ankommt.:) Über Kommentare jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Man mag ja wissen, ob man was anders, oder besser machen kann.:D
Also viel Spaß beim Lesen und
bis denne, LG
Aven

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Sie hielt den Atem an und starrte in die Dunkelheit. Sie versuchte zu erkennen, wer da mitten in der Nacht vor ihrem Zimmer saß. Urplötzlich kroch ein wohliges Gefühl direkt aus ihrem Herzen heraus. Wie eine Kettenreaktion breitete es sich von einer Zelle zur nächsten aus, bis es sie ganz und gar, von Kopf bis Fuß erfüllte. Es war wie eine warme Decke, die sie einhüllte. Sie stutze kurz, bevor sie begriff, dass es ihre Intuition war, die sich da meldete. Nun war ihr klar, wer da stand, doch das brachte sie nicht dazu, sich zu entspannen, denn sofort musste sie ihre Kehle beherrschen, um nicht wieder Galle zu schmecken, sie hatte schließlich nur ein winziges Frühstück intus.
Denn wieso zum Teufel, sollte er zu dieser unchristlichen Zeit vor ihrem Zimmer sitzen und offensichtlich auf sie warten?
„Was machst du denn hier?“ rutschte es ihr dann heraus und sie konnte die Überraschung kaum verbergen.
Pareios stand auf und streckte sich. Er trat aus dem Türrahmen heraus und jetzt fiel ein Schimmer des Lichts, der noch aus dem Speisesaal bis hierher reichte, auf sein Gesicht. Er machte einen zerknitterten Eindruck. In seinen Augen war noch Schlafsand und sie waren leicht geschwollen. All diese kleinen Details verrieten, dass er hier vor ihrer Tür geschlafen hatte.
Er sah sie forschend an, dann warf er einen Blick auf seine Uhr.
„Verdammt, es ist 4:30 Uhr. Ich muss total eingepennt sein, ich ….“ Er brach mitten im Satz ab. „Es ist 4:30 Uhr, Aurelia!“ sagte er noch ein Mal, jetzt aber deutlich empört. „Wo treibst du dich denn bitte um die Uhrzeit rum?“ Sie war total perplex. So einen Ausspruch hatte sie vielleicht von Viktor erwartet, aber doch nicht von dem leichtlebigen Pareios.
Sie traute ihren Ohren kaum und dachte wieder, dass das gerade der Richtige fragte. Was sollte sie bloß darauf sagen? Wieder war er derjenige, mit dem sie als allerletztes darüber reden wollte, wo sie herkam und was sie gerade getan hatte. Der Gedanke daran trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht, da die Situation so paradox war, dass es sich wohl kaum überbieten ließ.
Da hatte sie sich Amander hingegeben, um Pareios und ihren Selbsthass zu vergessen, nur um dann prompt ein paar Minuten später wieder deren Weg zu kreuzen. Welch Ironie! Es war wie alles in ihrem Leben, sie wurde sie einfach nicht los, egal, was sie auch tat. Ihre Aktion war also völlig sinnlos gewesen, bis auf die kurze Befriedigung natürlich. Und jetzt gesellten sich zu diesen ganzen absonderlichen Gedanken auch noch das Gefühl, dass sie ihn betrogen hatte, was den Selbsthass feurig auflodern ließ. Verstört rief sie sich selbst zur Ordnung. Es verband sie nichts mit Pareios, das es rechtfertigte, ihre Tat als Betrug zu bezeichnen.
Natürlich bemerkte er den rosigen Hauch, der auf ihren Wangen aufgetaucht war und zog sofort die richtigen Schlüsse. Welch ein Wunder, er kannte sich ja auch aus. Dann sah er sie nur an. Wortlos bohrte er seine Augen in ihre. Die Dämmerung leuchtete und die Sterne glitzerten ihr entgegen. Sie presste die Kiefer zusammen und schluckte ein paar Mal verkrampft. Dieser elendige, rebellierend Magen!
„Wusste nicht, dass dich das interessiert!“ war das einzige, was sie herausbrachte. Dann schloss sie schnell wieder den Mund, bevor sie die Beherrschung verlor und ihm vor die Füße kotzen konnte. Seine Augen weiteten sich nun ob der Erkenntnis. Da sie so schnippisch reagierte, erhärtete sich sein Verdacht und nun verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse, die sie kaum mehr wieder erkennen konnte. Es dauerte allerdings nur eine Sekunde, bis er wieder ausdruckslos dreinblickte.
Verwirrt nahm sie dann seine Trauer wahr, als er sagte: „Nein, du hast natürlich recht, das hat mich nicht zu interessieren.“
Als er sich zum gehen wandte, griff sie nach seinem Arm. Er zuckte regelrecht zusammen, als ihre Haut auf seine traf. Er starrte auf ihre Hand und wieder war sein Gesichtsausdruck mehr als irritierend. So viel schwang darin mit, sie konnte es nicht deuten. Einerseits sah sie Sehnsucht, andererseits eine Qual, als ob sie ihm ein glühendes Eisen aufs Handgelenk gedrückt hätte. Sofort ließ sie ihn los.
„Warum bist du eigentlich hier?“ fragte sie dann. Es war der einzig sinnvolle Gedanke, den sie in diesem Moment noch formulieren konnte.
Es war eine Weile still, bis er antwortete. Es kam Aurelia wie Minuten vor.
„Ich,… ich hatte vorhin das Gefühl, dich beschäftigt was und du könntest Gesellschaft gebrauchen!“ Die Sanftheit mit der er es sagte, floss in Aurelias Bauch und setzte sich dort als warmes, wohliges Glühen fest.
Doch seine nächsten Worte waren wie Peitschenschläge, er zischte sie genauso, wie ein Hieb klang. „Und ich denke, die hast du ja auch bekommen!“

Dann ging er endgültig davon und hinterließ eine völlig verdatterte Aurelia, der jetzt schon klar war, dass sie heute Nacht keine Sekunde mehr schlafen würde.




Wütend warf sie sich von einer Seite auf die andere. Sie brodelte fast vor Selbsthass. Er war wie ein kleiner Vulkan, der immer wieder Beben durch ihren Körper sandte und vor einer nahestehenden Explosion warnte.
Sie konnte die Absurdität dieser Nacht immer noch nicht begreifen. Wie viele Anstrengungen sie doch unternommen hatte, um an etwas anderes zu denken, als an ihn und dann schaffte er es innerhalb von Minuten, mit nur ein paar Sätzen, sich unwiderruflich in ihren Verstand einzubrennen. Sich einzunisten und tiefe Wurzeln zu schlagen. Was wenn sie das nie wieder los wurde? Dann war sie für den Rest ihres jämmerlichen, viel zu langen Lebens auch noch dazu verdammt, sich jeden Tag zu übergeben. Als wäre der ganze Rest nicht schon Martyrium genug.

Zum aller ersten Mal wünschte sie sich ernsthaft, endlich etwas so schönes genießen zu können. Ohne die Gewissensbisse, die Übelkeit und die Schuldgefühle. Sie wollte wirklich, dass die Verbindung zwischen den beiden Emotionen Zuneigung und Abscheu, endlich abriss und sie frei von dieser Qual war. Zum ersten Mal wollte sie wahrhaftig vergessen. Ein neues Leben beginnen. Erneut wünschte sie sich, sie könnte einfach ihr Leben tauschen, ihretwegen auch gegen eines ohne Begabung, aber vor allem ohne diese schrecklichen Fehler, die sie begangen hatte und die sie nicht wieder gut machen konnte.

Dann schweiften ihre Gedanken zu Pareios. Warum zum Teufel verhielt er sich so? Bei dem Gedanken daran, traute sie sich fast nicht, ihn weiterzuspinnen. Er barg einige gefährliche Klippen aus schmerzhaften Erkenntnissen.
Sie waren in den letzten Wochen so etwas wie Freunde geworden und als war das nicht genug, waren jetzt da ihre Gefühle, über die sie nicht genauer nachdenken konnte, weil es ihr dabei schlecht ging. Aber was war mit ihm?
Die Nähe, die er plötzlich suchte war zwar merkwürdig, aber er war ein Frauenheld. Nur logisch, dass er es irgendwann auch bei ihr versuchen würde, hässlich war sie schließlich nicht. Und was war das in seinen Augen gewesen, als er sie fragte, ob sie überleben würde? Es war eindeutig Schmerz gewesen, ein verzweifelter Schmerz über ihr Ableben. Aber so etwas würde Aurelia selbst auch empfinden, würde Viktor etwas zustoßen, auch wenn er nicht mehr ihr Viktor war.
Doch dann sein Blick als er sie mit Amander gesehen hatte und das gesamte merkwürdige Gespräch vor ihrer Tür. Er hatte sich um sie kümmern wollen und sie war bei einem anderen Mann gewesen. Vielleicht wunderte er sich über ihr Verhalten. Aber er kannte nicht ihre ganze Geschichte und er wusste nicht, warum sie es getan hatte. Nein, es war keine reine Verwunderung gewesen. Sie hatte ihn getroffen. Aber wie konnte das in einer platonischen Beziehung geschehen?
Es schien, als wären seine Gesten und seine Worte darüber hinausgewachsen, für eine Freundschaft bestimmt zu sein. Aber sicher sein konnte sie sich da nicht, denn sie hatte keinerlei einschlägige Erfahrung, was das betraf.
Sie verwünschte ihn und sich selbst, weil sie sich ernsthaft fragte, wie sie das überstehen sollte. Sie versuchte ja, diese Regungen für ihn zu beerdigen, aber wenn er sich ihr gegenüber immer wieder so…. zweideutig verhielt, dann drängte er sich damit wieder in ihr Herz, das sie gerade erst mühevoll von ihm gesäubert hatte. Mit ihm darüber zu sprechen und ihn zu bitten, das verflucht noch mal sein zu lassen, kam nicht in Frage. Dann hätte sie auch erklären müssen, warum sie es nicht ertragen konnte.
Sie könnte ihn so lange kalt und abweisend behandeln, bis er es sein ließ. Aber was, wenn er sich dann ganz vor ihr zurückzog. Und der wichtigste Punkt: konnte sie auch nur eines von beidem aushalten?
Es hielt sie jetzt nicht mehr auf ihrer Pritsche. Mit einem gurgelnden Stöhnen richtete sie sich auf, wobei sich alles zu drehen begann. Sie konnte gerade noch den Abfalleimer packen und sich darüber beugen, bevor sie Reste des Apfelsafts und kleine Fäden an Galle erbrach.
Der Reiz in ihrer Kehle war so heftig, dass sie immer wieder würgte und ihr dabei die Tränen in die Augen stiegen. Nach ein paar Minuten ließ es langsam nach, doch sie behielt vorsichtshalber den Eimer vor sich. Sie wischte sich den Mund mit einem Handtuch ab und die Übelkeit, die ihren Geist einnahm, trat langsam wieder in den Hintergrund und machte ihrem Gedankenkarussell Platz.
Eins war ihr durch ihre körperliche Reaktion sonnenklar: Sie konnte es nicht! Sie war gefangen!
Er kitzelte etwas aus ihr heraus, das sie sich in ihrem Selbsthass verboten hatte und ihre selbstauferlegten Fesseln waren so stark, dass sie sie sogar körperlich immer wieder in die Schranken wiesen. So konnte sie nicht in seiner Nähe sein, war aber auch genauso unfähig ihn loszulassen.
Als ihr klar wurde, dass es kein Entrinnen gab, war es wie immer in solchen Situationen in ihrem Leben. Sie fügte sich ihrem Schicksal. Sie würde lernen müssen, damit zurechtzukommen. Vielleicht tat ihr Pareios ja auch einen Gefallen und wandte sich irgendwann von ihr ab.
Und wieder dieser einzige Gedanke: Konnte sie das ertragen, wenn es so weit war?

Wütend über sich selbst lief sie ein paar Mal im Zimmer hin und her. Ihr seelischer Zustand trieb sie umher, sie konnte ihren Körper nicht mehr stillhalten. Seufzend kniete sie sich zu Boden und begann Liegestütze zu machen. Das stetige auf und ab ihrer Bewegung lullte sie ein wenig ein. Sie machte weiter so lange bis ihre Muskeln brannten und zitterten. Genau diesen Punkt hatte sie erreichen wollen. Jetzt musste sie alle Anstrengung darauf verwenden weiter zu machen, die Muskeln zu zwingen, die Krämpfe zu überwinden und weiter ihre Last hoch und runter zu bewegen. Bei 300 hörte sie auf zu zählen, machte aber weiter. Irgendwann spürte sie ihre Arme nicht mehr, da gaben sie unter ihr nach und sie fiel erschöpft auf den Bauch. Jetzt kreiste es langsamer, das Karussell in ihrem Kopf.

Sie stand auf und beschloss duschen zu gehen. Sie packte ihr Handtuch und frische Kleidung ein, dann machte sie sich auf den Weg zu den Sanitäranlagen. Hier im Bunker gab es zwei große Waschräume, einen für Männer und einen für Frauen. Sie lagen im vorderen Bereich des Bunkers und waren etwas weiter von Aurelias Kammer entfernt. Die Gänge waren einsam und verlassen und als sie die Bäder erreichte, konnte sie sehen, dass auch hier niemand war. Sie schaltete das Licht in den Frauenwaschräumen an und entledigte sich von Shirt, Hose und Unterwäsche. Sie duschte sich zuerst heiß. Schrubbte kräftig und ausdauernd, bis ihre Haut übersät von roten Flecken und Striemen war. Sie wollte schrubben, als ob sie sich damit auch den Geist sauber rubbeln könnte. Dann drehte sie auf eiskalt und blieb so lange unter dem Wasserstrahl stehen, bis ihr Körper, besonders die Schultern, die Brust und der Kopf ganz taub waren. Sie schlotterte regelrecht, als sie das Wasser abstellte und eine Gänseheut, die beinahe schmerzte, überzog die ganze Haut. Sie wusste nicht, ob es ihr gelungen war, die vergangene Nacht von sich abzuwaschen, aber sie hatte den Entschluss gefasst, sich nicht schon wieder in weitere Überlegungen zu vertiefen.

Als sie die Duschen verließ, nachdem sie sich getrocknet und frische Sachen angezogen hatte, war sie noch schnell einen Blick auf die große Uhr über der Ausgangstür. Es war 6:15 Uhr und sie war froh dass diese vermaledeite Nacht sich endlich dem Ende näherte.
Sie trat aus dem Waschraum heraus und bog nach rechts ab, da stieß sie heftig gegen eine große breite männliche Brust. Viktor! Sie wusste es schon, bevor sie den Kopf hob. Es war eine Mischung aus ihrer Intuition und ihrer Vertrautheit, die ihr dies ermöglichte.
Er war zwar überrascht, sie zu sehen, aber er wusste, dass Aurelia wenig und schlecht schlief, man hätte ihr öfters nachts und früh morgens über den Weg laufen können.
„Hm, kannst du nicht schlafen?“ fragte er sie dann leicht belustigt, denn es war eine rhetorische Frage, er wusste die Antwort ja bereits. Sie schüttelte trotzdem den Kopf und musste ebenfalls lächeln, schließlich stand er auch hier, ihm ging es folglich genauso.
„Die Steine?“ fragte sie dann. Er musste was sie meinte, dass ihn diese Geschichte plagte und ihm den Schlaf raubte. Er nickte und seine Miene verdüsterte sich. „Es frustriert mich ungemein, nicht Handeln zu können. Und dass die Dinger hier sind beunruhigt mich auch. Ich meine, Meredia und der Kleine…, was wenn…? Wir müssen das klären, damit sie in Sicherheit sind!“ Er hatte sich dabei ein wenig in Rage geredet, rang die Hände und seinen grauen Augen waberten wild. Als er dann schmerzvoll die Kiefer zusammenpresste und durch die Nase schnaubte, erkannte sie seine Angst. Blanke Angst um das Leben seiner Frau und seines Sohnes.

„Viktor, kann ich dich was fragen?“ Er hob gewährend die Hand, um ihr zu bedeuten, dass sie sprechen konnte. „Sicher… alles, was du willst…“
„Ähm, wie ist das…, ich meine….“ sie suchte nach Worten. Über diese Thema, oder ein ähnliches hatten sie noch geredet. „Wie fühlt sich das an, mit seinem Gegenstück zusammen zu sein?“
Verdutz sah er sie an und zog die Brauen nach oben. Es bildeten sich kleine Fältchen auf seiner Stirn. Dann überwand er seine Überraschung und überlegte kurz. Dabei legte er die Hand in den Nacken, wie er es oft tat. Daran wie er dastand konnte sie erkennen, dass es ihm irgendwie unangenehm war, mit ihr darüber zu reden. Trotzdem setzte er zu einer Erklärung an. Viktor war kein Feigling, der sich rausredete.
„Also, wie beschreibt man das am besten?... Es ist… nichts bedeutet dir mehr, als dieser eine Mensch. Du willst bei ihm sein, du wirst von ihm angezogen, wie die Motte vom Licht. Wenn man mit ihm zusammen ist, fühlt man sich komplett, voll und ganz, ist man ohne sein Gegenstück, ist es, als ob einem der rechte Arm fehlen würde. man ist aus dem Gleichgewicht, kann sich auch nicht 100%ig konzentrieren. Es nimmt alles ein, was du bist, ohne dass du es merkst und du bist einfach nur glücklich. Und….“ Er stoppte kurz und Aurelia sah verwundert, wie er leicht errötete.
„Der Sex… es ist unbeschreiblich, ich kann es glaube ich nicht in Worte fassen. Die Verbindung kennt keine Grenzen, du fühlst alles vom anderen. Er könnte dir nichts verheimlichen, selbst wenn er wollte.“ Er räusperte sich verlegen und war bemüht, sie nicht anzusehen. Stattdessen starrte er irgendwo an ihren Füßen vorbei an einen Fleck auf dem Boden.
„Es wundert mich wirklich, dass gerade du danach fragst!“ sagte er dann in die entstandene Stille hinein. Sie wusste, dass er von ihr eine Erklärung haben wollte, aber was hätte sie sagen sollen? Früher konnten sie sich alles erzählen, auch über ihre Affären hatten sie gesprochen. Aber jetzt fühlte es sich anders an. Ihre Beziehung hatte sich verändert und wie hätte sie erklären sollen, in welcher Lage sie war. Schließlich war der, der das ganze Schlamassel ausgelöst hatte, Viktors Bruder. Sie hatte nie auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, ob es ihn stören könnte, wenn sie etwas für Pareios empfand. Sie hatte das Gefühl, dass es besser war, nicht mit Viktor darüber zu reden. Es würde die ganze Sache nur unnötig komplizieren, denn sie versuchte ja mit aller Macht, es abzustellen. Wenn sie es aussprach, wurde es nur umso realer.
Deshalb zuckte sie nur die Schultern und sagte stattdessen, um eine andere Richtung einzuschlagen: „Und… als du sie gesehen hast, wusstest du es da? War dir sofort klar, worum es sich handelt?“ Er nickte. „Ja, ich wusste es sofort. Die Gewissheit drängt sich einem förmlich auf, würde ich sagen…“ er lächelte jetzt ein wenig verträumt in sich hinein.
„Warst du vorher schon mal verliebt?... Also, wie ist das im Vergleich?“ ließ sie nicht locker, weil sie nicht richtig greifen konnte, wie man sein Gegenstück erkennen konnte.
Jetzt erstarrte Viktor für den Bruchteil einer Sekunde. Etwas schien ihn zu durchfahren. Dann fuhr er fort. Der Hauch einer uralten Trauer schwang in seiner Stimme, als er sagte: „Ja…, ich war schon mal verliebt… und es fühlt sich nicht im mindesten gleich an…. nicht zuletzt, weil dein Gegenstück mit Sicherheit das Gleiche empfindet, wie du…, normale Liebe kann unerwidert bleiben.“ Bei den letzten Worten, trafen sich kurz ihre Blicke. Er sah schnell weg, aber trotzdem war es, als hätte er beinahe mit dem Finger auf sie gezeigt.
Ihr wurde heiß und kalt und jetzt bereute sie es zutiefst, dieses Thema angesprochen zu haben. Was deutete er da an? Hatte er in all den Jahrhunderten…?
Sie hatte Angst vor der Antwort und es war ihr schrecklich unangenehm, darüber nachzudenken. Sie überlegte, was sie auf seine kryptischen Aussagen erwidern, die Beklemmung zerstreuen könnte, ohne dieses Thema auch noch zu vertiefen.
„Aber… was, wenn man gar nicht im Stande ist zu lieben?“
Sie hatte den richtigen Satz gewählt. Viktor verstand ihr verschlüsseltes Zeichen, er wusste es ja auch so. Sie sah beinahe bildlich wie er die Traurigkeit hinunter schluckte, dann legte er ihr die Hand versöhnlich auf die Schulter.
„Glaub mir, du wirst es wissen und du wirst lieben…. !“ seine Stimme war tief und rau, dann wurde sie etwas bitter, als er fortfuhr :“Es gibt diesen Mann, den sogar du lieben kannst.“
Da erkannte sie, dass es nicht nur Meredia gewesen war, die ihre Beziehung abgewürgt hatte. Sie selbst hatte es getan, weil sie unfähig gewesen war, wahre Nähe zuzulassen. Ihr Herz war jetzt nur noch ein harter Klumpen Fleisch.

Wäre sie ein normales Wesen, hätte sie sich jetzt bemitleidet, aber so wollte sie nie sein. Es geschah ihr recht und sie hatte es verdient. Sie war sogar fast… zufrieden.
Aber sie hatte nicht die Gelegenheit, sich zu malträtieren oder zu beglückwünschen, denn plötzlich vibrierte Viktors Comunicator. Er funktionierte nur hier im Bunker und lediglich Teamleiter besaßen einen.
Mit seiner Schnelligkeit beförderte er das kleine silberne Gerät aus seiner Tasche an sein Ohr, ohne dass sie die Bewegung sehen konnte.
„Markus?“
Er hörte dem Ratsmitglied zu und seine Gesichtszüge verhärteten sich langsam, dann nickte er ein paar Mal ernst. „Ok, wir kommen gleich!“ Mit diesen Worten legte er blitzschnell auf.
„Markus will mit uns reden, vor allem mit dir! Syrus ist mit der Analyse fertig!“






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