Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 21.08.2013
Kapitel 10
Will
Mit ganzer Kraft renne ich. Ich kann sie noch erwischen. Ich springe hoch in die Luft und schnappe sie mir. Hinter mir höre ich Beifall und Staunen. Grinsend wende ich mich um und halte die Scheibe hoch. „Hab sie.“
Der Tag heute ist wirklich schön. Wann habe ich mich das letzte Mal so amüsiert? Es ist heute ziemlich warm. Einer der letzten warmen Tage des Jahres, nehme ich an. Ich werfe die Scheibe zu Chris, der sie gemütlich auffängt und weiter wirft und gehe zu Clara, die in der Wiese sitzt und zu sieht. „Du bist nicht sonderlich sportlich, oder?“
Sie lächelt leicht. „Nein. Ich lese lieber.“ Ich sehe auf das Buch in ihrer Hand. „Du ließt aber schon noch etwas anderes, als die Bibel?“
„Wäre es schlimm, wenn nicht?“
„Ich weiß nicht... Ich finde diese ganze Jesus-Geschichte seltsam.“ Clara setzt gerade an um etwas zu entgegnen, als mein Blick auf die Uhr fällt. „Mist. Ich muss los. Tut mir leid.“ Ich springe auf und verabschiede mich kurz. Heute steht ein Kampf an.
„Willst du wirklich gehen?“ Abseits der anderen steht Chris. Er mustert mich mit durchdringendem Blick. So als wüsste er, wo ich hin gehe. Weiß er es? Ich habe das Gefühl er hat mich schon lange durchschaut.
„Ja.“
„Was meinst du dort zu finden?“
Ich würde es ihm gerne sagen. Dieses Gefühl in mir... ihm zu sagen, dass ich Rache will. Rache für den, der mir genommen wurde. Aber ich kann es nicht, also falle ich zurück in mein altes Muster. „Das geht dich nichts an.“
Ich meide seinen Blick. Die Atmosphäre allein sagt mir, dass meine Worte ihn getroffen haben. „Willow... ich weiß nicht, was du meinst in diesen Kämpfen zu finden. Aber ich spreche aus Erfahrung. Es bringt dir nichts als Unglück. Glaub mir doch.“
Wie ich es mir gedacht habe. Er hat mich durchschaut. „Mein Name ist Will.“
Chris
Was soll ich machen? Ihr nach rennen? Sie anflehen es nicht zu tun? Es ist schrecklich. Wenn es um einen selbst geht, dann ist es einem ziemlich egal, ob man in einem Kampf verletzt wird. Aber sobald es um jemanden geht, der einem wichtig ist, kann man Nachts vor Angst nicht schlafen. Ich kann es ihr nicht ausreden. Ich kann nichts tun, als zu beten, dass sie dort heil raus kommt. Und dass sie diese Idee an diesen Kämpfen teil zu nehmen, endlich aufgibt. Ich fürchte ich werde es ihr nicht ausreden können, auch wenn sie mir sagt, was ihr Grund ist. Sie muss diese Entscheidung für sich selbst treffen.
Will
Blut... überall...
An meinen Händen. An meiner Kleidung. Eine Stimme, die einen Namen ruft. „Will!“ Ein Schrei, der einem durch Mark und Bein dringt. Tränen, die auf das Blut tropfen. In mir herrscht Chaos. Meine Welt zerbricht. Was für ein Kontrast zu dieser Stille so fern von der Zivilisation.
Ich erwache schweißgebadet in einem Bett. Keuchend richte ich mich auf. Es war nur ein Traum. Nur ein... nein...
Es war kein Traum. Neben mir liegt Sam. Ich sehe auf meine Hände. Frei von Blut. Und dennoch sehe ich es, wie in jener Nacht vor mir. Das Datum auf dem Display der Digitalur verrät mir, dass es heute auf den Tag genau zwei Jahre her ist. Obwohl Chris mich laufend anhält es nicht zu tun, ist mein Durst nach Rache nicht zu stillen. Ich will dem Mistkerl, der IHN mir genommen hat gegenübertreten und ihm das Leben aus seinem elenden Leib zerren. Noch ehe Sam erwacht, verlasse ich sein Haus und gehe zur Schule. Im Grunde ist mir danach blau zu machen. Ich tue es nicht. Warum, kann ich mir selbst nicht erklären. Ich werde sein Grab nach der Schule besuchen. Ich hoffe nur, dass seine Eltern nicht da sind.
Als die Schulglocke mich endlich erlöst, fängt mich Chris vor dem Klassenzimmer ab. Die letzten Wochen, habe ich mich bemüht unsere Gespräche so knapp wie möglich zu halten und meide ihn und seine Freunde. „Hey... hast du Lust heute mit zum Schlittschuhlaufen zu gehen?“
„Ich kann nicht. Ich habe etwas vor.“ Traurig sieht er auf den Boden. „Es ist nicht, was du denkst.“ Er hat in letzter Zeit ziemlich deutlich angefangen mir zu sagen, was er davon hält, wenn ich zu den Kämpfen gehe. „Ich habe etwas anderes vor.“ Es tut mir leid ihn zu verletzen, schließlich meint er es nur gut und ich mag ihn und seine Freunde. Aber ich werde auch nicht mit ihm über IHN reden.
Chris
Die anderen warten bereits vor der Arena auf mich. Ich wollte mir unterwegs nur etwas zu Essen kaufen, als ich Will wieder sehe. Sie hat sich vorhin an mir vorbei geschoben und ist einfach gegangen. Die letzten Tage benimmt sie sich noch eigenartiger als sonst. Ich sehe sie vor einem Blumenladen. Sie kauft eine Pinke Gerbera und steigt in den Bus, den ich ebenfalls nehme um zur Arena zu Fahren. Ich steige hinten ein und Stemple die Karte ab. Ohne es zu merken, verpasse ich meine Haltestelle und folge ihr wie mechanisch, als sie am Friedhof aussteigt. Sie scheint mich nicht zu bemerken. Ich bemerke es ja selbst kaum, dass ich ihr nach gehe. Sie besucht ein Grab. Als ich schließlich bemerke, dass ich ihr die ganze Zeit gefolgt bin, halte ich Abstand. Doch selbst von dieser Entfernung aus, Springen mir die Buchstaben des Grabsteins entgegen. „William Hill“ Vor zwei Jahren verstorben. Wie vom Blitz getroffen stehe ich da. Ich bin nicht in der Lage mich zu regen. Bin nicht in der Lage zu reagieren, als ich Willow weinen höre. Bin nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Alles was in mir hoch kommt ist die Erinnerung an Blut. An den Tag, der mein Leben für immer verändert hat.
Will
Ich weiß nicht, wie lange ich dort an seinem Grab sitze. Die Gerbera zwischen diesen ganzen Lilien, die seine Eltern hinterlassen haben, wirkt genauso fehl platziert, wie vor zwei Jahren zwischen den weißen Rosen. Der Tag ist genauso düster und ich warte nur darauf, dass der Regen wieder einsetzt damit der Himmel mit mir weint. „Ich vermisse dich Will“, flüstere ich. Die Tränen wollen nicht aufhören zu fließen. Die Erinnerungen an die Nacht in der er Starb, wollen nicht verblassen. Sie sind da wie ein schreckliches Foto, das ich gezwungen bin anzusehen. „Warum hast du mir das angetan? Warum musstest du gehen? Ich habe dich angefleht es nicht zu tun... War es gelogen, als du mir sagtest, du liebst mich?“
Eine geschlagene Ewigkeit muss vergangen sein. Meine Beine fühlen sich taub an, als ich mich erhebe. Ich klopfe den Staub von meiner Hose und wende mich um. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Wie ein Geist steht Chris einige Meter hinter mir und starrt leer in meine Richtung. Ganz weit entfernt nehme ich den Regen war, der einsetzt.
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