Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 29.07.2013
Kapitel 4
Die Sonne kitzelt meine Nase und zwingt mich, blinzelnd aufzuwachen. Neben mir liegt Sam. Nein, zwischen uns läuft nichts. Und trotzdem wache ich, wenn mal bei ihm übernachte, neben ihm auf. Es hat sich so eingependelt, seit wir uns kennen.
Der Schmerz in meiner Seite pocht beständig auf. Die Wunde fühlt sich nicht gut an, scheint aber nichts ernsthaftes zu sein. Mit zusammengepressten Zähnen, richte ich mich auf, und atme tief durch. „Willst du damit zum Arzt?“
„Normalerweise sagt man zu erst „Guten Morgen“.“ Ich ringe mir ein Lächeln ab und wende mich Sam zu, der mich besorgt aus seinen verschlafenen Augen mustert.
„Nein, ich gehe damit nicht zum Arzt. Was soll ich ihm sagen? Bin seitwärts auf ein Messer gefallen?“
Sams tiefes Lachen, versinkt halb in seinem Kissen. „Nein, du hast recht.“ Ich betrachte seine dunkelblonden Haare, die im Licht schimmern und muss lächeln. „Ich sollte jetzt gehen.“
„Mhm...okay...“
„Nimm wenigstens dein Gesicht aus dem Kissen“, lache ich.
„Das willst du nicht sehen“, brummt er noch immer in sein Kissen. Mit einem Schultertätscheln verabschiede ich mich von ihm und gehe direkt zur Schule.
Ich schaffe es noch zum Ende der großen Pause in die Schule, höre mir eine Standpauke zum Thema „Verschlafen“ an und setzte mich. Erst zur Mittagspause werde ich wieder aktiv. Meinen Player in der Hand, beschließe ich mich auf die Bank vor der Schule zu setzten um die Wunde nicht zu strapazieren. Das hatte ich zumindest vor. Nur dummerweise, zeigt mir mein Leben offen, dass es mich nicht ausstehen kann. Auf eben dieser Bank, sitzt nämlich Chris mit einem Buch in der Hand. „Alice im Wunderland.“ Seufzend quäle ich mich an ihm vorbei. Ich fühle mich schwach. Ich setzte mich unter den Baum, neben der Bank und lehne mich an den Stamm. Es kostet Kraft, ruhig zu atmen.
„Bin ich so abstoßend, dass du nicht wagst, dir eine Bank mit mir zu teilen?“, ein schelmisches Grinsen, blitzt in seinem Gesicht auf. Mir fehlt die Kraft zu kontern, also nicke ich nur, woraufhin er den Beleidigten spielt und mich mit einem Dackel-Blick mustert. „Diese Blicke ziehen bei mir nicht.“ Wieder grinst er und bringt eine reihe weißer Zähne zum Vorschein. „Schade, hätte ja sein können.“
Ich lehne meinen Kopf an den Baum und sehe zum Blätterdach hinauf. Muss er ausgerechnet jetzt meine Existenz entdecken? „Alles in Ordnung?“
„Ja“, ich atme schwer. „Lass mich...in Ruhe.“ Höflichkeit war noch nie mein Fall. Andererseits scheint ihn das nicht zu stören. „Du siehst blass aus.“ Er setzt sich zu mir und befühlt meine Stirn. „Finger weg“, es klingt zu schwach um entschlossen zu klingen. „Du glühst ja... Du solltest zum Arzt.“
„Nein.“ Ich mache Anstalten aufzustehen, was mir selbstverständlich misslingt und wie mein Leben nun einmal spielt, gefällt das meiner Wunde erst recht nicht. „Du...du blutest. Willow, du musst zum Arzt.“
„Nein!“ Es klingt schärfer als geplant, doch das stört mich nicht. Er hingegen, wirkt völlig gelassen. Überrascht, aber nicht schockiert. „Okay. Kein Arzt.“ Im nächsten Moment, heben mich zwei Arme hoch und Chris trägt mich zum Bus. „Was machst du da? Lass mich los.“
„Wenn du sterben willst, gerne.“
Ich schweige. Dass ich wirklich nicht unbedingt Angst vor dem Sterben habe, braucht der da nicht zu wissen.
Er setzt mich im Bus auf einen Sitz und setzt sich mir gegenüber. Mit diesem seltsamen Blick mustert er mich. So hat mich noch keiner angesehen. Es ist nicht diese Art Blick, die einen mit den Augen auszieht, oder diese Art, die einem sagt, dass da ein verliebter Trottel vor einem sitzt, auch nicht die Art, wie Sam mich ansieht. Dieser Blick, ist anders, als alles, was ich bisher erlebt habe. Selbst die Art, mit der ER mich angesehen hat, war anders, als die von Chris. Diese warmen, braunen Augen, die mich an flüssige Schokolade erinnern - selbst diese Narbe, wirkt, als gehöre Sie schon immer dort hin – sie wenden sich nicht von mir ab, als wollen sie mich schützen. Aber noch viel mehr. Als wollten sie mich...ich weiß nicht, was ich da sehe. Eigentlich ist es mir auch egal. Ich muss nur verhindern, dass er sich zu sehr in meine Angelegenheiten einmischt. Ich sehe aus dem Fenster um seinem Blick zu entgehen. Bald schon drückt er den Knopf, der dem Fahrer bedeutet an der nächsten Stelle zu halten. Ich erhebe mich um ihm zu zeigen, dass ich selber laufen möchte. Wo er mich wohl hinführt? Als wir zu einem Mehrfamilienhaus kommen, öffnet er die Tür und hilft mir die Treppen hoch zu kommen. Im dritten Stock angelangt, öffnet er die rechte Türe. Nimmt er mich da gerade zu sich nach Hause?
Chris
Für gewöhnlich nehme ich keine Mädchen mit zu mir nach Hause. Aber dies ist eine besondere Situation. Eine klaffende Wunde in der Seite und die Weigerung zum Arzt zu gehen, kommt mir nicht unbekannt vor. Ich öffne die Tür und rufe meinen Bruder. „Hey, Jason! Bist du da?“ Ich führe Willow in die Küche, während Jasons Stimme bestätigend aus seinem Zimmer hallt, und setze sie auf einen Stuhl. Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. „Ich bräuchte hier mal deine Hilfe.“
Mit einem klacken von Schritten gefolgt, findet Jason den Weg in die Küche. „Wow, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann du das letzte Mal ein Mädchen mit nach Hause gebracht hast. Wirst du etwa wieder unanständig?“, sein neckisches Grinsen wirkt siegessicher, wohingegen ich nur die Augen verdrehe. „Nein. Sieh sie dir einfach an.“ Bei meinem Bruder ruhig zu bleiben ist, für mich eine Kunst, die ich noch lernen muss.
„Was fehlt ihr denn?“
„Blut.“
„Ich sagte doch, ich will keinen Arzt“, wirft Willow ein.
„Strenggenommen bin ich Chirurg.“
„Mir egal.“
„Keine sorge. Siehst du die Narbe da?“ Er zeigt auf mein Gesicht. „Dass das da sein Gesicht jetzt sogar schöner macht, ist mein Werk.“
Ich gebe ein trockenes Lachen von mir. „Er ist ein Komiker“, füge ich monoton an.
„Du warst auch mal witziger.“
„Willst du dich jetzt mit mir streiten oder dich um sie kümmern?“
„Schon gut, schon gut. Würdest du mir die Wunde zeigen?“
„Nein.“
Mit bittendem Blick sehe ich sie an. Wenn sie noch weiter zögert, wird sie noch ohnmächtig. „Willow...“
„Will“, knurrt sie. Ich hasse es sie so zu nennen. „Will“, gebe ich zerknirscht zurück.
Sie seufzt und hebt ihr Shirt an. Ich wende mich ab.
„Kann er kein Blut sehen?“, höre ich sie sagen.
„Nein, nur keine entblößten Mädchen“, antwortet Jason und ich höre Hohn in seiner Stimme.
„Das verstehe ich nicht. Früher habe ich dich doch ständig mit irgendwelchen Mädchen gesehen.“
„Ja, aber das war, bevor er zu einem Langweiler mutiert ist.“
„Ich bin übrigens noch anwesend, Bruderherz.“
„Ich weiß.“ Gemütlich, vernäht er die Wunde, als würde er ein Kissen besticken. Es ist nicht so, dass ich ihn nicht ausstehen kann. Es ist nur so, dass er seit meiner Lebensumstellung permanent seinen Unmut mir gegenüber zeigt. Hätte man uns vor einem Jahr gesehen, würde man das aktuelle Bild nicht glauben.
Will
Ich sehe fragend zu Chris, der mich noch immer nicht ansieht. Nun, es geht mich auch nichts an. Sobald Jason mir zufrieden verkündet, dass er fertig ist, ziehe ich mein Shirt herunter und gehe zur Tür.
„Warte.“ Chris folgt mir. „Du solltest dich ausruhen.“
„Lass mich in Ruhe.“
„Gern geschehen“, brummt er.
„Hör zu“, ich bleibe abrupt stehen, „Ich brauche niemanden. Und wenn ich sterbe, wen schert\'s?“
„Mich.“
Ich verdrehe die Augen. „Such dir eine andere, Sunnyboy.“
„Das meine ich nicht.“
„Mir egal.“ Ich höre noch einen Seufzer, als ich gehe. Natürlich fühle ich mich noch schwach,, doch die letzten Stunden blau zu machen, dürfte mir helfen den nach Hause Weg zu schaffen.
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