Autor: Maeggaey
veröffentlicht am: 13.03.2012
»Meine Eltern?«
»Ja. Und du bist Jennifer Winkelmann.«
»Sie sind meine Eltern und ich bin Jennifer Winkelmann...« Wiederholte ich langsam und leise. Diese Menschen sollten also meine Eltern sein? Der Mann ging raus und kam nur wenige Minuten später mit einem Arzt zurück. Nervös schilderte die Frau ihm die Lage und er versuchte sie zu beruhigen.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Durch eine mehrwöchige Therapie wird ihr Gedächtnis langsam wiederkommen. Wenn sie den Vorgang beschleunigen wollen, können sie ihr Fotos zeigen oder ihr persönliche Dinge und Kindheitserinnerungen geben.«
»Geht das auch mit bestimmten Personen?«
»Natürlich. Aber da Frau Winkelmann sie nicht erkannt hat, müssen wir davon ausgehen, dass es eine sehr schwere Amnesie ist. Die Wahrscheinlichkeit dadurch das Gedächtnis zurückzuholen, ist also gering.«
»Danke Doktor Debkowski...« Die Frau drehte sich wieder zu mir und blickte mich besorgt an.
»Was für Personen?«
»Wir möchten dich nicht überfordern...« Seufzte sie.
»Womit?«
»Du hast eine Tochter. Sie heißt Isabel.«
»Ei... Eine Tochter? Wie alt ist sie?«
»6.«
»Kann ich sie sehen?«
»Sie ist nicht hier. Aber ich habe ein Foto von ihr dabei. Und morgen kann ich sie mitbringen.« Sie kramte ein Portmonee aus ihrer Handtasche und reichte mir ein Bild auf dem ein kleines Mädchen mit einer jungen Frau waren.
»Wer ist diese Frau?«
»Das bist du.«
»Ich?«
»Ja.«
»Und die Kleine ist meine Tochter?«
»Ganz genau.« Mir lief eine Träne über die Wange. Es erschütterte mich, dass ich zuerst meine Eltern nicht erkannte und dann auch noch meine eigene Tochter.
»Sie ist wunderschön... Darf ich das behalten?«
»Aber sicher.« Ich klemmte das Foto in einer Schublade meines Nachttisches fest und seufzte.
»Macht es ihnen etwas aus,wenn sie gehen würden? Ich würde mich gerne ausruhen...«
»Kein Problem.«
»Auf wiedersehen.« Leise schlossen sie die Tür und ich öffnete die Schublade in der das Foto steckte. In ihr lag ein Handy .das musste meins sein. vorsichtig nahm ich es und entfernte die Tastensperre. Ich hatte sehr viele Anrufe und Nachrichten bekommen. In den meisten stand, wie es mir ging und, dass alles gut werden würde. Bei den meisten stand als Absender Malte. Wer das wohl war? Naja. Ich hatte aber auch bemerkenswert viele von einem Marc und einer Vanessa bekommen. Am Abend kam dann eine Schwester in mein Zimmer und lächelte mich an. Sie schaute auf meine Krankenakte und stellte sich dann vor. »Hallo Frau Winkelmann. Ich bin Schwester Scholz. Falls sie fragen haben, können sie sich an mich oder ihren behandelnden Arzt wenden. Meist bin ich nachts hier. Also wenn Probleme vorliegen, können sie ruhig klingeln und ich werde sofort kommen.«
»Ich habe tatsächlich eine Frage. Wie lange bin ich schon hier?«
»Sie liegen seit einer Woche hier. Aber machen sie sich keine Sorgen. Bald wird es ihnen wieder gut gehen.« Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ich schlief ein.
Ich wachte früh auf und dachte angestrengt nach, was passiert war. am Nachmittag stürmte dann eine Gruppe von fünf Leute, zwei Frauen und drei Männern, in mein Zimmer.
»Jenni!« Sagte ein Mann von ihnen.
»Hallo?« Fragen schaute ich einen nach dem anderen an. Der Mann der meinen Namen erleichtert gesagt hatte, wollte mich umarmen. Aber ich blockte ihn ab und fragte:»Sie sind?« Auf ihren Gesichtern bildete sich der gleiche Ausdruck wie auf dem meiner Mutter.
»Lasst ihr uns kurz allein?« Fragte er die anderen, die mit einem verständnisvollem nicken verschwanden. »Du erkennst uns wirklich nicht?«
»Nein...«
»Ich bin Malte.«
»Der, der mir die ganzen Nachrichten geschickt hat?«
»Du hast sie bekommen?«
»Ja. « Lächelnd ergriff er meine Hand und in mir machte sich ein warmes Gefühl breit. Unwillkürlich begann auch ich leicht zu lächeln.
»Erinnerst du dich?«
»Nein... Aber ich fühle etwas...«
»Darf ich etwas versuchen?«
»Ich denke schon.« Er stand auf, beugte sich vor und küsste mich. Es fühlte sich an als würde ich schweben und erwiderte seinen Kuss. Es kribbelte in meinem ganzen Körper und mein Herz raste als wenn ich einen Marathon gelaufen wäre.
»Und jetzt?«
»Ich glaube ich empfinde etwas für dich...«
»Soll ich dir sagen warum?« Vorsichtig nickte ich. »Ich bin dein fester Freund.«
»Mein fester Freund?«
»Ja. Wir sind bald zwei Jahre zusammen.«
»Und wer waren die anderen?«
»Unsere WG-Mitbewohner. Wegen deiner Tochter, Isabel, wolltest du wieder zu deiner Mutter ziehen.«
»Wohnen meine Eltern etwa nicht zusammen?«
»Wie meinst du das?«
»Meine Eltern waren gestern hier. Ein Mann und eine Frau.«
»Wirklich?« Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Falte. »Warte mal.« Er ging raus und kurz darauf kam eines der Mädchen rein. Mit Tränen in den Augen setzte es sich an mein Bett und umarmte mich. Sie nahm meine Hand behutsam in die ihre.
»Hey Jenni...« Begann sie sich zusammenreißend. »Ich bin es. Jacky.«
»Du bist auch eine WG-Mitbewohnerin oder?«
»Ja. Und deine beste Freundin.«
»Okay...«
Maltes Sicht:
Die ganze Zeit fragte ich mich wer ihr angeblicher Vater sein sollte. Als ihre Mutter um die Ecke kam sah ich sie sauer an.
»Wer war der Mann gestern?«
»Jenni hat es dir gesagt?«
»Wer war es?!«
»Es war mein neuer Freund.«
»Sie denkt er sei ihr Vater! Was soll das?!«
»Jennifer ist doch erst gestern aus dem Koma aufgewacht. Sie sollte nicht gleich so enttäuscht werden.«
»Du musst es ihr aber sagen.« Sagte ich leiser werdend, da Isabel um die Ecke getapst kam.
»Sobald sie die Therapie beginnt werde ich es ihr sagen.« Sie nahm Isabel an der Hand, ging an mir vorbei und fragte sie vor der Tür zu ihr:»Möchtest du klopfen?« Die Kleine nickte. »Die Mama wird sich bestimmt freuen dich zu sehen.« War das letzte das sie sagte bevor sie ins Zimmer gingen.
Jennis Sicht:
Die Tür öffnete sich und meine Mutter kam mit einem kleinen Mädchen rein.
»Guck mal. Da ist die Mama.« Die Kleine rannte zu mir, umarmte mich und gab mir einen Kuss.
»Hey mein Schatz.« Sagte ich. Sie sollte nicht merken, dass ich mich im Grunde an nichts erinnerte. Sie war noch so klein. Das konnte ich ihr nicht antun...
An meinem letzten Tag kam ein Mädchen in mein Zimmer. Meine Mutter hatte mir ein par Tage zuvor mein Tagebuch vorbei gebracht und ich hatte mir eine Liste mit allen Namen die drinnen standen gemacht. Ich schaute auf die Liste und es fehlte nur noch ein Name.
»Hey Jenni...« Sie setzte sich zu mir und ich schaute erneut auf meine Liste.
»Du musst Kathi sein?«
»Woher-«
»Ich hab eine Liste.« Sagte ich lachend und zeigte sie ihr.
»Wie geht es dir?«
»Ich glaube es ging mir schon besser.«
»Erinnerst du dich überhaupt an mich?«
Nein.« Nachdenklich schaute sie weg.»Ist was?«
»Nein, nein.«
»Könntest du mir alles über dich und mich erklären?«
»Sicher. Ähm... Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten und sind beste Freunde. Wir sind in jeder Lebenslage für einander da und machen fast alles zusammen. Und ich bin die Patentante deiner Tochter.«
»Danke. Und was machst du hier?«
»Ich habe erst gestern erfahren, dass du im Krankenhaus liegst, weil ich so viel mit der Arbeit zutun hatte. Und da habe ich mir halt Sorgen gemacht.«
»Es ist eigentlich alles gut. Ich werde nachher entlassen.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
»Das ist echt toll. Ich... Ähm... Ich muss los.« Ihr plötzlicher Stimmungswandel war zwar komisch, aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Ich packte meine Sachen und wartete bis ich endlich meine Papiere bekam. Es war in meinem Kopf wie ein riesiges, schwarzes Loch. Und ich hoffte inständig, dass die Therapie Licht ins Dunkel bringen würde.
Ein par Monate später konnte ich mich wieder an alles erinnern. Aus meinen Erinnerungen schloss ich, dass mein Vater und ich uns sehr nahe standen und wir streng nach dem katholischen Glauben lebte. Das heißt, kein Sex vor der Ehe, die Eltern respektieren und so weiter. Ich wusste auch von der Aktion, die er gestartet hatte, als er mich und Marc auf der Hochzeit meiner Schwester erwischte. Es war wirklich überzogen von ihm. Und, dass meine Mutter ihm nur gut zugeredet hatte, machte mich stutzig. An einem Abend setzte ich mich zu meiner Mutter in die Küche und fragte:»Mama, erinnerst du dich noch an die Hochzeit von Annika?«
»Aber natürlich. Das vergisst eine Mutter nie.«
»Warum hast du Papa nur gut zugeredet, als er Marc und mich geschlagen hatte? Und warum wurde er so aggressiv?« Behutsam legte sie ihre Hand auf meine und seufzte.
»Dein Vater war ein Alkoholiker. Bei der Hochzeit hatte er zuviel getrunken. Wenn er besoffen war, neigte er zu Aggressionen und Handgreiflichkeiten. Das musste ich selbst spüren. Kurz bevor ich mit deiner Schwester schwanger war, hat es sich mal wieder betrunken. Ich habe ihn gereizt und musste dafür einen Schlag einstecken.«
»Was? Warum hast du ihn nicht verlassen?«
»Ich habe ihn geliebt und wusste, dass er es nicht wollte. Dass es nur ein Versehen war. Und ich wollte nicht, dass es sich au der Hochzeit wiederholt.«
»Du musst ihn wahnsinnig geliebt haben...«
»Er war die Liebe meines Lebens...« Gestand sie mit Tränen in den Augen und belegter Stimme. »Ich dürfte eigentlich nicht weinen. Ich habe doch Thomas...«
»Natürlich darfst du weinen. Er war deine große Liebe und ich hattet drei Kinder.« Ich nahm sie in den Arm und begann ebenfalls zu weinen. Am Abend bekam ich besuch von Marc. Ich stand in der Küche und wollte mir etwas zu essen machen, da meine Mutter mit Thomas ausgegangen war und Isabel bereits schlief. »Marc? Darf ich dich mal was fragen?«
»Schieß los.«
»Weißt du wie das mit mir und Malte angefangen hat?«
»Ja.«
»Und wie?« Bevor ich etwas falsches sagte, wollte ich erst wissen ob er die richtige Geschichte kannte. Ich musste mit jemandem reden. Ich hatte das Gefühl, dass es meine Seele zerreißt und es mich erdrückte.
»So wie du mir gesagt hast, hat es nach dem Streit mit Tobias angefangen. Ich hattet wohl während er mit Jacky zusammen war eine Affäre und-«
»Gut. Dann kann ich doch mit dir darüber reden. Ich fühle mich total schlecht deswegen.«
»Du konntest nicht dafür. Man kann seine Gefühle nicht ausstellen oder sie sich aussuchen.«
»Aber sie ist doch meine beste Freundin. Und sie-« Mein Handy vibrierte und ich sagte:»Warte mal eben.« Ich schaute auf den Display und lächelte. »Eine SMS von Malte« Ich öffnete sie und je mehr ich von ihr las, desto mehr verschwand mein Lächeln und desto größer wurde meine Wut. »Alter.« Sagte ich wütend, rannte in mein Zimmer, holte meine Tasche und ging wieder runter. »Pass mal eben auf Isabel auf.« Kurz bevor ich aus der Tür rausstürmte, hielt Marc ich auf und fragte:»Was ist los?« Als Antwort holte ich mein Handy raus, öffnete die Nachricht und warf es ihm zu...
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