Take me anywhere - Teil 11

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 09.10.2011


Mein Date mit Lukas hatte ich eine Woche nachdem er angerufen hatte. Drei Tage nach seinem Anruf fing er mich auf dem Campus ab, als ich gerade auf dem Weg zum Chemie Hörsaal war, und fragte mich, ob ich am kommenden Samstag mit ihm essen und dann ins Kino gehen würde. Als ich mein Argumente brachte, dass ich kein Geld hätte, lachte er nur und sagte so als wäre es total selbstverständlich, dass er natürlich alles zahlen würde.
Und nun stand ich vor meinem Spiegel und warf einen letzten skeptischen Blick hinein. Meine Locken fielen mir lang über die Schultern, meine schwarz umrandeten blau-grauen Augen leuchtenden im Sonnenlicht, dass durch meine Zimmerfenster fiel.
Ich hatte lange überlegt, was ich anziehen sollte und entschied mich dann für einen kurzen, schwarzen Stoffrock von H&M, den bestimmt jede zweite Frau im Kleiderschrank hatte, und ein altrosa Oberteil, dessen Kragen dezent mit Rüschen versehen war. Die rosa High-Heels, die ich mir von Helena leihen durfte, vollendeten ein Outfit, das ich relativ selten trug. Ich mochte es lieber schlicht und verspielt mit flachen Schuhen. Doch heute durfte ich wohl mal eine Ausnahme machen.
Seufzend fuhr ich mir ein letztes Mal durch die Haare, nahm meine schwarze Handtasche an mich und verließ das Zimmer.
„Ich gehe! Bis morgen. Viel Spaß euch heute Abend“ rief ich in die Küche hinein und blieb im Türrahmen stehen.
Leon schaute auf und ich sah an seinem Blick, dass ich anders aussehen musste, als gewöhnlich. „Du siehst ja einfach umwerfend aus!“
Max stimmte nur nickend zu, sagte aber nichts, da er den Mund voll Spaghetti hatte.
„Und sonst sehe ich aus wie eine Vogelscheuche?“ fragte ich herausfordernd und stemmte die Hände in die Hüften.
„Sonst bist du ganz hübsch, heute bist einfach nur top!“ redete Leon weiter und Max’ Zustimmung war ein erhobener Daumen.
Ich musste lachen und schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Du verstehst es wirklich, anderen Komplimente zu machen“
„Ich weiß“ Leon zwinkerte mir zu und seine braunen Augen leuchteten. Dann wurde er allerdings schnell wieder ernst: „Hör’ mal, Mila. Lukas ist ein feiner Kerl. Vertreib’ ihn nicht“
Ich stutzte kurz und meine Fassade fiel für einen Moment von mir ab, doch ich fing mich wieder: „Ich will ihn erst einmal selber kennen lernen. Vielleicht will ich ihn am Ende ja sogar vertreiben“
„Wenn dir Moritz noch nicht den Kopf verdreht hat, dann wirst du das nicht“ sagte Max völlig nüchtern und unvermittelt. Und wenn Max etwas so sagte, dann zweifelt man es nicht an. Er sagte alles mit einer Sachlichkeit, die meistens keine Lügen zuließ – und ich wusste, dass er Recht hatte.
Ich kicherte unsicher und schüttelte mit dem Kopf: „Ich gehe wohl besser“
„Viel Spaß, Milalein“ rief mir Leon noch hinterher, als ich schon längst die Türklinke zur Wohnungstür in der Hand hatte. In drei Minuten würde Lukas mich mit dem Auto abholen. Ich würde mal sagen, ich war wirklich pünktlich!
Ich schloss die Tür hinter mir und prüfte noch mal mein Make-Up in meinem Taschenspiegel, während ich die Holztreppe hinunter ging, dessen fünfte Stufe immer knarrte.
Ich schaute an mir herunter, auf meine Beine, die in schwarzen Feinstrumpfhosen steckten. Durch das regelmäßige Squash spielen mit Moritz sind sie wesentlich schlanker und durchtrainierte geworden und zum ersten Mal in meinem Leben fand ich meine Beine sexy.
Ich packte meinen Spiegel zurück in meine Handtasche und langsam setzte bei mir die Vorfreude auf das Date mit Lukas ein.
Ich war mir noch nicht so Recht sicher, ob ich Lukas wirklich aufrichtig mögen könnte – er war mir zu nett, zu sehr ohne Ecken und Kanten – doch ich konnte ihn ja immerhin mal kennen lernen, ihm eine Chance geben. Das erste Date bedeutete ja nicht automatisch, dass ich mich in ihn verlieben musste oder er das erwartete.
Heute Abend ging es darum, Spaß zu haben und Moritz für ein paar Stunden aus meinem Kopf zu verbannen.

„Bitte! Sag’ mir, dass das nicht wahr ist“ Lachend warf ich den Kopf in die Nacken, sodass mir meine Haare über den Rücken fielen und mich kitzelten, sodass ich mich wieder aufrichtete.
Lukas saß mir lächelnd gegenüber, zwischen uns ein kleiner Runder Tisch mit einer Flasche Wein und einer schönen, brennenden Duftkerze. Das Restaurant war für das erste Date perfekt. Es schien weder zu teuer noch zu billig zu sein. Es war noch nicht einmal zu romantisch für meinen Geschmack – doch wenn es nach mir ginge, konnte es sowieso nicht romantisch genug sein. Dennoch hatte Lukas bis jetzt alles perfekt gemacht. Vielleicht sogar ein bisschen zu perfekt. Und automatisch dachte ich an Moritz und daran, wie wohl ein erstes Date mit ihm verlaufen würde. Ich glaube, wir würden Squash spielen und danach in irgendeiner Imbiss-Bude landen. Vielleicht würden wir einen Döner essen. Allein bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln. Doch gleichzeitig traf er mich – schmerzhaft.
„Doch es ist wahr. Wir gingen auf dieses Festival ohne Zelt!“ beteuerte Lukas und schenkte mir Wein nach. Wieder eine Geste, die einfach zu perfekt war.
Erneut musste ich lachen, weil ich mir gut vorstellen konnte, wie es war auf ein Festival ohne Zelt zu gehen. Ich war damals mit meinen besten Freundinnen oft auf solchen Festivals; drei Tage lang im Zelt leben, bei jeglichem Wetter; drei Tage lang neue Leute kennen lernen; Dosenravioli essen; Dosenbier trinken. Eine schöne Zeit.
„Und wo habt ihr dann geschlafen?“ hakte ich neugieriger nach, als ich eigentlich wollte.
„Wir haben dort ein paar Leute kennen gelernt, die noch ein paar Plätze frei hatten“ Lukas zuckte mit den Schultern und nahm die Hände vom Tisch, als der Kellner kam und die Teller abräumen wollte. Nicht ohne die typische und völlig rhetorische Frage: „Hat es Ihnen geschmeckt?“. Kein Gast antwortet auf diese Frage mit „Nein, es war völlig ungenießbar“. Zumindest kenne ich niemanden, der das tun würde.
Ich lächelte freundlich und nickte schweigend und widmete mich dann wieder Lukas: „Das ist ja langweilig! Ich habe ein großes Abenteuer erwartet“
„Tut mir Leid, dass ich dir mit todesmutigen Geschickten nicht dienen kann“
Perfekte Antwort auf meine provokante Reaktion. Ich muss schmunzeln und lache leise. „Das abenteuerlichste was ich auf einem Festival erlebt habe, war dass es drei Tage Dauerregen gab und unser Zelt weggeschwommen ist“ Ich griff nach meinem Weinglas und leerte es auf die Hälfte herunter. Wenn sich Lukas über mein hastiges Trinken wunderte, so ließ er es sich nicht anmerken.
„Was war mit den Heringen?“
Ich lief rötlich an und zog die Schultern nach oben: „Vergessen“ murmelte ich leise.
„Das ist aber auch nicht sehr schlau“ bemerkte er spöttisch und ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse: „Sagte der, der sein Zelt vergessen hat“
„Okay, du hast gewonnen“ er hob kapitulierend die Hände und fügte dann hinzu: „Themawechsel… Wie läuft dein Studium?“
„Bis jetzt ganz gut. Aber ich habe auch noch keine Prüfung geschrieben, geschweige denn irgendein Ergebnis zurückbekommen“
„Ich bin mir sicher, dass du das schaffst“
„Das ist lieb von dir. Aber ich bin mir da noch nicht so sicher. Bis jetzt ist es ziemlich anstrengend. Vor allem Mathe und Chemie“
„Am Anfang ist es immer schwer! Und bei Mathe und Chemie kann ich dir gerne helfen“
Wenn ich auch nur ansatzweise so perfekt gewesen wäre, wie Lukas, dann hätte ich jetzt gesagt: „Ja, das wäre nett von dir“. Doch ich bin nicht perfekt. Und ohne nachzudenken antwortete ich: „Nein, danke. Aber mein Mitbewohner studiert Mathe und Physik. Der kann mir auch helfen“
„Du redest von Moritz, oder?“
Bei seinem Namen zuckte ich zusammen. Und ich war so davon eingenommen wieder an Moritz zu denken, dass ich die Verletztheit in Lukas’ Stimme nicht hörte.
„Ja, genau. Moritz“
Lukas lächelte, doch er sagte nichts. Und auch ich schwieg, sodass die erste unangenehme Schweigeminute entstand. Ich sah sein trauriges Gesicht, ob bewusst traurig oder nicht, konnte ich nicht einschätzen. Trotzdem bekam ich ein schlechtes Gewissen und wieder dachte ich nicht darüber nach, was ich tat.
Ich beugte mich über den Tisch, nahm Lukas Gesicht in beide Hände und küsste ihn.






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