Take me anywhere - Teil 8

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 06.08.2011


„Du wirst besser“ bemerkte Moritz, nachdem wir das Sportcenter in Hamburg Altona verlassen hatten. „Auch, wenn du meinen Squashschläger zerschmettert hast“
Eigentlich wollte ich kein zweites Mal mit Moritz squashen gehen. Doch er konnte sehr dickköpfig sein, wenn er wollte. Und am Ende hatte er mich doch überreden können. Soviel zum Thema: Ich gehe ihm aus dem Weg.
Doch mal ganz ehrlich, es war schier unmöglich jemanden aus dem Weg zu gehen, mit dem man zusammen wohnt. Also gab ich es auf, ehe ich es begonnen hatte.
„Wie oft denn noch, es tut mir Leid! Es war ein Versehen!“ Ich sah ihn entschuldigend an, doch er erwiderte meinen Blick nicht.
„Bist du nervös wegen morgen? Der erste große Tag an der Uni?“ fragte er mich und von ihm überraschte mich diese Frage.
Ich zögerte eine ganze Weile und überlegte, ob ich ehrlich antworten sollte.
Am Ende entschied ich mich dafür. Ich nickte: „Ich bin total nervös. Wahrscheinlich werde ich total überfordert sein und verlaufen tu’ ich mich auch ständig. Ich kenne mich doch!“ Ich kicherte unsicher.
Er lachte leise und ich spürte seinen Blick von der Seite, bis er sagte: „Du bist süß, weißt du das?“
Kurz schaute ich ihn überrascht, doch dann schubste ich ihn spielerisch: „Und du bist ein Schwachkopf! Aber das müsstest du ja wissen“
Er lachte erneut, doch dann verstummte er und meinte ernsthaft: „Wenn du willst, kann ich dich morgen mit dem Auto mitnehmen. Ich muss sowieso Fabi und Leon fahren“ Er zwinkerte mir zu.
„Das ist lieb von dir. Danke“ meinte ich leise.
Und bevor wieder Schweigen zwischen uns herrschte, fragte ich: „Wo kommst du eigentlich her?“
Er stieg vor mir in die U-Bahn und drehte sich mit fragender Miene zu mir um: „Wie meinst du das?“
„Na, ich meine damit, wo du vorher gelebt hast. Oder bist du gebürtiger Hamburger?“ Ich setzte mich ans Fenster; Moritz neben mir. Er lachte und schüttelte mit dem Kopf: „Oh nein! Und ich bin froh, dass ich es nicht bin“ Er machte eine kurze Pause, dann sagte er: „Ich komme aus dem Norden… Aus Neuenkirchen“
„Das liegt doch direkt vor der Insel Rügen… Du bist am Meer aufgewachsen!“
Er machte ein überraschtes Gesicht, als ich gleich wusste, wo Neuenkirchen liegt. Doch als kleines Kind war ich oft mit meinen Eltern auf Rügen gewesen.
Moritz fing sich schnell wieder und nickte: „Ja, ich bin am Meer aufgewachsen. Warst du schon mal dort oben?“
„Als kleines Kind oft. Doch seit mehr als 10 Jahren nicht mehr“ Die Gegend dort oben kannte ich; vielleicht sogar besser, als ich Hamburg jemals kennen werde.
Kurz zögerte er und machte ein nachdenkliches Gesicht, dann sagte er geradeheraus und direkt: „Du kannst ja mal mitkommen, wenn ich wieder hinfahre“
„Was?!“ Geschockt schaute ich ihn, während er nur schweigend aufstand und mich mit sich hochzog und dann aus der U-Bahn ausstieg.
„Na ja, warum nicht…“ Er zuckte mit den Schultern.
„Was sollen denn deine Eltern denken!? So was macht man nicht“ Wir fuhren die Rolltreppe nach oben, als er mir einen Blick über die Schulter zuwarf und meinte: „Du siehst alles zu verklemmt“
„Und du alles zu locker!“ Ich reagierte heftiger als beabsichtig und Moritz hob versöhnend die Hände: „Okay, okay. Tut mir Leid, Mila. Ich wollte dich nicht beleidigen“
„Ist jetzt egal“ sagte ich abweisend zu ihm und ging weiter, als ich das Aushängeschild einer Frittenbude las: ‚Aushilfe gesucht’.
Impulsiv hielt ich Moritz am Arm fest. „Warte mal“
Moritz blieb stehen und folgte meinem Blick: „Was ist? Hast du Hunger?“
Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu: „Nein… Ich brauche einen Job. Geh’ meinetwegen schon mal vor. Ich komm’ nach.“
„Willst du wirklich dort arbeiten?“ fragte er misstrauisch und ging gar nicht auf das ein, was ich ihm eben gesagt hatte. „Nichts für ungut, Mila. Aber das ist unter deinem Niveau“
Ich seufzte und nickte: „Ich weiß, aber ich brauche Geld“ Ich musste zugeben, dass die Frittenbude eher gruselig aussah. Die Geräte stammten bestimmt noch aus den Siebzigern und es sah auch so aus, als wäre seit diesem Datum nicht mehr sauber gemacht worden. Doch darum konnte und wollte ich mich nicht kümmern. Ich wollte einfach nur ein wenig Geld verdienen. Und wenn ich dazu eine alberne gelbe Mütze mit passender Schürze tragen und vor einer U-Bahn Unterführung Fritten verkaufen musste – bitte, dann musste es wohl so sein.
„Wollt ihr was?“ fragte die dicke Frau hinter dem Tresen und musterte uns mit gelangweilter Miene.
Erschrocken, weil ich aus Gedanken gerissen wurde, schaute ich die dicke Frau an und schüttelte dann mit dem Kopf: „Nein, ich bin hier, wegen dem Aushängeschild. Ist das noch aktuell“
„Wenn’s nicht so wäre, würde ich nicht an einem Sonntag hier stehen!“ Sie lachte dröhnend und aus vollem Halse und fragte dann: „Hast du Interesse?“
Ich trat näher und nickte: „Sehr. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen morgen meinen Lebenslauf und alle weiteren…“
Sie ließ mich nicht ausreden: „Lebenslauf brauchste nicht! Wie alt bist du denn, Herzchen?“
„Fast 20“
„Gut, dann brauch ich nur deine Lohnsteuerkarte. Reichen dir 7€ die Stunde?“ Es war eine rein rhetorisch gestellte Frage, denn sie redete gleich weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. „Du arbeitest dreimal die Woche. Freitagabend, Sonntagmorgen und Mittwochabend, abgemacht?“ Wieder eine rhetorische Frage. „Schön, dass wir und verstehen. Ich sehe dich dann Mittwochabend um sieben mit den Unterlagen“
Etwas überfahren von all den vielen Information drehte ich mich zu Moritz und ging auf ihn zu.
„Hast du den Job?“ fragte er mich, doch es wirkte nicht so, als würde ihn das ernsthaft interessieren.
Ich zuckte mit den Schultern: „Ich glaube schon, irgendwie“
Er lachte: „Na dann, viel Spaß“
„Ich verdiene 7€ die Stunde und was verdienst du?“ fragte ich herausfordernd.
„Acht“ war seine knappe Antwort und mir fiel die Kinnlade herunter. Ich wusste nicht, dass er auch arbeitete. „Du arbeitest?“
Er nickte: „Seit drei Jahren“
„Wie? Wann denn?!“
„Ich fange ab nächster Woche wieder an“
„Oh, jetzt lass dir doch nicht alle Würmer einzeln aus der Nase ziehen – Als was arbeitest du?“ Ich rempelte ihn freundschaftlich an, als wir in die Straße einbogen, in der wir wohnten.
„Kellner“
„Nein! Du bedienst Leute?!“ Ich musste ein Lachen unterdrücken, da Moritz so ungefähr die letzte Person auf Erden war, bei der ich mir vorstellen konnte, dass sie Leuten das Essen servierte.
„Ich find’s auch schlimm, glaub mir“ Er hielt mir die Tür zum Haus auf.
Nach drei Treppenstufen drehte ich mich zu ihm um. Und da er zwei Stufen unter mir stand, war ich das erste Mal größer als er. „Wo kellnerst du?“
„Extrablatt“
„Ah, kenn’ ich. Das gibt’s auch in Heidelberg“
„Und in Wiesbaden, Berlin, und… und… und…“ Er zuckte mit den Schultern. „Du bist nicht die Einzige, die Geld braucht. Ich für meinen Teil, bekomme noch nicht einmal Geld von meinen Eltern“
Ich drehte mich überrascht über die Schulter um und sah ihn neugierig aber auch besorgt an. „Warum?“ fragte ich leise, während ich unsere Wohnungstür aufschloss.
„Vergiss’ es“ Er schob mich beiseite und trat ein ohne sich nochmals umzudrehen, und damit wusste ich, dass das Gespräch beendet war.






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