Autor: Yaksi
veröffentlicht am: 29.07.2012
|Sechszehn|
- Verwundbar
„Amüsier dich!“
Das sind die letzten Worte von Leona gewesen, bevor sie mich im Stich gelassen hat. Was für ein lächerlicher Rat.
Amüsier dich.
Na klar.
Sie hat mich einfach im Wohnzimmer alleine gelassen, dort, wo der Großteil der Teenager zur Musik tanzt. Kaum habe ich einen Fuß in das Haus der Familie Sears gesetzt, wurde ich durch die dichte Masse zum Zentrum der Party getrieben: Die Tanzfläche.
Und genau dort hat sich Leona dann auch aus dem Staub gemacht mit der scheinbaren Meinung, ich würde in der tanzenden Menge großen Spaß haben.
Natürlich.
Suchend werfe ich einen Blick durch das überfüllte Haus und hoffe verzweifelt, ein paar vertrauen Gesichtern zu begegnen. Meine Laune ist eindeutig in den Keller gerückt und dort wird sie sich wohl auch für den Rest des Abends aufhalten.
Es befinden sich wirklich viele Gäste im Haus. Bloß leider keinen, den ich wirklich kenne.
Für einen kurzen Moment wundere ich mich, dass die Eltern der Zwillinge so viel Einsicht haben und ihren Söhnen eine so große Party erlauben. Aber andererseits glaube ich, dass Nik und Noah schon allein wegen der Tatsache, dass sie ihren 18. Geburtstag feiern, ordentliche Pluspunkte gesammelt haben.
Ich seufze.
Als ein neues, bekanntes und scheinbar sehr willkommenes Lied ertönt, werden die Arme in die Höhe gerissen und lautes Gejohle ertönt.
Überrascht ducke ich meinen Kopf.
Das ist eindeutig nicht meine Welt. Der Geruch von Alkohol und Schweiß dringt in meine Nase, ebenso wie verschiedene Parfum-Sorten und Aftershaves. Stickige Luft herrscht im Raum, so dass klar ist, welche Tür ich als nächstes ansteuere. Die Terrassentür.
Doch ehe ich die sie überhaupt erreicht habe, stellt sich mir plötzlich ein Junge in den Weg, der mich mit einem freundlichen Lächeln anschaut.
„Hey, du hast ja gar nichts zu trinken“, bemerkt er und legt den Kopf schief.
Verwirrt runzele ich die Stirn.
„Soll ich dir etwas holen?“, hakt er weiter nach.
„Äh…“ Ich blinzele den fremden Jungen an. „Nein, nein. Das ist schon okay so“
Er tippt mit seinem Plastikbecher gegen meine Schulter und grinst.
Bedrohlich schwappt das Bier gegen die Plastikwände.
Er kommt mir nicht betrunken oder aufdringlich vor. Nur jemand, der neue Bekanntschaften sucht und ein sehr charismatischer und offener Typ zu sein scheint.
„Nicht so bescheiden. Ich hol dir was“, meint er.
Noch im Sprechen wendet sich er von mir ab.
Schnell sage ich: „Aber kein Alkohol!“
Tatsächlich verspüre ich Durst, jedoch bin ich mit den alkoholischen Getränken nicht so vertraut und habe auch das seltsame Gefühl, es ist besser, heute einen kühlen Kopf zu bewahren.
Außerdem glaube ich, dass ich dem Jungen so oder so nicht ausreden kann, mir kein Getränk zu holen.
Er lacht und dreht sich wieder ganz zu mir um.
„Du bist das Mädchen aus England, oder?“, fragt er.
„Äh, ja“
Sein Lachen formt sich zu einem breiten Grinsen. „Du hast einen süßen Akzent“
Ich spüre die plötzliche Hitze in meinem Gesicht aufsteigen und beiße mir auf die Unterlippe. Das fehlt mir noch: Rotwerden.
Er hält mir seine Hand entgegen. „Ich bin Eric, ein Freund von Noah“
Zögernd schüttele ich seine mir entgegengestreckte Hand. „Sidney“
„Also gut, Sidney“ Er lässt meine Hand los. „Dann werde ich mal etwas Feines für dich zum Trinken besorgen“
Und schon ist er weg.
Was für ein komischer Typ.
Unwillkürlich frage ich mich, ob Noah ihm irgendetwas über mich erzählt hat. Vielleicht ein paar hässliche Lügen? Oder auch gar nichts? Möglicherweise hat er auch nur geschwiegen und mich nie erwähnt?
Ich seufze.
Wer weiß, wie lange es dauert, bis Eric wieder zurück kommt.
„Sidney?“
Eine mir bekannte Stimme ertönt.
Überrascht drehe ich mich zu Amy um. Wenigstens ein vertrautes Gesicht heute! Ich spüre, wie die Erleichterung mich einholt.
„Hey“, begrüßt sie mich und lächelt schief. „Ich wusste gar nicht, dass du heute kommst“
Ich zucke mit den Achseln. „Leona hat mich mitgeschleppt“
Sie nickt. „Sie kann sehr willensstark sein“
„Und wie!“, stimme ich der Blondine zu.
Amy lächelt, doch es wirkt irgendwie matt und traurig. Ihre Gedanken scheinen auf einmal abzuschweifen, denn mit einem Mal wird ihre Miene nachdenklich.
Fragend schaue ich sie an. „Alles okay?“
Ihr Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse. „Kyle und ich haben uns vorhin gestritten. Ich suche ihn schon die ganze Zeit, kann ihn aber nicht finden“
„Oh!“
„Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Und dann ist er einfach wütend davon gestampft“
Sie lässt den Kopf hängen und seufzt laut.
In diesem Moment habe ich wirklich Mitleid mit ihr.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, frage ich fürsorglich.
Amy zuckt mit den Achseln. „Wenn du ihn siehst, sag ihm, dass ich mit ihm reden muss“
„Mach ich“
„Danke“
Sie schaut auf, doch ihr Blick geht an mir vorbei. Es scheint, als würde sie etwas hinter mir fixieren. Stirnrunzelnd drehe ich mich um. Sofort fallen mir zwei bekannte Personen ins Auge:
Nik. Und Vanessa, die ihn - wie sie mir mal erzählt hat - anhimmelt.
Die beiden sind in ein Gespräch vertieft, plaudern gelassen. Mein Mannschaftskapitän strahlt im ganzen Gesicht.
Lachend legt sie ihren Kopf in den Nacken, als Nik scheinbar etwas Lustiges gesagt hat. Er beugt sich zu ihr runter, flüstert ihr etwas ins Ohr und sie nickt begeistert. Wahrscheinlich fragt er sie, ob sie zusammen zum Homecoming-Ball gehen wollen.
Seine Rolle als Gastgeber spielt er sehr gut.
Zähneknirschend wende ich mich von dem Szenario ab.
Ein hässliches Gefühl macht sich in mir breit, welches ich schnell und einfach als Eifersucht erkenne. Dabei habe ich überhaupt keinen Grund eifersüchtig zu sein, immerhin gehört mir Nik nicht. Und überhaupt: Ich empfinde ja schließlich nichts für ihn… oder?
„Was läuft da eigentlich zwischen dir und Nik?“, fragt Amy, die mich und meine Reaktion wohl beobachtet hat.
„Nichts“, antworte ich schlicht.
Denn das entspricht ja schließlich der Wahrheit.
Doch Amy ist skeptisch.
„Ihr habt euch geküsst, Sidney. Du kannst mir nicht sagen, dass da nichts zwischen euch wäre“
Das habe ich ganz vergessen. Als Noah und ich unsere kleine Auseinandersetzung in der Haus-Ruine hatten, musste er ja laut rumbrüllen, dass Nik und ich uns geküsst haben.
Super.
„Ich…– es ist kompliziert“, meine ich und ziehe die Schultern hoch.
„Liebst du ihn denn?“, fragt sie.
„Ich weiß es nicht“
„Liebt er dich?“
„Ich weiß es nicht“
„Was weißt du dann?“
Hilflos zucke ich mit den Achseln. „Im Grunde genommen weiß ich gar nichts!“
Amy seufzt. „Okay, das ist wirklich kompliziert“
Sie lässt ihren Blick suchend durch den Raum schweifen. Von Sekunde zu Sekunde wird ihre Miene erschütterter.
„Kyle kann doch nicht einfach verschwunden sein“, murmelt sie und runzelt die Stirn.
„Glaubst du, er geht dir aus dem Weg?“, frage ich.
Sie verzieht das Gesicht. „Das wäre feige“
In diesem Moment stößt Eric zu uns mit zwei Plastikbechern in seinen Händen.
Das breite Grinsen in seinem Gesicht ist nicht zu übersehen.
„Hi, Ladies“, begrüßt er uns und drückt mir einen Becher mit oranger Flüssigkeit in die Hand.
Vorsichtig schnuppere ich daran, auch wenn ich weiß, dass es Orangensaft ist. Aber es könnte ja dennoch sein, dass er etwas hinzu gefügt hat…
„Keine Angst, ich werde dich nicht vergiften“, lacht Eric und schüttelt über meinen skeptischen Argwohn den Kopf. „Für die aus England stammende Dame gibt es nur echten, köstlichen Orangensaft“
Ich hebe eine Augenbraue. „Eigentlich komme ich aus Schottland…“
Er zuckt mit den Schultern. „Groß Britannien ist Groß Britannien. Ich sehe da keinen Unterschied. Dein Akzent ist und bleibt süß“
Ich lächele unsicher.
Was soll ich darauf erwidern? Ich könnte ihm einen Vortrag über die Unterschiede (die es sehr wohl gibt!) erklären, aber ich bin mir sicher, dass ich Eric damit nur langweilen oder zum Lachen bringen würde.
Ernsthaftigkeit spielt für ihn scheinbar keine Rolle.
Amy stößt mich am Ellenbogen.
„Ich geh Kyle suchen“, raunt sie mir zu und verschwindet.
Nachdenklich nehme ich einen Schluck von meinem Saft. Er schmeckt wirklich wunderbar!
„Also, ich muss dich jetzt auch leider verlassen“, sagt Eric und ein entschuldigendes Lächeln umspielt seine Lippen.
Er hält sein Handy hoch, als Beleg für seinen plötzlichen Abgang.
Ich runzele die Stirn. Heißt das, er muss noch mit jemanden telefonieren? Oder hat irgendwer ihm gerade eine SMS geschrieben?
Ich habe keine Ahnung. Und ehrlich gesagt, ist es mir auch egal.
Schulterzuckend nicke ich. „Okay“
Eric grinst. „Wir sehen uns bestimmt wieder, Sidney“
Mit diesen Worten beugt er sich zu mir runter und gibt mir einen leichten Kuss auf die Wange. Noch ehe ich realisiert habe, was passiert ist, ist er auch schon verschwunden.
Verdattert stehe ich da.
Wie soll ich diese Geste nun deuten? Am besten gar nicht.
Da ich nicht weiß, was ich nun machen soll, beobachte ich die Leute ein wenig.
Und ich komme mir tatsächlich wie in einem typischen Hollywood-Teenie-Film vor.
Hier und da stehen knutschende Pärchen, eine Gruppe von Jungs hat sich zusammengeschlossen und ein Trink-Spiel veranstaltet, ein enttäuschtes Mädchen mit Tränen im Gesicht läuft wutschnaubend die Treppe hoch.
Als ich genauer hinschaue, erkenne ich, dass es sich bei dem schwarzhaarigen Mädchen um Vanessa handelt.
Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen hoch.
Hat sie nicht noch vor ein paar Minuten locker plaudernd mit Nik gelacht?
Ich schüttele den Kopf. Das geht mich doch gar nichts an. Ich sollte mir nicht so viele Gedanken über die beiden machen. Auch wenn es mir schwer fällt, ich sollte das hässliche Gefühl, bekannt als Eifersucht, einfach ignorieren.
Da begegne ich auf einmal dem düsteren Blick von Nik, der nicht weit entfernt von mir am Ende des Flures steht. Komischerweise wende ich mich nicht von ihm ab, wie ich es von meiner Schüchternheit erwartet hätte.
Stattdessen schaue ich ihm offen in die braunen Augen. Nicht provokant, oder herausfordernd. Viel mehr…erwartungsvoll.
Dann lasse ich meine Augen weiterschweifen. Ruhig. Beherrscht.
Ich versuche mir meine innere Frustration nicht anmerken zu lassen - Warum ist er denn so wütend? Bin ich vielleicht tatsächlich nicht erwünscht? - und spiele die gelassene Sidney Lawson.
Das mutlose Seufzen verkneife ich mir ebenfalls.
Ein Mädchen auf der Tanzfläche erregt meine Aufmerksamkeit. Sie ist mir fremd, aber das scheint unwichtig. Tanzend zieht sie sich ihr Oberteil aus und bewegt sich wild und unbeherrscht zur dröhnenden Musik. Die umstehenden Leute zücken ihre Handys, filmen sie und lachen über das Mädchen.
Das ist nun wirklich nicht fair. Meine soziale Ader bäumt sich auf.
Eiligen Schrittes dränge ich mir vorwärts, entschlossen, sie vor einer weiteren Blamage zu bewahren. Schnell stelle ich meinen Becher mit dem Orangensaft weg.
Da verändert sich die Musik auf einmal. Sie wird langsamer, entspannter. Das Mädchen ebenfalls, bis sie schließlich inne hält. Ihre Haare kleben schweißnass an ihrer Stirn und mit einem Mal krümmt sie sich. Keuchend hält sie sich eine Hand vor den Mund.
„Aufgepasst, sie muss sich übergeben!“, brüllt jemand.
Sofort packen sie zwei Leute am Oberarm und zerren sie nach draußen, vor die Haustür.
Ich seufze. Ja, sie tut mir leid.
Und ich hätte sie gerne vor ihrem peinlichen Schicksal bewahrt.
Da wird mir auf einmal bewusst, dass ich mitten auf der Tanzfläche stehe. Die ersten Worte des Liedes ertönen, Gäste tanzen engumschlungen mit einem anderen Partner, wiegen sich im Rhythmus und schmiegen sich aneinander.
Viel zu intim!
Mein Herz pulsiert mit einem Mal schneller, denn mir wird unangenehm bewusst, welches Lied gespielt wird. Ich bin mir sicher, viele kennen es. Vor allem »City of Angels«- Fans. Der Song von Paula Cole ist nicht wirklich romantisch, sondern eher sexy und erotisch.
Ich schlucke hart und will augenblicklich die Flucht ergreifen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Sofort versteife ich mich.
Langsam drehe ich mich um und starre direkt in zwei mir bekannte, braune Augen. Das Schlucken fällt mir schwerer.
„Ähm…äh“, stottere ich.
Ich bin mit der Situation eindeutig überfordert, vor allem da im Hintergrund Paula Cole singt: » You make me feel like the Amazon\'s runnin\' between my thighs«
Was so viel bedeutet, wie: »Du gibst mir das Gefühl, als würde der Amazonas zwischen meinen Oberschenkeln laufen«
Die Röte in meinem Gesicht ist bestimmt nicht zu übersehen, selbst im abgedunkelten Wohnzimmer.
Nik lächelt nicht. Sein Gesicht ist eine einzige, starre Maske, was ihn noch unheimlicher wirken lässt.
Er nimmt meine Hände, legt sie um seinen Nacken und platziert seine eigenen an meinen Hüften, zieht mich näher zu sich ran. Ich versteife mich und kann nicht verhindern, dass mich ein Anflug von Zorn überrollt.
„Was soll das werden?“, zische ich leise und funkele ihn wütend an.
Ich habe das Gefühl, mein Herz springt mir gleich aus dem Hals. Diese Situation ist eindeutig ungewohnt für mich.
Nik hebt spöttisch eine Augenbraue. „Wir tanzen nur, Sidney. Siehe es, als mein Geburtstagsgeschenk“
Ich runzele die Stirn. „Aber…“
Er beugt sich zu mir runter. Seine Lippen streifen mein Ohr, knabbern behutsam an meinem Ohrläppchen. Ich halte die Luft an.
„Bist du betrunken?“, frage ich bestürzt.
Nik lacht leise. Es ist das erste Mal, dass er in seinem versteinerten Gesicht Emotion zeigt. Er wirkt amüsiert.
„Ist es so seltsam, dass ich einfach nur mit dir tanzen will?“, fragt er.
Ich starre ihn verwirrt an. „Ja“
Er verdreht lächelnd die Augen. Dann legt er seine Stirn an meine und schaut mich einfach nur an. Dieser intensive Blick geht mir bis unter die Haut.
Und das weiß er nur allzu genau.
„Du bist eine zwiespältige Person, Sidney. Stark und schwach. Laut und leise. Schüchtern und vorlaut. Unzugänglich und offen“, bemerkt er.
Ich senke den Blick, starre auf seine Brust, die von einem weißen Hemd bedeckt ist.
Dann frage ich: „Ist das schlimm?“
„Nein“, erwidert er ernst. „Das macht dich doch gerade so interessant“
Irritiert schaue ich auf, versuche in seinen braunen Augen irgendetwas zu finden, was mir weiterhelfen könnte.
Erzählt er die Wahrheit?
„Was ist das zwischen uns?“, wage ich zu fragen.
Er seufzt, drückt mich näher an sich und zuckt hilflos mit den Schultern.
„Wenn ich das wüsste“, murmelt er.
Ich runzele die Stirn. „Glaubst du, dass es richtig ist?“
Nik lächelt tiefgründig. „Ich glaube, es gibt gar kein richtig oder falsch. Nicht in dieser Welt. Hier ist alles anders. Sonderbarer“
Daraufhin erwidere ich erst einmal nichts.
Kein richtig oder falsch? Das kommt mir kurios vor. Unrealistisch.
Aber andererseits: Was ist denn schon real?
Ich beschließe, ein anderes Thema anzuschneiden, welches nicht so philosophisch ist.
„Was ist mit Vanessa?“, stoße ich hervor und schaue ihm wieder offen in die Augen. Fragend, neugierig. Nicht zurückschreckend.
Er soll nicht denken, dass es mir irgendwie etwas ausmacht, die beiden zusammen zu sehen.
Nik seufzt. „Bitte, keine weiteren Fragen mehr“
„Aber…“, wehre ich ab.
Bin ich etwa auf einen Punkt gestoßen, der ihn sensibel erscheinen lässt? Interessant. Vielleicht sollte ich später darauf zurückgreifen.
„Ich wollte mich noch entschuldigen“, beginnt er auf einmal.
Ein wirklich sehr abrupter Wechsel.
Ich hebe die Augenbrauen.
„Wofür?“
„Für mein Benehmen von heute Morgen. Ich war grob zu dir gewesen. Und das tut mir leid“, erklärt er und seufzt erneut.
Das Lied ist zu Ende und abrupt lässt er mich los. Auf einmal scheint Nik es eilig zu haben, denn ohne ein weiteres Wort, dreht er sich um und verschwindet.
**
Eine halbe Stunde ist nun seit dem Tanz vergangen.
Mittlerweile habe ich Leona wiedergefunden, mit der ich nun ein wenig gelangweilt auf einem der Sofas sitze und die Leute beobachte.
Leider ist es genau das Sofa, welches auch in meinem Traum mit Nik vorkam, wo wir beide knutschend –
„Hey“
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Verwirrt schaue ich auf und blicke in das mutlose Gesicht von Kyle.
„Habt ihr vielleicht Amy gesehen?“, fragt er und fährt sich mit der Hand über das Gesicht und durch die Haare.
Ich runzele die Stirn. „Sie sucht dich schon die ganze Zeit“
Er seufzt. „Ich weiß. Ich suche, sie auch schon, aber…ich kann sie nicht finden“
Seltsam. Wenn beide sich so energisch suchen, sich dennoch aber nicht finden, dann kann es ja nur ein Spiel des Schicksals sein, dass sie sich auf diesen knapp hundert Quadratmetern nicht begegnen.
„Hast du schon im Badezimmer nachgeguckt?“, fragt Leona. „Du weißt doch, sie hat eine sehr schwache Blase und wenn sie die ganze Zeit–“
„Leona“, wird sie von Kyle unterbrochen. „Das ist wirklich nicht witzig“
Sie zuckt mit den Achseln. „Ich mein ja nur“
In diesem Moment ertönt auf einmal ein lautes Poltern und Krachen.
Erschrockene Aufrufe ertönen.
„Was ist denn da los?“, frage ich irritiert und stehe auf.
Ein ungutes Gefühl beschleicht mich auf einmal, lässt mein Herz beunruhigt schneller schlagen und sorgt für schwitzige Hände.
Nervös beiße ich mir auf die Unterlippe. Leona hat sich ebenfalls erhoben, ihre Augenbrauen sind zu einer ernsten Miene zusammengezogen.
Da wird auf einmal die Küchentür aufgestoßen, ja, schon beinahe aus den Angeln gerissen. Zwei Jungs kommen zum Vorschein, schubsen sich gegenseitig, lassen die Fäuste sausen.
Ihre Gesichter sind nur noch einzige, wutverzerrte Fratzen. Sofort schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken, als ich die beiden Jungs erkenne.
Neben mir flucht Kyle leise.
„Dass sie sich auch immer prügeln müssen!“, beschwert er sich und geht eiligen Schrittes auf die beiden Streithähne zu.
Ich folge ihm hastig.
Einige umstehende Gäste starren die beiden Geburtstagskinder schockiert an, während eine andere Schaar von Jungs grölend ihren Favoriten anfeuert.
Sind wir hier etwa im Zoo gelandet?
Noah hebt seine geballte Faust und lässt sie auf Niks Nase landen. Das darauffolgende Blut benetzt Niks Oberlippe und lässt ihn noch wütender reagieren.
„Verdammt, hört auf ihr beiden!“, brülle ich, wage einen Schritt nach vorne, springe jedoch hastig wieder zurück, als sie mir zu nahe kommen.
Kyle versucht einzuschreiten, kann jedoch nicht viel bezwecken.
Und dann mache ich den wohl größten Fehler, den ich hätte tun können:
Meine Hand legt sich auf Noahs Oberarm, sofort verspüre ich seine geladene Energie und vergesse, dass sie durch mein Element angestachelt und vervielfältigt wird.
Ein heftiger Stromstoß durchzuckt meinen Körper, lässt mich erschrocken keuchen. Noah holt zum finalen Schlag aus.
Unbeabsichtigt habe ich meine Energie mit seiner angeknüpft, ihn dadurch stärker gemacht. Erschrocken stoße ich einen spitzen Schrei aus, als Noah seine glühende (!) Faust auf Nik sausen lässt. Die Wucht des Schlages lässt den getroffenen Zwillingsbruder zurückwerfen.
Die Augen von Nik sind weit aufgerissen und ich kann die unvermittelte Angst in seinem Gesicht erkennen. Er fliegt zurück, sein Nacken trifft auf den Türrahmen der Küche.
Nik fällt zu Boden. Und bleibt regungslos liegen.
Allgemeine Stille herrscht im Raum. Sogar die Musik ist tot.
Alles, was ich hören kann, ist mein rauschender Puls in meinen Ohren, das Keuchen von Noah und das leise Wimmern aus meinem Mund.
Ich bin gelähmt. Wir alle sind es.
Geschockt starren wir den leblosen Körper an, eine kleine Blutlache bildet sich unter dem Nacken.
Schließlich erwache ich aus meiner Starre. Die Tränen auf meinen Wangen bemerke ich gar nicht.
„Nik!“
Mit einem Schluchzen stürme ich auf ihn zu, knie mich neben seinem Körper nieder und suche seinen Puls. Auch die anderen Gäste scheinen nun Regung zu zeigen, lautes Gemurmel ertönt, welches sich langsam zu entsetzen Worten formt.
Kyle kniet sich neben mich, horcht an Niks Brust.
„Er atmet noch ein wenig. Aber nur ganz schwach“, erklärt er leise und schaut mich an.
In seinen Augen kann ich ebenfalls den Schock und die Angst erkennen.
Mein Blick wandert zu Noah, der immer noch seinen Bruder anstarrt. Er scheint es nicht zu realisieren.
„Wir müssen einen Krankenwagen rufen!“, sage ich laut.
Sofort kramt Kyle in seiner Hosentasche nach seinem Handy, ich ebenfalls.
Als ich mein Mobiltelefon zu greifen bekomme, bemerke ich, dass mir eine neue Nachricht entgangen ist.
»Unbekannt« steht da.
Da Kyle bereits am Telefonieren ist, wage ich es, die Nachricht zu öffnen.
Nichtsahnend.
Doch die Worte, die zum Vorschein kommen, versetzen mir einen weiteren Schock und lassen mich schwer schlucken. Wie schlimm kann der Abend noch werden?
Kyle klappt sein Handy zu.
„Ein Krankenwagen ist unterwegs“, erzählt er.
Ich nicke nur schwach.
Fragend mustert er meine Miene. „Was ist los, Sidney?“
Ich presse die Lippen zusammen und schaue ihn hilflos an. Stumm überreiche ich ihm mein Handy.
Scharf zieht Kyle die Luft ein, als er die SMS liest. Sein Blick wird düster.
Ich nehme mein Handy wieder an mich und starre erneut auf die Worte.
»Blondie wurde entführt. Ihr solltet euch beeilen.
- Anonym.«
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Ich bin nicht ganz zufrieden, aber ich hoffe dennoch, es hat euch gefallen. :-) Und noch einmal viiielen lieben Dank für eure Kommis, die motivieren mich wirklich sehr! :-*
Sooo, jetzt muss ich mich leider erst einmal für zwei Wochen verabschieden, in denen ich im Urlaub bin. (Ja, ich weiß, doofe Ferien. :D )
Liebe Grüße!
Yaksi
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