The Life Shot - Teil 14

Autor: Yaksi
veröffentlicht am: 04.07.2012


|Dreizehn|
- Anonym

›Freitag‹

Kaum zu glauben, dass das Blut an der Wand mein eigenes ist.
Ich hätte nie gedacht, dass ein Morgen so katastrophal anfangen könnte, aber vielleicht habe ich mich einfach nur selbst unterschätzt. Immerhin führte ich in Schottland ein ruhiges, geordnetes Leben. - Aber nun?
Meine Laune befindet sich bereits im Tiefpunkt, obwohl der Tag gerade erst begonnen hat.
Seufzend werfe ich einen Blick durch das unordentliche Gästezimmer von Großmutter Harriet, welches vorübergehend mein Reich ist. Dabei stelle ich kopfschüttelnd fest, dass man es hätte perfekt für einen Drehort für einen Horrorfilm verwenden können.
Heute Morgen habe ich mich beim Klingeln des Weckers so sehr erschrocken, dass ich ihn reflexartig vom Nachttisch geschmissen habe, so dass seine Einzelteile nun verstreut auf dem Boden liegen.
In meiner Eile habe ich beinahe den ganzen Kleiderschrank auseinander genommen, weil ich einfach nichts finden konnte, was ich zum heutigen Tag anziehen wollte – Sprich: Die Hälfte meiner sonst so sorgfältig zusammengefalteten Kleidung befindet sich nun in dem Chaos, was man einst »Gästezimmer« genannt hat.
Die blutigen Abdrücke an der weißen Wand sind mir erst später aufgefallen.
Nachdem ich die Scherben des kaputten Spiegels, welcher pompös und aufragend in der Ecke des Zimmers steht, eingesammelt und entsorgt habe, entdeckte ich eine halbwegs große Schnittwunde in meiner Handfläche, die erst beim Hinsehen anfing zu schmerzen.
Mir fiel ein, dass ich mich beim Aufstehen an der Wand abgestützt habe, was letzten Endes zu den blutigen Abdrücken führte.
Und das alles passierte mir natürlich ausgerechnet heute: An dem Geburtstag von Nik und Noah Sears.
„Sidney?“
Harriet’s Ruf lässt mich zusammenzucken.
Kopfschüttelnd drehe ich mich von dem zerstörten Spiegel weg und versuche mir Mut zuzusprechen.
„Sid!“
Die Stimme von Großmutter Harriet klingt ungeduldig.
„Du musst dich beeilen, die Schule beginnt bald. Und du hast noch nicht einmal gefrühstückt“, bemerkt sie.
Nun schwankt Vorwurf in ihrer Stimme mit.
Ich seufze und öffne mit einem Rollen der Augen die Zimmertür.
„Ist ja gut“, erwidere ich beschwichtigend. „Bin schon fertig“
Die Sache mit dem Spiegel habe ich Harriet schon gebeichtet.
Sie hat es erstaunlich gefasst zur Kenntnis genommen und nicht erschrocken die Hände vor dem Mund geschlagen, wie ich es erwartet habe. Zum Glück ist der Spiegel kein wertvolles Erbstück oder ein Geschenk gewesen.

**
Während ich frühstücke, denke ich an gestern zurück.
Nik war hier - und er hat tatsächlich das Gleiche geträumt wie ich.
Es ist einfach unmöglich, grotesk.
Viel zu surreal.
Ich weiß, dass ich vielleicht nicht so denken sollte. Denn seit ich in St. Michaelis lebe, sind schon viele merkwürdige Dinge passiert.
Aber es passt einfach nicht zu meiner Denkweise, die ganze Elementen-Geschichte will mir noch nicht so richtig in den Kopf.
Ich versuche zu verstehen.
Jedoch ist das Leben nicht so einfach wie Mathematik, wo es für jede Aufgabe eine Lösung gibt.

Frustriert stoße ich einen Seufzer aus.
Es gibt da auch noch eine andere, kleine Stimme in meinem Kopf, die mir oft zuflüstert, dass das alles eigentlich gar nicht so absurd ist. Das alles einen Sinn ergibt.
Irgendwie.
Aber irgendwie auch nicht.
Ich versuche ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken. Das ist alles so kompliziert!
„Was ist los, meine Liebe?“, höre ich die fragende Stimme von Großmutter Harriet.
Ich lege meine Gabel, mit der ich die ganze Zeit lustlos mit meinem »Pancake« gespielt habe, auf den Tellerrand und ringe mich zu einem Lächeln.
Natürlich ist es meiner Oma nicht entgangen, dass ich mich in einer missmutigen Stimmung befinde.
„Ich…habe nur viel um die Ohren“, sage ich und lasse die Schultern hängen.
Harriet hebt eine Augenbraue. „Wenn du ständig schwere Seufzer ausstößt, dann muss da mehr hinter stecken“
Hilflos zucke ich mit den Schultern.
Nachdem Nik gestern gegangen ist, habe ich Amy angerufen, wie sie es von mir verlangt hat. Bei dem Gespräch habe ich herausgefunden, dass die Zwillinge morgen - also heute - Geburtstag haben. Und natürlich hat sich niemand die Mühe gemacht, es mir früher mitzuteilen.
„Was bedrückt dich, dass du vor Kummer nicht einmal mehr essen möchtest?“, hakt Harriet nach und zieht besorgt die Augenbrauen zusammen.
Verwirrt schaue ich sie an.
Sie glaubt doch nicht etwa, dass ich…?
„Der junge Mann gestern sah sehr geknickt ist, als er das Haus verlassen hat. Ist irgendetwas passiert?“
Sie denkt also tatsächlich, dass ich aus Liebeskummer so frustriert bin!
Augenblicklich spüre ich Hitze in meinem Gesicht aufsteigen und beiße mir fest auf die Unterlippe.
„A-also, wir hatten nur eine, ähm, Meinungsverschiedenheit“, versuche ich die Situation zu retten.
Fürsorglich tätschelt Harriet meine Hand. „Die Liebe kann manchmal grausam sein“
„Aber so meine ich das doch gar nicht!“, wehre ich ab und entziehe ihr meine Hand. „Darum geht es nicht“
In diesem Moment taucht mein Vater in der Küche auf.
Sein Blick ist auf ein paar Umschläge in seinen Händen gerichtet, so dass er meine aufgelöste Miene und Harriets erstauntes Gesicht nicht sehen kann.
„Du hast Post bekommen, Sid“, stellt mein Vater überrascht fest und schaut auf.
Ich streiche mir eine braune Strähne hinter das Ohr und nicke mit zusammengepressten Lippen.
Hastig räume ich mein Geschirr in die Spülmaschine, ehe ich den Brief aus Papas Hand nehme.
Ich gehe in den Flur und setze mich auf die erste Treppenstufe, bevor ich den Umschlag ungeschickt öffne. Eher desinteressiert falte ich das Blatt auseinander - und staune nicht schlecht.

» Ein kleiner Denkanstoß:
›Sei wie eine Wolke und schau dir die großen Zusammenhänge von oben an.‹

Eigentlich ist alles ganz einfach, Sidney.
Wehre dich nicht, sondern lass es zu.

Man kann vor seinem Schicksal nicht davonrennen.

- Anonym. «

Die Worte wurden mit einem bestimmten Computerprogramm getippt, die schwarzen Druckbuchstaben heben sich von dem weißen Papier ab.
Der Inhalt lässt mich verwirrt die Stirn runzeln.
Wer hat das geschrieben? Wer versucht mir zu helfen? Oder ist das alles doch nur ein Scherz?
Ich schüttele den Kopf und renne schnell die Treppe nach oben in mein Zimmer, um den Brief dort zu verstecken.
Die Situation erinnert mich an mein grüblerisches Kopfzerbrechen mit Carmen, als ich von Ebbey eine mysteriöse Postkarte bekommen habe.
Doch dieses Mal ist es anders. Wichtiger.
Bedeutender.
Auch bin ich mir ziemlich sicher, dass es kein Kalauer ist. Es ist einfach ein bestimmtes Gefühl.
Ich höre ein Auto hupen.
Hektisch werfe ich einen Blick aus dem Fenster und sehe schon Kyle vor dem Haus warten.
Während ich die Treppe nach unten rase, rufe ich einmal ein lautes „Bis nachher!“ durch das Haus.
In Rekordgeschwindigkeit schlüpfe ich in meine Halbschuhe und streife mir noch meine Jeansjacke über. Ein paar Sekunden später lasse ich mich mit einem lauten Schnaufen auf den Beifahrersitz von Kyle fallen.
Entschuldigend lächele ich ihn an.
„Verschlafen?“, fragt er und startet den Motor.
Ich schüttele den Kopf. „Nur ein wenig Hektik am Morgen“
Er nickt und lenkt uns geschickt aus der Einfahrt.
Ich atme tief durch und lasse die Geschehnisse noch einmal Revue passieren.
Irgendjemand will mir anscheinend seine Hilfe anbieten. Die Frage ist nur: Soll ich sie auch annehmen?
Ich weiß ja noch nicht einmal, wer mir den Brief überhaupt geschrieben hat.
»Anonym«
Das hilft mir wirklich nicht weiter.
„Amy hat mir erzählt, dass du dich mit Nik gestritten hast“, erzählt Kyle und wirft mir einen kurzen Seitenblick zu.
Ich presse die Lippen aufeinander. „Es war kein wirklicher Streit“
Fragend hebt Kyle die Augenbrauen.
„Ich meine, es war mehr ein Missverständnis. Scheinbar habe ich ihn verletzt“, erkläre ich seufzend.
Kyle sagt dazu nichts.
„Warum hat mir niemand erzählt, dass Nik und Noah heute Geburtstag haben?“, frage ich schließlich und kann nicht verhindern, dass in meiner Stimme Vorwurf schwingt.
„Ich dachte, dass wüsstest du“, murmelt Kyle kleinlaut.
Ich schnaube abfällig. „Woher denn?“
Er beißt sich auf die Unterlippe.
„Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber ich wohne hier erst seit ein paar Wochen“, fahre ich fort und verschränke die Arme vor meiner Brust.
Kyle seufzt. „Irgendwie haben wir es alle vergessen“
Er hat die Schultern hochgezogen, als hätte er Angst, ich würde ihn jeden Moment anfahren. Aber das habe ich nicht vor.
So bin ich nicht.
Ich weiß nicht, was mit mir los ist. In letzter Zeit bin ich ziemlich schlecht drauf und werde schnell bissig. So kenne ich mich gar nicht.
Und das macht mir Angst.
Ich massiere mir die Schläfe. „Also schön, ist ja auch egal. Ich werde darauf nicht weiter rumreiten“
Mit diesen Worten wende ich mich von Kyle ab und starre aus dem Fenster.


**
Homecoming steht bald vor der Tür.
Und genau deswegen herrscht in der Schule ein riesen Chaos.
Die allgemeine Mottowoche, die es an jeder amerikanischen High School kurz vor dem Homecoming gibt, beginnt bald. Es wird viel spekuliert, wer denn das neue Homecoming-Königspaar werden wird und zudem suchen immer noch ein paar verzweifelte Schüler eine Begleitung für den Ball.
Außer ich.
Mit einem Seufzen schließe ich meinen Spind und schultere meine Tasche, als ich plötzlich eine Stimme wahrnehme.
„Sidney!“
Überrascht drehe ich mich um, lasse meinen suchenden Blick durch die Schülermasse schweifen, die sich durch den schmalen Flur drängt.
„Hey!“, begrüßt mich Vanessa, der Kapitän meiner Volleyballmannschaft.
Ich lächele ein wenig unsicher, zumal sich neben der Schwarzhaarigen ein Junge in unserem Alter befindet, der sich nervös auf die Unterlippe beißt.
„Hi“, erwidere ich höflich.
„Ich will dir jemanden vorstellen“, beginnt Vanessa sofort und schubst den Jungen leicht in meine Richtung. „Das ist Jonah - mein Cousin“
Ich sehe, wie sich die Wangen des Jungen rot färben und er meinem Blick ausweicht. Fragend wende ich mich dem schwarzhaarigen Mädchen zu, die verschwörerisch grinst.
„Du weißt doch sicherlich, dass in einer Woche der Homecoming-Ball stattfindet. Und ich wollte dir die Partnersuche ein bisschen erleichtern“, erklärt Vanessa und zwinkert mir zu. „Es sei denn, du hast schon jemanden, dann–“
„Nein, ich habe noch keine Begleitperson. Aber…“, setze ich an, doch Vanessa unterbricht mich.
„Super! Mein Cousin sucht auch noch ein hübsches Mädchen, ist aber leider viel zu schüchtern, um jemanden zu fragen“
Jonah verkrampft sich unmerklich. Ich kann sehen, wie er Vanessa einen düsteren Blick zuwirft.
„Wie wäre es, wenn ihr beide euch ein bisschen näher kennenlernt, und dann zusammen zum Ball geht?“, schlägt sie freudestrahlend vor.
Verblüfft blinzele ich sie an.
Will mich der Kapitän meiner Mannschaft gerade tatsächlich verkuppeln?
„Also, ich…ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt hingehe“, drücke ich meine Bedenken aus und presse die Lippen aufeinander.
Vanessa macht eine wegwerfende Handbewegung. „Dann kannst du dich ja glücklich schätzen, dass ich dir die Entscheidung abgenommen habe! Es ist einfach ein MUSS, beim Homecoming-Ball dabei zu sein“
„Aber…“
„Nun hab dich nicht so, Sidney“, tadelt sie. „Jonah ist nett, ein wahrer Gentleman!“
Sie streicht sich eine schwarze Strähne hinter ihr Ohr und lächelt mir aufmunternd zu.
„Wir sehen uns dann beim Training!“, verabschiedet sie sich schließlich und taucht in der Menge unter.
Verdattert schaue ich ihr hinterher.
So läuft das also!
Jonah neben mir räuspert sich. „Ähm, also ich…- du musst nicht…“
Ich seufze.
Eigentlich habe ich gar nicht vor, auf diesem Homecoming-Ball aufzutauchen. Schon allein die aufgeregte Tuschelei, der große Aufwand und die nervöse Vorfreude der anderen Schüler zerren an meinen Nerven.
So viel Drama um einen Abend, das ist nichts für mich.
Ich bin eben keine waschechte Amerikanerin, die mit dem Homecoming irgendwie etwas anfangen kann. Natürlich, es ist aufregend - auf eine gewisse Art und Weise.
Aber nun mal nicht meine Welt.
„Würdest du gerne hingehen?“, frage ich Jonah geradehinaus.
Irritiert runzelt er die Stirn. „Bitte, was?“
„Der Homecoming-Ball“, erwidere ich langsam. „Ist es dein großer Wunsch dort zu sein?“
Unbehaglich spielt er mit seinen Fingern und beißt sich wieder auf die geschundene Unterlippe.
Irgendwie ist er ja süß.
Seine dunkelbraunen Haare, die etwas länger sind, hat er mit einem Gel straff nach hinten geformt, dazu eine schlichte, schwarze Brille auf seiner Nase. Die Augenfarbe kann ich nicht erkennen, dafür aber seine langen Wimpern, die wohl so einige Mädchen neidisch machen könnten.
„Nun, all meine Freunde sind dort…“, beginnt Jonah.
Ich stelle fest, dass er mir noch nicht einmal in die Augen geschaut hat. Ständig hat er den weißen Boden im Visier.
„…und es ist irgendwie doof, wenn ich als einziger nicht hingehe, weil…“
Dem Rest seiner Worte höre ich gar nicht mehr zu, denn ich habe schon erkannt, wieso er unbedingt zum Homecoming-Ball gehen möchte.
Es eine Art Mitläufer-Geschichte und außerdem hat Jonah Angst, von seinen Freunden ausgeschlossen zu werden. Und dazu ist es ja doch irgendwie aufregend und mutig mit einem Mädchen dahin zu gehen.
Jonah tut mir irgendwie leid. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn ich diese ganze Homecoming-Prozedur mal komplett miterlebe. Quasi als Souvenir, als kleine Erinnerung.
Wieder seufze ich.
„Okay, ich gehe mit dir hin“
Überrascht stoppt Jonah seinen Monolog und schaut mich verblüfft an. Es ist das erste Mal, dass er mich wirklich anschaut.
Seine Augen besitzen eine interessante Farbe. Es ist eine Mischung aus Grau und Blau, die durch seine dunklen Haare eigenartig hervorstechen.
„Oh - wow. Das habe ich nicht erwartet“, gesteht er und kratzt sich verlegen im Nacken. „Ich meine, also…weil…es ist so, dass…“
„Schon gut“, unterbreche ich ihn lächelnd.
Jonah presst die Lippen zusammen und nickt.
Ich kann sehen, wie seine Schultern sinken, scheinbar erleichtert und versuche mir ein Grinsen zu verkneifen.
„Ich…also…“, beginnt er wieder zögernd. „Ähm, hast du Montag Zeit?“
Erstaunt hebe ich die Augenbrauen.
„Dann können wir ein paar Dinge klären“, fügt er hastig hinzu.
Ich lache auf. „Ja, ich habe Montag Zeit“
„Wir könnten nach der Schule zu »Rosi‘s«“, schlägt Jonah vor und fasst sich kurz darauf an die Stirn. „Aaah, ich habe vergessen, dass du ja neu hier bist. Du kennst den Laden ja gar nicht“
Entschuldigend sieht er mich an, doch ich schüttele nur den Kopf.
Irgendwie macht ihn seine Schüchternheit sympathisch.
„Keine Angst, ich kenne das »Rosi‘s« schon“, erwidere ich. „Von mir aus können wir da nach der Schule hingehen“
Jonah nickt eifrig und lächelt zufrieden. „Gut, dann bis morgen!“
Und Schwups - war er schon weg.


___________
!!!!!!!!!!!

Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass ich euch so lange hab warten lassen. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen. :o
Aber momentan stecke ich in einer wirklichen Schreibkrise fest, mir fällt einfach nichts ein, wie ich die Geschichte fortführen könnte. Ich will die Story aber auch nicht wegwerfen, das ist mir zu schade.
Deswegen frage ich jetzt EUCH. Habt ihr Ideen/ Wünsche/ Vorschläge, was ich mit einbauen könnte?
Ich wäre euch wirklich DANKBAR!
Liebe Grüße,
Yaksi :-)






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