Merancyia - Dämonen der Nacht - Teil 7

Autor: BobbySmitty
veröffentlicht am: 21.08.2014


Kapitel Fünf

Anthony

„Wir gehen das Essen vorbereiten, ihr könnt sitzen bleiben.“, sagte Marilyn und zog Jackson und Phillip mit ins Haus. Cameron und Charlie folgten ihnen, aber liefen ein paar Schritte hinterher und tauschten leise was miteinander aus.
„Als ob es uns etwas ausmachen würde.“, sagte der zweitälteste Bruder von Jearinne grinsend und trank sein Glas leer. Ich hatte zwar schon gemerkt, dass er anscheinend einen Kater hatte - es war nicht zu übersehen - verhielt sich aber ausgesprochen enthusiastisch.
Ich war jedoch etwas verwirrt. Und ein bisschen begeistert. Jearinnes Familie hatte ich mir nicht im Geringsten so vorgestellt. Glücklich, sympathisch, dauerhaft aktiv. Jeder einzelne von ihnen.
Von Phil hatte ich erfahren, dass Dickson, der Schrank, wie es Jeara zu pflegen sagte, er sei der größte Familienmensch, den es in ihrer Gemeinschaft gab. Zumal er selber aber keine mehr hatte. Auf dieses Thema waren wir nicht weiter angegangen. Tyson war bloß drei Jahre älter als ich. Natürlich, man sah es an seinem Gesicht und seinem Verhalten an, aber den Ausdruck den er stets trug, verlieh ihm eine gewisse Autorität und Weisheit. Während wir miteinander über Seattle und deren Gegenden sprachen, ignorierte ich bewusst, die Schrammen in seinem Gesicht und die Narbe oberhalb seiner linken Augenbraue.
„Ihr seid also alle sechs zusammen mit euren Eltern hierher gezogen? Etwas seltsam.“, sagte er und sprach etwas an, was wir strikt versucht hatten zu vermeiden. Doch die Worte lagen mir schon ganz vertraut auf den Lippen, als wären sie wirklich die Wahrheit.
„Eigentlich führen unsere Eltern ein gemeinsames Firmengeschäft. Sie kennen sich seit über dreißig Jahren und haben eben gemeinsam entschieden, nach Boston zu ziehen. Seattle hatte uns allen nie wirklich gefallen.“, sagte ich und Ethan nickte, sprach weiter und überzeugte Tyson davon, dass es keineswegs seltsam war. Bloß, dass seltsam genau das richtige Wort war und den Nagel auf den Kopf traf.
„Ausgerechnet Cambridge sucht ihr euch aus. Keine besonders aufregende Stadt.“, meinte Dick und hatte sein Ellbogen auf Phils Schulter gebettet. Ethan lächelte höflich.
„Unsere Eltern wohnten früher hier, deswegen sind wir aus diesem eigentlichen Grund hierher gezogen.“.
„Verstehe. Trotzdem nichts Besonderes.“, erwiderte Tyson und lachte. Ich warf Jearinne einen Blick zu. Sie saß bei Mason und hörte seinen Anweisungen zu, bei denen es sich um das Grillen handelte. Keinesfalls war die Bewunderung und Hochachtung vor ihrem großen Bruder zu übersehen. Tysons Worte kamen mir in den Sinn. Nichts Besonderes. Mit einem langen Blick auf Jeara, dachte ich genau das Gegenteil, von dem was er behauptet hatte.
„Die sollen mich wecken, wenn alles auf dem Tisch steht.“, gähnte Dickson und bettete sein Kopf auf seine Arme, die er auf dem aufklappbaren Tisch verschränkt hatte. Tyson schlug ihm auf den Rücken und kassierte einen grimmigen Blick.
„Du hältst dich wohl, für sehr stark, was? Wisch dir das Grinsen aus dem Gesicht, Ty-Pie.“, grummelte er. Tyson lachte und sah uns aus leuchtenden Augen an.
„Er ist bloß eifersüchtig, weil er mich nicht schlagen darf.“, sagte er und pikste Dickson in die Seite.
„Gleich lege ich die Abmachung zur Seite und zeig dir, was ich darf und was nicht.“, brummte Dickson. Ethan und ich lachten.
„Was für eine Abmachung?“, fragte Ethan.
„Morgen bekomme ich einen Brief von einem College, ob ich nun angenommen wurde oder nicht. Daher mir Mickie und Dick, einen Tag geben, mich voll und ganz zu entspannen, dürfen sie die Hände von mir lassen.“, erklärte er und sah den zusammengesunkenen Dickson an. „Hast du gehört, Dick? Anfassen verboten!“, schrie er in sein Ohr. Masons Gelächter wehte zu uns rüber.
„Ty, wenn du ihn weiter so strapazierst, ist es Dickson schon so egal, dass er die jedes einzelne Haar krümmen würde.“, rief er und nimmt mit seiner Zange ein Steak vom Teller, den Jearinne ihm hinhielt. Doch Jeara sah ihn geschockt an und wandte sein Gesicht ihr zu. Neugierig lehnte ich mich auf dem Stuhl weiter nah hinten, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Sie redete schnell und hatte die Augenbrauen sorgenvoll zusammen gezogen. Ein mulmiges Gefühlt legte sich in meiner Magengegend breit. Dann legten sie plötzlich alle Sachen weg und kamen auf uns zu und da bekam ich es mit der Angst zu tun. Auf Masons Gesicht war eine Wunde. Sie zog sich über sein Kinn, neben seinem Mundwinkel hoch zu seinem linken Nasenflügel. Sie sah noch recht frisch aus und war rot und eine leichte Kruste hatte sich gebildet. Alle anderen verstummten schlagartig, als sie ihn sahen.
„Was zum Teufel?“, rief Tyson und Dickson hob verärgert den Kopf hoch, aber als sein Blick in Masons verwirrte Miene fiel, keuchte er.
„Kannst du lauf sagen.“, flüsterte er. „Sag mal was hast du mit dir angerichtet?“.
„Ich hatte sie den ganzen Tag, Leute, habt ihr sie denn nicht gesehen?“, fragte Mason verdutzt, aber eine Furche bildete sich zwischen seinen Brauen. Sam, Ethan und ich warfen uns skeptische Blicke zu. Wir hatten sie nämlich nicht gesehen. Da war ja auch keine gewesen.
„Nein, weil da keine Monsterwunde in deinem Gesicht gewesen war.“, sagte Ty und Jeara biss sie nachdenklich auf die Lippe.
„Vielleicht habt ihr sie nicht bemerkt?“, fragte Mason, aber alle sahen abgelenkt auf die rote Verletzung.
„Mason, sie war nicht da.“, beteuerte Ty und Dickson nickte zustimmend.
„Er ist gestern Nacht ausgerutscht.“, sagte Michael mit einer Spur von Spott. Anscheinend war Michael unter uns der Einzige, der die Wunde wirklich gesehen hatte.
„Ich habe sie auch erst jetzt gesehen, aber nun wäre die Frage beantwortet, ob nur ich sie nicht gesehen habe.“, sagte Jeara und fasste ihren verwirrten Bruder an den Ellbogen. „Komm wir machen weiter.“. Mason kratzte sich am Kopf und ging wieder, aber er gestikulierte stark mit den Händen und selbst ich konnte seine Verwirrtheit spüren. Ty redete ruhig mit Dickson über Mason und Sam und Ethan sahen mich mit einem Blick an, bei dem ich Gänsehaut bekam. Irgendwas stimmte gewaltig nicht. Nach einer Weile jedoch war es vergessen und Tyson fing wieder an Dickson zu nerven. Doch Samuel, Ethan und ich grübelten die ganze Zeit darüber nach. Immerhin war das nicht möglich, dass wir den ganzen Tag hier verbrachten, zusammen mit Mason, uns diese Verletzung im Gesicht nicht gesehen hatten. Selbst so eine kleine Pupsverletzung auf dem Arm oder so, fiel den Leuten ins Auge.
„Glaub mir, du kannst von Glück reden, dass ich einen Kater habe. Sonst würdest du genauso wie Jearinne am Morgen im Pool landen.“, sagte Michael schmunzelnd. Ich sah zu Jearinne und beobachtete sie. Ihre Augen landeten auf meinen und sie lächelte schüchtern. Bei meinem Zwinkern und dem anzüglichen Grinsen jedoch, verdrehte sie die Augen. Dann wandte sie sich wieder dem Grill zu, ohne Erfolg den roten Schimmer auf ihrem schönem Gesicht zu vertuschen. Sie lugte ihrem Bruder über die Schulter auf den Grill und zeigte auf etwas. Als Mason es erblickte, ich erkannte es nicht, verzog er seine Mundwinkel nach unten. Jearinne lachte herzhaft. Schließlich kam an seiner Zange ein verkohltes Steak zum Vorschein. Ich deutete nach hinten. Ethan, Tyson und Samuel wandten die Köpfe.
„Sieht euch den an! Was für ein Nichtsnutz!“, brüllte Tyson und schlug lachend auf Dicksons Rücken. Dieser sprang auf, gab Ty einen Schubs und der fiel überrascht nach hinten, weich auf das Gras. Michael lachte sich schlapp und hielt zuerst Ethan dann mir die Faust hin. Diese kleine Geste, machte mich relativ stolz. Schon fast als ob wir jetzt schon zu ihnen gehörten. Vom Haus kam ein Gebrüll. Phil hatte das Fenster geöffnet und hinter ihm sahen Cam und Charlie über die Schulter in den Garten.
„Dick! Die Abmachung! Hör sofort auf!“, schrie er und wackelte mit der Faust. Dickson lachte.
„Sonst was?“, fragte er lachend. Phil zuckt ausdruckslos mit den Schultern.
„Dann bringe ich dich dazu!“.
„Ach ja?“, fragte Dickson und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Daher ich heute das erste Mal in ihrem Kreis war, beobachtete ich das Ganze nur und grinste vor mich hin.
Bevor jedoch ein Chaos entstehen konnte, mischte sich Mason ein und befahl den Anwesenden, den Tisch zu decken. Als er mir in die Augen sah, anscheinend, verwirrt von meiner Augenfarbe, runzelte er die Stirn. Ich hatte deswegen auch schon Kommentare von Michael, Tyson und Dickson kassiert. Ob es Kontaktlinsen waren, eine Fehlmutation oder eine Missgeburt. Sie lachten auf meine Kosten, was mir jedoch nicht viel ausgemacht hatte. Die meisten Leute versuchten mit Scherze, die Verwirrung wegen meiner Augenfarbe zu vertuschen.
„Du kannst Jearinne helfen das Fleisch zu sortieren.“, sagte er wenig freudig. Ich wusste, er bot mir das an, weil er gegenüber ihren Freunden nicht als grimmig und „uncool“ angesehen werden wollte.
„Mach ich.“, sagte ich höflich und lief auf sie zu, bis Marilyn meinen Weg kreuzte.
„Wohin gehst du, Geht-so-Wahl?“, fragte sie abschätzend. Obwohl ich einen ganzen Kopf größer war als sie, hob sie trotzig das Kinn.
„Zu Jearinne.“, antwortete ich. Sie hob missbilligend die Brauen.
„Um ihr noch mehr an den Kopf zu werfen, wie ohne hin schon?“.
„Nein, wir haben das alles geklärt und er hat sich entschuldigt.“, erklang Jearas Stimme von rechts.
Marilyn verdrehte die Augen und legte ihrer Freundin einen Arm um die Schulter.
„Solche Kerle tricksen Mädchen nur aus.“, sagte sie. Jearinne verdrehte, um Marilyn nach zu ahmen, auch die Augen.
„Dieser Kerl steht vor dir.“, sagte ich und verschränke die Arme. Alle anderen arbeiteten, deckten den Tisch und halfen die Teller oder sonsterlei Sachen, während wir hier über mein Verhalten diskutierten. „Na, los, Jeara, hilf du den anderen und ich rede mit ihr.“. Sie blickten beide überrascht drein. Doch Jearinne verschwand grinsend und stolz und beim Vorbeigehen, fasste sie meinen Arm an. Ein wohler Schauer lief mir dabei den Rücken hinunter.
„Glaubst du wirklich, dass ich mit dir sprechen will?“.
Ich wollte nicht länger Marys Feind sein. Immerhin war sie die beste Freundin von Jearinne und somit wollte und musste ich mich mit ihr verstehen. Marilyn stellte genau die selbe Frage, die mich Jearinne gefragt hatte, als ich mit ihr sprechen wollte.
„Nein, glaub ich nicht. Aber wir müssen dieses Kriegsbeil endlich wegschaffen.“, sagte ich und sie sah mich etwas weniger grimmig an.
„Wie du willst.“, murmelte sie. Wir verschwanden hinter eine Hecke. Ich gab Mary einen kleinen Abstand und sah sie an.
„Deine Gründe, mich zu hassen, sind berechtigt.“, fing ich an und wurde von einem Schnauben quittiert. „Jeara ist deine beste Freundin, wenn nicht gar einer der wichtigsten Personen in deinem Leben. Wie ich mich ihr gegenüber verhalten habe, war nicht fair und total daneben.“.
„Wieso sollte ich dir glauben, dass es dir ernst ist?“, fragte sie abschätzend.
„Solltest du auch nicht, aber ich will dass du es tust, weil es der Wahrheit entspricht. Könnte ich eine Sache seit meinem Aufenthalt hier ändern, hätte ich mich ihr gegenüber wie einen Freund verhalten, das kann ich dir versichern.“.
„Trotzdem sind mir deine Absichten nicht grundlegend. Was hat dich dazu angestiftet, sie so sehr zu demütigen? Anfangs wäre ich nicht so hasserfüllt mit dir umgegangen, aber das in der Bibliothek, Anthony, war die Höhe. Ich ziehe meine eigenen Grenzen, und du hattest sie schon überschritten, als ich von deinen gemeinen Worten hörte, die du täglich Jearinne an den Kopf warfst.“, sagte sie aufgebracht und verschränkte die Arme. Tief durch atmen, befahl ich mir. Die gesamte Schuld daran, gab ich einzig und allein, dem Wesen in mir.
„Hör zu. Keine Ahnung wie ich dir das erklären kann, aber...“, ich sprach nicht zu Ende, als Marilyn mich unterbrach.
„Du hättest dir die Mühe nicht machen müssen.“, giftete sie und wollte an mir vorbei laufen.
„Warte!“, sagte ich und sie drehte sich genervt um. Gott, wieso musste sie es denn auch so kompliziert machen? „Gib mir eine Chance. Sogar Jearinne hat es getan.“.
„Ja, weil sie einer einfachsten und freundlichsten Menschen ist, die ich kenne. Denkst du ich mache mir keine Sorgen, dass sie jedem ohne Wenn und Aber vertraut. Damit will ich nicht sagen, sie wäre naiv, aber gutmütig.“, seufzte Marilyn und rang mit sich selbst.
„Wir alle wissen ganz genau, dass Jearinne nur den Leuten vertraut, bei denen sie sich sicher ist. Der einzige Nachteil ist, dass sie nicht wirklich nachtragend ist.“, äußerte ich meine Meinung, über diese Charaktereigenschaft von Jearinne.
„Okay, Anthony, nenne mir drei Gründe, nein fünf, wieso ich dir verzeihen sollte und mit der Freundschaft zwischen dir und meiner besten Freundin einverstanden sein.“, verlangte sie. Ich verstand Jackson auf eine Weise, warum Marilyn ihn so faszinierte. Ihre Loyalität gegenüber ihren Freunden und Familie, war äußerst auffallend und intensiv. Außerdem gefiel es mir, im Wissen zu sein, dass Jearinne in guten Händen war, bezüglich ihrer besten Freunde.
„Erstens, ich habe es nie so gemeint, mit mir war einfach der blöde Stolz eines Jungen durchgegangen.“, fing ich an und freute mich, wie leicht es mir fiel die Lüge, wie die Wahrheit aussehen zu lassen. Marilyn schien wenig davon überzeugt.
„Zweitens, würde ich sehr ungern auf all eure Gesellschaft verzichten, daher ich mich zusammen mit euch und meinen besten Freunden, eigentlich wohl fühle. Drittens, will ich mir Erinnerungen, wie diese, aneignen. Ich wusste nicht wie lebhaft eure Gemeinschaft ist. Viertens, ich könnte mir nicht vorstellen, kein einziges Wort mehr mit Jearinne auszutauschen. Fünftens...“, und schon wieder unterbrach sie mich. Eine Sache, die sie ziemlich gut konnte. Lediglich hatte sich ihr Gesichtsausdruck verändert. Nicht länger grimmig und wütend, sondern weicher und freundlich.
„Zwar bekomme ich keine Erklärung für dein Verhalten, aber mir genügt das.“, sagte sie.
„Danke.“, sagte ich erleichtert und wollte ihr meine Hand hinstrecken, aber sie nahm mich kurzerhand in die Arme. Etwas verwirrt und überrumpelt drückte ich sie leicht an mich.
„Jackson hat Recht. Bei deinen Worten, ist es schwer, dir böse zu sein.“.

Endlich konnten wir uns an die zwei Tische setzen, die sie zusammen gerückt hatten, sodass es sich fast über die ganze Breite des Rasens schlängelte. An den Kopfenden saßen die Brüder von Jearinne. Sechs von uns saßen auf der einen Seite und fünf von uns auf der anderen. Ich saß zwischen Tyson und Ethan. Vor mir Phillip und er saß zwischen Jearinne und Dickson. Die restlichen waren zusammen in ein Gespräch über das Fest an unserer Schule vertieft.
„Das ist das zweite Mal, wo wir das Fest verschieben.“, erklärte Phil und stopfte sich Pommes rein. Ketchup hing an seinem Mundwinkel und Dick reichte ihm eine Serviette. Die beiden schienen mir sehr vertraut und brüderlich. Fast als wäre Dickson, Phillips Idol und Vorbild und Phil, der kleine Bruder von Dick.
„Wieso ist es eigentlich so besonders?“, fragte Cam und bat Charlie nach dem Curry.
„Keine Ahnung, vielleicht, weil das unsere ganze Siedlung auftaucht und es ein Ritual geworden ist?“, sagte Ty und klang, als hätte Cam ihn gefragt, wieso man Wasser trank.
„Also seid ihr auch jedes Jahr dort?“, fragte Charlie, während er Hühnchen aus der Schale nahm, die Michael ihm hinhielt.
„Natürlich. Es ist nicht einfach nur eine Schulveranstaltung mehr, sondern ein richtiges Stadtviertel-Fest geworden. Zwar von den Great Forestern vorbereitet und organisiert, aber jeder beteiligt sich daran.“, erklärte uns Mason.
„Great Forestern?“, fragte Jackson verwirrt.
„Great Forest Highschool, also nennen uns die Leute hier in der Gegend Great Forestern. Wir sind die aller ersten Schüler dort. Wir beenden die Schule als Legenden.“, sagte Jeara und nahm einen dicken saftigen Steak vom Teller und biss herzhaft hinein. Ich lächelte bei ihrem Anblick.
„Aber die Schule wurde vor sieben Jahren erbaut, mit zehn wird doch noch gar nicht in die Highschool eingestuft.“, sagte Ethan.
„Vor sieben Jahren erbaut, nach zwei Jahren besetzt.“, verbesserte Phil und schnappte sich lachend die letzte Frikadelle vom Teller. Dickson stupste ihn spielerisch an die Schulter.
„Verstehe. Eine Sache noch, ich weiß zwar nicht ob ich das ansprechen darf, aber was ist mit diesem Korridor im Ostflügel. Wieso wird dort alles renoviert?“, fragte Cam und schaute fragend in die Runde. Die meisten der Anwesenden erstarrten in der Bewegung. Mason ergriff das Wort.
„Vor einem Jahr sind dort Räume in Brand gesetzt worden.“, sagte er und strich fragend über Jearinnes Arm und deutete mit dem Kopf auf den Salat. Sie nickte und er löffelte ihr ein bisschen davon auf den Teller. Mir war sehr wohl bewusst, warum Mary und Phil so plötzlich still geworden waren.
„Es gibt Gerüchte in der Schule, Jeara soll er gewesen sein. Weshalb denken sie das?“, fragte Charlie.
„Angeblich soll es Jearinne gewesen sein, weil sie die Pokale und Regale immer abgestaubt hat, stimmt aber nicht. Sie war aber zu diesem Zeitpunkt bei Onkel Roys um ihm mit dem Garten zu helfen. Wie du so schön erwähntest. Gerüchte.“, sagte Tyson. Jearinne mischte sich auch ein.
„Ich war es nicht. Aber die anderen muss ich davon nicht überzeugen.“, murmelte sie und stocherte in ihrem Salat, von dem sie nur ein paar Bissen genommen hatte.
„Musst du auch nicht.“, erwiderte ich und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
Danach richtete sich das Thema in eine gelassene Richtung und wir speisten weiter, bis wir papp satt waren und wir uns um die fünfzig Kilo schwerer fühlten. Diesmal übernahmen die älteren das Wegräumen und wir mussten nur die Reste, Pappbecher und Pappteller in die Mülltüten entsorgen.
„Nein, Charlie, in die blaue Tüte.“, wies Cameron ihn an.
„Verstanden.“, erwiderte er und wir anderen warfen uns amüsierte Blicke zu.
Gegen Einbruch der Nacht, standen wir an der Tür, um uns zu verabschieden. Tyson und Dickson waren in eine Stiftung gefahren, in die Michael sie mitgenommen hatte. Mason reichte mir die Hand. Lächelnd nahm ich sie an, doch es gefror auf meinem Gesicht, als er mich streng beäugte.
„Ich bin immer noch nicht hinter dem Geheimnis deiner Augen gekommen.“, flüsterte er nachdenklich und gab auch den anderen seine Hand.
„Kommt gut nach Hause.“, sagte Marilyn und küsste Jackson auf die Wange, woraufhin ihre Wangen einen Rotton annahmen. Auch Jackson schien verlegen, aber umarmte sie daraufhin.
„Werden wir.“, versicherte Samuel und lief voraus. Er verabschiedete sich nie. Seine Erklärung dafür war, dass es überflüssig wäre, daher man die Person am nächsten Tag sowieso sah. Natürlich hatte man ihm kein Beispiel vor die Nase setzen können, wo es am nächsten Tag zu keinem Wiedersehen gekommen wäre. Doch Sam war darauf bedacht, seinem eigenen Kopf zu folgen und seine persönlichen Gedanken und Handlungen auszuführen.
„Tut mir leid, wenn mein Bruder sich unhöflich verhalten hat.“, sagte Jearinne und warf Mason einen bösen Blick zu. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.
„Das war noch gar nichts.“, erwiderte er.
„Weißt du eigentlich, wie unmöglich du dich verhalten kannst?“, fragte Jearinne spitz.
„Weißt du eigentlich, wie egal mir das ist?“.
Jeara verdrehte bloß die Augen.
„Es war alles perfekt. Wirklich.“, versicherte ich und legte ihr zum Abschied nur die Hand auf die Schulter. Immerhin befanden wir uns unter den Augen ihres Bruders, und ich wollte wirklich keinen schlechten Eindruck machen. Außerdem wusste ich noch nicht einmal, worum es um dieses Geht-so-Wahl ging.
„Was du nicht sagst.“, lachte Phillip und band seine Schnürsenkel.
„Sei ruhig, Phil.“, stöhnte Mary und trat ihm sanft in die Seite. Ethan winkte ihnen und zog mich mit zum Jeep. Mit einem letzten Blick auf Jearinne, verstärkte sich der Sturm in meinem Bauch. Als würde er an Stärke zunehmen. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen, aber es erreichte ihre Augen nicht.
„Sollen wir euch mitnehmen?“, fragte Samuel hinter dem Steuer.
„Hast du überhaupt einen Führerschein, Junge?“, fragte Mason grinsend und verschränkte die Arme.
„Aber ja, natürlich.“.
„Mason fährt uns schon, trotzdem danke.“, winkte Marilyn ab.
Nachdem wir alle im Jeep Platz genommen hatten, startete Sam den Wagen und fuhr aus der Parklücke. Jearinne stand mit gesenktem Kopf an der Tür. Mason legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie schüttelte den Kopf, zeigte auf ihre Stirn und blinzelte. Jeara hatte Kopfschmerzen.
„Sam?“, fragte ich skeptisch.
„Warte bis wir zu Hause sind.“, murmelte er und bog rechts ab, sodass Jearinnes Haus aus dem Blickfeld ging.
„Sam, stimmt etwas nicht mit...“, fing ich an, aber er fiel mir wieder ins Wort.
„Sag ich euch, wenn wir erst einmal hier raus sind.“, sagte er und die anderen sahen sich gegenseitig an.
„Was hast du gespürt?“, fragte Cam monoton.
„Leute, wenn wir...“, diesmal wurde Samuel von Charlie unterbrochen.
„Ist es etwas Schlimmes? Oder ist sie einfach nur krank, ich meine sie ist doch vom Fahrrad gefallen und da hast du gesagt, dass sie, oder hast deine Gedanken geäußert, warte mal...Auf jeden Fall sagtest du, dass...“, stotterte Charlie und Cam legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sein Gesichtsausdruck ließ ihn verstummen. Samuel ließ den rechten Blinker an und fuhr auf die Autobahn, zur Richtung unserer Schule. Er war gereizt.
„Aber Jearinne hat das seit Wochen. Im Matheunterricht hält sie sich ständig den Kopf und hechelt.“, meinte Ethan ruhig.
„Ethan, ich..“, begann Sam genervt, aber ohne zu überlegen, übernahm Jackson das Wort.
„Samuel, jetzt sag doch mal was. Selbst Marilyn und Phillip scheinen zu glauben, dass eine Grippe umgeht. Die haben auch Schmerzen. Irgendwas musst du doch herausgefunden haben!“, fauchte er. Können alle mal nicht einfach die Klappe halten, und auf Samuel hören!, schrie ich im Inneren und diese Benommenheit nahm wieder Besitz von mir.
„Jetzt hört mal...“, zischte Samuel, aber Jackson war nicht fertig.
„Sind sie dir etwa egal, oder was? Spuck es schon aus!“, verlangte Jackson und ich wusste, in diesem Moment war das Fass bei Samuel übergelaufen.
„Halts Maul!“, brüllte er und kam versehentlich aus der Spur und alle keuchten erschrocken auf und hielten sich an den Sitzen fest. Der Weg unter uns war kurz holprig und dann wieder glatt. Ich schluckte den Kloß im Hals hinunter und legte hinten die Hand auf Sams Schulter. Er zitterte am Körper und atmete schwer.
„Alles okay.“, flüsterte ich und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Samuel trug von uns allen die meiste Last auf den Schulter. Nicht weil er der Älteste war, sondern weil man ihn unter Druck setzte und wir seine Schwachstelle waren.

Jearinne

Phil hatte mir mal von der chemischen Reaktion zwischen Cola und Mentos erzählt. Dass wenn man Mentos in eine Cola gab, zwei oder drei Stück, dann schäumte die Cola über und die ganzen Kohlensäure löste sich. Er hatte mir auch gesagt, dass es am besten mit Cola Light funktionierte. Eigentlich konnte man Mentos in jedes beliebiges kohlensäurehaltiges Getränk tun, aber die Cola eignete sich besser dazu. Wenn man also den Mentos dazu gegeben hatte, kam eine Fontäne aus der Colaflasche. Wenn noch etwas rohrähnliches an die Öffnung befestigte, könnte die Fontäne eine größere Höhe erreichen. Nur leider wäre die Flasche bis zur Hälfte leer. So fühlte ich mich momentan. Als hätte man in mich mehrere Mentos hineingeworfen, meine ganze Energie wäre aus mir geschwappt und mein Zustand hätte sich um die Hälfte rapide verschlechtert. Mason war vor einer halben Stunde zusammen mit Mary und Phil gegangen und ich war alleine zu Hause. Er sagte, er müsste kurz zur Tankstelle, etwas außerhalb unserer Gegend fahren. Es war ja nicht so, als wäre die Tankstelle in der Nähe des Krankenhauses keine Tankstelle. Ich war nicht misstrauisch, er hatte seine eigene Privatsphäre, aber Erklärungen wären wirklich hilfreich. Doch dann fiel mir ein, dass ich kein Stück besser war. Mason, genauso gut auch Michael, verdienten Erklärungen. Sie hatten sogar ein größeres Recht, als ich.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen ins Bett zu gehen, aber mir ging Masons Gesicht nicht aus dem Kopf. Keine Ahnung wie es beschreiben könnte, aber immer wenn ich Verletzungen an meinen Brüdern sah, taten sie mir leid, und ich wünschte mir immer, ihnen würde es besser gehen. Mum hatte das früher immer Schwesterliebe genannt. Einleuchtend in diesem Fall. Am liebsten hätte ich ihn in diesem Moment auf die Wange geküsst und ihn in den Arm genommen. Ich war ziemlich empfindlich, wenn es darum ging meinen Brüdern Schmerzen zuzufügen. Michaels Prellungen und Blutergüsse von Straßenkämpfen, waren gut in meine Erinnerungen eingeprägt.
Ein letztes Ächzen und ich hatte es geschafft den Staubsauger zurück in die Kammer zu stecken.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und holte mir ein Wasser aus dem Kühlschrank. Unwillkürlich fiel mir das Ereignis in meinem Zimmer ein, als ich mit dem Fahrrad zur Schule fahren wollte und man mich im Wald angegriffen hat. Ein Schauer überlief mich und ich schluckte das Wasser, das noch in meinem Mund war, hinunter. Ganz bedächtig schloss ich den Kühlschrank und blickte mich mit aufgerissenen Augen in der Küche um und in das Wohnzimmer. Mit schnellen Schritten lief ich in den Flur und knipste das Licht an.
Was es genau war, konnte ich nicht beschreiben, aber ein unangenehmes Gefühl beschlich mich. Als würde etwas nicht stimmen. Das wiederum war absurd, weil ich glaubte, es würde seit dem Auftauchen von den Seattlern, überhaupt nichts mehr stimmen. Ich war nicht blöd. Mir war aufgefallen, dass sich Dinge abspielten, die nicht zu erklären waren. Masons Verletzung. Mein Fahrradunfall. Die Auseinandersetzung in der Bibliothek. Samuels Eigenschaft, alles zu wissen. Camerons Schweigen. Anthonys Augen.
Seit dem Tag im Krankenhaus hatte ich einen Alptraum, wo ich Anthony lächelnd sah, mit seinen roten Augen. Im nächsten Moment hatte er Reißzähne und schwarze Augen. Immer wieder. Diese Bilder ließen mich nicht los. Außerdem konnte ich Ereignis heute nicht beschreiben, als er in meinem Zimmer war. Als er das Bild angefasst hat, hatte ich keine Kontrolle über die Bilder gehabt, die mir durch den Kopf geschossen waren. Die Erinnerung daran zurück. Überhaupt wusste ich nicht, wieso ich andauernd Kopfschmerzen hatte. Dies konnte ich ihnen aber nicht vorwerfen.
Seufzend ließ ich mich auf die Fensterbank fallen, die neben der Haustür war. Ich sah aus dem Fenster zur Laterne hoch und beobachtete die Fliegen, die um das Licht kreisten.
Das Kissen unter mir legte ich hinter mein Rücken, lehnte mich damit zurück und winkelte die Beine an. Mein Atem und das Ticken der Uhr waren das Einzige was das Zimmer erfüllte. Ab und zu fuhr ein Wagen die Straße entlang und beleuchtete mit den Scheinwerfern mein Gesicht.
Ich schloss die Augen und fing an das Ticken zu zählen.
Eins, zwei,drei, vier,...
Wieder ein Auto.
Zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig...
Die Laterne flackerte, was sich hinter meinen Lidern unangenehm anfühlte.
Siebenundvierzig, achtundvierzig, neunundvierzig...
Ein tiefes, langes Einatmen.
Neunundsechzig, siebzig, einundsiebzig.
Ein Poltern über mir.
Ich schreckte aus meiner Position und starrte an die Decke. Genau dort befand sich mein Zimmer.
Das Fenster in meinem Zimmer hatte ich offen gelassen und der Luftzug musste wohl die Tür zu geschlagen haben. Das musste es sein. Skeptisch lehnte ich mich zurück und sah zur Treppe, die im Dunkeln lag. Werde jetzt nicht paranoid, ermahnte ich mich. Den zuerst wurde man ängstlich und dachte über Geister oder Dämonen nach, die plötzlich an einer Stelle erscheinen konnten.
Verstört schüttelte ich den Kopf, und war enttäuscht, dass die Ruhe in mir verpufft war.
Ich drehte mich wieder zum Fenster und sah direkt in ein Gesicht.

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