Autor: Caprice
veröffentlicht am: 13.08.2012
Um mich herum war es lautlos, als ich unruhig aufstand. Das Silveertal war eines der sichersten Orte, auf unserer Reise. Hier gab es weder wilde Kreaturen, noch bissige, oder gar giftige Pflanzen. Der klang ihrer schläfrigen Atemgeräusche und das Rauschen eines nahegelegenen Baches erfüllte die kalte Nachtluft. Mein Kopf schmerzte heftiger, als zuvor. Ich konnte fühlen, dass irgendetwas nicht stimmte. Nach der letzten Heilung hatte ich mich großartig gefühlt. Und jetzt? Es wurde stündlich unerträglicher. Ich fühlte mich, als wäre das Gift der Philaes immer noch in meinem Körper. Als hätten sie mich nicht vollkommen kuriert. Ich vergewisserte mich ob alle schliefen und taumelte vorsichtig zu dem Bach, der ganz in der Nähe des Zeltes vor sich hinperlte. Dort angekommen setzte ich mich ans Ufer und ließ mir die klare Flüßigkeit über Nacken und Gesicht laufen. Das kühlende Wasser tat gut. Zwei weiße Monde schillerten über mir. Ihr Licht funkelte sanft auf der Wasseroberfläche und ich konnte mein schemenhaftes Spiegelbild darin erkennen. Fast wäre ich vorne übergekippt. Mein Gesicht war kalkweiß. Schockiert betrachtete ich Mund und Wange. Meine Lippen hatten ein unbuntes schwarz und meine Wangen waren ergraut. NEIN! Bitte..bitte nicht, dachte ich. Ich hatte recht. Nach Michael´s Zurechtweisung wollte ich unbedingt verhindern, dass er mich SO zu Gesicht bekommt. Er würde mir nur wieder eine Predigt darüber halten, wie unvorsichtig und unreif ich doch war. Ich fühlte mich zwar nicht gut, aber auch nicht schlecht. Zumindestens nicht so schlecht, wie nach der vollen Dröhnung Philaes-Gift zuvor. Der Gedanke an die Schmerzen durchzuckte mein Innenleben. Vielleicht war es mir möglich Hail an mir selbst anzuwenden, überlegte ich und legte anschließend meine Hände auf die Brust. Ich konzentrierte meine Gedanken und versuchte, wie bei Syril, die Vergiftung aus meinem Körper zu saugen. Nach einer Weile wurden meine Handfläche heiß. Ich lächelte fast schon wieder. Ein wenig zu übereifrig. Meine Hände glüten zwar, doch das heilende, weiße Licht entfachte einfach nicht. Enttäuscht und benommen von dem unnötigen Energieverlust, ließ ich mich auf die Erde fallen.
„Seith?“ Ich fuhr erschrocken zusammen und richtete mich auf.
„Was tust du hier?“ Fragte Zadkiel mit verdutzter Stimme. Ich verbarg mein Gesicht, schaute auf die schönen Ufersteine am Boden und antwortete tonlos, dass ich nicht hätte schlafen können. Ich wollte nicht riskieren, dass er Michael von meinem Aussehen erzählt. Er wusste schließlich nichts über die Geschehenisse, die vor unser Ankuft passiert waren. Und das wollte ich nicht ändern.
„Du solltest es vielleicht versuchen!? Wir werden morgen ziemlich früh aufbrechen,“ sagte er mit gewohnter, ruhiger Tonlage.
Ich spürte seinen Blick in meinem Nacken. Er beugte sich zu mir und legte mir seine Hand auf die Schulter.
„Ist wirklich alles inordnung mit dir?“ Fragte er dann. In seiner Stimme war tatsächlich Sorge, hinter dem sonst gelassenen, zu erkennen.
Angesichts meines Anblicks, könnte er mir vielleicht doch helfen.
„Ehrlich gesagt gibt es da schon etwas“, sagte ich und hob den Kopf aus seiner Starre.
„Du meine Güte! Was ist mit deinem Gesicht passiert?“ Er beugte sich zu mir hinunter und fasste besorgt an meine Wangen.
„Was hast du gemacht?“ Fragte er schockiert und zuckersüß zugleich. Ich liebte seine Stinmefarbe.
Ehe ich ihm eine Antwort geben konnte wurden wir von einem ohrenbetäubenden Schrei unterbrochen.
Er hallte durch die Dunkelheit und ließ mich ruckartig zusammenfahren. Ich schaute Zadkiel resignierend an und rannte los.
Caprice. Es war ihre Stimme. Ich rannte so schnell ich konnte zurück zum Zelt. Zadkiel´s dumpfe Schritte waren dicht hinter mir im Gras zuhören.
„RUNTER!“ Schrie Raziel, als er mich erblickte. Ein Feuerball kam genau auf uns zu. Ich warf mich auf die Erde und spürte, wie der heiße Flammenball über mir hersauste. Das war knapp, dachte ich, als er nur einige Zentimeter hinter mir aufschlug. Zadkiel war schon wieder auf den Beinen, jagte an mir vorbei. Er rannte zu Michael und Raziel, die mit zwei gigantischen Gefangenen kämpften. Nach einnander schoßen blaue, leuchtende Lichtblitze aus ihren Handflächen. Zadkiel erreichte sie gerade, als der nächste Feuerball nur knapp das Zelt verfehlte. Der Gefangene hielt ihn hoch über seinem Kopf und feuerte ihn ab. Der andere Gefangene stand dicht neben ihm. Er trug eine art Wurfhammer mit sich. Mit dicken, eisernen Noppen darauf. Erinnerte mehr an eine gewaltige Abrissbirne.
Ich war wieder auf den Beinen und preschte los. Meine einziger Gedanke galt Caprice. Sie musste im Zelt sein. Ich konnte sie nirgendwo erkennen. Ich hechtete schnellen Schrittes weiter, wich erneut einem Feuerball aus, den die Kreatur auf mich abfeuerte und sprang in Deckung.
Michael war kurz abgelengt, als ich an ihm vorbei rutschte und er einen Blick auf mein Gesicht erhaschte. Er sah schockiert drein, schüttelte sich den Gedanken von der Stirn und konzentrierte sich wieder auf den Lichtball in seinen Händen, den er zu einem noch größeren, leuchtenderen zusammenformte und dann scharf abfeuerte. Ich konnte aus den Augenwinkel erkennen, dass er das Ziel nicht verfehlte. Einer der Gefangenen krachte mit einem erschütterten „Rumms“ auf die Erde. Ich hatte das Zelt erreicht und hechtete hinein.
Caprice kauerte in der hinteren Ecke und hielt sich die Ohren zu. Ihre Augen waren zusammengekniefen und sie wippte ängstlich auf und ab.
„Es ist alles gut. Ich bin ja hier,“ sagte ich und schlang meine Arme um sie. Sie zitterte und schlurzte.
Michael, Raziel und Zadkiel standen vor dem Zelt. Man konnte ihre Kampfgeräusche hören. Das Knurren, der Gefangenen hallte durch die Luft. Lichtfetzen flackerten durch den seidigen Stoff des Zeltes und man fühlte die furchtbare Anspannung. Ich hielt Caprice fest in meinen Armen und schaute abwechselnd durch den schmalen Spalt nach draußen und zu ihr. Es tobte ein unerbitterter Krieg und es schien, als würde er nie enden. Plötzlich sah ich, wie alle drei von ihren Beinen gefegt worden. Der Gefangene mit dem Wurfhammer hatte sie gewaltsam aus dem Weg geräumt. Ich konnte jetzt den Schatten seiner Gestalt vor dem Zelt erkennen und drückte Caprice ans andere Ende des Zeltes. Auch sie erschrack beim Anblick meines Gesichts. Noch mehr aber, vor der Kreatur, vor dem Zelt. Michael und die anderen versuchten den Gefangenen, mit rufen und weiteren Lichtbällen von uns fernzuhalten.
„Bleib hinter mir,“ forderte ich Caprice an. Dann formte ich selbst einen Lichtblitz und ließ ihn in meiner Handfäche kreisen, um den richtigen Moment zu erwischen. Eine gewaltige Hand drang durch den Spalt in das Zelt. Ich feuerte auf den Körper dahinter und traf. Der Gefangene stöhnte laut auf und griff ein weiteres mal durch den Spalt. Dieses mal erwichte er mein Bein. Caprice drehte sich um und griff nach meiner Hand.
„NEIN!“ Schrie sie panisch und hielt mich mit beiden Händen fest. Ich zerrte, windete und drehte an meinem Bein. Sein Griff wollte sich einfach nicht lockern. Eine Träne löste sich, die ich nie vergessen werde. Caprice weinte, während sie weiter krampfhaft versuchte meine Hand festzuhalten, die ihr immer weiter entglitt. Ich stöhnte vor Schmerz und wurde schließlich mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Zelt gezogen und ihren Händen, gewaltsam, entrissen.
Der Gefangene hielt mich hoch über seinen Kopf. Als wäre ich irgendein Spielzeug, eine Puppe.
„Lass mich los! Du häßlicher, dämonischer Mistkerl!“
Ich sah wie Raziel ins Zelt verschwand, während ich weiter Kopfüber in Luft hing. Michael und Zadkiel hielten inne. Sie konnten Sky nicht anwenden, solange er mich in seiner Gewalt hatte. Der andere Gefangen lag bereits bewegungslos auf der staubigen Erde und rührte sich nicht.
„Bist du taub? Du dämlicher Höllenparasit? LASS MICH RUNTER!“
Er lachte laut auf. Sein Atem drang in meine Nase. Er war widerlich, morsch. Michael und Zadkiel versuchten ihn mit rufen zu locken. Nichts zeigte Wirkung. Er hielt mich fest im Griff und steuerte jetzt wieder das Zelt an.
Nein, dachte ich und formte einen neuen Lichtball. Er sah was ich vorhatte. Sein Blick glitt zu dem Hammer, in seiner rechten und dann zu mir, in seiner linken Hand. Es war nicht schwer zu erahnen, was er vorhatte. Ich wurde hektisch und versuchte mich weiter auf den Lichtblitz in meiner Hand zu konzentrieren, während ich weiter seine Bewegungen verfolgte. Ich hatte keine Zeit mehr. Er holte zum Schlag aus. Gegen mich. Mein Lichtblitz war viel zu klein.
„NEIN!“ Hörte ich Michael´s rauchige Stimme und blickte in seine Richtung. In seinem Ausdruck war soviel Panik, dass ich erschrak. Ich drehte meinen Kopf und konnte den eisernen Hammer auf mich zurauschen sehen. Ich zielte den leuchtenden Blitz in meiner Hand, der nur um ein Stück gewachsen war, auf den Schädel der Kreatur und traf. Der Gefangene ließ den Hammer fallen und hielt sich mit der freien Hand dass schuppige Gesicht. Dann starrte er mich an. Mit schmerzerfüllter Miene und zornigem Blick. Seine glutroten Glubschaugen stachen hervor und ich schluckte heftig. Er drehte sich auf dem Absatz um und holte aus. Ich zerrte an meinem Bein, versuchte mich los zu reissen. Nichts passierte. Von hinten konnte ich erkennen, wie Michael mehrere kleine Lichtblitze abfeuerte. Der Gefangenen grinste, als wäre es nichts, als sie seinen Rücken traffen. Er wirbelte mich im Kreis. Der Wind peitschte mir um Nase und Gesicht und dann, als er genug Schwung geholt hatte, ließ er los. Unverbindlich und voller Gewalt. Ich landete in dem Bach und spürte sofort die Wucht des Aufpralls auf der Wasseroberfläche, die sich in meiner Situation, wie kalter, harter Stein anfühlte. Das Wasser, an dieser Stelle, war tief genug und ich schaffte es an die Oberfläche zurück zu schwimmen. Ich erreichte das lockende Ufer und kroch an Land. Aus der Ferne sah ich die Umrisse von Zadkiel und Michael. Sie hatten es währenddessen geschafft. Ihr intensiver Kampf hatte sich gelohnt. Erneut schoß Michael einen grellen Blitz auf die leblose Kreatur am Boden, und noch einen. Nur um sicher zugehen. Ich atmete erleichtert auf und ließ meinen Kopf, auf die Steine vor mir, sinken. Danach hörte ich, relativ schnell, hektische Schritte, die immer näher kamen.
„SEITH! SEITH?“
„Hier,“ antwortete ich schwach.
„Keine Sorge, dass haben wir gleich.“ Ich freute mich über die Ruhe in Zadkiel´s Stimme. Er schaffte es immer im richtigen Moment, dass ich mich besser fühlte. Michael stieß wortlos zu uns. Sie drehten mich gemeinsam auf den Rücken. Ihre Hände waren so heiß, dass ich zusammen zuckte. Michael ließ alle Kommentare beiseite und sah konzentriert drein. Er sprach in der ganzen Zeit kein Wort. Sie legten ihre Hände auf meine Brust und heilten mich. Das Gefühl von Geborgenheit durchströmte mich. Dieses mal wirkte es bereits nach kürzester Zeit. Ich fühlte mich sofort besser und stand rasch auf. Zadkiel lächelte und verpasste mir einen Klapps auf den Rücken.
Die Kopfschmerzen waren weg und ich wusste mit ihnen auch die Vergiftung.
Michael schaute mich skeptisch an. Bei dem Anblick verging mir sofort das Lachen, dass ich zuvor trug.
„Keine Sorge Seith, es war nicht deine Schuld, wenn du das glaubst.“ Sagte er schließlich und verzog sein Gesicht zu einer „etwas“ neutraleren Miene.
„Wie gesagt, du wärst fast gestorben. Es hätte mir eigentlich direkt klar sein müssen, dass wir das Gift nicht vollkommen aus deinem Körper bekommen haben.“
Ich starrte ihn unglaubwürdig an.
„Deshalb...“ Fuhr er fort.
„... habe ich Zadkiel gebeten dich im Auge zubehalten.“
„Du wusstest es?“ Ich hob erstaunt die Brauen. Zadkiel nickte und seine Lippen umspielten ein sanftes, wissendes Lächeln.
Na ja, wenigstens hatte er mir keine Predigt gehalten, dachte ich. Wenn das seine Art war, sich zu entschuldigen, dann bitte. Ich war wieder gesund, Caprice in Sicherheit und die Gefangenen tot. Alles andere war unwichtig. Für den Moment. Der Bernstein ruft mich. Ihre Augen. Dieses Funkeln. Sehe mich darin. Sehe. Mich.
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