Wenn 2 Herzschläge ganz besonders klingen, dann nur, weil sie im selben Rythmus swingen :) - Teil 22

Autor: Maggie
veröffentlicht am: 07.07.2012


Hier ist der vorletzte Teil meiner Geschichte *schnief*
Ich hoffe der „Showdown“ ist mir gelungen.
Im letzten Teil werde ich euch dann noch über ein paar Ungereimtheiten aufklären und auch sonst ein bisschen über die Zukunft von Maya und Erik berichten. Ihr glaubt gar nicht, wie schwer es mir fällt, die Geschichte zu beenden :)
Solltet ihr irgendwelche Fragen, Wünsche etc. haben oder auch einfach gern mal mit mir plaudern wollen, dann freue ich mich auch riesig über netten E-Mail-Kontakt :)
maggie225@gmx.de – schreibt mir ruhig ;)
Dann erstmal viel Spaß!
Maggie



Sie standen vor dem Haus der Hennings.
Erik betrachtete neidvoll das riesige Gebäude, welches von einem gigantischen Garten umgeben war, der genauso pingelig sauber und ordentlich war, wie der Vorgarten von Mayas Eltern.
Der Vater hatte soeben die Türklingel betätigt und Eriks Herz schlug vor Aufregung so laut, dass er fürchtete, sein Gefährte könnte das Geräusch auch hören. Er wollte nicht als Angsthase da stehen.
Nervös sah er an dem Haus hinauf, betrachtete jedes Fenster eingehend und wartete auf eine Reaktion. Doch es passierte nichts.
Mayas Vater tippte ungeduldig mit dem Fuß auf.
„Scheint keiner da zu sein.“ sagte er etwas gelangweilt.
Kurzerhand betätigte Erik nochmal die Klingel, ließ den Finger auf den Knopf und das Geräusch schrillte mehrere Sekunden durch die Stille des Morgens.
„Hey! Willst du die ganze Nachbarschaft wecken?“ forsch schlug der Vater Eriks Arm bei Seite und sah in aufgebracht an „Es ist wohl niemand zu Hause!“ sagte er einem Ton, als würde er mit einem geistig minder bemittelten Gegenüber reden.
Erik verzweifelte fast. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
„Vorhin war er doch noch zu Hause! Wo soll er den jetzt hin sein?“
Der Vater reagierte nicht auf seine Frage, jedoch sah er die Verständnislosigkeit in den Augen des Jungen. Er seufzte und zu Eriks Überraschung trommelte er plötzlich gegen die massive Holztür des Hauses und rief laut Toms Namen. Sofort schlug ihm wieder der Puls in den Schläfen und er bekam feuchte Hände.
Was sollte er eigentlich tun, sobald dieser Tom die Tür öffnete? Darüber hatte er noch garnicht nachgedacht. Und was war, wenn Maya wirklich nicht hier war? Dann würde er nicht nur als vollkommener Idiot dastehen, sondern es sich auch noch auf Lebenszeit bei seinen zukünftigen Schwiegereltern versaut haben. Kleine hinterhältige Zweifel schlichen sich in seine Gedanken und er war kurzzeitig versucht, das ganze Vorhaben abzubrechen. Was machte ihn eigentlich so sicher, dass Maya hier war?
Er schluckte einen Kloß hinunter, schob sich wie automatisch die Brille zurecht und versuchte, sich Mut und Zuversicht einzureden.
Sie war hier! Das sagte ihm seine Intuition, sein Gefühl, was auch immer – verdammt, er wusste es einfach und er sollte sich von der Skepsis ihres Vaters nicht täuschen lassen.
Dieser blickte ihn mittlerweile fragend und gleichzeitig genervt an, nachdem er sogar noch einmal geklingelt hatte und sich immer noch nichts im Haus regte.
Erik sah sich verzweifelt um, irgendwo musste es doch ein Indiz geben, dass sie hier war. Ohne darüber nachzudenken, verließ er den gepflasterten Weg der Einfahrt und steuerte auf das erstbeste Fenster des Hauses zu.
„Junge! Was machst du denn da?“
Ohne auf die empörten Proteste des Vaters zu achten, blickte Erik durch die Fensterscheibe, konnte aber bis auf sein eigenes Spiegelbild und ein paar Konturen im Inneren nichts erkennen. Enttäuscht wandte er sich zu seinem Begleiter, dieser zog vorwurfsvoll die dichten Augenbrauen in die Höhe.
„Du weißt schon, dass dein Verhalten leicht paranoid wirkt?“
Ja, das war ihm bewusst und so langsam gingen ihm die Ideen aus. Ihm kam der Gedanke in das Haus einzubrechen, er wusste genau, dass er erst dann Ruhe finden würde, wenn er jeden verflixten Raum in diesem kleinen Palast nach Maya abgesucht hatte. Aber nüchtern betrachtet, war das kompletter Wahnsinn.
Er sah sich nochmal auf dem Grundstück um. Das Haus war von dem großen Garten umrahmt und am Ende der Grünfläche grenzte der ominöse Park, in dem Maya sich verirrt hatte. Dann machte es Klick und ein Ruck ging durch seinen Körper, denn er entdeckte einen kleinen Trampelpfad, der an einem Eingang zu dem Waldstück begann, sich durch den Garten der Hennings zog um zu der Rückseite des Hauses zu führen.
Erik vergaß alle Vorsicht und schritt schnurstracks um das Haus herum. Er wollte sich diesen Pfad ganz genau ansehen, denn wahrscheinlich war Maya über diesen Weg in das Haus gelangt oder sogar geschafft worden.
Erik hörte stampfende Schritte hinter sich und eine Aneinanderreihung von wüsten Flüchen und Verwünschungen, doch er achtete nicht auf darauf. Der Pfad hatte seine volle Aufmerksamkeit. Er fühlte sich wie ein Undercover-Ermittler in einem zweitklassigen Fernsehkrimi, ging auf Spurensuche ohne eigentlich zu wissen, was er da genau sehen würde und ob er es zuordnen könne. Was Mayas Vater mittlerweile von seinem Geisteszustand hielt, wollte er sich nicht ausmalen.
Die Erde auf dem Weg war staubtrocken, es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet. Trotzdem erkannte er mehrere eurostückgroße Abdrücke, die in regelmäßigen Abständen die kleinen Grasstängel am Rande des Weges niedergedrückt hatten. Die Abdrücke waren an manchen Stellen stärker und schwächer, aber sie stammten hundertprozentig von Absatzschuhen. Bei der Erkenntnis wurde ihm ganz heiß und er drehte sich aufgeregt zu Mayas Vater, um ihm von seiner Entdeckung zu berichten.
Dieser stand hinter ihm und sah gelangweilt zu ihm hinab.
„Na Sherlock, fündig geworden?“ Der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar.
„Sehen Sie sich das mal an.“ Erik antwortete ruhig und besonnen, deutete dabei auf einen deutlichen Schuhabdruck und verkniff sich einen selbstgefälligen Gesichtsausdruck.
Mayas Vater beugte sich hinab, kniff kurz die Augen zusammen und zog dann zischend die Luft ein.
„Gut, das ist eindeutig der Abdruck eines Highheels, beweist aber garnichts!“
Erik zählte innerlich bis zehn, stand dann kommentarlos auf und folgte der Spur zur Terrasse. Vor den großen Glastüren blieb er stehen. Kurz betrachtete er sein Spiegelbild. Er sah fertig aus, übermüdet. So fühlte er sich auch. Er hatte keine Lust mehr, mit dem Vater zu diskutieren, geschweige denn vergeblich auf ihn einzureden. Er wollte jetzt einfach nur in dieses dämliche Haus, Maya finden und den Beweis dafür geliefert bekommen, dass er nicht völlig übergeschnappt war, so wie er die letzten Stunden von dem Mann hinter ihm behandelt wurde. Er spannte kampfbereit die Schultern an und sah zum wiederholten Male an dem Gebäude hinauf. Wie sollte er hinein kommen? Zur Not schlage ich ein Fenster ein, dachte er sich verzweifelt und hielt schon Ausschau nach einem geeigneten Werkzeug.
„Du bist dir ziemlich sicher, dass meine Tochter da drin ist, oder?“
Erik drehte sich um, sah in die dunklen abschätzigen Augen ihres Vaters und nickte nur stumm.
Dieser entgegnete ihm leise eine letzte Frage.
„Schon mal daran gedacht, dass sie dort vielleicht freiwillig ist?“
Eriks Herz zog sich zusammen. Natürlich hatte er daran gedacht, hatte es sich sogar bildlich vorgestellt und war dabei tausend Tode gestorben. War Maya so herzlos? Würde sie ihm das tatsächlich antun?
Ganz hinten in seinem Kopf tönte eine nervende Stimme, dass sie Tom ja auch geküsst hatte. Kurz war er davor die ganze Aktion abzubrechen, einfach zu gehen... - doch dann besann er sich sofort.
„Wenn Maya freiwillig hier wäre, warum sollte Tom Ihnen dann gesagt haben, sie sei mit einem anderen unterwegs? Warum hätte er Sie anlügen sollen? Das wäre absurd!“
Der finstere Gesichtsausdruck wechselte zu einer nachdenklichen Mine, er sah Erik scharf an.
„Ich finde noch immer, dass deine ganzen Theorien mehr als schwammig sind und es nicht im geringsten rechtfertigen, bei unseren langjährigen Freunden ins Haus einzubrechen -“ Erik ließ ihn nicht aussprechen.
„Mir reichts! Ich bin diese elendige Diskussion leid. Wenn sie mir nicht helfen wollen – BITTE! Dann mach ich es eben allein!“
Sofort sah er sich um, das entschlossene Funkeln in seinen gelben Augen ließ den Vater stutzig werden und als dieser beobachtete, wie der junge Mann sich bückte und aus der Blumenrabatte einen tennisballgroßen Dekostein entwendete, mit diesem gefährlich nah dem großen Terrassenfenster kam, reagierte er endlich.
„HALT!“ Er stürzte auf den Jungen zu, entriss ihm den Stein und sah ihn geschockt an.
„Bist du übergeschnappt? Wolltest du gerade ein Fenster einschlagen?“ Ungläubig starrte er ihn an.
Erik überlegte ernsthaft den Vater als erstes mit dem Stein zu erschlagen, dann hätte er wenigstens endlich Ruhe. Er antwortete aufgebracht:
„Wie soll ich denn verdammt nochmal sonst in dieses Haus kommen?!“
„Wie wärs mit dem Schlüssel?“
Der Vater griff in seine Hosentasche, zog ein Schlüsselbund hervor und schwang diesen demonstrativ vor Eriks Brillengläsern hin und her. Fassungslos starrte dieser auf das vor ihm klimpernde Metall.
„Wollen sie mich komplett in den Wahnsinn treiben? Sie haben einen SCHLÜSSEL!?“ Die Worte brachen in einem Schwall aus ihm heraus. Jetzt hätte er den Mann am liebsten erwürgt, besonders als er, wie selbstverständlich antwortete:
„Natürlich habe ich einen Schlüssel! Hast du nicht zugehört? Die Hennings sind gute Freunde von uns! Wem sollte man sonst einen Ersatzschlüssel anvertrauen?“
Seit dem er hier war, zerbrach sich Erik den Kopf, wie er in dieses Haus gelangen könnte, dabei hatte dieser Trottel die ganze Zeit einen Schlüssel bei sich. Sie hätten schon längst im Inneren sein können, wie viel Zeit sie vergeudet hatten! Unfassbar. Erik fehlten die Worte. Kopfschüttelnd und stumm sah er den Vater an.
Dieser hob abwehrend die Hände.
„Nun sieh mich nicht so an Junge!“
Wieder schüttelte Erik nur mit dem Kopf, sprachlos und erschüttert.
Der Vater verdrehte die Augen, fummelte dann an dem Schlüsselbund und suchte nach dem richtigen Schlüssel. Nach kurzer Zeit hatte er ihn gefunden und ging ohne sein Gegenüber weiter zu beachten in Richtung Vordereingang.
Erik folgte ihm ungeduldig, sein Herzschlag hatte sich schon beschleunigt und die Innenseiten seiner Handflächen wurden merklich feuchter. Zum tausendsten Male fragte er sich, was ihn erwarten würde.
Die Haustür ging auf und die zwei Männer betraten einen großen gefliesten Flur, von dem eine Treppe ins Obergeschoss führte und vereinzelte Türen zu den Räumlichkeiten im Erdgeschoss abgingen.
Die Luft im Haus war stickig und schwül. Es roch nach Waschmittel und irgendeinem Raumerfrischer, ein angenehmer Geruch, trotz der niederdrückenden Hitze.
Sie sahen sich um, dann ging der Vater vorsichtig auf eine Tür zu und öffnete diese langsam. Dahinter befand sich offensichtlich das Wohnzimmer. Erik hielt kurz die Luft an, doch der Raum war menschenleer. Er inspizierte die Einrichtung, die Möbel waren hochwertig und sahen teuer aus, eine cremefarbene Ledercouch, Flachbildfernseher und ein weißer Hochfloorteppich – edel und schick. An der einen Wand befand sich ein Kamin, die kleine Mauer oberhalb der Brennstelle war vollgestellt mit Bildern in schlichten Rahmen. Er ging etwas näher und betrachtete die Aufnahmen. Es waren alles Familienpotraits. Sein Blick blieb bei einem Schnappschuss hängen, es war die ganze Familie Henning abgebildet, Vater, Mutter, Tom und Lexie. Alle waren blond, blauäugig und auffallend hübsch – eine Bilderbuchfamilie und sie lachten ungekünstelt in die Kamera. Ein kleiner Stachel des Neides traf Erik kurzzeitig, dann fiel ihm ein, welches grauenhafte Schicksal ihnen widerfahren war. Seine Augen suchten wie automatisch nach einer Nahaufnahme von dem toten Mädchen. Er fand ein Bild, auf dem musste sie ungefähr vierzehn oder fünfzehn gewesen sein – jedenfalls waren noch keine Spuren von dem Drogenmissbrauch zu erkennen. Sie war wirklich atemberaubend schön gewesen, rosige Wangen, strahlende Saphiraugen, blonde Barbiemähne und ein einnehmendes Lächeln. So eine natürliche Schönheit sah man selten und sie machte allein schon mit dieser Amateuraufnahme professionellen Covermodels große Konkurrenz. Er bedauerte ihren Tod, auch wenn er sie nicht gekannt hatte, jedoch wenigstens um Mayas Willen und der ihrer Familie...naja, bis auf Tom vielleicht. Plötzlich fiel ihm auch wieder ein, warum er hier war.
Er riss sich von den Bildern los und sah sich um, Mayas Vater ging gerade in die Küche, die durch eine Theke von dem Wohnzimmer getrennt war. Erik folgte ihm, als er den Küchentisch und das darauf entstandene Chaos wahrnahm, setzte ruckartig sein Herzschlag aus.
Auf dem Tisch stand eine halbleere Wodkaflasche, daneben eine leere Flasche mit der Aufschrift Absinth. Erik schluckte schwer, dann sah er die CD-Hülle, auf der ein großes Tütchen lag und weiße Pulverreste, die sich über die ganze Glasplatte verteilten.
Er hörte den Vater nach Luft schnappen, ging selbst auf den Tisch zu und runzelte besorgt die Stirn. Er wusste nicht, was das für Zeug war, was da lag - er kannte sich mit Drogen nicht aus, konnte Koks nicht von Heroin unterscheiden und fragte sich gleichzeitig, ob hier vielleicht der Beweis für Mayas Abwesenheit lag. War sie vielleicht doch wieder schwach geworden? Er wollte keine Sekunde mit diesem Gedanken verschwenden und gleichzeitig war er sich fast sicher.
Ihr Vater trat ihm gegenüber, beugt sich herunter, nahm das Tütchen, roch kurz daran und verzog sofort das Gesicht.
„Crystal! PFUI!“ Er schmiss angewidert das Päckchen zurück auf die CD-Hülle.
Erik sah ihn völlig verdattert und fassungslos an, dieser erwiderte den Blick und zuckte wie selbstverständlich mit den Schultern.
„Ich arbeite beim Zoll. Es ist mein Job dieses Teufelszeug zu finden und ich habe jeden Tag damit zu tun.“ Er zwinkerte ihm zu und redete dann weiter „Eins kann ich dir sagen: Das Kram hier, das ist schlimmer als jede andere Droge dieser Welt. Lass uns nah oben gehen, ich denke, dort werden wir die Zwei finden...“
Der wissende und gleichzeitig mitfühlende Blick des Mannes versetzte Erik einen Stich.
Also ging auch er davon aus, dass sich Tom und Maya hier die Kante gegeben hatten und nun völlig breit in seinem Bett lagen.Wahrscheinlich hatte sie sich selbst aus dem Irrgarten des Parks befreit, war wie durch Zufall bei dem Haus der Hennings gelandet und hatte sich dann von Toms himmelblauen Unschuldsaugen verleiten und schlussendlich verführen lassen.
Es fühlte sich an, als würde sein Herz entzwei gerissen werden. In seinem Kopf entstand ein Film. Er stellte sich vor, was diese Nacht alles abgelaufen war. Für sie war es wahrscheinlich eine Reise in die Vergangenheit gewesen, die Erfüllung all ihrer Jugendträume. Für ihn war es der allerschlimmste Alptraum.
Hatte er sich so in ihr getäuscht? Ja, das hatte er!
Mein Gott, was hatte er hier für ein Theater veranstaltet?
Warum hatte er sich überhaupt darauf eingelassen, einem Menschen, sogar einem ehemalig drogenabhängigem Mädchen mit freizügigem Sexualleben, zu vertrauen? Was war aus seinem logischem, messerscharfen Verstand geworden?
Er war in seinem Leben noch nie so enttäuscht worden, besonders nicht von sich selbst.
Vor sich selbst ekelnd und völlig verzweifelt folgte er dem Vater, der sich seinen Weg zurück durch das Wohnzimmer in Richtung Flur bahnte. Als er die erste Treppenstufe zum Obergeschoss betrat, drehte er sich zu Erik um. Der mitleidige Blick war fast zu viel für Eriks Zustand.
„Vielleicht ist es besser, wenn du hier unten kurz wartest?“
Erik hielt in seiner Bewegung inne, dachte kurz darüber nach und hielt den Vorschlag für einen der besten, den der Vater seit ihrer kurzen Bekanntschaft gegeben hatte. Das Bild musste er sich wirklich nicht antun, es reichte schon, es vor seinem inneren Auge zu sehen – Maya und Tom, eng verschlungen, womöglich nackt, zugedröhnt und im siebten Himmel.
Es schüttelte ihn heftig, am liebsten hätte er sich selbst vergessen und auf irgendetwas hart und ausdauernd eingeschlagen. Während der Vater die Treppen hochstieg, badete sich Erik in Selbstmitleid und dachte darüber nach, wie er auf dem schnellsten Wege von hier verschwinden könnte.
Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken, er zuckte zusammen, sah sofort ins Obergeschoss und dann Mayas Vater, der mit leichenblassem Gesicht nach ihm rief.
Er sprintete die Treppen hinauf, nahm zwei Stufen gleichzeitig und wagte sich nicht vorzustellen, warum dieser beherrschte Mann so die Fassung verloren hatte.
Als er das Zimmer betrat und sich die Szene, die vor ihm lag, für Lebzeiten in sein Gehirn brannte, war er für wenige Sekunden handlungsunfähig. In dem Raum war es dunkel, stickige Luft nahm ihm den Atem und der Anblick ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Auf dem Bett lag ein großer junger Mann, offensichtlich bewusstlos, oder schlimmer – er sah jedenfalls verdammt leblos aus. Die Position in der sein Körper schlaff in den Federn hing, sah weder gemütlich noch entspannt aus, so war er jedenfalls nicht freiwillig eingenickt.
Sein Blick löste sich von Tom und suchte automatisch nach Maya. Er entdeckte sie am anderen Ende des Zimmers und sein Herzschlag setzte aus. Nein, er setzte nicht nur aus – er blieb stehen, für immer und in alle Ewigkeit. Nie wieder würde sein Herz schlagen können, denn im ersten Moment hielt er sie für tot.
Regungslos saß sie auf einem Lederstuhl, der Kopf seitlich abgeknickt, die Augen geschlossen und von dunklen, schwarzen Ringen umrandet, der Mund halb offen und die Nasen-und Kinnpartie über und über mit Blut bedeckt.
Jede einzelne Faser seines Körpers schmerzte bei diesem Anblick. Dann sah er an ihrem kleinen geschundenen Körper hinab und entdeckte die Kabelbinder an ihren Handgelenken. Wut, Zorn und ein unbeschreiblich schlechtes Gewissen überfielen ihn, während er auf Maya zu stürzte und dabei den Herrgott anflehte, dass sie noch am Leben war.
Alles spielte sich ab wie in einem Film, er stand neben sich und beobachtete sich selbst, wie er automatisch einen Puls an ihrem Hals suchte und ihm dabei die Tränen die Wangen hinab liefen. Sie fühlte sich warm an und eine Welle der Erleichterung überrollte ihn, dann spürte er ganz schwach das Flimmern ihres Pulsschlags, so winzig und leicht, wie ein Vögelchen.
Er drehte sich zu ihrem Vater um, dieser befand sich wahrscheinlich in einem Schockzustand, er war wie zur Salzsäure erstarrt und konnte den Blick nicht von seiner Tochter lösen.
Erik schrie ihn an: „NOTARZT! SOFORT!“
Ein Ruck ging durch den Körper des Mannes und er verließ das Zimmer um ein Telefon zu suchen.
Erik sah sich in dem Raum um, entdeckte eine Schere und schnitt dann ganz vorsichtig die Fesseln an Mayas Fuß- und Handgelenken durch.
Dann kniete er sich neben den Stuhl, hebte sie zu sich und nahm sie in seine Arme. Trotz ihres schlaffen Körpers war sie federleicht. Er wiegte sie in seinen Armen, streichelte ihre Haare und küsste ihren Kopf.
Er murmelte ihr ins Ohr, dass er sie liebte, immer wieder – so lange, bis er die erste Sirene des Krankenwagens hörte.

----Maya----

Ich erwachte und das erste was ich spürte, war mein dröhnender Schädel.
Noch nie hatte ich solche Kopfschmerzen gehabt!
Dann stellte ich fest, dass ich noch lebte, Schmerz war immer ein Zeichen von Leben. Ich hatte echt nicht damit gerechnet, dass ich nochmal aufwachen würde und irgendwie fühlte ich mich erleichtert.
Ich überlegte, ob ich die Augen öffnen sollte. Ich konnte mich komischerweise sofort an alles erinnern. Jede Einzelheit stand klar vor meinen Geist. Ich ging davon aus, dass ich noch immer in Toms Zimmer saß. Das Zeug hatte mich ausgeknockt und jetzt kam ich langsam wieder zu mir. Merkwürdig war nur, dass ich mich vollkommen nüchtern fühlte und dass der Stuhl irgendwie umgefallen sein musste. Ich lag nämlich, in der Horizontalen und es war sogar gemütlich. Probeweise bewegte ich meine Hand, stellte erschrocken fest, dass sie nicht mehr festgebunden war und öffnete mit einem Ruck die Augen.
Helles, gleißendes Licht blendete mich, alles war weiß. Nein, das war nicht Toms Zimmer.
Was war passiert?
Ich blinzelte mehrmals, dann blickte ich in die kullerrunden und zutiefst besorgten Augen meiner Mutter.
„Schatz!“ Sie flüsterte leise und bedachte mich mit einem erlösten Lächeln.
„Alles ist gut Schatz. Du bist in Sicherheit!“ Sie versuchte mich zu beruhigen. Ich antwortete ungewohnt geistesgegenwärtig.
„Konnt ich mir schon denken, dass ich nicht mehr bei Tom bin.“ Meine Stimme war rau und angeschlagen, außerdem hatte ich genuschelt. Ich vernahm ein Schnauben.
„Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen und schon nen dämlichen Spruch auf Lager!“
Ich schluckte schwach, mein Hals brannte wie Feuer. Ich sah zu meinem Vater, der mich erleichtert und mit rot geräderten Augen ansah. Er lächelte irgendwie stolz und ich grinste zurück.
Schon dieser eine Satz hatte mir wahnsinnige Kraft gekostet. Ich schloss überanstrengt die Augen und machte eine kurze Bestandsaufnahme meines Körpers. Schmerzen hatte ich viele, das war meine erste Feststellung. Mein Hals brannte, meine Kehle fühlte sich an, wie von innen zerfetzt und mein Kopf pochte so laut, dass ich dachte, er würde jeden Moment zerspringen. Außerdem spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Nase, jedes Mal wenn ich Luft holte, es war kaum auszuhalten. Wahrscheinlich hatte mir die Droge die Naseninnenscheidewand durchgeätzt, so fühlte es sich jedenfalls an. Ansonsten hatte ich noch diverse dumpfe Schmerzen an Hand- und Fußgelenken, eine Rippe stach mir in die Seite und mein Nacken war verspannt. Prima! Ein lebendiges Wrack war nichts im Vergleich zu mir.
Auf der Stelle hätte ich wieder einschlafen können, obwohl ich drüber nachdachte vorher definitiv nach einem Schmerzmittel zu bitten. Doch ich riss mich zusammen, öffnete wieder die Augen und stellte die Frage, die ich vorher noch unbedingt beantwortet haben musste.
„Wie kommt es, dass ich hier bin?“
Meine Mutter kullerte eine Träne aus dem Auge und mein Vater lächelte schief, dann deutete er zum anderen Ende des Krankenzimmers und sagte dabei:
„Ich glaube, dein Leben hast du diesem jungen Mann zu verdanken.“
Ich folgte seinem Blick und starrte in zwei Whisky-Honig-Bernsteinaugen, verdeckt von einer Brille und umrahmt von herrlich braunen Wuschelhaaren.
Mein Herz machte einen Hüpfer – ERIK!
Er sah unglaublich aus – und gleichzeitig furchtbar. Tiefe, dunkle Augenringe zeugten von Übermüdung und sorgenvollen Stunden, leichte Bartstoppeln glitzerten auf seiner babyweichen Haut und die Haare standen noch wilder in alle Richtungen ab. Sein sonst makellos weißes Hemd war schmutzig und voller Blutflecken. Mein Eigenes? - schoss es mir angstvoll durch den Kopf.
Sein Blick war voller Liebe und gleichzeitig unendlich besorgt.
Ich lächelte ihn überglücklich an und er lächelte zurück, dann kam er auf mich zu und ich richtete mich ein Stück auf. Er beugte sich zu mir hinab, gab mir einen süßen, sanften Kuss und streichelte dabei meine Wange. Er roch himmlisch, noch immer ein Hauch des üblichen Weichspülers, vermischt mit seinem ganz eigenen Duft.
Er ließ von mir ab und ich nahm seine Hand, spürte kurz die Kanüle von dem Tropf unter meiner Haut, dachte aber nicht weiter darüber nach. Dann schloss ich die Augen, zufrieden und selig mit meinen Liebsten an der Seite. Die Welt war grad in Ordnung, sie brauchte mich jetzt nicht.
Sofort schlief ich wieder ein.






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