Voiceless - Teil 14

Autor: emeliemia
veröffentlicht am: 23.07.2014


So, ich habe es doch geschafft weiter zu schreiben :) Viel Vergnügen ;)



Der Abschied ist kurz und oberflächlich. Sam wünscht mir nur eine gute Nacht, er nennt mir keine Uhrzeit, wann er morgen kommt. Was mir zeigt, dass er mich nicht mehr sehen will. Ich frage mich, was ich getan habe, mit welcher Aktion ich ihn vergrault habe.
Alles worüber ich nachdenke, kommt mir schlussendlich unrealistisch, dumm und naiv vor. Vielleicht hat er wirklich keine Lust mehr mich zu sehen, nach meinem Einschlafen auf seinem Schoß.
Vergiss es, Summer, die Menschen sind seltsam und reagieren oft auf unerwartete und unerklärliche Weise.

Als ich im Bett liege, fängt es an. Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen, so stark, dass ich auf keuchen muss. Ich presse meine Hände auf meinen Bauch und beiße ins Kissen. Schweiß rinnt meine Schläfen hinunter und mir ist unglaublich warm. Meine Sicht verschwimmt, Tränen steigen in meine Augen. Es fühlt sich an, als durchzucken heiße Blitze meinen Körper. Die Schmerzen sind unerträglich.
Ich wälze mich lautlos schluchzend hin und her, die Hände immer noch auf meinen Magen pressend. Es wird von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Ist das die Hölle? Fühlt sich SO die Hölle an?

So geht das die ganze Nacht durch. Ich mache kein Auge zu, bin völlig verschwitzt und ausgelaugt. Die Schmerzen haben zwar nachgelassen, jedoch bin ich mit meinen Kräften am Ende, sodass ich einfach liegen bleibe.
Meine Augen halte ich geschlossen, nicht einmal für das Öffnen habe ich genügend Kraft. Ich schlafe mehrmals für einige Augenblicke ein, werde aber immer wieder wach.
Mein Fenster ist offen, doch die Geräusche von draußen nehme ich wie durch Watte war. Alles, was ich deutlich hören kann, ist mein Atem.
Ich bekomme nicht mit, wie meine Zimmertür geöffnet wird. Wie Eric meinen Namen ruft, mich an den Schultern rüttelt. Alles was ich höre ist mein Atem.


- Eric -

Eigentlich will ich nicht nach Summer sehen, aber ich muss. Das ist mein Job. Meine Wut auf Sam und auch auf Dr. Hawn ist immer noch deutlich präsent.
Doch als ich das Haus betrete ist es still. Kein Sam und keine Summer. Ist sie bei ihm?
Argwöhnisch steige ich die Treppen nach oben und stoße die Tür zu Summers Zimmer auf.
Da liegt sie. Ihr Blick ist glasig, sie atmet tief und laut, ihr Körper in einer unnatürlichen, krampfartigen Position, verwickelt in die Bettdecke. Die Hände gegen ihren Bauch gepresst.
»Oh, Scheiße.«, rutscht es mir heraus und mein Puls beschleunigt sich aufgrund der aufsteigenden Panik. »Summer? Summer!«
Sie reagiert nicht, auch nicht als ich sie an den Schultern packe und schüttele.
»Nein, nein, nein!«
Ich haste nach unten zum Telefon und wähle den Notruf. Sie braucht dringend einen Krankenwagen!
Während ich auf die Notsanitäter warte, halte ich sie in meinen Armen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, ob ich zu ihr reden soll, ob sie mich hören kann oder nicht.
Was ist passiert? Was war der Auslöser für diese Reaktion?
Sie ist völlig verschwitzt und ihre Haut fühlt sich kalt an. Ich bemerke ihren Fuß, der komplett verbunden ist und frage mich, wie das passiert ist.
Bestimmt ist Corey daran Schuld. Dieser egoistische Bastard! Wenn der es wagt irgendwann aufzutauchen, dann wird der was erleben!

Ich fahre mit ins Krankenhaus. Summers Mappe habe ich vorsichtshalber mitgenommen. Sie verfrachten Summer auf ein Bett und schließen sie an den Tropf an. Zwei Schwestern huschen ständig tuschelnd um sie herum, bis eine der beiden mich fragt: »Gehören Sie zur Familie? Wenn nicht, muss ich Sie jetzt leider bitten zu gehen.«
»Ich gehöre nicht zur Familie, ich bin ihr Betreuer. Sie leidet an Mutismus.«, erwidere ich. Die Schwester hebt eine Braue, sagt aber nichts und geht ihren Tätigkeiten weiter nach.
Beinahe hätte ich Beschützer gesagt, was mich selber stutzen lässt, mir dann aber letztendlich gefällt. Obwohl ich als Beschützer auf ganzer Linie versagt habe, sonst wäre sie nicht hier.
Die andere Schwester kommt auf mich zu. »Dr. Magnus kommt gleich, Mr. ?«
»Whitman. Eric Whitman.«, antworte ich ihr und sie nickt.
Ich werfe einen Blick zu Summer. Sie atmet nicht mehr so laut und tief, sondern ruhig und leise. Man sieht kaum wie sich ihre Brust hebt und senkt. Ihr Mund steht leicht offen und ich muss zugeben, dass sie ziemlich niedlich aussieht, auch wenn man ihr ansehen kann, wie erschöpft sie ist. Durch das steril wirkende Weiß, scheint ihre Haut noch brauner als sie in Wirklichkeit ist.
Wenige Augenblicke später kommt ein junger Mann, ungefähr Mitte dreißig, ins Zimmer.
»Guten Morgen, mein Name ist Dr. Magnus.«, begrüßt er mich und mir ist sofort klar, dass ich es hier nicht mit einem normalen, mürrischen, genervten Arzt zu tun habe. Dr. Magnus strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus, die auch auf mich übergreift. Unter seiner Achsel hat er eine Mappe geklemmt.
«Guten Morgen. Eric Whitman.«, erwidere ich und reiche ihm die Hand.
»In Ordnung, Mr. Whitman. Aufgrund Ihres Nachnamens nehme ich an, Sie gehören nicht zur Familie?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich bin ihr Betreuer. Sie leidet an Mutismus. Ich habe eine Mappe, wo alles über sie festgehalten worden ist, hier.«
Ich reiche ihm die Mappe und Dr. Magnus liest sich die ersten Seiten durch.
»Erzählen Sie mir bitte alles was geschehen ist.«
»Sie wohnt allein in meinem Ferienhaus, das ist Teil ihrer Therapie. Summer soll lernen von allein Kontakt zu ihrer Umgebung aufzunehmen. Ihr Therapeut ist Dr. Hawn. Meine Aufgabe bestand darin, sie jeden Tag zu besuchen und nach dem Rechten zu sehen, so wie auch heute. Ich habe sie in ihrem Bett gefunden, sie hatte die Hände auf den Magen gepresst und die Position ihres Körpers war sehr unnatürlich. Sie war total verschwitzt und kalt und hat sehr laut geatmet. Ich habe sofort den Krankenwagen gerufen.«
Dr. Magnus notiert.
»Ist so etwas in der Art schon mal vorgefallen?«
»Nicht so heftig, Nein. Sie hatte ein paar Anfälle, wo sie in eine Starre fiel oder manchmal auch das Bewusstsein verlor, aber sie hat sich jedoch schnell davon erholt. Wir glauben, dass diese Anfälle dadurch geschehen sind, weil sie an etwas aus ihrer Vergangenheit gedacht hat. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall durchs Leben gekommen, was ihren Mutismus verursacht hat.«
»Hat sie schon bereits Kontakt zu irgendjemandem aufgenommen?«
»Ja, zu einem Jungen namens Samuel Corey.«, es fällt mir schwer Sams Namen normal und in einem sachlichen Tonfall auszusprechen, wo ich ihm am liebsten an die Gurgel springen möchte. »Ich weiß nicht, ob ich irgendwelche Vermutungen anstellen darf, aber die Anfälle sind jedes Mal geschehen, wenn Samuel bei ihr war. Auch gestern haben sie den Tag zusammen verbracht.«
Dr. Magnus nickt und notiert.
»Sie hat einen Verband um ihren Fuß. Wissen Sie, was geschehen ist?«
Ich schüttele den Kopf.
»Nein, das muss gestern im Laufe des Tages passiert sein.«
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Mr. Whitman. Ich werde mich mit einigen anderen Chefärzten darüber beraten, was zu tun ist. Sie können hier warten, in der Cafeteria gibt es Getränke und Speisen.«
Und damit verlässt er das Zimmer. Ich setze mich zurück auf meinem Stuhl.
Jetzt bist du dran, Samuel Corey, fährt es mir durch den Kopf und ich kann ein hämisches Grinsen nicht verhindern.

Als Dr. Magnus wiederkommt, erklärt er mir, dass die Fachschaft beschlossen habe, Sam herzuholen, damit dieser ebenfalls eine Aussage machen konnte. Außerdem würden sie Summer solange hier behalten, bis sie wieder genügend Kräfte gesammelt hätte. Ihre Symptome deuten darauf hin, dass es erneut ein Anfall gewesen war, nur sehr viel stärker als die bisherigen.
Sam ist fällig. Jetzt wird er ein Verbot bekommen, Summer nie wieder nahe zu treten.


- Sam -

Als ich erfahre, dass Summer im Krankenhaus ist, zieht sich für einen Augenblick alles in mir auf schmerzhafte Weise zusammen. Ich soll mitkommen, um eine Aussage zu machen. Die Sanitäter sehen mich an als wäre ich ein Mörder und dementsprechend behandeln sie mich auch so: grob, unfreundlich und verachtend.
»Was hat sie denn?«, frage ich und merke, dass meine Stimme bebt.
»Das wirst du noch erfahren.«, ist die barsche Antwort.

Das Krankenhaus ist im Nachbarort, der größer ist als unserer. Die Fahrt dauert ungefähr zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten ohrenbetäubende Stille und finstere Blicke, die die Sanitäter mir immer wieder zu werfen. Als ich das Krankenzimmer betrete und Eric sehe, wird mir Einiges klar. Seinetwegen werde ich so behandelt wie ein Schwerverbrecher.
Neben ihm steht ein Arzt. Er ist jedoch der Einzige, der mich nicht mit feindseligem Blick ansieht.
Ich entdecke Summer am anderen Ende. Ihr Anblick lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Um sie herum sind unzählige Maschinen an denen sie angeschlossen ist.
»Guten Tag Samuel, mein Name ist Dr. Magnus.«, sagt dieser.
»Hallo.«, erwidere ich leise und räuspere mich. Mir liegen unendlich viele Fragen auf der Zunge.
»Ich erkläre dir kurz, was geschehen ist. Summer hatte einen Anfall, einen sehr schlimmen. Laut Mr. Whitman, hast du den gestrigen Tag mit ihr verbracht, ist das wahr?«
»Wozu diese ganzen Maschinen?«, platzt es aus mir heraus.
»Die dienen nur zur Überwachung ihrer Körperfunktionen. Würdest du nun bitte meine Frage beantworten?«
Ich hole tief Luft und sehe zu Eric, ein schadenfroher Ausdruck liegt in seinen Augen. Das ist seine Rache.
»Ja, wir waren gestern zusammen draußen.«
»Was ist mit ihrem Fuß geschehen?«
»Sie läuft immer barfuß und hat sich einen Splitter zugezogen.«, noch während ich spreche, kommt in mir die Frage auf, wieso er den Verband nicht abgemacht und nachgesehen hat. »Man muss den Verband wechseln. Haben Sie den Verband gewechselt?«
Letzteres kann ich mir nicht verkneifen. Was ist das für ein Arzt, der nicht nachguckt, was unter einem Verband ist?
»Sam, ich glaube Dr. Magnus weiß ganz genau was er tut, also sag ihm nicht, was er zu tun hat.«, pflaumt Eric dazwischen.
Wut keimt in mir auf und ich balle die Hände zu Fäusten. Eric soll sich gefälligst da raus halten!
»Mr. Whitman, so wie Samuel Summer ansieht, kann ich seine Sorge um sie sehr gut nachvollziehen. Ja, wir haben den Verband gewechselt, ich wollte nur in Erfahrung bringen, ob du etwas über ihre Verletzung weißt.«
»Ich war dabei. Sie ist mir hinterher gelaufen und dabei hat sie sich den Splitter zugezogen.«
Dr. Magnus nickt und notiert sich etwas in eine Mappe, die er im Arm hält. Eric starrt mich finster an. Ich glaube, wenn Dr. Magnus nicht hier wäre, dann hätte er mir schon längst eine rein gehauen. Dabei verstehe ich immer noch nicht, was ihn so wütend macht.
»Was ist dann geschehen? Erzähle bitte den Tagesablauf.«
»Wir sind zu mir gegangen und meine Mutter hat ihr einen Verband gemacht. Anschließend sind wir Fahrrad gefahren. Also auf einem Tandem.«
Ich überlege ob ich von Ruby erzählen soll. Wenn ich es nicht tue, wird es bestimmt irgendwann herauskommen. Außerdem bin ich nicht der Typ, der irgendetwas verschweigt. »Wir hatten eine unschöne Begegnung mit einem Mädchen.«, erzähle ich weiter und suche nach den richtigen Worten. »Summer war ein wenig aufgewühlt. Wir sind danach zum See gefahren, damit ich ihr alles erkläre was es mit dem Mädchen auf sich hat. Ich weiß nicht, ob man das wirklich einen Streit nennen kann. Aber letzten Endes war alles wieder gut und wir sind zu mir nach Hause gefahren. Wir haben uns Pizza bestellt und danach einen Film geguckt. Sie ist eingeschlafen und zum Ende hin wieder wach geworden.«, ein Kloß bildet sich in meinem Hals als ich daran denke, dass sie nicht bei mir übernachten wollte. »Meine Mutter und ich haben sie nach Hause gebracht und seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.«
Dr. Magnus schreibt kurz etwas in die Mappe, bevor er sagt: »Das Mädchen, wie ist ihr Name? Und was war das für eine unschöne Begegnung? Hör mal, Samuel, ich muss das alles wissen, damit ich nachvollziehen kann wieso Summer so heftig reagiert hat.«
Ich blicke von einer Person zur anderen. Dr. Magnus will Summer helfen. Aber Eric? Steht ihre Gesundheit vor seinen Zielen?
»Könnten wir das unter vier Augen besprechen, Doktor?«, frage ich also.
Zu meiner Erleichterung nickt Dr. Magnus. Mit einem grimmigen Blick verlässt Eric den Raum. Giftpfeile schießen aus seinen Augen.
Als die Tür sich schließt, atme ich mehrmals Ein und Aus bevor ich anfange von Ruby zu erzählen.
»Sie heißt Ruby Cavendish und ist die Tochter des Bürgermeisters. Bevor Summer hier war, haben wir viel Zeit miteinander verbracht.«
»Wart ihr intim?«, unterbricht Dr. Magnus mich und ich nicke. Das vor einem Arzt zuzugeben fühlt sich nicht so peinlich an, wie ich angenommen hatte.
»Ruby war im Urlaub und ist gestern wiedergekommen. Mir ist erst nachdem sie weg war, habe ich gemerkt, dass sie mir eigentlich nichts bedeutet. Als Summer und ich mit dem Tandem unterwegs waren, hat sie uns gesehen und sich wortwörtlich an meinen Hals geworfen. Sie hat Andeutungen gemacht, dass sie wieder mit mir schlafen will. Ich war ziemlich durcheinander und wusste nicht was ich tun sollte. Ich hätte gleich direkt Nein sagen sollen, das weiß ich. Aber ich wollte Ruby auch nicht so bloßstellen, verstehe Sie? Naja irgendwann habe ich es geschafft sie abzuwimmeln. Ich weiß nicht, was Summer in diesen Minuten von mir gedacht haben muss. Sie müssen wissen, dass sie schon ein wenig mit mir kommuniziert hat, also durch Nicken, Kopfschütteln oder Lächeln. Das war ein großer Fortschritt, der aber in diesem Augenblick hinüber war. Sie hatte wieder diesen neutralen Gesichtsausdruck. Wir sind zum Strand gefahren und ich habe ihr alles erklärt. Auch dass ich nichts für Ruby empfinde. Danach schien alles wieder in Ordnung und den Rest kennen Sie.«
Dr. Magnus nickt. Er hat in der letzten Viertelstunde ziemlich oft genickt.
Wieder notiert er etwas und seufzt anschließend.
»In ihrer Mappe steht nichts von irgendeinem Fortschritt, den sie gemacht hat.«
»Sie hat bisher nur mit mir sehr viel Zeit verbracht. Und ich glaube, dass sie nur mit Leuten kommuniziert, die sie mag.«
Dr. Magnus notiert und ich bekomme das Gefühl, dass Ärzte nichts anderes tun als nicken und notieren.
»Okay. Dann liegt es nicht an dir. Es könnte sein, dass Summer immer noch sauer oder enttäuscht ist wegen dem anderen Mädchen und dass sie deswegen diese heftige Reaktion hatte.«
»Das glaube ich nicht.«, widerspreche ich. »Summer hat sich nachdem wir alles geklärt hatten so verhalten wie immer. Sie könnte auch wieder einen Flashback bekommen haben.«
»Du meinst, sie könnte an ihre Eltern gedacht haben?«
Ich nicke.
Dr. Magnus seufzt erneut. »Es ist sehr schwer einen Grund für so etwas zu finden.«
»Und was wird jetzt dagegen gemacht?«
»Wir warten bis sie wach wird. Und dann sehen wir weiter.«
»Wie lange wird das ungefähr dauern? Bis sie aufwacht, meine ich.«, frage ich, schon mit dem Gedanken spielend so lange hier zu bleiben. Dr. Magnus sieht mich an und scheint zu wissen, was ich denke.
»Sie hat die Nacht bestimmt nicht geschlafen. Es ist jetzt fast Elf Uhr. Bis zum Nachmittag wirst du dich noch gedulden müssen.«
»Kann ich hier bleiben?«
»Wenn du nichts anstellst und niemandem im Weg stehst, dann Ja, meinetwegen.«
»Danke.«
Dr. Magnus winkt ab und wendet sich zum Gehen. Als er die Hand schon fast auf dem Türgriff hat, hält er jedoch inne.
»Ach, Sam?«
»Ja?«
»Ich verlasse mich darauf, dass du gut auf sie aufpasst.«
»Sie haben mein Wort, Doc.«
Schon wieder ein Nicken. In Kombination mit einem wissenden Lächeln.
Dann tritt er hinaus und die Tür fällt ins Schloss. Kurz darauf kommt Eric wieder herein und baut sich vor mir auf.
»Was hast du ihm gesagt?«, Wut sprüht aus seinen Augen. Eine Ader erscheint pochend auf seiner Stirn.
»Ein paar mehr Einzelheiten. Ich bin nicht Schuld daran, Eric.«
Er macht ein abfälliges Geräusch.
»Natürlich nicht.«
Der Sarkasmus ist unüberhörbar.
»Es könnte auch daran liegen, dass sie wieder an ihre Eltern gedacht hat.«
Eric schüttelt wild den Kopf. »Nein. Irgendetwas sagt mir, dass es deinetwegen passiert ist und ich weiß, dass es so gewesen sein muss. Das wird noch Folgen haben, Sam.«
Mit diesen Worten stürmt er aus dem Raum und knallt die Tür hinter sich zu.
Ich bleibe mit gemischten Gefühlen zurück und brauche einen Moment um mich zu sammeln. Warum ist Eric so besessen davon mir eins auszuwischen? Er hat doch eigentlich keinen Grund dazu oder?
Ich gehe kopfschüttelnd zu Summer ans Bett. Sie sieht unglaublich klein und zerbrechlich aus zwischen all den Maschinen. Ein Schlauch, der sie mit Sauerstoff versorgt, läuft quer über ihr Gesicht. Sie zuckt kein bisschen als ich ihren Arm streichele. Ich nehme ihre Hand in meine. Sie fühlt sich kalt an und verschwindet fast gänzlich in meiner.
Warum sie?
Warum muss ausgerechnet jemand wie sie so leiden?
Die kleine egoistische Stimme meldet sich in meinem Kopf: Wäre sie gesund, hättest du sie wahrscheinlich nie kennengelernt.


- Summer -

Ich weiß, dass ich schlafe. Ich träume nicht. Ich bewege mich in völliger Dunkelheit, ohne meinen Körper willentlich zu bewegen. Es ist, als ob ich durch den Raum schweben würde, als ob ein mich leichter Sog in irgendeine bestimmte Richtung zieht, als ob ich auf einer riesigen, unsichtbaren Hand liege, die mich irgendwohin trägt.
Es fühlt sich weder richtig, noch falsch an. Ich habe keinen blassen Schimmer wohin die Reise geht. Aber das ist genau das, was sich so vertraut anfühlt. Mit meinen Eltern wusste ich ebenfalls nie wohin es gerade ging. Sie entschieden immer spontan und auch ich hatte Mitspracherecht, zumindest wurde immer nach meiner Meinung gefragt.

Und plötzlich ist es nicht mehr dunkel. Ich starre eine weiße Decke an, Sonnenstrahlen kitzeln mich im Gesicht und ich bemerke, dass ich in einem Bett liege.
Es riecht verdächtig nach Krankenhaus. Und nach Plastik.
Ich blicke vorsichtig umher und meine Vermutung wird bestätigt. Ich befinde mich in einem Krankenzimmer im Krankenhaus.
Und neben mir sitzt Sam auf einem Stuhl und schläft. Mein Blick fällt auf meine Hand, die in seiner liegt und ich schrecke zusammen, wage es aber nicht sie wegzunehmen, aus Angst dass er davon aufwacht.
Was macht er hier?
Und wie bin ich überhaupt hier her gekommen?
Ich schließe die Augen und versuche mich daran zu erinnern, was geschehen ist.
Da war diese Ruby. Und ich habe mich unglaublich dumm gefühlt. Wir waren am See mit dem Tandem. Mein Fuß hat mir während der Fahrt große Schmerzen bereitet. Bei Sam zuhause haben wir Pizza bestellt und ich bin beim Film gucken eingeschlafen. Ich wollte bei ihm übernachten und er hat mich nach Hause gebracht.
Als mir das wieder einfällt, zieht sich mein Brustkorb schmerzhaft zusammen und ich schnappe mühsam nach Luft.
Danach weiß ich nichts mehr. Da waren nur noch diese Schmerzen, die sich wie meine persönliche Hölle angefühlt haben.
Sam zuckt im Schlaf und ich halte still, bewege mich nicht, damit er weiter schläft. Ich will seinem Blick nicht begegnen, das alles so weit wie möglich nach hinten verschieben.

Wie spät ist es eigentlich?
Ich sehe zur Wanduhr, deren leises Ticken bewirkt, dass keine ohrenbetäubende Stille im Raum herrscht. Es ist fast 17 Uhr. Wie lange habe ich geschlafen? Und seit wann ist Sam hier?
Ich will mich ein wenig aufsetzen, doch die Schläuche hindern mich daran. Erst jetzt bemerke ich an wie vielen Maschinen ich angeschlossen bin. Der Geruch von Plastik wird mit einem Mal immer stärker und unangenehmer. Er kommt von dem Schlauch, der quer über mein Gesicht läuft. Luft wird in meine Nasenlöcher geblasen, doch das Ganze beeinträchtigt mich eher anstatt mir das Atmen zu erleichtern. Ohne groß darüber nachzudenken, entferne ich den Schlauch.
Natürlich mit der Hand, die Sam vorher gehalten hat.
Und natürlich ist er davon aufgewacht.





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