Voiceless - Teil 6

Autor: Emiliemia
veröffentlicht am: 12.12.2013


Vielen Dank für die lieben Kommentare :3 & viel Spaß beim Lesen!


- Sam -

Eric zieht mich in die Küche. Eigentlich gefällt es mir gar nicht, dass Summer jetzt allein ist. Jemand sollte bei ihr bleiben!
»Sam.«, sagt Eric ernst und fährt sich durch die kurzen, braunen Haare. »Was genau ist zwischen dir und Summer geschehen? Ich muss das wissen, es ist wichtig. Summer … sie braucht wirklich Hilfe. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sie war die Einzige, die überlebt hat. Es hat sie so stark traumatisiert, dass sie mit keinem mehr kommuniziert hat. Egal, wie freundlich und nett man zu ihr ist. Aber als du vorhin hier aufgetaucht bist, da hat etwas in ihren Augen aufgeblitzt. Ich kann dir nicht genau sagen, was es war, aber da war etwas, Sam. Und du hast es hervorgerufen. Also, was ist zwischen euch vorgefallen?«
Mir ist schon klar gewesen, dass Eric mit so was kommt. Er muss ständig alles hinterfragen und wissen. Es ist zwar sein Job, aber trotzdem. Ich kann nicht erklären warum, aber ich will nicht, dass das, was sich zwischen Summer und mir gerade aufbaut, von jemandem erfasst, notiert und dokumentiert wird.
»Wie gesagt, wir hatten einen kleinen Zusammenstoß und als ich mich erkundigt habe, wie es ihr geht und sie nicht darauf geantwortet hat, ist mir klar geworden, dass etwas mit ihr nicht stimmt.«
Eric nickt und wirft mir einen vorsichtigen Blick zu. »Könntest du Zeit mit ihr verbringen? Dich mit ihr anfreunden? Ich würde dir auch Geld dafür geben. Sie muss schnell lernen wieder den Menschen in ihrer Umgebung zu vertrauen. Weißt du, so kann ich Dr. Hawn beeindrucken, der einen Narren an sie gefressen hat und alles daran setzen würde, damit sie wieder geheilt ist und vielleicht spendiert er mir dann die Ausbildung zum Therapeuten.«
Wie bitte?! Ist er noch ganz bei Trost?! Ungläubig sehe ich ihn an.
»Geht\'s noch?!«, zische ich und merke, dass ich zunehmend wütender werde. »Wie soll sie Vertrauen in die Menschen gewinnen, wenn man hinter ihrem Rücken hinterlistige Geschäfte macht?! Ich werde Zeit mit ihr verbringen, aber ich tue es nicht für dich, damit du Eindruck bei Dr. Hawn schinden kannst. Ich tue es für sie. Freundschaft kann man nicht kaufen und wer das glaubt, ist ein Idiot!«
Ich wende mich wutschnaubend ab und lasse Eric einfach in der Küche stehen. Was für ein Arsch. Was für ein Dummkopf. Glaubt er wirklich, dass ich für Geld so etwas tue? Und so ein Typ soll Therapeut werden! Meine Achtung vor ihm ist gerade gewaltig gesunken. Wie sehr man sich doch in einigen Menschen täuschen kann. Er ist auch von dieser neuen Welt, von dieser neuen, stinkenden Gesellschaft angesteckt worden, die glaubt, dass Geld das Wichtigste ist.
Es ist wie eine Krankheit. Eine Krankheit, die sich rasend schnell verbreitet. Und wer keinen kühlen Kopf behält, den wird es auch bald erwischen.


- Summer -

Ausnahmsweise tue ich mal das, was man mir gesagt hat. Es dauert nicht lang und Sam kommt wieder. Er schenkt mit ein kleines Lächeln, doch ich merke, dass es nicht echt ist. In seinen Augen flackert Wut. Was ist geschehen?
»Wie ich sehe, geht es dir besser.«, sagt er. »Wenn du möchtest, zeige ich dir unseren Ort. Ich werde nach der Arbeit draußen beim Gartentor auf dich warten. Wenn du einverstanden bist, dann komm einfach zum Gartentor. Und wenn nicht, dann nicht oder vielleicht ein andern Mal. Es ist deine Entscheidung, du wirst zu nichts gezwungen.«, er tippt sich an die Stirn und lächelt erneut. Und diesmal ist es echt. »Bis nachher.«
Mit diesen Worten wendet er sich ab und verschwindet. Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb. Ist das jetzt so was wie ein Date? Ich spüre, wie meine Mundwinkel erneut nach oben zucken. Er hat es schon wieder geschafft! Was ist das für ein Mensch?
Und in diesem Moment betritt Eric den Raum und mein Herz sinkt tief in die Hose. Natürlich. Natürlich, es kann gar nicht anders sein. Eric hat Sam gesagt, dass er Zeit mit mir verbringen soll.
»Geht\'s dir besser?«, fragt er.
Ich erwidere wie immer nichts, doch eine Sache ist anders. Mein Blick hat sich von Gleichgültig- und Ausdruckslosigkeit in Wut verwandelt. Abrupt stehe ich auf und stürme an ihm vorbei, nach oben in mein Zimmer. Ich brauche Ruhe.
Was fällt ihm eigentlich ein? Ich dachte Eric wäre anders, aber er ist derselbe aufgeblasene Arsch wie alle anderen. Wie sehr man sich doch täuschen kann.
Und Sam?
Soll ich mir von ihm den Ort zeigen lassen? Ist er von Eric auf irgendeine Art und Weise bestochen worden? So viele Fragen. Ich bereue es hierher gekommen zu sein. Ich habe erwartet, dass ich hier für zwei Wochen meine Ruhe habe, stattdessen stolpere ich von einem Chaos ins nächste. Ob Dr. Hawn weiß, was Eric hier abzieht? Hat er das alles so geplant?
Mit einem stummen Seufzen schließe ich die Augen und reibe meine Schläfen.
Was habe ich mir nur dabei gedacht?

Als ich die Augen wieder öffne, geht draußen gerade die Sonne unter und taucht alles in ein warmes, weiches Licht. Ich muss eingeschlafen sein.
Sam wird bestimmt schon weg sein, fährt es mir durch den Kopf und im nächsten Augenblick höre ich gedämpfte Stimmen vor meiner Tür.
»Ich wollte ihr eigentlich den Ort zeigen. Lass mich bitte nur gucken, ob sie immer noch schläft, ja?«, das ist Sam. Was macht er noch hier?
»Nein! Sie braucht ihre Ruhe. Das wird sonst zu viel für sie.«, höre ich Eric sagen.
»Bitte. Du willst doch, dass ich Zeit mit ihr verbringe.«
Sams Worte versetzen mir einen heftigen Stich, sodass ich zusammenzucke und beschließe, mich schlafend zu stellen, falls einer von den beiden nachguckt.
»Hrmpf.«, macht Eric und ich höre wie die Tür leise aufgeht. »Siehst du, sie schläft noch.«
Sam schweigt mindestens fünf Sekunden lang, bevor er zu einer Antwort ansetzt und ich weiß, dass er weiß, dass ich nur so tue als ob.
»Ja, ist ja gut. Ich gehe jetzt. Bis morgen.«
Ich höre seine Schritte auf dem Holzfußboden, wie er die Treppe hinunter geht. Kurz darauf macht Eric die Tür wieder zu und ich höre, wie auch er verschwindet.
Mir ist zum Heulen zumute.
Sie sind alle gleich, die Menschen.
Du kannst niemandem trauen. Selbst wenn sie so tun, als seien sie der liebste Engel aller Engel, so versteckt sich doch das Böse dahinter. Das bisschen Hoffnung, was noch in mir gesteckt hat, ist jetzt endgültig erloschen.


- Eric -

Ich brauche diesen Job. Ich brauche ihn wirklich dringend. Als guter Therapeut verdient man viel Geld. Und Geld ist wichtig. Denn wie willst du sonst überleben, wenn du kein Geld hast?
Dr. Hawn ist ein ausgezeichneter Therapeut. Ach Quatsch, er ist der beste. Und deswegen muss ich ihn beeindrucken, damit er mich weiter ausbildet, nachdem ich das Studium beendet habe. Ich will genauso werden wie er. Weil er nämlich – wie schon erwähnt – der Beste ist und richtig fett Kohle verdient.
Sam versteht nicht, dass man für diese neue, moderne Welt Geld benötigt, um weiter zu kommen. Er hält viel zu sehr an den Traditionen fest und das wird sein Untergang sein. Warum ist er auch so starrköpfig! Er könnte es so weit bringen! Aber Nein, Monsieur umklammert das alte Leben, die alten Traditionen, wie ein Neugeborenes den Finger seiner Mutter, seines Vaters umklammert.
Doch gleichzeitig ist Sam wirklich ein außergewöhnlicher, talentierter Junge. Sein Beobachtungssinn ist bemerkenswert. Er sieht Dinge, die würde ich nicht einmal sehen, selbst wenn man sie mir zeigt!





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