Ray- die Verbindung - Teil 9

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 24.06.2013


8. Schmerzen
Ray
„Bitte geh“, flüsterte ich und versuchte krampfhaft den Schmerz zu ignorieren, den ich ihm und damit auch mir zufügte. Ich redete mir ein, dass es nicht mein Gefühl war, sondern das seine.
Er blieb unschlüssig stehen, was mich einerseits tief bewegte und andererseits wütend machte. „Geh!“ Diesmal schrie ich. Diesmal fühlte es sich an, als hätte ich mein eigenes Herz aus der Brust gerissen und zertrampelt. Ich sah in sein Gesicht, das so verzweifelt und unendlich verletzt wirkte. Doch ich musste stark bleiben. Ich musste Abstand gewinnen um mich von dieser verdammten Bindung zu lösen. Ich liebte ihn nicht wirklich, das wiederholte ich immer wieder. Plötzlich lag seine Hand auf meiner Wange und erst jetzt bemerkte ich, dass mein Gesicht nass war – von Tränen überströmt. Er trocknete liebevoll meine Tränen, küsste mich auf die Stirn und …
und war verschwunden. Er war einfach nicht mehr da.

Es vergingen Tage und Wochen, doch der Schmerz saß tief in mir. Mit seinem Verschwinden, war etwas in mir zerbrochen. Ich war auf den Boden gesackt und weinte bitterlich. Ich war hin und her gerissen zwischen dem Gedanken, dass diese Gefühle nicht meine, sondern seine waren und dem Schmerz, den ich empfand. Immer wieder erinnerte ich mich zurück und versuchte zu analysieren, ob ich ihn geliebt hatte oder nicht.
Noch immer hatte ich oft Situationen, in denen ich mich beobachtet fühlte, doch niemanden sah. Aus diesen Situationen schloss ich, dass Luce noch immer da sein musste um mich zu beschützen. Also war es nicht verkehrt anzunehmen, dass ich noch immer seine Gefühle in mir spiegelte.
Ich träumte nicht mehr von ihm und hatte auch nicht das Gefühl, ihn in meiner Nähe zu haben. Ich fühlte mich noch einsamer als zu dem Zeitpunkt zu dem er mich das erste Mal verlassen hatte.
Ich beschloss auf eine Party zu gehen und mich mit möglichst lauter Musik und vielen Drinks ins Jenseits zu schießen.
Etliche Drinks später, tanzte ich tatsächlich ausgelassen mit einem Typen, den ich an der Bar aufgerissen hatte. Als er seine Arme um mich legte, ließ ich es zu. Schließlich näherte er sich mir und mir wurde etwas bewusst: Ich hörte Luce\'s stimme nicht meinen Namen rufen. Ich nutzte den Moment um mir darüber klar zu werden, was ich fühlte. Die Wahrheit war, dass ich diesen Kerl vor mir so abstoßend fand, dass ich ihn von mir weg schob, mit dem vermutlich dümmsten Blick der Welt stehen ließ und zur Bar schlenderte. Ich erinnerte mich an Luce\'s Lächeln. Wie er mich angesehen hatte und wie ich mich fühlte, wenn ich bei ihm war. Ich erinnerte mich daran, wie ich ihn zum ersten Mal in der Bahn gesehen hatte und reflexartig geflüchtet war. Hätte ich nicht damals schon etwas fühlen müssen? Hätte nicht diese Bindung dafür sorgen müssen, dass ich mich ihm nähern wollte? Ich schüttelte den Kopf. Dieser Kram verwirrte mich ohnehin. Ich war hier um zu vergessen. Ich bemerkte den Blick eines Typen. Er hatte im verlauf des Abends verdächtig oft zu mir rüber gesehen und oft förmlich gestarrt. Er war mir nicht unheimlich, aber dennoch fand ich ihn seltsam. Er sah mich nicht interessiert an, sondern eher, als wollte er mich lediglich nicht aus den Augen verlieren. Immer wenn ich zu ihm sah, war er gerade mit irgend einer Tusse am Flirten. Dennoch sah er zu mir rüber wie ein Aufpasser, der mich nicht aus den Augen lassen durfte – und da wurde es mir klar. Mit drei großen Schritten war ich bei dem Typen, schob die Blondine beiseite, als wäre sie lediglich eine lebensgroße Puppe, ignorierte ihr protestierendes „Hey“ und starrte den Typen mit der unnatürlich blauvioletten Augenfarbe an. „Wo ist Luce?“
„Was? Wovon redest du? Kleine, ich hatte hier gerade eine heiße Nummer am laufen. Geh wo anders spielen.“
Kein schlechter Lügner, doch mich haute niemand übers Ohr.
„Okay, hier sind die Regeln.“ Ich stellte mein Bierglas geräuschvoll auf einem Tisch ab und setzte mich zu ihm. „Ich stelle dir eine Frage und du antwortest. Wenn du Lügst, schlage ich dich. Wenn du ausweichst, schlage ich dich. Und wenn du gar nichts sagst... Junge, dann ist dein nächster Flirt der mit einer Fetten Krankenschwester in der Notaufnahme.“
Ich nahm seine plötzlich fehlende Gesichtsfarbe als Zustimmung an und begann mit dem Verhör: „Wer bist du, warum beobachtest du mich und wo ist Luce?“
Er kaute unruhig auf seiner Unterlippe herum. Nachdem einige Augenblicke nichts kam, hob ich ungeduldig meine Faust. „Ich warte.“
„Ich bin Tyler. Ich beobachte dich um dich zu beschützen, weil Luce zurück in Rainforest – dem Land der Prisma ist“, kam es plötzlich wie aus der Pistole geschossen. Ängstlich sah er mich an. „Geht doch“, knurrte ich und senkte die Faust. „Warum ist er wieder in diesem...Regen...dingens...“
„Rainforest.“
„Ja, genau.“
„Weiß ich nicht.“
Ich hob die Faust.
„I-ich weiß es wirklich nicht.“
Meine Faust traf seine Magengegend, schmerzhaft. „Lüge“ knurrte ich an sein Ohr, so dass es aussah, als hätten wir lediglich einen heißen Flirt. „Warum ist er nicht mehr da, und du Vollpfosten hier?“
„Er hat seinen Auftrag erfüllt - dich zu finden - und hat gegen die Regeln verstoßen“, keuchte er.
„Welche Regel?“
„Keiner darf eine Beziehung zum Bindeblut anfangen.“
„Was für ein Ding?“
„Bindeblut...du... Bitte schlag mich nicht wieder.“
„Dann lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, du Milchmädchen.“ Wie gesagt, ich war ein ungeduldiger Mensch.
„Von mir müsstest du dir nichts aus der Nase ziehen lassen“, hörte ich eine tiefe, dunkle Stimme hinter mir sagen.
Ich wandte mich um und sah einen jungen Mann hinter mir stehen. Hoch gewachsen, braunes Haar, braune Augen. Ja, er sah nicht schlecht aus, aber an irgendjemanden erinnerte er mich. „Siehst du nicht, dass ich hier ein Gespräch führe? Ich habe keine Zeit zum flirten.“
Er lachte in sich hinein, mit diesem tiefen Klang seiner Stimme und sah mich an. „Das sehe ich, aber von ihm wirst du nie erfahren, was du wirklich wissen willst.“
„Ach ja? Aber von dir?“
„Und du müsstest mich dafür nicht einmal bedrohen.“
„Wer bist du?“
„Oh, verzeih mir, ich habe mich nicht vorgestellt. Ich bin Aalon. Dein Bruder.“





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