Dafür hasse ich ihn - Teil 12

Autor: Wolfskatze
veröffentlicht am: 08.10.2014


Samstag Nachmittag. Ich sitze auf meiner kleinen geheimen Lichtung im Stadtpark und genieße die Sonnenstrahlen, die den Weg durch die Baumkronen finden. Kurz nach meinem letzten Kampf mit Finn hatte es angefangen zu regnen und drei Tage lang nicht aufgehört. Erst seit heute Morgen scheint wieder die Sonne.
Vor mir im Gras liegen Gänseblümchen, die ich gepflückt habe und nun zu einer langen Kette flechte. Ich bin gerne hier. Das sanfte Rauschen der Blätter im Wind und das Zwitschern einiger Vögel sind die einzigen Geräusche, die an meine Ohren dringen. Ansonsten ist es hier so still wie sonst nirgendwo in der Stadt.
Ich halte in meiner Arbeit inne und schließe die Augen. Die Hälfte der Sommerferien ist schon vorbei, aber es warten immer noch drei Wochen auf mich, in denen ich mich beschäftigen muss. Meine Gedanken schweifen ab und ich träume vor mich hin. Als ich schließlich zurück muss, hänge ich die Blumenkette über den umgekippten Baumstamm.
Endlich im Internat angekommen, bin ich spät dran. Frau Breuer wartet sicher schon mit dem Essen auf mich. Und tatsächlich ist sie nicht erfreut mich erst so spät zu sehen. An der Tür kommt sie mir entgegen. "Dein Essen steht in der Mikrowelle. Ich muss jetzt los, wir sehen uns morgen." Und schon ist sie weg.
Nach dem Essen gehe ich gleich ins Bett.

Am Sonntag wache ich um fünf Uhr auf. Ich habe mir nicht einmal einen Wecker gestellt, aber nun bin ich wach. Da ich sowieso zum Klo muss, stehe ich auf und gehe danach trainieren. So langsam habe ich es satt immer alleine zu trainieren, aber meine Trainerin Regina ist im Urlaub und kommt erst wieder, wenn die Schule weitergeht.
Mittags habe ich schließlich die Nase voll, gehe duschen und laufe wieder zum Stadtpark. Schon als ich durch das Unterholz schlüpfe, habe ich ein ungutes Gefühl. Irgendwas stimmt hier nicht. Auf der Lichtung sehe ich mich um. Erst nach einer Weile sehe ich, dass etwas fehlt. Meine Blumenkette von gestern ist weg. Und sie ist auch nicht heruntergefallen. Ich suche das Umfeld ab. Nichts.
Schließlich überkommt mich die erschreckende Erkenntnis: Es war jemand hier. Mein heiliger Ort ist entweiht. Das stimmt mich ziemlich traurig. Ich lege mich ins Moos um den Schock zu verarbeiten.

Durch ein Knacken wache ich auf. Ich brauche einen Moment bis mir klar wird wo ich bin. Ich liege nicht in meinem Bett, sondern auf der Lichtung. Als ich die Augen öffne, sehe ich erst einmal nicht viel, weil die Sonne mich blendet. Ich setze mich auf und sehe eine Person, die mich anstarrt und dann flüchten will. Ich schirme die Augen mit der Hand von der Sonne ab und erkenne ihn. "Finn?!?" Erschrocken bleibt er stehen und kommt dann zurück. Ich kann es nicht fassen, dass ausgerechnet er hier auftauchen muss. "Was machst du hier?" frage ich verwirrt und setze mich auf den Baumstamm. "Hallo Saphira." sagt er ein wenig zerknirscht und setzt sich ungefragt neben mich. Ich rücke ein Stück von ihm weg. Er schweigt und ich schaue ihn weiter fragend an. Irgendwann breche ich das Schweigen.
"Also, was machst du hier?" Wiederhole ich meine Frage mit einem sauren Unterton.
"Ich... ähm, ich wollte dich nicht stören. Es ist schön hier. Ich wusste nicht, dass du meinen Lieblingsplatz kennst." So unsicher habe ich ihn selten gesehen.
"DEIN Lieblingsplatz?" fahre ich ihn an, "das ist MEIN Platz."
Doch er bleibt ganz ruhig. "Das macht doch nichts. Dann haben wir eben einen gemeinsamen Lieblingsplatz. Na und?"
Ich atme tief durch und beruhige mich tatsächlich. "Was macht eigentlich deine Hand?" frage ich, um das Thema zu wechseln. Er zeigt mir seine Hand. Ein Pflaster zieht sich über den ganzen Handrücken. "Wird besser." ist seine knappe Antwort.
Ich wende meinen Blick von ihm ab und lasse die Gedanken kreisen. Dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass er mich anstarrt. Und tatsächlich beobachtet er mich mit einem Blick, den ich nicht deuten kann. Er lächelt freundlich, fast liebevoll. Mein Herz mach dabei einen Hüpfer und ein seltsam warmes Gefühl breitet sich in mir aus.
Plötzlich schleicht sich ein Bild in meinen Kopf. Die Erinnerung wie sich Finn und Claudia küssen. In mir verkrampft sich alles und tut weh. Wie kann Finn erst sie küssen und dann mich so ansehen?
Dafür hasse ich ihn.
"Und jetzt kommst du immer mit deinen ganzen Freundinnen hier her, um sie zu beeindrucken?" frage ich provozierend. Dabei ist mein Blick vermutlich ziemlich traurig und enttäuscht.
"Nein, Kleines, hierher komme ich nur alleine. Außerdem habe ich gar keine Freundin." Wie kann er so ruhig bleiben?
"Ach, und was war das dann neulich im Cafe mit Claudia?" hake ich irritiert nach.
Er seufzt. "Bist du deshalb so sauer auf mich? Da war nichts. Claudia hat mich bedrängt mit ihr Eis essen zu gehen und irgendwann habe ich nachgegeben. Und wenn du zwei Minuten länger geblieben wärst, hättest du gesehen, dass ich mit dem Kuss ganz und gar nicht einverstanden war."
"Aber du hast dich küssen lassen." Sage ich wie ein trotziges Kind.
"Sie hat mich vollkommen überrumpelt. Claudia bedeutet mir nichts." Ich bin von seinen Beteuerungen noch nicht überzeugt, beschließe aber, es dabei zu belassen. Deshalb sage ich diplomatisch "Wenn du meinst.".
Es entsteht wieder eine Pause, in der wir uns anschweigen.
"Da wir uns getroffen haben, müssen wir noch kämpfen." spricht er einen Gedanken aus, den ich auch schon hatte. "Aber dies ist ein friedlicher Ort, hier sollten wir nicht kämpfen. Wie wäre es wenn ich morgen früh bei dir vorbeikomme?"
Ich denke kurz darüber nach und nicke schließlich. "Vielleicht könnten wir zusammen trainieren?", frage ich unsicher, "ich habe es satt immer alleine zu trainieren." Ich muss ziemlich viel Mut aufbringen ihn das zu fragen. Und nun warte ich hoffnungsvoll auf seine Antwort.
"Klar, warum nicht." Er steht auf und geht Richtung Ausgang. Nach ein paar Schritten dreht er sich nochmal um. "Dann bis morgen um sieben." Und mit einem Zwinkern fügt er noch hinzu "Wenn du dich bis dahin wieder zusammengerissen hast, Kleines.".
Dann ist er weg.
Die Anspielung auf unseren letzten Kampf finde ich unangebracht, aber trotzdem freue ich mich irgendwie auf morgen. Warum kann ich mir nicht erklären, aber es ist so. Ich bleibe noch eine halbe Stunde auf der Lichtung und grinse vor mich hin. Schließlich habe ich eine Verabredung mit Finn, dem beliebtesten Jungen seiner Schule. Auch wenn wir nur trainieren, Verabredung ist Verabredung.





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