Son of a Preacher Man - Teil 5

Autor: Maggie
veröffentlicht am: 06.05.2013


Und wieder ein neuer Teil.
Ich freue mich über jeden Kommentar, also gebt euch nen Ruck, falls ihr die Geschichte verfolgt und nur zu faul zum kommentieren seid ;)Irgendwie geht einem sonst irgendwie die Motivation flöten :(
LG Maggie


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Aus der Geschichte mit dem Tischgebet konnte ich mich ganz schnell rausreden.
Obwohl Noah schon etwas enttäuscht aus seinen grünen Augen geguckt hat, als ich ihm so schonend wie möglich verklickert habe, dass ich die Letzte bin, die ein Gebet spricht, da ich nicht mehr gläubig bin und alles andere für Heuchelei halte.
Ich glaube, Jasmin und Elsa sind bei meiner kleinen Ansage beinah aus ihren Bio-Latschen gekippt. Jedenfalls ist jetzt die Katze aus dem Sack. Ich spiele hier keinem etwas vor und auch wenn momentan knapp dreißig geschockte, vorwurfsvolle und hier und da auch mitleidige Blicke auf mir ruhen, so falte ich trotzdem nicht meine manikürten Finger, während Caro klar und deutlich dem angeblichen Schöpfer der Welt für dieses Mahl dankt, für welches er effektiv kaum etwas getan hat. Die scheiß Zwiebeln musste ja schließlich ich schneiden.
Ich merke, wie gehässig meine Gedanken werden. Ich bin grad leicht aufgewühlt, obwohl das schon fast kriminell untertrieben ist. Ich könnte platzen vor Wut!

„..Amen!“, beendet Caro den Lobgesang. „Dann lasst es euch mal schmecken!“, strahlt sie in die Runde und setzt sich wieder neben mich.
Teller werden herum gereicht, Geschirr klappert und die jungen Gläubigen schnattern aufgeregt über ihren Nudeln so dass man bei dem Stimmengewirr annehmen könnte, man befände sich im Speisesaal einer überfüllten Grundschule.
Von links reicht mir Elsa den Topf mit Nudeln. Ich gebe ihn schweigend weiter. Sie sieht mich etwas misstrauisch an, hält es aber wahrscheinlich nicht für nötig, sich weiter mit mir zu befassen.
Ich denke meine Offenbarung hat sie hart getroffen. Schade eigentlich, ich fand sie ganz nett. Mit ihren langen, braunen Locken und dem freundlichen Gesicht hat sie mich vorhin noch erwartungsfreudig angelächelt, jetzt bin ich ihr sicher irgendwie unheimlich. Was mir letztendlich grad auch vollkommen egal ist, ich habe andere Sorgen...

„Möchtest du nichts essen?“, holt mich mein Gegenüber aus den Gedanken.
Es ist Noah, er hat einen widerlich liebevollen, fast besorgten Gesichtsausdruck. Den Bengel kann aber auch Nichts so schnell vergraulen.
Ich schüttel nur genervt mit dem Kopf, dann seh ich wieder hinab auf mein Handy. Sehe auf die Ursache für meine offensichtlich schlechte Laune, auf das, was mich grad mehr beschäftigt, als mein Ruf, meine Würde, meine niedersten Bedürfnisse, wie zum Beispiel Nahrung zu fassen, oder irgendwelche anderen Dinge. Ein Bild.
Nur ein verdammtes, höllisches Bild. Auf Facebook.
Hochgeladen von Bianca...

„Bist du auf Diät oder was?“
Mir rauscht schon das Blut im Kopf. Ich sehe wieder hoch. Jasmin, die neben Noah sitzt und mich mit genau demselben, leicht bekümmerten Ausdruck ansieht, häuft sich gerade eine Portion Soße auf ihre Nudeln und hat mit dieser blöden Frage die Aufmerksamkeit der restlichen Tischnachbarn auf mich gelenkt. Ein paar Konfirmanden, die nah genug bei uns sitzen, starren mich nun auch noch an, darunter auch die zwei Turteltäubchen, die wahrscheinlich nur so nah wie möglich bei ihrem Angebetetem sein wollten. Noah ahnt ja noch garnichts von seinem Glück. Eigentlich müsste mich das ja irgendwie aufmuntern, tut es aber nicht.
Ich unterdrücke stattdessen diese rasende Wut.
Sie können nichts dafür, sie meinen es nur gut, versuche ich mir einzureden.
Einmal ganz tief durchatmen, Anna.
„Nein.“, presse ich zwischen meinen Zähnen hervor.

Dann starre ich wieder auf das Bild. Diese miese, hinterhältige Kuh. Sie ist da. Bei den DuskyDays.
Steht vor dem großen Tekk-Zelt, grinst dämlich in die Kamera und hält eine Karte in der Hand. Eine Eintrittskarte. Meine.

„Hätte mich auch verwundert. Du hast eine tolle Figur!“, flötet Jasmin.
„Beneidenswert.“, nickt Elsa neben mir.
„Fast schon zu dünn.“, tadelt dann Johann neben Caro.
Verwirrt sehe ich hoch, blicke durch die Runde, doch keiner sieht mich an. Sie sind mit ihren Tellern beschäftigt, so als wäre nichts gewesen. Dann sehe ich zu Noah, er zwinkert mir zu und widmet sich dann auch seinem Essen.
Wow, denke ich.
Diese kleine Aneinanderreihung von Komplimenten ist wirklich großartig, doch muntert selbst das mich nicht auf. Es kam irgendwie merkwürdig rüber, so selbstverständlich. Eigentlich dachte ich ja, gerade Elsa und Jasmin halten mich nun für vom Teufel besessen oder gar schlimmeres.
Nein, stattdessen bekennen sie ganz neidlos meine Figur, die mir nebenbei bemerkt schon wichtig ist.
Ich war zwar schon immer schmal gebaut und brauchte nie auf meine Ernährung zu achten, trotzdem finde ich Muskeln auch bei Frauen sexy und mache an guten Tagen sogar ganz gerne mal Sport.
Wo wir wieder beim Thema sind: So ein Tag ist heute zweifellos nicht.

Ich sehe wieder zu dem Bild. Schon allein die Tatsache, dass sie wirklich dorthin gefahren ist, ohne mich. Dass sie mich so im Stich gelassen hat, verraten hat, das übersteigt selbst meinen, sonst auch mal ganz fiesen, Horizont.
Bianca hat den Vogel abgeschossen.
Über dem Bild steht der Post: „Freikarte zu verschenken“. Dahinter so ein widerlicher Zwinkersmiley.
Ich muss irgendwem grad mal ganz gepflegt den Hals umdrehen. Ich bin so sauer, so verletzt, normalerweise müsste es rot vor meinen Augen werden!

Plötzlich beugt sich Caro zu mir, linst auf den Bildschirm und flüstert: „Alles in Ordnung bei dir?“
Ich drücke auf die Hometaste, das widerliche Bild von der Verräterin verschwindet, ich schlucke schwer, dann lächle ich gezwungen.
„Mhm.“, brumme ich.
Caros hellblaue Augen mustern mich eindringlich, sie sieht irgendwie traurig aus.
„Du wärst jetzt lieber dort, oder? Bei dem Festival?“, wispert sie leise und irgendwie schuldig.
Sie hat ja keine Ahnung.
Wenn sie nicht wäre, läge ich jetzt heulend und vollkommen jämmerlich in meinem überhitzten Zimmer, hätte die kleine Deko-Eule sicher schön längst aus dem Fenster gepfeffert oder irgendeine andere Dummheit begangen. Dafür könnte ich ihr fast dankbar sein, denn die Eule ist wirklich ganz niedlich und hätte ein solch grausames Schicksal eindeutig nicht verdient.
Caro denkt, ich hätte die DuskyDays für sie sausen lassen, für dieses Wochenende hier oben im Nirgendwo. Wiedermal stehe ich vor ihr besser da, als ich es in Wahrheit bin. Ganz schön schäbig.
„Quatsch.“, murmle ich und ringe mir ein weiteres Lächeln ab.
„Ist deine Freundin jetzt sauer, weil du ihr absagen musstest?“, fragt sie dann auch noch mit diesem unsicheren Ton, der mir eindeutig sagt, dass sie ein schlechtes Gewissen bekommt.
Innerlich verdrehe ich die Augen.
Dann zische ich: „Sie ist nicht meine Freundin!“

Die Köpfe um uns herum heben sich und starren mich an.
Ich hab es wohl doch etwas lauter ausgesprochen als beabsichtigt. Caro zieht die Augenbrauen hoch, nickt nur und widmet sich wieder ihrem Teller.
Mein Gesicht verfinstert sich und alle schauen genauso gespielt desinteressiert wieder zurück auf ihre Mahlzeit, bis auf Noah. Er hält meinem Blick stand, dann lächelt er entwaffnend süß, versucht mich wahrscheinlich aufzumuntern, der Ärmste. Ohne es zu wollen, heben sich meine Mundwinkel kaum merklich.
Keine Ahnung wie er das geschafft hat.
Etwas entrüstet über mich selbst blicke ich schnell wieder runter auf mein Handy.


Später stehe ich mit Caro schon wieder alleine in der Küche.
Wir stellen die Teller und das benutzte Besteck in die Geschirrspülmaschine. Der Rest ist schon vorgegangen zum Feuerplatz. Draußen dämmert es langsam.
Zwischen mir und meiner Freundin herrscht ein angespanntes Schweigen, ich weiß, dass sie mich in den nächsten Sekunden nochmal auf meine unterdrückte Wut während des Abendessen ansprechen wird. Ich sehe es quasi auf ihrer Zunge brennen.
Wir kennen uns schon lange genug.
„Anna...“, beginnt sie zögerlich.
Ich fixiere sie mit diesem Wage-es-bloß-nicht-Blick, doch sie lässt sich kaum einschüchtern.
„Ich dachte dieses Wochenende hier würde dir gut tun. Dich ein Stück weit vergessen lassen. Ich hielt es für keine gute Idee, wenn du dich direkt wieder zu Chris begibst und ihn dort ständig vor der Nase hast. Du brauchst Abstand.“
Ich knurre. Innerlich.
Ihre Worte sind das Letzte was ich hören will, auch wenn sie volle Kanne ins Schwarze treffen. Aber genau das stört mich. Ich will vor Carolin keine Schwäche zeigen, auch wenn sie mit Sicherheit die Einzige ist, vor der es mir nicht peinlich sein müsste.
„Ich will da wirklich nicht drüber reden, Caro...“, presse ich halbwegs freundlich hervor, jedoch graben sich meine künstlichen Nägel unnatürlich fest in den Spülschwamm, den ich mir in letzter Sekunde als Puffer meines Zorns geangelt habe. Das arme Dinge wird grad ordentlich zerquetscht.
„Aber genau das ist dein Problem.“, sagt sie fast verzweifelt. „Du frisst alles in dich rein. Ich spüre doch, wie du leidest, wie sehr dich die Trennung mitnimmt...“

Jetzt schnaufe ich. Wie ein Mini-Walross kurz vor einer Wutattacke.
Sicher nimmt mich die Trennung mit. Nicht nur das. Der Schmerz frisst mich von innen auf. Ich leide schrecklich. Jede Sekunde, die ich an Chris denke, versetzt mir einen unerträglich schmerzhaften Stich. Außerdem kratzt die ganze Sache unglaublich an meinem sonst so stolzen Ego.
Und deshalb will ich nicht darüber reden.
Ich will das beschissene Thema totschweigen, bis ich drüber hinweg bin.
Ich brauche jetzt keine Freundin, die sich auf einmal meine Probleme anhört und mir sinnfreie Ratschläge gibt. Hat ich die letzten Monate auch nicht. Ich war ständig allein.

Ich knalle den letzten Teller in die Maschine. „Ich komm schon klar.“, heuchle ich mit aufgesetztem Lächeln.
Caro blickt mich tief traurig an. Ich hasse diesen Blick.
Fast wie eine Mutter, die unsagbar enttäuscht ist. Nein, nicht böse, nur enttäuscht.
Bah!
Dann holt sie tief Luft. „Lass uns runter zu den anderen gehen.“, sagt sie resigniert.
Meine Augenbrauen heben sich gewohnt sarkastisch. „Unbedingt!“
Und jetzt grinst sie doch kurz.


Der Feuerplatz befindet sich ungefähr einen Kilometer südlich vom Wohnheim, mitten im Buchenwald und ganz schön abgelegen. Der Weg dorthin führt über einen Trampelpfad zwischen hohen Bäume und dichten Büschen entlang und auch wenn ich prinzipiell keine Scheißhose bin, so finde ich es doch ganz schön beängstigend, in der Dämmerung alleine mit Caro unterwegs zu sein.
Wer ist gleich nochmal auf die wahnwitzige Idee gekommen genau und ausgerechnet an diesem Ort eine Jugendfahrt stattfinden zu lassen?
Caros zügigem Schritt nach zu schließen, hat sie eben solche Gedanken und ich weiß aus sicherer Quelle, dass ihr Gottvertrauen nicht ganz Hundertprozentig existent ist, sobald sie sich solch unheimlichen Situationen gegenüber sieht. Caro war schon immer leicht panisch und extrem ängstlich.
Deswegen auch dieses ungewohnt hastige Tempo, mit dem ich nicht ganz Schritt halten kann.
Meine Rippen schmerzen doch noch etwas nach dem showreifen Sturz am Nachmittag.
Caro weiß das eigentlich. Ich verfalle fast in Schnappatmung.

„Mach mal etwas langsamer“, stöhne ich hinter ihr.
Hektisch dreht sie sich um, sieht mich mit aufgerissenen Augen an. „Ich würd gern noch ankommen, bevor es komplett dunkel ist, Anna.“
„Gut, dann lauf vor.“, presse ich kurzatmig heraus und reibe mir dabei über die schmerzenden Knochen.
Caros Blick folgt meiner Hand, dann scheint sie zu schalten. Auch wenn ich ungern Schwäche zeige und noch weniger gern zugebe, dass ich mich bei dem Sturz ernsthaft etwas verletzt habe, so hatte ich ihr trotzdem gesagt, dass ich mir mindestens einen Knochen geprellt haben muss und ich somit auch etwas Rücksicht verdient habe.
„Ist es immer noch nicht besser?“, fragt sie besorgt und kommt einen Schritt auf mich zu.
Ich schnaube. „Eigentlich wär alles bestens, wenn ich die letzten zweihundert Meter nicht im Dauerlauf über unwegsamen Waldboden hätte hetzen müssen.“
Nun lacht sie. Doch ihr Lachen hat einen leicht hysterischen Touch.
„Mir behagt die Vorstellung nicht, dass wir zwei alleine durch den Wald laufen.“, rechtfertigt sie sich dann unsicher.
Ich verdrehe die Auen. „Es ist noch nicht mal richtig dunkel, Caro. Und wir sind in fünf Minuten da.“, protze ich selbstsicherer, als ich mich fühle.

Ich kann Caro ja verstehen, es ist einfach irgendwie ein mulmiges Gefühl, das Wissen, dass wir hier oben quasi ganz allein sind, kilometerweit entfernt von der Stadt und dann sind wir auch noch die Verantwortlichen für die ganzen Kinder. Ich persönlich finde mich für solch eine Fürsorge noch viel zu unreif und das in Anbetracht der Tatsache, dass ich ja eigentlich nicht mal die volle Aufsichtspflicht trage und im Prinzip nur so hier bin.
Dennoch muss ja eine von uns beiden wenigstens ein bisschen Stärke zeigen, deswegen gebe ich mich unbeeindruckt gegenüber dem dunklen Wald, dem dämmrigen Licht und der unnatürlichen Ruhe, die uns umgibt.

„Lass uns einfach ganz normal runter zu den anderen gehen, okay?“, schlage ich vor.
Caros Blick geht immer wieder ruckartig nach hinten und sie starrt unsicher zwischen die dichten Bäume, dennoch nickt sie, schultert ihren Rucksack und läuft dann schweigend neben mir her, in angemessenem Tempo.
„Hattest du oben das Wohnheim richtig zugeschlossen?“, fragt sie dann in die Stille hinein.
Ich nicke.
Selbstverständlich habe ich das. Nach einem Blick auf den leeren Parkplatz und dem sich verdunkelndem Himmel, habe ich sogar zweimal rumgeschlossen.
„Schon komisch, das Gefühl, hier so voll allein zu sein, mit den Teenies, oder? Früher waren ja irgendwie immer richtige Erwachsene dabei.“, sinniert Caro.
Unter unseren Füßen knirscht es, vertrocknete Äste und kleine Kieselsteine, ein fast unerträglich lautes Geräusch in der Stille des Abends, so dass ich mich anstrengen muss, Caros piepsige Stimme zu verstehen.
Ich nicke wieder.
Ja, früher waren irgendwie immer mehr Leute da, der Pfarrer und seine Frau, andere Vorsitzende der Gemeinde. Sehr merkwürdiges Gefühl, nun alles von der anderen Seite zu betrachten.

Hinter uns raschelt es plötzlich.
Caro entweicht ein kleiner, spitzer Schrei und sie greift sofort nach meinem Arm.
Ich zucke vor Schreck dermaßen zusammen, dass ich mir sofort schmerzhaft die Rippen halte und etwas keuche. Gleichzeitig schlägt mir mein Herz bis zum Hals.
Wir sind automatisch stehen geblieben.
„Was war das?“, wispert mir meine schreckhafte Freundin zu.
Ich atme ganz ruhig und bewusst ein und wieder aus, bevor ich ihr antworte. Dann zische ich: „Keine Ahnung, vielleicht ein Vogel, ein Eichhörnchen oder ein Untoter. Mir egal. Aber erschreck mich nie wieder so!“, blaffe ich mit wenig Schärfe in der Stimme. „Komm weiter!“
Sie sieht sich nochmal einmal ängstlich um, dann folgt sie mir, jedoch lässt sie meinen Arm nicht los.
Unsere Schritte beschleunigen sich von ganz allein, das stetige Pochen unterhalb meiner Brust versuche ich geflissentlich zu ignorieren, genauso wie die nervigen, hektischen Blicke, die meine überängstliche Begleitung ständig hinter uns wirft.

„Hör auf damit.“, raune ich ihr zu.
„Ich glaub, da ist jemand.“, flüstert sie zur Antwort und mir läuft ein eiskalter Schauer über die Unterarme.
„Spinn nicht rum!“
„Doch. Ich sehe ständig irgendwelche Schatten im Wald.“
Ihr Wispern ist so leise, dass ich sie kaum verstehe. Meine Füße wollen dennoch ganz verselbständigt viel schneller laufen. Ich übergehe das unbändige Gefühl zu flüchten, schnaube stattdessen abfällig, bleibe stehen und sehe todesmutig in den Wald, in die Richtung, in die Caro ständig starrt.
Es ist mittlerweile fast ganz dunkel und auch wenn ich es nicht wahrhaben will, so erkenne ich im Dickicht ebenfalls ganz eindeutig einen schattenhaften Umriss – welcher sich genau auf uns zubewegt!

Heldin hin oder her, ich schnappe nach Caros Hand und renne wie vom Teufel besessen los.
Unsere Füße überschlagen sich, der Weg wird immer steiler und ich erkenne schon den hellroten Schein des Lagerfeuers.
Wir stürzen über Wurzeln, vertrocknetes Laub und anderen Morast, Caro jammert leise neben mir, während ich gegen ein unbändiges Stechen im Brustraum ankämpfe.
Wir stolpern um die letzte Biegung und landen mitten im Kreis der Konfirmanden, die sich beschaulich um das Feuer versammelt haben und sich nun verschreckt zu uns umdrehen.

Alle starren uns an, halb belustigt, halb besorgt.
Man, ist das peinlich!

„Was ist denn in euch gefahren?“, fragt Jasmin, die sofort mit Noah und Johann im Schlepptau auf uns zukommt.
Caro, die untreue Seele, lässt sich sofort in Johanns dürre Ärmchen schließen, vergräbt ihr panisches Gesicht in seinem struppigen Bart und man könnte glatt meinen, die beiden hätten sich seid Jahren nicht gesehen, so klammert sie sich an ihm fest.
Ich dagegen ringe nach Atem, umschließe meinen schmerzenden Brustkorb und versuche ganz würdevoll unbeeindruckt in die Runde zu sehen.
Zum Glück hat sich die Hälfte der Schüler schon wieder dem Feuer zugewandt und wir stehen noch etwas abseits.
„Wir wollten nicht zu spät kommen.“, stoße ich keuchend hervor. „Haben uns etwas beeilt.“
Jasmin verzieht ungläubig und ein klein wenig abfällig das Gesicht, Noah lächelt mich mal wieder an, obwohl diesmal ein belustigter Unterton in seinem Blick ist.
„Ihr hättet nicht so hetzen müssen.“, sagt er dann und irgendwie kommt es mir so vor, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. „Die Hälfte von uns ist noch im Wald unterwegs, weil das Feuerholz nicht ausreicht.“ Dabei zwinkert er mir spitzbübisch zu.

Mir wird klar, der Hund weiß, warum wir so gerannt sind und ich werde sogar etwas rot. Wir sind vor unseren eigenen Kameraden geflüchtet!
Caro reißt sich endlich von ihrem Spargeltarzahn los, weil sie auch zu begreifen scheint, wie selten dämlich die turbulente Raserei den Waldweg hinunter unserer hirnlosen Aktion war und sieht mich ziemlich schuldbewusst an. Ich werfe ihr einen Blick zu, der hoffentlich Bände spricht.
Verrücktes Weib! Macht mich total irre, mit ihrer angeborenen Panik.

Dann spüre ich eine große, weiche Hand auf meinem Rücken.
Noah steht plötzlich sehr nah bei mir. „Alles gut?“, flüstert er mir zu und fixiert mich mit seinen moosgrünen Augen etwas besorgt.
Ist ihm anscheinend aufgefallen, dass ich nicht nur etwas schlecht Luft kriege, sondern dass da noch ein richtiger Schmerz meine Atemzüge so verkürzt.
Misstrauisch sehe ich zu ihm hinauf.
Ein sehr merkwürdiges Gefühl durchströmt mich. Er ist ganz schön groß, wie ich feststellen muss. Noch nie musste ich zu einem Mann hinauf sehen und noch nie hat mich jemand anderes als Chris so aufrichtig besorgt betrachtet.
Noahs unaufdringliche Nähe und seine liebevolle Art sind etwas ganz Neues. Extrem verwirrend.
Es kommt selten vor, aber ich sehe ihn nur sprachlos an, bis ich mich dann endlich wieder besinne.

„Alles gut.“, antworte ich kühl.
Und wieder lässt er sich von meiner unnahbaren Art nicht verschrecken. Im Gegenteil.
Er lächelt dieses typische Noah-Lächeln, so entwaffnend und gleichzeitig einnehmend, etwas nachsichtig und dennoch wohlwollend.
Wenn Chris gelächelt hat, ist für mich die Sonne aufgegangen, ein Orkan von Emotionen brach regelmäßig über mir zusammen, bei Noah dagegen breitet sich einfach nur ein warmes und einlullendes Gefühl um mich aus. Wie, als wenn man aus der Kälte einen angenehm warmen Raum betritt, man kann sich der Herzlichkeit nicht entziehen, man lässt sich völlig sinnfrei von ihr umhüllen und badet sich in ihrer Weichheit.
Komplett IRRE!
Was denke ich da überhaupt? Und was fasele ich mir hier zusammen?

Noah schiebt mich ohne abzuwarten oder irgendwas von meiner ungewohnt poetischen Tiefe zu ahnen zum Feuer. Ich lass ihn mal machen.
Die anderen folgen uns, wie ich im Augenwinkel wahrnehme, Caro noch immer fest an ihren Jesus-für-Arme geschmiegt, Jasmin guckt ziemlich verkniffen zu den beiden hinüber.
Noahs Hand liegt noch immer fest und dennoch sanft auf meinem Rücken, wir laufen langsam an den Kindern vorbei, die im Kreis auf Holzbänken um die wärmende Mitte verteilt sitzen, als ich im Augenwinkel stechende Blicke bemerke.
Oh je! Das sind die zwei bigamie-freudigen Haremsanwärterinnen, die mich grad mehr als enttäuscht und sogar äußerst böswillig ansehen.
Da ich nicht scharf darauf bin, von zwei eifersüchtigen Schulmädchen im Schlaf erdolcht zu werden, zwinker ich ihnen mal eben wissend zu, strecke unauffällig den Daumen in die Höhe und erreiche so hoffentlich, dass sie denken, ich wäre noch mitten bei der Arbeit.
Ihr Blick ändert sich auch, noch misstrauisch, dennoch weniger mordlustig.

„Setz dich hier neben mich.“, sagt Noah wie selbstverständlich. „Aber mach vorsichtig.“
Während ich mich wie eine alte Frau kurz vorm Gnadenhof auf die niedrige Holzbank sinken lasse und er mich dabei auch noch stützt, kann ich ein Zischen nicht unterdrücken.
Es fühlt sich an, als würde sich meine Rippe direkt in die Lunge bohren, verdammt!
Noah hat so viel Anstand und fragt nicht weiter nach, er setzt sich neben mich, zwinkert verständnisvoll und ich ahne, der Mistkerl weiß ganz genau, dass ich Schmerzen habe, die ich vor lauter Stolz höchstens Caro offenkundig zeigen würde , ansonsten aber lieber vor versammelter Mannschaft zusammenbreche, als die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, in dem ich zugebe, dass irgendetwas nicht stimmt.
Wo hat der Bengel dieses Einfühlungsvermögen nur her?

Kopfschüttelnd und etwas respektvoll betrachte ich ihn von der Seite.
Er lächelt nun in die Runde, fast alle Augen sind auf ihn gerichtet.
Er hat ganz gerade, weiß-blitzende Zähne, fällt mir so auf, und Grübchen. Ja! Da sind tatsächlich kleine Grübchen in seinen Mundwinkeln, verflucht, das ist echt niedlich.
Dann sagt er mit heller Stimme:
„Wenn die anderen dann kommen, würde ich sagen, singen wir was schönes! Hat jemand Vorschläge?









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