Wie eine einzige Sommernacht - Teil 13

Autor: NoNo
veröffentlicht am: 19.09.2014


Kapitel 13

Chris

„Also ich hätte gerne als Vorspeise die Kartoffelsuppe und dann eine Pizza und danach Tiramisu“
Wir alle schauen geschockt zu Emmi, bis sie aufschaut und unsere Blicke sieht. „Solange wir noch in Italien sind, will ich Pizza essen!“
„Ich glaube, darum geht’s nicht, Em“ erklärt Frieda und lacht leise. „Bist du dir sicher, dass du das alles schaffst?“
„Und mal auf die Preise geschaut, Kleines?“ wirft auch Immanuel ein.
„Oh, nein… Ich meine…“ Emmi nimmt erneut die Karte zur Hand, legt sie wieder ab und meint dann enttäuscht: „Ich bleibe bei der Kartoffelsuppe“
Wir alle müssen über Emmis Blick lachen, bis Timo als Erster wieder ernst wird. „Hör mal, Immanuel hat dir bestimmt schon erzählt, dass…“
„Dass Maria die letzte Etappe unseres Urlaubs sprengt? Ja, Immi hatte es erwähnt“
„Werd‘ jetzt nicht fies, Emmi“
„Ich werde nicht fies. Wann lernst du endlich einmal nein zu sagen? Mein Gott, ist das denn wirklich so schwer. Niemand will sie hier haben. Noch nicht einmal du“
„Emma“ sagt Immanuel warnend neben ihr und sie verstummt. Sie weiß, dass es ernst ist, wenn man sie bei ihrem richtigen Namen nennt.
„Tut mir leid“ Sie hebt kapitulierend beide Hände und bestellt dann ihre Kartoffelsuppe bei dem Kellner der gerade vorbeikommt.
Ich wusste, dass es noch miese Stimmung geben wird. Besonders Emmi spricht einfach das aus, was sie fühlt und denkt. Und wenn sie es zum kotzen findet, dass Maria kommt, dann bleibt das keinem verborgen. Es ist selten ein Geheimnis, wenn Emmi unzufrieden ist. Manchmal kann das ganz schön nervig sein.
„Es sind ja nur fünf Tage“ wirft Frieda beschwichtigend ein.
Emmi grummelt etwas Unverständliches vor sich hin. Allgemein ist sie hungrig meistens recht mürrisch, doch dann zuckt sie mit den Schultern: „Mach, was du willst, Timo. Es ist deine Sache.“ Sie hebt den Blick und lächelt ihn versöhnend an und ich spüre förmlich, wie er erleichternd ausatmet. Ohne Emmis Segen hätte er Maria wohl sogar wirklich abgesagt. Ihre Meinung ist ihm einfach zu wichtig. Andersherum ist es genauso. Emmi entscheidet selten, ohne vorher Immanuel oder Timo gefragt zu haben.
„Aber…“ setzte sie jetzt verschwörerisch an. „Du musst das früher oder später beenden. Das kann sich ja keiner mehr anschauen“
„Lieber früher“ bemerke ich trocken. Wenn ich soviel Stress mit Frieda hätte, wie Timo mit Maria, wären wir schon lange nicht mehr zusammen.
„Wir müssen uns noch überlegen, wie wir das mit den Zimmern in Athen dann machen“ wirft Joschka ein.
„Das ist doch noch so lange hin!“ wehrt Frieda den Gedanken ab. „Wir müssen doch nicht alles jetzt schon wissen“
„Wir haben dort sowieso drei Zimmer. Irgendwo wird schon Platz für Maria sein“ stimme ich Frieda zu. „Und bis wir in Athen sind, haben wir noch knapp zwei Wochen Zeit. Also beruhig‘ dich mal, Joschi“
„Ihr wisst doch, wie gerne ich plane“
„Ja, leider“ nuschelt Immanuel. Er rückt ein bisschen zur Seite, um den Kellner Platz zu machen, welcher Emmis Suppe bringt: eine erschreckend mickrige Tasse mit wässriger Kartoffelsuppe.
Etwas enttäuscht schaut Emmi in das Tässchen und bemerkt betrübt: „Also, davon bräuchte ich zehn Tassen um satt zu werden“
„So muss Suppe im zweiten Weltkrieg ausgesehen haben. Ich bin mir sicher!“ Timo lacht, schnappt sich Emmis Löffel und klaut ihr ein bisschen von ihrem lächerlichen Eintopf.
„Hee!“ Sie reißt ihm den Löffel wieder aus der Hand und beginnt zu essen. Natürlich verbrennt sie sich sofort die Zunge.
Ich bin froh, dass die beiden sich zusammengerauft haben, auch wenn die Sache mit Maria niemanden wirklich begeistert. Doch wir sind nun mal Freunde – gute Freunde; die besten Freunde – und wir unterstützen einander. Und wenn Timos Freundin für fünf Tage zu uns stoßen möchte und Timo ihr nicht absagen kann, dann stehen wir das zusammen durch.
Ich selbst komme mit Maria gar nicht klar. Ich mache gerne Witze auf Kosten von anderen. Doch ebenso, wie ich austeilen kann, kann ich auch einstecken. Und das kann Maria nicht. Bei jedem blöden Spruch, bekam ich einen tötenden Blick zugeworfen. Auf die Dauer wird das nervig. Irgendwann wurde es so schlimm, dass Maria zu manchen Partys nicht mehr mitgegangen ist, weil ich da war.
Zum Glück konnte sich Timo wenigstens bezüglich dieser Sache durchsetzen. Aber auch erst sehr spät. Vor etwa einem Jahr bekamen wir Timo kaum noch zu Gesicht. Nur Immanuel sah ihn noch öfters. Aber vielleicht auch nur, weil die beiden zusammen wohnen.
„Danke“ meint Timo plötzlich und jeder wirft ihm einen fragenden Blick zu. „Dass ihr mir das mit Maria durchgehen lasst. Dafür sage ich danke“ erklärt er sich.
Ich winke seine Bemerkung nur mit einer Handbewegung ab und auch Immanuel schweigt und klopft Timo nur freundschaftlich auf die Schulter.
Emmi stupst ihn von der Seite an und reicht ihm den letzten Löffel Suppe. „Während dem zweiten Weltkrieg hat man alles geteilt. Ich bin mir sicher, du hast noch Hunger“
Wir müssen alle lachen, während Timo genüsslich den letzten Rest Suppe isst. Wir sind schon eine unschlagbare Gruppe.

„Reichst du mir mal den Wein?“ fragt Joschka und ich werfe ihm die halbvolle Flasche billigen Weißwein zu, welchen er sich in einen weißen Plastikbecher füllt.
Wir sitzen oben an Deck und trinken zusammen den Wein, den wir in Venedig gekauft hatten. Es ist kein guter Wein, doch er war billig und mit Mineralwasser verdünnt, ist er sogar ganz lecker.
„Willst du auch?“ Joschka hält mit fragender Miene Emmi den Wein hin, doch diese schüttelt nur mit dem Kopf und hält demonstrativ ihren Becher in die Höhe. Er ist noch fast voll.
„Was ist los, Emmi? Du trinkst Wein doch eigentlich wie Wasser“ ziehe ich sie auf und zwinkere ihr zu.
Sie verzieht ihr Gesicht zu einer Grimasse und streckt mir dann trotzig die Zunge raus. Ich lache und lehne mich wieder an die Reling, während ich den Arm um Frieda lege.
„Wie wär’s mit einem kleinen Spiel?“ schlägt Timo enthusiastisch vor und zieht die bereits leere Flasche Wein zu sich heran.
„Oh“ – „Ich weiß nicht…“ – „Sind wir zwölf?!“ Wir murmeln alle ablehnend durcheinander und keiner hört dem anderen so wirklich zu.
„Ach, kommt schon Leute! Wir machen das jetzt einfach. Wann spielt man schon mal Flaschendrehen auf einem Schiff?!“
Mittlerweile ist es so spät, dass die meisten Passagiere schon unter Deck gegangen sind. Beinahe sind wir die einzigen hier oben. Nur noch ein Pärchen steht an Deck und blickt in den sternenklaren Himmel. Eine typische Situation, die Emmi das Herz erweichen lässt.
„Die sind ja süß“ flüstert Frieda neben mir. Sie hat auch das Pärchen entdeckt und lächelt über ihre Verliebtheit.
„Wer?“ Emmi ist sofort hellhörig geworden, dreht sich über die Schulter um und folgt Friedas Blick. Sofort wird Emmis Miene weicher. Sie muss ebenfalls lächeln, dann seufzt sie leise und sie bekommt wieder diesen melancholischen Ausdruck. Fast unmerkbar wirft sie Immanuel einen Blick zu und leert dann in einem Zug ihren Becher Wein.
Kurz bin ich irritiert, doch ich werde recht schnell aus meinen Gedanken gerissen.
„Oh man, Leute! Lasst uns jetzt spielen. Ich will keinem Pärchen zuschauen!“ beschwert sich Timo und sieht dabei aus, wie ein kleiner, trotziger Junge.
„Machen wir’s, bevor er den ganzen Abend drängelt“ gebe ich schließlich als Erster nach. Timo nickt mir anerkennend zu und legt die Flasche in die Mitte unseres Sitzkreises.
„Dann brauch‘ ich mehr Wein!“ Emmi hält ihren leeren Becher Joschka hin, welcher ihr ihn wieder vollschenkt.
„So ist’s richtig“ lacht Timo.
„Wann haben wir denn zum letzten Mal Flaschendrehen gespielt?“ Frieda schaut fragend in die Runde und jeder muss mit den Schultern zucken.
Es muss schon ewig her sein. Zumindest kommt es mir so vor. Flaschendrehen war immer das Spiel, das gespielt wurde, wenn wir aus dem Club herausgetorkelt und schließlich noch bei Emmi im Wohnheim gelandet sind. Dann saßen wir zusammen in ihrem kleinen Zimmer und drehten die Flasche auf dem Boden. Das muss ein lustiges Bild gegeben haben.
„Ich habe keine Ahnung“ Joschi zuckt mit den Schultern.
„Ist doch auch egal, Mann. Der nächste, auf den die Flasche zeigt, muss Emmi küssen“ bestimmt Timo und dreht die Flasche.
„Es ist doch jedes Mal das Gleiche!“ stöhnt Emmi genervt auf und verdreht die Augen.
Ich muss lachen, denn bei jedem Flaschendrehen ist Timos erste Bedingung, dass der Nächste Emmi küssen muss.
Die Flasche bleibt stehen und zeigt auf Joschka, welcher sich zu Emmi herüberbeugt und sie flüchtig auf die Lippen küsst.
„Mein romantischstes Erlebnis der letzten zwei Monate“ bemerkt Emmi zynisch und trinkt einen Schluck Wein.
Wir verbringen den Rest des Abends so: mit einem total kindischem, altem Spiel, das wir seit Jahren nicht mehr gespielt haben. Und eigentlich sollte es uns langweilig sein. Aber wir lachen Tränen und kommen erst früh am Morgen wieder ins Bett.
Ich bereue es jetzt schon, denn in drei Stunden klingelt unser Wecker und wir müssen noch zu dem gebuchten Ferienhaus in der Nähe von Patras fahren. In Patras bleiben wir vier Tage und haben uns den Luxus eines kleinen Bungalows am Meer gegönnt.
„Gute Nacht, ihr Lieben“ murmelt Emmi noch. Ihre Stimme klingt schon schläfrig und kurz knurrt sie noch, dass sich Timo nicht so breit machen soll.
Wir alle lachen ein letztes Mal an diesem Abend. Dann bin ich eingeschlafen.






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