Before the first teardrop falls - Teil 7

Autor: Riefie
veröffentlicht am: 12.05.2012


Leise drangen die sanften Klänge von Rebecca Lavelle in ihre Ohren. Charlett, liebte dieses Lied. Sie war zu Hause in ihrem Zimmer und blickte auf das Meer. Es schien heute irgendwie unruhig und auch sie war nicht gerade ruhig. Innerlich war sie aufgewühlt und fühlte sich elend. Ein kleiner Tritt in ihrer Magengegend ließ sie zusammenzucken. Liebevoll legte sie die Hände auf ihren Bauch.
„Du merkst auch, dass etwas nicht in Ordnung ist oder?“ Zur Antwort bekam sie nur einen weiteren kleinen Tritt. Sie lächelte. Wenn er nur halb so schön aussehen würde, wie Phil.
Sie hatte sich erst letztens dazu durchgerungen, die Frauenärztin nach dem Geschlecht zu fragen. Sie würde einen kleinen Phil bekommen. Irgendwie hatte sie sich darüber so sehr gefreut, dass sie den ganzen Tag mit einem Grinsen durch die Gegend gelaufen ist.
Phil… Er fehlte ihr und es stimmte sie jedes Mal traurig, wenn sie daran dachte, dass Phil sie nicht so sehen konnte. Dass er nicht sehen konnte, wie praller ihr Bauch Woche für Woche wurde und wie man nach und nach auf den Ultraschallfotos die Ärmchen und Beinchen erkennen konnte. Sie hatte alles aufbewahrt. Die Bilder, Videos und sie hatten jeden Monat ein Bild gemacht samt Gipsabdruck.
Sie setzte sich auf ihren bequemen Sessel und nahm den Brief aus ihrer kleinen, hölzernen Kiste. Auch wenn sie den Brief schon hunderte Male gelesen hatte, so war es für sie jedes Mal eine Gefühlsachterbahn. Ihr Herz wurde warm und irgendwie spürte sie, dass das Baby merkte, dass der Brief von ihm war. Sie las ihn, wie schon so oft, laut vor, damit es die wunderschönen Worte seines Vaters auch hören konnte:

Hallo Kleines,
es fällt mir schwer, dich einfach so gehen zu lassen. Ohne ein letztes Mal dich in den Arm nehmen zu können und dein wunderhübsches Lachen zu hören. Dennoch weiß ich, dass unsere Zeit nicht jetzt ist. Vielleicht wird sie eines Tages kommen und bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich warten werde. Als ich das dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich nicht, wie sehr du mein Herz für dich einnehmen würdest. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, bleibt es fast stehen, nur um dann schneller zu schlagen. Ich werde dich vermissen, deine Berührungen, deine intensiven unschuldigen Blicke. Aber ich lasse dich gehen. Ich habe mich nicht unter der Bedingung in dich verliebt, dass du ewig bei mir bleiben wirst. Ich habe mich in dich verliebt, weil du es warst, die in dem großen Raum sich fast verschluckt hatte. Ich sah dich, deine schönen Locken, deine großen Augen und deine süßen roten Wangen, die ich mehr als alles andere liebe. Ich werde jeden einzelnen Tag an dich denken, an unsere gemeinsame atemberaubende Zeit und hoffen, dass du mir eines Tages vergeben kannst.
Pass auf dich auf.
Ich liebe dich über alles auf dieser Welt.
Phil.

PS. Damit du mich erreichen kannst, falls du mich brauchst. 0176…

Charlett ließ den Brief fallen, als sie ein dumpfer Schmerz in der Magengegend durchzuckte.
„Ivy!!!“ Ihre Stimme halte durch das Haus, als sie spürte, wie eine warme Flüssigkeit ihre Beine hinunterlief. Diese riss die Tür auf, sah sie mit großen Augen an und verstand sofort.
„Ich rufe die Ärztin.“ Ivy rannte polternd die Treppe hinunter, Charlett hörte wie sie ein paar Sätze sagte, dann wieder hochgestürmt kam.
„Die Ärztin ist auf dem Weg. Komm, wir legen dich ins Bett.“
„Zuerst das Kleid.“
„Ja natürlich.“ Ivy rannte ins angrenzende Ankleidezimmer und holte das eigens dafür gekaufte Kleid heraus. Es war hellblau und schlicht. Sie zog sie vorsichtig um, während die Wehen immer schneller zu kommen schienen. Ivy hatte gerade das riesige Handtuch auf dem Bett ausgebreitet, Charlett mit Kissen angelehnt aufs Bett gelegt, als es an der Tür klingelte. Sie rannte hinunter und kurz darauf hörte Charlett die sanfte Stimme ihrer Gynäkologin. Samantha Teller steckte ihren Kopf ins Zimmer und lächelte sie an.
„Na, da sind wir aber etwas zu früh dran.“
Sie setzte sich mit ihrem Koffer neben sie auf das große Bett und nahm ihre Hand.
„Ist das zu früh? Kann dem Kind etwas passieren?“
„Nein, mach dir keine Sorgen. Es sind lediglich 2 ½ Wochen. Das ist schon in Ordnung. Wir machen jetzt alles wie besprochen. Es wird alles gut.“ Sie lächelte sie sanft an, nahm ihr Blutdruckmessgerät aus ihrem Koffer und wandte sich an Ivy. „Könnten sie mir warmes Wasser in einer Schüssel, ein paar Handtücher und eine Decke für das Kind holen?“ Ivy nickte eifrig und verschwand wieder aus der Tür.
Dr. Teller wickelte ihr die Binde um den Oberarm und ging mit ihr die Atemübungen durch.
„So, alles im Normbereich. Das sieht alles sehr gut aus. Die wehen kommen jetzt alle 40 Sekunden. Es geht gleich los.“
„Ivy!!!“ Charlett wollte schreien. Sie wollte irgendjemanden für ihre Schmerzen verantwortlich machen. Aber der Verantwortliche war ja wieder mal nicht da! Gott, was hatte er ihr denn damit angetan?
„Ja, ich bin schon da. Ich habe deine Mutter angerufen. Sie ist auf dem Weg hierher. Soll ich die Kamera anmachen, so wie du es wolltest?“
Charlett nickte. Sie hatte alles geplant. Sie wollte alles aufnehmen. Ivy ging zur Schublade, holte die Kamera heraus und stellte sie an den vorgesehenen Platz. Dann gab sie die Sachen der Ärztin und setzte sich auf die andere Seite. Sie nahm Charletts Hand in die ihre und drückte sie.
„Du darfst so fest drücken, wie du magst. Aua! So fest nun auch wieder nicht.“
Entschuldigend sah Charlett sie an, nur um wenige Sekunden später wieder zu schreien.
„So, ich werde jetzt gucken, ob das Kind richtig liegt.“ Die Ärztin hatte sich ein blaues Hemd, wie es immer auf der ITS verwendet wurde, übergezogen und zog sich gerade die Handschuhe an. Sanft drückte sie gegen ihren Bauch und schaute dann.
„Ich sehe den Kopf. Also, nun kräftig pressen. Ich will, dass sie Ivy ansehen. Auf mein Kommando pressen sie und achten dabei auf die Atmung. Ivy machen sie es ihr bitte vor.“ Ivy tat ihr bestes, dass wusste sie.
„Pressen!“
Charlett presste so fest sie konnte, schrie, schwitzte und weinte. Sie versuchte alles richtig zu machen und sah dabei unentwegt Ivy an. Beide atmeten gleichmäßig und Charlett kam sich sichtlich blöd vor.
Die Ärztin rief zum 7. Mal „Pressen!“ Als der Schmerz langsam nachließ und sie das süße Geschrei ihres Babys hörte. Die Ärztin nahm die Decke neben sich und wickelte das Kind hinein.
„Ivy, würden sie die Nabelschnur durchschneiden?“
Charlett sah sie an und nickte. Ivy war sichtlich aufgeregt. Ihre Hände zitterten leicht und sie ging zu dem Kleinen. Also auch das erledigt war. Legte die Ärztin ihr einen kleinen süßen Jungen auf die Brust. Er hatte blonde Haare und Charlett nahm ihn in ihre Arme.
Als die Ärztin mit allem erledigt war, nahm sie ihr den kleinen aus der Hand und ging mit ihm in das angrenzende Bad. Charlett hatte auf Anweisung alle möglichen Geräte geholt. Eine Waage, einen kleinen Duschkopf, dessen Strahl sehr sanft war und ein Maßband. Mittlerweile war auch Charletts Mutter hereingekommen und sah sie liebevoll an.
„Na, da hatte es ja jemand eilig.“ Sie umarmte ihre Tochter und als sie das Geräusch des schreienden Babys im Bad hörte, fing sie an zu weinen. „Das ist alles so unglaublich schön… Oh Gott. Wenn dein Vater das miterleben könnte.“ Die drei Frauen lagen sich in den Armen und sahen gebannt auf das kleine Bündel in Charletts Armen.

Es waren nun schon ein paar Stunden vergangen. Der kleine Fratz lag in seiner Wiege und Charlett war nach einem wohlverdienten Schlaf aufgewacht. Sie stand auf und ging erst einmal duschen. Die Ärztin war inzwischen wieder gegangen, würde aber am nächsten Morgen nochmal nach ihnen beiden sehen. Charlett zog sich eine ihrer Hosen an, ein weißes Top und die graue Strickjacke, die Phil immer so geliebt hatte. Phil… Ob er wohl spürte, dass sein Kind gerade auf die Welt gekommen war? Nein, woher sollte er das auch? Er wusste ja noch nicht einmal, dass er ein Kind hatte.
Als sie aus dem Bad kam, vernahm sie das noch leise Wimmern ihres kleinen süßen Schatzes. Sie ging zu ihm, nahm ihn auf dem Arm und wickelte ihn in eine warme Decke. Langsam öffnete sie die Tür ihres Balkons und ging nach draußen.
„Darf ich vorstellen Papa, dein Enkelchen.“
Sie lächelte aufs Meer hinaus, als hinter ihr eine Stimme erklang.
„Dein Vater wäre stolz auf dich.“ Ihre Mutter stellte sich neben sie und bewunderte ihren Enkelsohn.
„Ob Phil stolz wäre?“ Ihre Mutter sah sie traurig an. „Schatz, du hättest es ihm sagen müssen. Du liebst ihn doch noch oder?“ Charlett sah ihre Mutter an. Ja, sie liebte ihn, mehr denn je.
Ihre Mutter musste es ihr ansehen, denn sie sagte nur.
„Maus, kämpfe um ihn. Ihr habt ein so süßes kleines Kind erschaffen. Ihr gehört zusammen und… ich rechne es ihm hoch an, dass er den letzten Wunsch deines Vaters so respektvoll behandelt hat.“
In Charlett regte sich etwas. Ihre Mutter hatte Recht. Sie sah auf ihr Baby hinab. „Du hast einen Vater verdient. Deinen Vater.“ Sie sah ihre Mutter an. „Mom, würdest du auf deinen Enkel kurz aufpassen?“ „Natürlich würde ich das.“ Sie nahm ihn ihr ab und Charlett ging in das Zimmer nebenan.
Ivy saß an ihrem Laptop und blickte lächelnd hoch, als sie Charlett in der Tür stehen sah.
„Ich schneide gerade den Film, lege ein bisschen Musik drunter…“
„Ivy. Wo ist Phil?“ Sie stellte den Laptop neben sich und stand auf.
„Bist du dir wirklich sicher?“
„Ivy, ich habe gerade unseren Sohn geboren. Es ist Phils Sohn. Ich…ich liebe ihn noch immer. Wie soll ich denn ohne ihn sein?“ Ivy strahlte sie an und umarmte sie.
„Oh Gott! Na endlich. Also setz dich.“ Die beiden Frauen setzten sich auf Ivys Bett und Ivy zückte ihr Handy.
„Also. Phil ist in den USA. Um genau zu sein, bei Johnny. Er hatte sich versetzen lassen und ist mittlerweile sogar mit ihm zusammen gezogen. Die beiden haben ein riesiges Penthouse und verstehen sich besser als jemals zuvor. Sie arbeiten sogar zusammen im selben Team.“ Charlett staunte nicht schlecht. Er war also auch aus Deutschland weggezogen? Das passte ja.
„Ich habe Angst, dass er mittlerweile eine Neue hat. Was, wenn er garnichts mehr mit mir zu tun haben will?“ Charlett bekam plötzlich Zweifel an der Idee, Phil zu kontaktieren.
„Das glaube ich nicht. Eine Neue hat er definitiv nicht, hatte er auch die ganzen letzten Monate nicht. Johnny meinte, er hätte sich stark verändert und auch als ich ein paar Mal da war, schien er alles andere als lebensfroh. Im Gegenteil, er ist sogar nach Hamburg gefahren, aber da wart ihr schon weggezogen. Er wusste nicht, dass ich auch dabei war. Somit fragte er mich zwar, wie es dir ginge und ob ich was gehört hätte, aber ich sagte ihm nichts über deinen aktuellen Aufenthaltsort.“
Charlett nickte. „Ich werde jetzt Johnny anrufen.“ Ivy nahm ihr Telefon an ihr Ohr, als es an der Tür klingelte.
Genervt nahm sie das Handy vom Ohr, ging nach unten und öffnete die Tür. Charlett saß oben und schrak auf, als sie einen lauten Schrei hörte.
„Johnny!!!“ Wie Johnny? Hatte sie das gerade wirklich gehört? Sie rannte die Treppe runter und stürzte mitten in eine Begrüßungsorgie von Ivy und Johnny.
„Hey!“ Auch Charlett konnte ihre Verblüffung nicht leugnen. Johnny lächelte sie matt an. Er schien müde zu sein. Ivy zog ihn zu sich hoch ins Zimmer und bat Charlett mitzukommen. Charlett beschloss erst, ihren kleinen Schatz zu holen und ging mit ihm auf dem Arm rüber. Als sie reinkam, staunte Johnny nicht schlecht. Er kam auf sie zu, umarmte sie so, dass er das Kind nicht zerquetschte und schaute hinunter.
„Er hat viel von Phil.“ Charlett lächelte.
„Ja, er kommt ganz nach seinem Vater. Johnny ich… ich würde Phil gerne sehen. Ich will ihm sagen, wie leid mir das alles tut und ihm seinen Sohn vorstellen.“
Johnny ließ seine Hand sinken, schaute sie traurig an und schien den Tränen nahe.
„Das wird nicht gehen.“ Charlett ahnte schlimmes, ließ sich auf das Bett sinken und hielt ihren süßen Fratz fest an sich gedrückt. Ivy setzte sich neben sie, strich ihr sachte über den Arm.
Johnny kniete sich vor sie.
„Was…was soll das heißen, das geht nicht?“
„Er…ist bei unserem letzten Einsatz als er eine hochschwangere Frau retten wollte, ums Leben gekommen…“ Das Einzige, was ihr zeigte, dass sie noch am Leben war und atmete, war ihr kleines Baby. Es wandte sich in ihren Armen hin und her, als Charlett das Schreien wahrnahm, drückte sie ihn näher an sich. Sie konnte nicht weinen. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht weinen.
In ihr war eine gänzliche Leere. Sie hörte Ivy neben sich schluchzen und auch Johnny liefen die Tränen runter. Langsam, mechanisch stand Charlett auf und ging zur Tür.
„Charlett…“ Johnny hatte sich erhoben und sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken.
„Ich soll dir sagen, dass er niemals aufgehört hat, dich zu lieben. Das er euch beide liebt und immer bei dir sein wird.“
Charlett wandte sich um.
„Er wusste es?“ Johnny nickte und versuchte, sich ein kleines Lächeln abzuringen.
„Es war das Letzte, was ich ihm sagte und Charlett…“ Sie sah ihn an.
„Er hat gelächelt. Er hat nie aufgehört dich zu lieben.“
Sie nahm den Kleinen fest in die Arme und ging auf ihren Balkon. Das Meer war immer noch unruhig und schickte unermüdlich die Wellen an den Strand. Wie Arme die sich immer Zentimeter für Zentimeter vorschoben, nur um dann abzurutschen und sich wieder zurückzuziehen. Sie schaute auf den kleinen süßen Jungen, der in ihren Armen lag.
Charlett dachte an die letzten Worte, die Phil gesagt hatte. Die letzten Worte seines so kurzen Lebens. Sie galten ihr. Ihr Blick richtete sich wieder auf die Weiten des Meeres.
„Und schon wieder habe ich einen geliebten Menschen an dich verloren. Warum bist du so unermüdlich und nimmst sie mir? Was habe ich dir getan?“
Als sie wieder auf ihr Baby sah, öffnete dieses das erste Mal in seinem Leben die Augen. Sie waren blau, kobaltblau!
In dem Moment schwor sie sich, für den kleinen zu kämpfen. Sie würde stark sein, für ihn.

Die nächsten 3 Monate waren heftig für Charlett. Sie hatte zwar genügend Ablenkung, da sie mit dem Kleinen so viel zu tun hatte. Sie schlief kaum, was ihr auch Recht war. Der Kleine gab ihr die Kraft, das Loch zu füllen, welches der Verlust Phils hinterlassen hatte.
Wie schon bei ihrem Vater gab es eine riesige Suchaktion, die nach 2 Wochen ohne Erfolg eingestellt wurde. Sein Bild ging durch die Medien, Zeitungen rund um die Welt. Sie ertrug es nicht. Kurzerhand hatte sie jeden Fernseher im Haus verschwinden lassen. Johnny war nach 3 Wochen Sonderurlaub wieder zurück in die Staaten geflogen. Er flog seine Einsätze weiter und meldete sich täglich bei ihr. In 4 Wochen würde die Taufe des Kleinen sein und da war man bei Charlett auch bei diesem pikanten Thema. Sie hatte ihrem süßen kleinen Fratz, der täglich größer wurde, noch immer keinen Namen gegeben. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden. Doch sie wusste, dass er zwei wundervolle Paten haben würde. Johnny und Ivy waren begeistert, als sie ihnen den Vorschlag unterbreitete.
Sie hatte schon oft daran gedacht, ihren Sohn nach seinem Vater zu benennen, doch fand es dann wieder zu unpassend.
Es war früher Morgen, als Charlett vom Schreien ihres Kleinen geweckt wurde. Langsam stieg sie aus dem Bett, nahm den Kleinen und stillte ihn auf ihrem geliebten Sessel. Als der Kleine gesättigt war, trug sie ihn durch die Gegend, ging mit ihm in den angrenzenden Garten und runter zum Strand. Sie versuchte ihm so viel wie möglich über seinen Vater zu erzählen. Doch auch seinen Opa sollte er kennen. Sie zeigte ihm das Meer, ließ ihn ihm gleichmäßigen Rauschen des Meeres einschlafen und zeigte ihm jeden Tag Fotos. Sie wusste nicht, wie viel er wirklich von dem Verstand, doch sie fand es wichtig, ihm dies alles mitzuteilen. Sie legte den kleinen Schatz in seine Liege und ging hinunter. Sie aß eine Kleinigkeit, schleppte sich unter die Dusche und zog sich um. Sie hatte Glück, denn die Schwangerschaft hatte weder Narben noch riesige Ansammlungen an Fett hinterlassen. Sie war ganz zufrieden mit sich. Als sie wieder auf ihren Balkon trat, beschlich sie wieder dieses komische Gefühl. Wenn sie an ihren Vater dachte, an das Meer, dann spürte sie dieses vertraute Gefühl. Das er da war, ihr zuhörte. Doch bei Phil war nichts. Sie spürte keine Verbindung zu ihm, es machte ihr Angst. Seitdem mied sie das Meer. Es hatte ihr schon so viel genommen. Sie wollte sich keine Hoffnung machen, dass er noch leben könnte, nur weil sie nicht dasselbe empfand, wie bei ihrem Vater.
Sie ging zu ihrem kleinen Tischchen, welches direkt neben der Tür stand und hob ihr iPhone hoch. Sie ließ es klicken und blickte auf ein Bild von Phil und ihr. Es war genau ein Jahr vergangen, als sie sich so innig geliebt hatten.
Sie schüttelte den Gedanken beiseite, steckte das iPhone in die Dock-In Station und ließ das berühmte Lied von Kate Winslet spielen. Sie hatte es letztens wieder gefunden und es half ihr, irgendwie damit klar zu kommen.

Here I stand alone
with this weight upon my heart
and it will not go away
in my head I keep on looking back
Right back to the start
wondering what it was that made you change
Well I tried
but I had to draw the line
and still this question keeps on spinning in my mind
What if I had never let you go
Would you be the man I used to know
If I\'d stayed
If you\'d tried
If we could only turn back time
But I guess we\'ll never know
Many roads to take
some to joy
some to heart-ache
anyone can lose their way
and if I said that we could turn it back
Right back to the start
would you take the chance and make the change
Sie liebte die Musik. Sie gehörte zu ihrem Leben, wie das Atmen. Hinter ihr knallte eine Tür auf und Ivy kam herein. Sie war schon die ganzen letzten Tage aufgedreht und hatte immer wieder versucht, die Hoffnung, dass Phil noch Leben könnte, aufkeimen zu lassen. Johnny würde heute wieder kommen. Sie hatten sich schon lange nicht mehr gesehen und sie bestand darauf, dass ihr Patenkind samt Mutter mitkam. Sie hatte sich letzten Endes dazu durchgerungen, auch wenn sie keine Lust hatte. Aber dem kleinen würde es gut tun, mal etwas anderes sehen zu können, als nur die Nahe Umgebung. Sie zog den Kleinen warm genug an und ging mit Ivy zum nahegelegenen Bootssteg.
„Danke Charlie, dass sie uns so kurzfristig zum Festland fahren.“ Dieser nickte nur freundlich und ließ den Motor an, nachdem Charlett und Ivy den Kinderwagen reingehievt hatten und sich gesetzt hatten. Dem Kleinen schien das alles zu gefallen, denn er schaute sich neugierig um.
„Wieso glaubst du eigentlich nicht daran, dass er noch lebt?“ Fing Ivy etwa schon wieder an.
„Ivy…“ Genervt verdrehte sie die Augen und deutete ihr damit, dass sie keinen Bock hatte, auch nur im Geringsten die Sachen nochmal durchzukauen. Doch Ivy schien sich nicht beirren zu lassen.
„Nein nichts Ivy. Du sagst selbst, dass dieses Mal irgendwie was anderes. Was wenn ich dir sagen würde, das nicht nur Johnny kommt?“
„Dann würde ich Charlie bitten, dich auf direktem Wege zu einer Psychiatrischen Klinik zu fahren. Kannst du nicht einfach verstehen, dass das alles nicht mehr geht? Ich habe 3 Jahre damit verbracht, mir Hoffnungen zu machen, dass mein Vater noch leben würde. Ich muss jetzt stark sein, für ihn!“ Sie sah auf ihr Baby und wieder zu Ivy. Diese schien nichts mehr sagen zu wollen. Die Hauptinsel war nicht weit entfernt und Charlie würde sie direkt zum Gan National Airport bringen.
Auf dem Festland angekommen, entschied sich Charlett dazu, sich den Kleinen umzubinden. Sie war froh, dass sie den Tragegurt dabei hatte und Ivy half ihr dabei. Der Flieger müsste gerade gelandet sein und sie schlenderten langsam in die nicht allzu große Halle. Ivy schaute auf die riesige Tafel und sah, dass der Flieger vor ca. 10 Minuten gelandet war und das Gepäck nun befördert wurde. Sie nahm Charlett bei der Hand und zog sie hinter sich her. Vor dem Ausgang der Internationalen Flüge blieb sie stehen und suchte sich einen Platz aus, von dem man alles gut sehen konnte.
Sie standen zwischen ein paar Leuten, die Blumensträuße oder Plakate in der Hand hatten.
Als Ivy die ersten Passagiere aus dem Ausgang kommen sah, wandte sie sich zu ihr und nahm ihre Hände.
„Charlett, ich bitte dich jetzt wirklich stark zu sein.“
„Och Ivy. Was soll der Quatsch? Hat sich Johnny Säure über den Kopf gekippt oder warum soll ich stark sein?“ Es nervte sie. Nonstop ging es um Phil und das sie stark sein sollte und blabla. Konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen?
„Du kennst mich jetzt so lange und ich weiß, warum du die Fernseher aus dem Haus hast entfernen lassen. Aber glaub mir, hättest du das nicht getan, wäre dir viel Leid erspart geblieben. Ich habe dir von dem wichtigen Einsatz erzählt, wo Johnny hinmusste, weswegen ich nicht rüber fliegen konnte.“
„Was hätte ich denn schon zu sehen bekommen? Dass man die Leiche gefunden hat? Dass das Team einen Ehrenorden bekommen haben? Das eine riesige Trauerfeier mit Salutschüssen abgefeuert stattgefunden hat und die hochschwangere Frau sich dafür bedankt hat, das er anstatt ihrer gestorben ist? Ich will das nicht mehr.“ Sie schüttelte vehement den Kopf, als könnte sie damit die Gedanken und Erinnerungen verscheuchen, die dieses Gespräch hervorriefen. Ivy sah sie traurig, aber auch irgendwie fröhlich an. Es war verwirrend.
„Johnny ist da.“ Charlett hatte ihn aus dem Augenwinkel langsam kommen sehen. Ivy drehte sich um, Johnny schien ihr zuzunicken und sie wandte sich an den Kleinen, der sich neugierig umblickte. „Mein Spatz, dein Dad ist da.“ Zack! Charletts Herz hämmerte als hätte es jahrelang stillgestanden und würde jetzt alles nachholen wollen. Sie spürte wie sie ihre Hände instinktiv um ihr Baby legte und sich zum Ausgang drehe. Ivy stand schräg hinter ihr, hielt sie an den Hüften, aus Angst sie könnte umfallen. Charlett wandte die Augen zu Ivy. Sie musste nichts sagen, Ivy wusste welche Frage sie stellen wollte.
„Ja Charlett. Phil hat es überlebt. Ein Fischerboot hat ihn gefunden, aber er war so schwer verletzt, dass er nicht reisen durfte. Hättest du doch bloß den Fernseher behalten.“ Sie schluckte, sah an ihr vorbei und stieß sie ein wenig an. Charlett konnte es immer noch nicht glauben. „Kleiner, sieh mal.“ Ivy deutete in zum Ausgang und Charlett folgte ihrem ausgestreckten Finger. Erst sah sie die goldblonden Haare, das helle T-Shirt, die ihr so bekannte Jeans und dann… blickte sie in die kobaltblauen Augen von Phil.






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