Before the first teardrop falls - Teil 2

Autor: Riefie
veröffentlicht am: 07.05.2012


Knall, puff, peng und hier ist der zweite Teil. Ich hoffe er gefällt euch. Ich würde mich auch über Verbesserungsvorschläge und Kritik freuen. Viel Spaß hiebei! :)

>Manche Dinge kann man nicht erklären, geschweige denn, sie offen auszusprechen. Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Wer nimmt sich das Recht, darüber zu entscheiden, wer glücklich sein darf? Die Vernunft, oder das schlechte Gewissen lassen es nicht zu, das ich jemals wieder glücklich sein kann. So viele Menschen suchen die Liebe, ich scheine sie gefunden zu haben. Doch… wie kann ich lieben, wenn so viel Trauer in mir ruht?<

Langsam klappte Charlett ihr Tagebuch zu. Sie wusste genau, was gestern Abend in ihr passiert war. Der Damm war gebrochen. Der riesen Damm der dem Staudamm in Arizona glich, den sie aufgebaut hat. Die Angst, die Sorge und ihr schlechtes Gewissen brachen hervor. Sie hatte sich damals geschworen, nie wieder glücklich zu sein, bevor sie nicht wusste, wo ihr Vater war. Es gelang ihr nicht, das Leben wieder so aus vollen Zügen genießen zu können, ohne zu wissen, wo er war – ob er lebte oder Teil des Meeres geworden war. Schon vor einigen Stunden war sie aufgewacht, sie wusste nicht mal, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Es war noch dunkel draußen, gerade so. Es schien, als würde sich die Sonne schwer tun, den Abgrund zwischen Tag und Nacht zu überwinden. Charlett stieg aus dem Bett und lief zum Fenster hin. Kaum hatte sie dieses geöffnet, strömte die noch kühle Salzluft zu ihr herein. Das Rauschen des Meeres riss sie aus ihrer Nostalgie. Kurz entschlossen, holte sie sich ihre Shorts aus dem Zimmer und ein Langarmshirt, welches ihr den noch kühlen Wind fernhalten sollte. Leisen Schrittens ging sie den Holzweg entlang, welcher sie zum Meer brachte. Das Rauschen wurde lauter und lauter, als sie auch schon das weite Meer in seiner ganzen Pracht sah. Für sie war das Meer Schönheit und Grausamkeit in einem. Ihre Füße berührten den Sand und liefen wie von selbst, auf das sich schäumende Wasser zu. Sie fühlte den nassen Sand, der sich um ihre Füße bildete, als die erste Welle ihre Füße traf. Sie hob den Kopf und sah zum Horizont, versuchte sich, die Worte zurecht zu legen, welche sie schon seit langem beschäftigte.
„Es ist schwer, nicht zu wissen wo du bist. Schwer zu wissen, ob du Teil des Meeres geworden bist oder ob du irgendwo nur auf mich wartest. Mom vermisst dich, sie gibt es nicht zu, doch sie schläft jeden Abend in einem deiner Hemden ein. Habe ich mich zu sicher gefühlt? Habe ich alles für selbstverständlich genommen? War ich zu glücklich, eine Familie und den Wohlstand zu besitzen, mir niemals Sorgen machen zu müssen? Ist das nun die Strafe, dass du nicht mehr da bist?“
Tränen rannen ihr über das Gesicht, doch eine Gänsehaut durchfuhr sie, wie noch nie zuvor. Hier am Meer hatte sie das Gefühl, direkten Zugang zu ihrem Vater zu haben. Schon seit Jahren war sie nicht mehr am Meer, seitdem…
„Bist du schon wieder wach oder immer noch?“ Erschrocken drehte sie sich um. Ivy kam auf sie zu und stellte sich neben sie.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe nur gehört, wie du runter gegangen bist und als du nicht wieder kamst, habe ich mir Sorgen gemacht.“
„Nein, nein. Ist schon okay. Ich musste einfach herkommen, hier fühle ich mich so…“
Sie schluckte kurz, doch sie wusste, das Ivy sie nicht für zu verrückt hielt, wenn sie ihr dies erzählte.
„Es ist so, als wäre ich meinem Vater an keinem Ort näher als hier.“ Ivy nickte und schaute aufs Meer.
„Ich bewundere dich, deine Stärke. Das wollte ich dir schon immer mal sagen.“ Verlegen lächelte Charlett sie an. Sie hatte diesen Satz schon oft gehört, doch von Ivy schien er ihr ehrlicher rüberzukommen. Sie selbst, fand sich alles andere als stark. Sie war eine Heulsuse und anstatt, damit leben zu müssen, vergrub sie sich in ihrer Welt.
„Was hältst du davon, wenn wir uns ins Auto setzen, leckere Brötchen holen und dann Frühstück machen?“ „Es ist halb 6, da hat bestimmt noch keine Bäckerei auf. Außerdem müssen wir doch dann von der Insel runterfahren.“ „Hmm, wir haben ja Toastbrot geholt, dann essen wir das und schauen später im Supermarkt nochmal vorbei, ob die sowas wie Aufbackbrötchen haben.“ Zustimmend nickend, gingen beide zurück zum Haus. Kurz bevor das Meer hinter dem Hügel verschwinden würde, drehte Charlett sich um. „Mach’s gut, Dad.“ Dann wandte sie sich ab und folgte Ivy zurück ins Haus. Sie hatte das Gefühl, endlich aufatmen zu können. Sie beschloss den Urlaub so gut es ging zu genießen und die Zeit, die sie alleine hatte, zu nutzen um am Meer zu sitzen. Vielleicht hörte ihr Vater sie ja doch, man weiß ja nie.

Phil wusste nicht, ob es der Duft des Kaffees war, der durchs Haus zog oder der Jetlag, der ihn dazu zwang hinunter in den großen Wohnraum zu gehen. Es war schon komisch, Charlett gestern so zu sehen. Er hatte sie Charlie genannt, nichts weiter Bedeutsames. Bei Gelegenheit würde er sie wohl darauf ansprechen. Sie schien so traurig zu sein, so in sich gekehrt. Er dachte, sie hätte ihre Trauer dank ihnen überwunden. Doch sowas konnte man wahrscheinlich nicht. Er sollte ihr wohl vorerst auch nichts davon erzählen, dass er ihren Vater gekannt hatte. Ja, ihr Vater war eine Legende unter den Rettungsschwimmern gewesen. Egal, wie schwer und gefährlich es war. Solange er ein Menschenleben retten konnte, nahm er alles auf sich. Thomas, ja so hieß er. Er war ihm auf einer seiner Lehrgänge begegnet. Später hatten sie viel zusammen gearbeitet, viele Einsätze zusammen bestritten. Er konnte sich gut, an diesen letzten Abend erinnern. Es war…
„Ach Phil. Guten Morgen. Kaffee?“ Verdutzt schaute er Ivy an, welche mit der Kaffeekanne vergnüglich winkte. Er grinste breit und strich sich durch die Haare.
„Klar. Morgens Kaffee, vertreibt Kummer und Sorgen… oder so.“
„Guten Morgen Phil.“ Es war wie Zeitlupe, als er Charlett auf ihn zukommen sah. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und ihre grünen Augen schauten leicht schüchtern in seine. Er hatte sie vorher nicht so genau betrachtet, warum wusste er in diesem Moment nicht. Er wusste eigentlich garnichts mehr.
„..Morgen.“ Gott, er musste sich anhören, wie ein kleines Kind das vor Benjamin Blümchen steht. Sie kam immer näher. Verwirrt und leicht enttäuscht stellte er fest, dass sie an ihm vorbei die Treppe hoch ging. Was hatte er denn bitte gedacht? Dass sie ihn küssen würde? Sie kannten sich kaum, außerdem hatte er sich wohl gestern mit seinem Spruch voll ins Aus geschossen. Aber was kümmerte ihn das überhaupt. Er wollte und durfte sich nicht in sie verlieben. Also keep cool, Alter. Kopfschüttelnd wand er sich zu Ivy.
„Na, wo bleibt denn mein Kaffee?“ Ivy sah ihn komisch an, wie er fand zu komisch.
„Was ist?“ „Sag mal, du hast gerade ausgesehen, wie Ben Stiller in Click, der gerade auf Slowmotion gedrückt hat.“ „Ach das bildest du dir ein. Ihr geht es wieder gut?“ „Ja, wieso wieder?“ „Ach nicht so wichtig. Sag mir lieber wo die Tassen sind, ich dreh ohne Kaffee noch durch.“

Charlett ging die Treppe hoch in ihr Zimmer. Hatte sie sich das gerade nur eingebildet, oder hatte Phil sie angestarrt? Wohl nur Einbildung. Sie öffnete die Tür, als sie auch schon die leisen Klänge von Bruno Mars vernahm.

Cause there\'ll be no sunlight
If I lose you, baby
There\'ll be no clear skies
If I lose you, baby
Just like the clouds
My eyes will do the same if you walk away
Everyday, it\'ll rain, rain, rain…

Schnell rannte sie zu ihrer Handtasche und zückte ihr iPhone. „Shit, Mom.“ Schnell ging sie ran.
“Hey Mom.”
“Sag mal, was bildest du dir eigentlich ein. Ich hab mir schon sonst was gedacht. Gekidnappt, abgestürzt…“
„Ja Mom, es tut mir leid. Ich hatte es gestern einfach total vergessen. War alles etwas aufregend, die anderen endlich kennenzulernen.“
„Jaja, ist ja schon gut. Hauptsache dir geht es gut. Wie sind denn die anderen? So wie du sie dir vorgestellt hast?“
„Besser. Ivy ist echt klasse und Johnny total witzig. Die hatten sich noch nicht mal begrüßt, schon gingen die Sprüche los.“ Sie hörte ihre Mutter leise lachen.
„Das passt zu dem was du mir erzählt hast. Was ist mit diesem Phil? Auf den warst du doch besonders gespannt, weil du ihm das mit dem Bild nicht abgekauft hattest. Sieht er denn so aus, wie auf dem Foto.“
„Nein…“
„Dachte ichs mir doch. Ich hoffe es ist kein alter Knacker? Sonst setz ich mich ins Flugzeug, dann kann der aber was erleben.“
„Nein Mom, lass mich doch mal ausreden. Er war der auf dem Bild, aber der sieht noch fast besser aus als auf dem Foto.“
„Oh! Das ist natürlich schön für dich. Auch wenn er mir immer noch Suspekt vorkommt. Irgendwoher kenn ich dem sein Gesicht.“
„Mom, ist gut jetzt. Das Gespräch wird zu teuer. Ich mail dir, versprochen.“
„Na hoffentlich. Denn ansonsten ruf ich dich täglich an. Mach’s gut süße, pass auf dich auf ja?“
„Ja Mom, du auch. Liebe dich.“
„Ja, ich dich auch. Bye“
Charlett hängte ihr iPhone ans Ladegerät und ging ins Ankleidezimmer. Sie tauschte ihr Langarmshirt gegen ein Top und Strickjacke und ging zurück zur Treppe. Ob sie wohl Johnny wecken sollte.
„Sag mal, hast du mir grad auf die Titten geschaut oder was?“ Ivys schrille Stimme erklang zu ihr hoch und kurz darauf, Johnny!
„Was? Sag mal, kannst du mal aufhören so selbstverliebt zu sein. Das ist mein Part hier. Für uns beide ist hier kein Platz.“ Charlett kam gerade die Treppe runter, um mitanzusehen, wie Johnny sich in einer Cowboy-Pose hinstellte und spielerisch seine Finger zu einer Pistole formte. Wie ein Kind, göttlich!
„Sag mal, was ist denn bei dir kaputt gegangen?“ Ivy schaute ihn amüsiert an, nur um kurz darauf wieder ernst zu gucken.
„Los, zieh deine Waffe und wir duellieren uns. Einer von uns ist hier fehl am Platz.“
Ehe Charlett auch nur irgendwas sagen konnte, schnappte Ivy sich einen Kochlöffel und rannte hinter Johnny her, der die Situation früh erkannte und das Weite suchte. Sie konnte es nichts zurück halten. Ein wohliges Lachen bahnte sich den Weg über ihre Lippen und schon wenige Sekunden später stimmte Phil mit ein. Sie standen sich gegenüber und lachten, die anderen beiden war hinaus Richtung Meer gerannt. Sie war mit Phil allein. Diese Tatsache ließ sie verstummen und auch Phil sah sie jetzt eindringlich an.
„Es ist an der Zeit, dass ich dir das wohl mit gestern erkläre.“ Sie sah ihm direkt in die Augen.
„Du musst das nicht tun, wirklich nicht.“ „Doch natürlich. Immerhin habe ich gestern einfach angefangen zu heulen. Das geht so nicht. Mein Vater nannte mich damals Charlie, als Einziger.“
Er nickte und sie glaubte ihm wirklich, dass er das versteht. Bevor das Gespräch weiter gehen konnte, kamen Ivy und Johnny total außer Puste wieder und gesellten sich zu ihnen.
Nach dem Frühstück beschlossen sie, den wunderschönen Tag auszunutzen und sich erstmal eine Portion Bräune am Strand abzuholen. Gesagt, getan. Die Jungs waren schon seit einiger Zeit am Meer, als Ivy und Charlett den sandigen Weg entlang gingen. Der kühle Wind, hatte den Sand bis zum Holzweg geweht. Schon von weiten sah man Johnnys schokobraunen Astralkörper am Strand, wie er mit Phil Frisbee spielte.
„Guck dir mal Johnny an. Auch wenn der nix in der Birne hat. Einen wahnsinns Körper hat der ja.“
Ivy grinste Charlett an und musste feststellen, dass diese stehen geblieben war und nun in eine bestimmte Richtung mit offenem Mund starrte. Sie versuchte ihrem Blick zu folgen und sah Phil, wie er gerade zu einem Hechtsprung ansetzte um das Frisbee zu fangen.
„Hallo, Erde an Charlett.“ Ertappt starrte sie Ivy an, nur um gleich darauf knallrot anzulaufen.
„Hast du was gesagt?“ „Sag mal, kann es irgendwie sein, das da was zwischen euch läuft?“
Wehement schüttelte Charlett den Kopf und sah sie entgeistert an. „Ich kenne ihn doch…“
„…kaum. Blabla blubb. Alter Charlett, wem willst’n du hier was erzählen? Schon die ganze Zeit habe ich das Gefühl, das sich da was anbahnt. Ihr seid auf einer Wellenlänge, das hat man beim Schreiben schon gemerkt.“
„Ach komm. Das stimmt nicht. Erzähl mir lieber, was du mir gestern Abend noch sagen wolltest, bevor wir einkaufen gefahren sind.“
„Das wird dir nicht gefallen, denn es geht um eben besagtes Thema. Ich glaube, dass er dich ziemlich mag und einfach total Baff war. Ich mein, bis auf meine Wenigkeit, kannte ja keiner dein Bild. Der dachte wahrscheinlich, dass du zwar süß bist und ihr deswegen richtig gute Freunde werden könntet, ohne dass ihr euch gleich ineinander verknallt und dann siehst du so Bombe aus.“
„Ach Quatsch. Sag mal was willst du mir denn da erzählen? Dass er mich für schlampig hält, weil er von meiner Schönheit so geblendet war? Die im Übrigen noch nicht mal da ist.“
„Hm, also meine Theorie ist noch nicht ganz ausgereift. Aber ich glaube zwischen euch bahnt sich was an und zum Thema aussehen, guck dich mal an.“ Mit einer Handbewegung deutete sie auf sie. Ihr kobaltblauer Bikini schmiegte sich an sie. Ja, natürlich war sie nicht gerade unattraktiv. Für ihre 1,70m hatte sie die perfekte Oberweite und sie hatte das Privileg, so ziemlich alles anziehen zu können. Doch was nützte ihr das, wenn sie keine Freunde hatte, sich in niemanden verliebte und man sie für eine Schlampe hielt?
„Mädels, kommt ihr jetzt mal oder bewundert ihr weiterhin unsere Astralkörper?“
„Träum weiter Johnny.“
Ivy ging mit schnellen Schritten weiter, während Charlett ihr nur zögernd folgte. Sie dachte über ihr Gespräch nach, über Phil. Ja, wenn sie sich eingestand, ging es in den letzten Stunden immer nur um Phil. Sie hob den Blick und merkte, dass auch Phil sie ansah. Er lächelte schief und hob einen Daumen. Leicht errötend legte sie den Kopf schief und bedachte auch ihn mit einem anerkennenden Blick. Was war denn nun los? Seit wann ging sie denn so in die Offensive? Eine Windböe durchstreifte ihr Haar und in ihr breitete sich eine wohlige Wärme aus. Bei der Gruppe angekommen, legte sie ihr Handtuch aus, setzte ihre Sonnenbrille auf und legte sich mit dem Buch in der Hand hin. Es war eines ihrer Lieblingsbücher – The Guardian. Es war das Buch zum Film, welches ihr immer Hoffnung machte. Es hatte in dem Sinne kein Happy End, da Kevin Costner am Ende starb. Doch die Vorstellung die Ashton Kutcher von ihm hatte, das er weiterhin Seeleute rettete und Teil des Wassers geworden ist, beruhigte sie im Bezug auf ihren Vater. Es war beruhigend, zu wissen, dass das Meer zwar grausam sein konnte, doch auch Gnade walten ließ, in dem es die Menschen die es verschluckte, in sich weiter leben ließ.
„Was liest du da?“ Durch ihre Sonnenbrille hindurch erkannte sie den blonden Schopf von Phil, der sich neben sie gelegt hatte.
„The Guardian,“ sie hielt ihm das Buch hin, welches er interessiert annahm.
„Ist das nicht der Film mit Ashton Kutcher und Kevin Costner? Wo er am Ende bei einem Einsatz stirbt, um den anderen zu retten?“
„Ja, genau. Ich liebe diesen Film.“ Zweifelnd sah er Charlett an.
„Was ist??“ Sie hasste es, nicht zu wissen, was andere dachten. Es war ihr unangenehm, wenn andere Leute negatives über sie dachten und es ihr nicht sagten. Sie konnte mit Kritik umgehen, doch nur wenn man es ihr offen sagte.
„Hmm… ich dachte nur gerade, das es doch komisch und schmerzhaft sein müsste, immerhin… ich mein…“
„Du meinst wegen meinem Vater?“ Zaghaft nickte er. Es war ihm sichtlich unangenehm, darüber zu sprechen. Warum? Aus Angst sie zu verletzen?
„Nein, es ist nicht mehr schmerzhaft. Es ist traurig, weil ich selbst nicht weiß, ob er noch lebt. Dieses Buch ist wie… ein Brief. Der Brief den er mir nie geschrieben hatte. Der mir zeigt, dass es ihm gut geht, selbst wenn er damals bei dem Einsatz ums Leben gekommen ist. Die Vorstellung, dass er wie Kevin Costner, weiterhin Menschenleben rettet und ihnen beisteht, gibt mir die Kraft, diese Ungewissheit zu überstehen.“
Überrascht und nur wenige Sekunden später, fand sie sich in Phils Armen wieder. Sie reagierte mechanisch, fast automatisch auf seine Berührung. Ihre Arme schlossen sich hinter seinem Nacken und sie sog den Duft seiner Haut ein. Sie war warm, durch die Sonne und hatte diesen typischen Geruch, welche die Sonne hervorrief.
„Ich hätte nie erwartet, dass du so stark bist. Das du so darüber denkst. Rettungsschwimmer zu sein, heißt, dass man sich selbst aufgeben würde, um viele zu Retten. Das Meer sieht man nicht als Feind, sondern eher als Arbeitskollegen. Als einen sehr launischen, welcher jede Minute, Sekunde umschweifen kann.“
Phil nuschelte in ihre Haare, doch sie verstand jedes Wort. Es war diese Stille danach, die sie nicht verstand.
„Woher weißt du soviel darüber?“ Langsam löste sie sich aus seiner Umarmung.
„Ich… das erfährt man doch alles in dem Film.“
Sie glaubte ihm nicht. Doch es blieb keine Gelegenheit, die Sache aufzuklären. Johnny kam angerannt und flüsterte Phil was ins Ohr. Charlett konnte sich gerade noch nach Ivy umgucken, die gegen die Wellen ankämpfte, da waren ihre Beine und Arme schon gefangen. Sie ahnte was kommt.
„Nein… das wagt ihr nicht. Das glaub ich nicht. Aaaaahhh….“
Blums, platsch und blubb. Zack, war sie unter Wasser und bekam zu allem Überfluss noch Salzwasser in die Nase. Das brannte wie sau, doch beim auftauchen fing sie an zu lachen. Sie hatte nie Probleme mit Salzwasser gehabt, aber dass das immer so brennen musste.
Das würden sie ihr büßen. Schnell tauchte sie unter, nachdem sie sich vergewissert hatte, wo Johnny stand. Ein Augenzwinkern von Ivy zeigte ihr, das sies verstanden hatte und tauchte ebenfalls unter. Schnell packten sie Johnnys Beine und zogen ihn unter Wasser. Als Charlett und Ivy sich nach dem Auftauchen wieder ansahen, bekamen sie einen Lachanfall, welcher sich gewaschen hatte. Sage und schreibe 3 Minuten lachten sie, die Tränen liefen in Bächen runter und die verdatterte Miene von Phil tat dem kein Ende. Charlett war froh, endlich wieder lachen zu können. Zu verstehen, dass es nicht schlimm war glücklich zu sein.
Das Gefühl, ihrem Vater so nah zu sein, ließ sie nicht mehr los.
Nach einer Stunde Wasserschlacht, Ball spielen und rumalbern ging sie zurück zu ihrem Handtuch. Phil war schon einige Minuten vor ihr aus dem Wasser gegangen und starrte nun, von seinem Handtuch aus, nachdenklich aufs Meer.
„Faszinierend was?“ Charlett ließ sich neben ihn fallen, während Phil sie nur verwirrt musterte.
„Na das Meer?“ Mit einem Nicken in Richtung Meer, wartete sie auf seine Antwort. Stumm nickte er und schaute wieder in die Ferne.
Er sah gut aus. Zu gut, wenn sie ihn da so liegen sah. Er war über 1,80m groß, aber wirkte keinesfalls wie ein Riese. Es passte zu ihm, genauso wie der durchtrainierte Körper den er hatte. Er war einer der Jungs, denen man ansah, wie alt sie waren. Das hieß nicht, das er alt war, nein aber man sah ihm die Reife die mit seinen 25 Jahren selbstverständlich war an. Seine etwas längeren, goldblonden Haare hingen ihm in nassen Strähnen in die Stirn. Von der Seite konnte sie seine kobaltblauen Augen sehen. Sie waren blau, und wie blau sie waren. Sie hatte das Gefühl, wenn sie in diese Augen sah, spiegelte sich jede einzelne Welle des Meeres in ihnen. Er war muskulös, das er ein Sixpack hatte, war noch untertrieben. Die unteren Bauchmuskeln, die die meisten wohl als Eightpack bezeichnen würden, zeichneten sich schon deutlich ab und seine Oberarme! Sie boten Schutz, sie hatte es selbst gemerkt. Als sie an den gestrigen Abend dachte und an seine Arme die sie gehalten hatten, wurde ihr schwindlig. Es kribbelte überall, doch erklären konnte und wollte sie sich das auch nicht. Schnell wandte sie den Blick ab und steckte sich ihre Kopfhörer ins Ohr. Es gab nichts schöneres, als die Hintergrundmusik des Lebens selbst aussuchen zu können.

Er hatte bemerkt, wie sie ihn angestarrt hatte. Doch deuten, konnte er ihre Blicke nicht. Vorsichtig betrachtete er sie von der Seite. Sie hatte ihre weißen Kopfhörer im Ohr und schien die Augen geschlossen zu haben. Ihre Sonnenbrille, mit den bräunlichen Gläsern stand ihr wirklich fabelhaft.
Er schaute sie von oben bis unten an. Sie schien nicht zu wissen, wie schön sie eigentlich war. Ihre längeren hellbraunen Haare wurden langsam von der Sonne getrocknet und bildeten schon leichte Wellen. Sie hatte so wohlgeformte Lippen, leicht rosa und eine süße kleine Stupsnase. Ihr Körper war die süße Versuchung schlecht hin, dennoch würde er die Finger von ihr lassen. Er wusste genau, dass das alles nur komplizierter machen würde, wenn er jetzt auch noch Gefühle für sie hegen würde. Sein Blick fiel wieder auf ihr Gesicht und direkt auf ihre Lippen. Sie sang irgendein Lied mit, so leise das man es kaum hören konnte, doch nach einiger Zeit war sie laut genug dass er verstehen konnte, was sie sang.

Ich bin ich
Ich bin ich auf meine Weise
Ich bin ich
Manchmal laut und manchmal leise
Nur ein Wort und du glaubst
Ja du glaubst mich zu kennen
Nur ein Blick und du glaubst,
Dass du weißt wer ich bin
Ich bin ich
Ich bin ich auf meine Weise.

Ihre Füße wippten zum Takt und sie sang gut. Ihre Stimme klang klar und wunderschön. Wenn er sich nicht gleich zusammenreißen würde, würde er noch über sie herfallen. Er musste aussehen, wie ein Köter der eine läufige Hündin aufgetrieben hatte. Schnell schüttelte er den Kopf und sah wieder aufs Meer.

Atemlos, durchgedreht, seriös,
Nie zu spät, bin benommen,
Völlig klar, ungeliebt, sonderbar
Ich bin bunt, ich bin grau
Ich bin Tag, ich bin Nacht
Ich bin das was du hasst
Und das was du magst
Sein Blick wanderte wieder zu ihr. Erst jetzt merkte er, das die Sätze gut genug auf ihn bezogen sein konnten. Ja, was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, sie so anzufahren. Von vorne rein, seitdem sie das erste Mal geschrieben hatte, wusste er das sie anders war. Sie hatte ihm verschwiegen, dass sie so hübsch war, was ihn nur darin bestätigte, dass sie es selbst nicht wusste. Er merkte wie sich ihre Stimmung änderte und sie einen traurigen Gesichtsausdruck bekam. Mein Gott, wie sehr er sie jetzt gerne in die Arme nehmen würde. Aber dann würde sie ihn sicherlich für noch verrückter halten, als eh schon. Was hatte er sich überhaupt dabei gedacht, sie vorhin so anzufallen. Ekelerregend!

Sie merkte seine Blicke schon lange. Langsam nahm sie die Kopfhörer aus den Ohren und schaute ihm direkt in die blauen Augen. Wenn Filme wirklich ein bisschen Wahrheit enthalten sollten, was die magischen Momente anging, dann war dies definitiv der Beweis dafür. Es knisterte heftig zwischen ihnen und die Spannung war zum greifen nah. Langsam kamen sie sich näher, so nah das sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Es kam ihr vor, wie Stunden als sich ihre Lippen endlich trafen und ineinander verschmolzen. In ihrem inneren brach das Feuerwerk aus, das alle Silvesterknaller der Welt zu vereinen schien. Doch so abrupt wie er angefangen hatte, endete er auch. Phil stieß sie von sich und schaute sie mit lodernden Augen an. In seinen Augen spiegelte sich der Kampf, zwischen tosender See und ruhigen Gewässern ab.






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