Charline Müller - Teil 9

Autor: Wibke
veröffentlicht am: 19.06.2012


Hey,
ich habe es tatsächlich schon wieder geschafft zu schreiben! Vielen Dank für die lieben Kommentare und auch für die Kritik, ich werde versuchen, mich zu bessern!
Liebe Grüße
Wibke


Drittes Kapitel:

Vorsichtig setzte ich mich zu ihm an mein Bett. Er sah schon viel besser aus, als heute Morgen noch. Es wunderte mich, wie schnell seine Wunden heilten.
„Was ich dir vorhin erzählen wollte, als du mir nicht zugehört hast, ist meine Geschichte“, täuschte ich mich oder hörte ich einen leisen Vorwurf in seiner Stimme? Ich beschloss nicht darauf einzugehen, sondern ihn weiterreden zu lassen. „Ich möchte gerne versuchen all deine Fragen zu beantworten, aber lass mich erst einmal meine Geschichte so weit erzählen, bis ich hier her kam. Sie wird dir im ersten Moment sehr merkwürdig vorkommen und du wirst sie mir auch nicht glauben, aber sie ist war! Also ich wurde hier ganz in der Nähe geboren. Ja, in Berlin, in Grünau. Aber ich habe hier nur die ersten 18 Jahre meines Lebens verbracht. Nein! Nicht ganz 18 Jahre. Ich wohnte mit meinem Vater in einer kleinen Wohnung. Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Aber mein Dad und ich kamen immer gut klar. Er hatte einen gut bezahlten Job und wir kamen immer gut über die Runden. Kurz vor meinem 18. Geburtstag, stand auf einmal so ein Kerl vor unserem Haus und beobachtete es. Ich sah ihn immer wieder. Er verfolgte mich. Als ich eines Tages all meinen Mut zusammen nahm und ihn ansprach, nahm er mich beim Arm und zog mich in ein Auto. Ich hatte noch nie solch eine Angst. In der Zeit kurz vorher waren viele Jugendliche entführt worden und von keinem wurde je wieder etwas gehört. Daran musste ich die ganze Zeit denken. Sooft ich auch fragte, der Mann wollte mir einfach nicht sagen, wo es hingehen sollte. Er schwieg die ganze Zeit. Wie fuh-ren zu dem Flughafen. Damals war es noch nicht so normal, wie heute, dass man fliegt.“
„Damals?“, unterbrach ich ihn. Ich hatte mich schon gewundert, dass er gesagt hat, dass er seine ersten 18 Jahre hier verbracht habe. Ich war nämlich der Meinung gewesen, dass er höchstens 18 Jahre alt war, aber da hatte ich mich wohl getäuscht. Er reagiert nicht auf meine Frage, sondern schaute mich nur mit einem strafenden Blick an. Er trank einen Schluck und fuhr fort: „Als wir an dem Flughafen ankamen, kamen zwei andere Männer auf das Auto zugelaufen. Sie zogen mich aus dem Auto und schoben mich in ein kleines Flugzeug hinein. In dem Moment bekam ich furchtbare Angst. Ich war vorher noch nie aus Berlin weggekommen. Dafür hatten Dad und ich nie genug Geld gehabt. Nun sollte ich aus Berlin wegkommen und für lange Zeit auch nicht wiederkommen. Als das Flugzeug abhob, wurde ich nervös. Es war das erst Mal, dass ich flog. Nach einigen Stunden schlief ich endlich ein. Aber auch schlafend verging die Angst nicht. Ich hatte einen Traum: Ich befand mich in einem Tunnel. Es war stockdunkel. Noch nicht einmal meine Hand konnte ich vor meinen Augen sehen. Ich drehte mich um. In der Ferne sah ich ein Licht. Da musste es wohl rausgehen. Also lief ich los. Der Boden unter meinen Füßen war uneben und steinig. Daher kam ich nur sehr langsam voran. Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir. Wurde ich verfolgt? Ich drehte mich um, konnte aber nichts sehen. Aber wie auch? Es war stockdunkel. Also kämpfte ich mich weiter voran. Da hörte ich das Geräusch schon wieder. Jetzt war es deutlich näher. Ich traute mich nicht, mich noch einmal umzudrehen. Das einzige, was ich jetzt wollte, war weg von hier. Also rannte ich los. Ich hoffte, dass ich nicht stolpern würde. Im ersten Moment hörte ich nichts mehr. Aber dann war da wieder etwas. Es waren Schritte. Sie kamen immer näher. Ich rannte schneller. Immer auf das Licht zu. Aber es wollte und wollte einfach nicht näher kommen. Schließlich konnte ich sogar den Atem meines Verfolgers spüren und auch riechen. Er stank abscheulich. Irgendwie nach totem Tier und etwas verfaultem.
Auf einmal stoß ich gegen etwas, das am Boden lag - Vermutlich ein Stein – und fiel. Ich stieß mir mein Knie. Als ich mich umdrehte, sah ich in zwei hell leuchtende Augen. Endlich wachte ich mit einem lauten Schrei auf. Im ersten Moment wusste ich nicht wo ich war. Aber nach einem Moment fiel mir alles wieder ein: der Mann, der mich seit Wochen verfolgte, unsere Fahrt durch Berlin, der Flughafen, das Flugzeug… In dem Moment wurde mir klar, dass wir immer noch flogen. Vorsichtig stand ich auf und ging ein paar Schritte. Plötzlich hörte ich, wie sich Personen unterhielten. Ich blieb stehen und lauschte:
„… hast Recht. Er könnte es wirklich sein.“
„Ich bin mir bei ihm so sicher, wie bei keinem zuvor!“
„Aber wenn er es auch nicht sein sollte, wird der Herr uns wieder losschicken. Ich kann das Alles nicht noch einmal durchstehen.“
„Musst du nicht! Diesmal ist es der…“
In dem Moment stieß ich mit dem Fuß gegen einen auf dem Boden stehenden Karton. Das Gespräch verstummte sofort und die beidem Männer kamen herausgerannt. Ich wurde wieder in dem Raum gebracht, in dem ich bis eben geschlafen hatte und ab da, wurde ich die ganze Zeit bewacht. Lange grübelte ich über das Gehörte. Aber ich kam auf keine Lösung.
Nach mehreren Stunden landeten wir endlich. Ich hatte keine Ahnung, wo wir jetzt waren. Als ich aus dem Flugzeug gebracht wurde, war alles weiß um mich herum. Hier lag unglaublich viel Schnee. Egal in welche Richtung ich schaute, überall lag Schnee. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Schnee gesehen. Erst recht nicht im Sommer. Plötzlich fing ich furchtbar an zu frieren. Aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken: Schon wurde ich weitergezogen. Wir liefen auf einen Schneeberg zu. Erst jetzt sah ich, dass dort der Eingang zu einer Höhle war. Genau dorthin wurde ich gebracht. Die Höhle stellte sich als langer Gang heraus. Hier drinnen war es schon viel wärmer. Wir hasteten weiter, bis wir schließlich in eine riesige Höhle kamen. Hier waren viele Leute. Es wunderte mich, dass so viele Leute hier waren, weil wir waren mitten im Nirgendwo. Was wollte sie alle hier? Auch diesmal wurde mir keine Zeit zum Nachdenken gelassen. Ich wurde quer durch die Halle gezogen. Die Höhle war riesig. Vorher war ich noch nie in einem so großen Raum gewesen. Aber leider waren wir schon an einer Wand der Halle angekommen und wir verließen sie und kamen in eine kleine Höhle. Sie war etwa so groß, wie dein Zimmer.“
Ich unterbrach ihn zum zweiten Mal: „Kannst du dich bitte etwas kürzer fassen? Ich muss langsam ins Bett schlafen. Deine Geschichte ist echt interessant, aber ich kann morgen in der Schule ja schlecht sagen, dass ich leider etwas müde bin, weil mir irgendjemand seine Lebensgeschichte erzählen musste.“
Er nickte nur und fuhr fort: „Es ist nicht mehr viel. Aber jetzt kommt das Wichtigste! Also in dem Raum saß ein alter Mann. Ich wurde auf einen Stuhl gedrückt und die drei Männer, die mich hergebracht hatten, verschwanden wieder. Nun war ich mit dem Mann alleine.
„Sie haben dir nichts erzählt, oder?“, fragte mich der Mann.
„Nein haben sie nicht! Was soll das alles hier? Ich will nach Hause! Mein Vater warten sicher schon auf mich und macht sich furchtbare Sorgen!“, antwortete ich sauer.
„Das geht nicht!“
Und dann erzählte er mir alles: Ich war in „Nêrens“, das war mitten in Alaska. Die ganzen Leute, die ich hier gesehen hatte, waren keine Menschen, sondern Elfen. Genauer gesagt Eis-Elfen. Sie lebten schon lange vor den Menschen auf dieser Erde und waren entsetzt darüber, wie die Menschen ihre Erde zerstörten. Sie wollten etwas dagegen unternehmen, dürfen aber eigentlich nicht mit den Menschen reden. Das hatten sie, als die Menschen entstanden, so abgestimmt. Und daran wollten sie sich auch weiterhin halten. Also brauchten sie eine andere Lösung. Seitdem suchen sie nach einem starken Menschenjungen, der als „Boote“ dienen sollte. Aber die Jungen waren alle sehr schwach. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie noch keinen gefunden, der länger als zwei Tage überlebte. Nun war ich also der nächste Junge.“
Ich war völlig sprachlos und starrte André nur noch wortlos an. Daraufhin sagte er: „Ja, ich weiß, das klingt jetzt alles ein wenig unwirklich, aber ich habe dich gewarnt!“
„Ja, klingt es wirklich!“, sagte ich nachdenklich. Jetzt war nicht mehr an schlafen zu denken. Ich beschloss noch einen Moment nach draußen zu gehen, ich brauchte unbedingt frische Luft.
Als ich wieder in mein Zimmer kam, schlief André schon. Aber diesmal lag er auf dem Sofa, nicht mehr in meinem Bett. Ich musste lächeln. Also legte ich mich in mein Bett und schlief komischerweise fast sofort ein.
Ich rannte mit nackten Füßen über eine Wiese. Ich spürte das weiche Gras. Ich genoss es einfach rennen zu können. Aber ich war nicht alleine. Rechts neben mir war André und an meiner linken Hand hielt ich Lucy. Einige Meter vor uns endete die Wiese und ging in einen kleinen Kiesstrand über. Dahinter begann ein riesiger See. Das Ufer des Sees war von Gebüschen gesäumt. Das Wasser hatte eine wunderschöne hellblaue Farbe und war glasklar. Es sah sehr erfrischend aus. Erst jetzt merkte ich, wie heiß es war. Die Sonne brannte auf uns herab. Mir brach der Schweiß aus. Ich wollte unbedingt in dem See schwimmen. Wir kamen dem See immer näher. Nun waren es nur noch wenige Meter. Ich sah an mir herunter. Ich hatte ein helles Sommerkleid an und darunter vorsorglich meinen Badeanzug gezogen. Viel zu lange war ich nicht mehr schwimmen gewesen. Im Laufen zog ich mir mein Kleid aus. Ich lief über den Kiesstrand. Die Steinchen waren schön abgerundet und ich spürte ihre angenehme Wärme unter meinen Füßen. Gerade als ich mich in die Fluten stürzen wollte, merkte ich, dass das Wasser von Nahem gar nicht mehr so verlockend aussah. Jetzt war es trüb, braun und stank fürchterlich. Gerade so kam ich noch schwankend zum Stehen. Die Steinchen unter meinen Füßen waren nicht mehr rund und angenehm warm, sondern glühend heiß und scharfkantig. Sie schnitten mir in die Füße und verbrannten diese. Erst nachdem ich mich von dem Schock erholt hatte, merkte ich, dass Lucy nicht mehr an meiner Hand war und auch André stand nicht mehr neben mir stand. Panisch sah ich mich um.
„Charlie!“, hörte ich da Lucys panische Stimme. Sie war in dem See und schien sich nicht über Wasser halten zu können, was mich wunderte, denn Lucy war eine sehr gute Schwimmerin. Da tauchte André neben ihr auf und ging gleich darauf wieder unter. Ohne zu zögern stürzte ich mich in die Fluten und schwamm so schnell ich konnte auf Lucy und André zu. Als ich endlich bei ihnen ankam, tauchte ich sofort nach den beiden. Schließlich bekam ich beide zu fassen. Aber jetzt hatte ich nicht mehr genug Kraft, um beide heil an die Wasseroberfläche zu befördern. Ich musste mich entscheiden. Aber ich konnte Lucy doch nicht ertrinken lassen! Und André sollte ich gerettet haben, damit er jetzt ertrank? Nein, das konnte ich auch nicht zulassen! Aber beide konnte ich auch nicht retten. Ich musste mich entscheiden, und zwar schnell. Ich merkte nämlich, wie mir allmählich die Luft ausging.





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