Charline Müller - Teil 3

Autor: Wibke
veröffentlicht am: 04.05.2012


Hey Leute!

Ich hoffe, euch gefällt die Geschichte. Ich freue mich immer über Kommentare und Kritik!
Liebe Grüße
Wibke


Ich wusste schon wieder nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte ja schlecht sagen, dass meine Mum eine sehr schlechte Beziehung zu Männern hat. Aber ich konnte auch nicht nichts sagen, weil Leo mich so fragend anschaute. Also beschloss ich ihm zu erklären, dass ich jetzt noch nicht darüber reden möchte. Er schien etwas enttäuscht, aber er gab sich mit dem Versprechen zufrieden, dass ich es ihm ein anderes Mal erklähren werde.
Der restliche Schultag verging recht schnell. Wir hatten noch Physik und Englisch und dann wurden wir entlassen. Auf dem Weg zum Bus fragte mich Leo, was ich heute Nachmittag so vorhätte und ob er mir die Stadt zeigen darf. "Ein anderes Mal gerne, aber wir haben noch so viel zu tun, wegen dem Umzug und das Ganze." Irgendwie schaffte ich es schon den ganzen Tag Leo zu enttäuschen. Also versprach ich ihm, dass wir Samstag zusammen losziehen können. Er stimmte zu und sagte, dass er um 15 Uhr bei mir sein würde. Ich gab ihm meine neue Adresse und er stellte fest, dass wir nur zwei Straßen auseinander wohnen. So hatten wir auch fast den gleichen Schulweg. An einer Kreuzung verabschiedeten wir uns von eineander.
Zu Hause war keiner da, ich hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Lucy hatte länger Schule und Mum war immer irgendwo unterwegs, vielleicht suchte sie sich einen Job, war einkaufen oder saß in irgendeinem Cafe. Ich war es gewohnt, alleine zu sein, wenn ich nach Hause kam. Ich hatte jetzt also zwei Stunden Zeit, um alleine ein wenig im Haus herumzuwerkeln, bis meine kleine Lucy nach Hause kam und dann werde ich wahrscheinlich nicht mehr zu so viel kommen, weil Lucy mir alles von ihrer neuen Schule erzählen wollen wird und alles wissen will, wie es bei mir war. Also machte ich mich an die Arbeit und räumte Kisten aus und Schränke, Komoden und Regale ein. Irgendwie ging es immer schneller, entweder hatten wir mittlerweile weniger Zeug oder ich bekam Übung. Ich glaube es ist eine Mischung aus beidem. Die zwei Stunden vergingen ziemlich schnell und schon klingelte es an der Haustür und mein Engel stand vor der Tür. Und wie ich es erwartet hatte, fing sie gleich an zu erzählen. Ihr ging es gut und sie hatte schon eine neue Freundin gefunden. Ich war sehr erleichtert, dass sie den Umzug so leicht überstanden hatte. Ich hatte große Angst davor gehabt, dass sie enttäuscht von der Klasse, der großen Stadt und der neuen Schule sein würde. Aber sie würde zurecht kommen und der erleichterte mich sehr. Ich beantwortete auch brav ihre Fragen über meine Schule, während ich Pfannkuchen machte. Pfannkuchen war das Lieblingsessen von Lucy und ich mag sie auch ganz gerne, vor allem deswegen, weil sie so schön leicht zu machen und schnell fertig waren.
Nach dem Essen half ich Lucy bei ihren Hausaufgaben und machte meine eigenen. Später räumten wir gemeinsam Lucys und mein Zimmer ein und beratschlagten uns bei der Gestalltung gegenseitig. Lucy hatte das größere Zimmer, sie wollte es unbedingt Pink haben, ich versuchte es ihr auszureden, aber sie wollte sich nicht umstimmen lassen. Irgendwann gab ich dann nach und sie bekam ihr pinkes Zimmer. Ich entschied mich für ein warmes rot-orange. Nach dem Abendessen setzten wir uns zusammen in mein Zimmer und schauten einen Film. Später brachte ich Lucy dann ins Bett und setzte mich dann noch ein wenig in die Küche, um zu lesen. Gegen 23 Uhr kam dann auch mal Mum heim. Sie sah ziemlich fertig aus und ich machte ihr noch einen Tee und schickte sie dann ins Bett. Auch ich ging dann ziemlich müde schlafen.
Der Rest der Woche verging ziemlich schnell. Ich lernete meine Klasse besser kennen, freundete mich ein wenig mit Leo und seiner Clicke an, verlief mich immer seltener in der Schule und fühlte mich viel sicherer, als am Anfang der Woche, weil ich jetzt wusste, dass die Klasse echt okay war. Ich konnte mich eigentlich auf die ganze Klasse verlassen, nur bei Lisa und ihren Freunden musste ich aufpassen, wie ich mich verhielt und was ich sagte. Sie hatte mich von Anfang an auf dem Kieker. Aber da sie bloß zu viert waren und der Rest der Klasse auf meiner Seite stand, störte mich das nicht sonderlich. Ich denke Herr Ludwig hatte recht gehabt: die Klasse musste man einfach mögen. Am Freitag bekamen wir noch einen ganzen Batzen Hausaufgaben mit ins Wochenende, wogegen sich die ganze Klasse versuchte zu wehren, wobei ich erst richtig mitbekam, in was für eine gute Klassengemeinschaft ich da hineingekommen war. Alle hielten zusammen und stellten sich gemeinsam gegen die Meinung der Lehrer. Aber leider nützte es alles nichts, die Lehrer gewannen und wir bekamen unmengen Hausaufgaben auf. Sie schienen es schon zu kennen, dass die Klasse sich gegen Hausaufgaben wehrte und egal wie gute Argumente auf den Tisch gelegt wurden, sie wurden alle mit der einfachen Tatsache wiederlegt, dass wir freiwillig in die Schule gehen und dass wir sonst nicht mit dem Stoff durchkommen würden. Irgendwann gaben wir es dann auf, weil wir zu den Bussen mussten. Draußen fragte ich Leo, ob das öffters so laufen würde und er meinte nur, dass das noch gar nichts gewesen wäre, weil sie noch etwas träge von den Weihnachtsferien gewesen wären. Manchmal würde es sogar funktioniern, dass die Klasse am Ende wirklich ohne Hausaufgaben auf dem Raum gehen würde.
An der Kreuzung an, der wir uns immer trennten, meinte er: "Denk dran, morgen um 15 Uhr bin ich bei dir und zeige dir die Stadt!" Und das sagte er mit einer Überzeugung, die keinene Widerspruch duldete. Aber ich öffnetet trotzdem den Mund, um mich irgendwie noch herauszureden, doch er sah mich so streng an, dass ich ihn einfach wieder zuklappte. Da fragte Leo: "Warum willst du nicht mit mir weggehen und warum erzählst du mir nicht, warum ihr umgezogen seit? Magst du mich wirklich so wenig?"






Da fragte Leo: "Warum willst du nicht mit mir weggehen und warum erzählst du mir nicht, warum ihr umgezogen seit? Magst du mich wirklich so wenig?" - "Doch, Leo, ich mag dich wirklich. Es ist nur..." - "Was", unterbrach er mich "vertraust du mir nicht?" - "Doch, aber..." Weiter kam ich wieder nicht, weil er mich schon wieder unterbrach: "Aber? Nun sag schon! Wenn du willst können wir das Morgen auch lassen, aber dann kannst du dir auch neue Freunde suchen, weil ich es echt billig finde, wenn du erst so auf gute Freundin machst und dich dann aber nie mit mir treffen willst. Irgendwie komme ich mir ziemlich doof vor, wenn du nur in der Schule mit mir sprichst!" Er war richtig sauer und enttäuscht.
"Leo, es hat nichts mit dir zu tun", versuchte ich ihn zu beruhigen, aber er unterbrach mich schon wieder: "Nicht mit mir? Mit wem denn sonst? Mit dem Heiligen Geist oder mit wem?" "Jetzt lass mich doch endlich mal ausreden, wie soll ich dir denn etwas erklären, wenn du mich nicht mal zu Wort kommen lässt?" Er schaute mich schweigend und auch etwas erstaunt an, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich auch etwas lauter werden kann. "Also, es hat wirklich nichts mit dir zu tun, sondern mit meiner Mum. Sie ist auch der Grund, warum wir umziehen mussten. Sie hat große Angst vor Männern, sie wurde bereits zweimal sitzen gelassen", mir traten schon wieder die Tränen in die Augen. Wütend wischte ich sie weg. "Das erste Mal als sie mit mir schwanger war und sechs Jahre später mit meiner kleinen Schwester schon wieder. Seitdem sieht sie in allen Männern nur das Schlechte und hat sich total fallen gelassen. Sie lebt in ihrer eigenen welt und hat sich total in ihre Arbeit zurückgezogen. Ich sehe sie nur noch manchmal morgens beim Frühstück und abends warte ich meistens auf sie, um ihr noch einen Tee zu machen und sie dann ins Bett zu bringen, und so lange an ihrem Bett sitzen zu bleiben, bis sie schläft. Wenn ich das nicht machen würde, würde sie gar nicht erst schlafen gehen, weil sie sonst die ganze Nacht weinend wachliegen würde. Auch ist sie oft so verzweifelt und enttäuscht von ihrem Leben, dass sie ewig das ganze Haus zusammenschreit und man alles nur falsch machen kann. Und dann ist da noch meine kleine Schwester, die das alles nicht verstehen kann und total verzweifelt, wenn Mum wieder einen ihrer Ausraster hat. Sie hat mich schon oft gefragt, ob sie der Grund ist, dass Mum so sauer ist. Versuch das mal einem zehn Jährigen Mädchen zu erklären! Ich muss immer für meine Mum da sein und für meinen kleinen Engel und dann muss ich noch den Haushalt machen und dafür sorgen, dass alles mit dem Umzug glatt läuft und dass Lucy in der Schule gut klar kommt und nebenbei muss ich auch noch irgendwie mein Abi machen und dann soll ich noch mit dir in der Weltgeschichte rumgeistern? Verstehst du jetzt, warum es so schwierig für mich ist, mich mit dir zu treffen?" Jetzt liefen mir die Tränen in Bächen die Wangen herunter. Leo schien nicht so ganz zu wissen, was er darauf antworten sollte. Schließlich kam er auf mich zu, strich mir die Tränen von der Wange und nahm mich fest in den Arm. Das hatte schon lange keiner mehr gemacht - mich in den Arm genommen. Es tat gut festgehalten zu werden und nicht immer alle festzuhalten und überall dafür zu sorgen, dass alles glatt läuft. Das erste Mal seit einigen Wochen konnte ich mal wieder durchatmen und einfach abschalten. In dem Moment musste ich an nichts denken, alles war egal. Ich wünschte mir, dass dieser Moment ewig anhält, aber das war mal wieder einer der Wünsche, die nie in Erfüllung gehen werden. Und so auch diesmal nicht. Schließlich löste Leo sich von mir und sagte: "Tut mir leid, Charly, das wusste ich nicht, sonst hätte ich dich nicht gefragt." - "Schon gut konntest du ja nicht wissen..." Darauf antwortete er: "Ja... Wenn ich irgendwas für dich tun kann, dann sag einfach bescheid, okay?" Ich nickte und sagte: "Wenn du willst kannst du morgen trotzdem kommen, ich weiß nur nicht, ob wir weggehen können und du musst entschuldigen, dass es etwas unordnetlich ist" - "Ja gerne. Ich bin wie verabredet um 15 Uhr bei dir, okay?" - "Ja okay, bis dann" - "Ciao".
Als ich nach Hause kam, merkte ich schon an der Haustür, dass etwas nicht stimmte: sie war nicht abgeschlossen, obwohl keiner zu Hause war. Ich war heute morgen als letzter aus dem Haus gegangen und war mir hundertprozentig sicher, dass ich sie abgeschlossen hatte. Und wenn Mum zwischenzeitlich dagewesen wäre, hätte sie die Tür abgeschlossen. Auf dem Anrufsbeantworter war eine Nachricht. Auch darüber wunderte ich mich, denn normalerweise rief nie jemand bei uns an:
"Guten Tag Familie Müller! Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Theresa Müller einen schweren Unfall hatte und nun hier im Krankenhaus liegt. Sie ist die Treppe hinunter gestürzt und hat sich dabei das Genick gebrochen. Sie ist außer Lebensgefahr, liegt nun aber im Koma. Sie wird noch einige Tage hier im Krankehaus bleiben müssen, wahrscheilich sogar Wochen und vielleicht Monate. Wenn sie viel Pech hat, wird sie nie wieder aufwachen. Aber ihre Chancen stehen gut. Auch wenn man noch nicht sagen kann, ob sie jemals wieder wird laufen können. Frau Müller liegt in dem Krankenhaus "Am Brandenburger Tor". Wir hoffen auf eine baldige Genesung."






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