Willkommen in meinem Leben - Teil 26

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 05.10.2011


Es ist knapp vor Mitternacht, als wir den Saal verlassen. Mit Maleen und Anna habe ich kaum ein Wort geredet, und Sophia war den ganzen Abend lang nur am hin und her rennen und mir tat sie wirklich Leid, dass sie so schuften musste, während ich fast nur rum saß; lediglich einmal stand ich wirklich auf und das nur, weil Luca mich mehr oder weniger dazu gezwungen hat, mit ihm zu tanzen, obwohl ich es nicht kann – nicht mal ein bisschen.
„Ihr wollt gehen?“ fragt mich Maleen und hält mich am Arm fest, als ich gerade neben Luca und hinter seiner Familie durch die Eingangstür des Saals gehen will. Neben Maleen stehen Anna und John und irgendein Junge, den ich nur vom Sehen her kenne. Ich vermute, dass es David ist.
„Ja, ich…“ stotterte ich und zucke dann mit den Schultern: „Ja, ich hab’ keine Lust mehr“
„Ich auch nicht“ stimmt mir Luca zu und schaut dann zu John. „Danke für die gute Auswahl der Bilder“
Anna fängt an zu lachen: „Das war das Beste vom Abend würde ich sagen!“
Und auch, wenn Anna manchmal etwas dümmlich wirkt und ihr nur selten zustimmen kann, weil sie viel Unsinn redet, so muss ich es in diesem Moment doch tun.
„Danke für die Komplimente. Ihr schmeichelt mir“ meint John gespielt. Und gerade rechtzeitig bevor Maleen wieder anfängt von sich zu plappern, zieht Luca mich sanft weiter: „Wir müssen echt gehen… Bis bald“
Die abkühlende Sommerluft schlägt mir entgegen und ich bin dankbar für die frische Luft. Ein sanfter Wind weht und bläst mir einige Haarsträhnen ins Gesicht. Ich schaue zu Luca hoch und will ihm etwas sagen, als mir sein Vater zuvor kommt: „Wo bleibt ihr denn?!“
„Wir waren noch kurz bei Freunden“ erwiderte Luca knapp angebunden, während er sein Auto aufschließt.
Fabrice bleibt stehen und dreht sich ebenfalls zu uns um: „Kommt ihr auch mit nach Hause?“
Luca lacht leise über seinen Bruder und schüttelt mit dem Kopf: „Nein, wir kommen nach“
Überrascht schaue ich ihn an und frage dümmlich: „Wir kommen nach?“ Ich dachte, wir fahren mit seinen Eltern gleich zu ihm nach Hause, doch er hat anscheinend anderes vor.
„Gut, bleibt aber nicht mehr allzu lange!“ meint Lucas Mutter besorgt. „Lydia sieht müde aus“
Ich bin froh, dass es dunkel ist, denn so sieht niemand, dass ich wieder einmal rot anlaufe. Luca nickt seiner Mutter nur beruhigend zu und steigt dann ins Auto ein.
Ich lasse mich mit einem Seufzen neben ihm nieder und ziehe sofort meine Schuhe aus. Meine Füße schmerzen und ich habe das Gefühl, dass ich keinen weiteren Meter mehr laufen kann. „Tut mir Leid“ sage ich an Luca gewandt. „Aber meine Füße bringen mich um“
Er lächelt mich liebevoll an und nickt nur. Aber sagen tut er nichts.
„Ist deine Mutter Franzosin?“ platzt es mir plötzlich heraus und er zieht nur prüfend die Brauen nach oben und nickt dann. „Ja, sie kommt aus Frankreich. Vor 25 Jahren ist sie mit meinem Vater nach Deutschland gekommen“
Ich reiße überrascht die Augen auf: „Bist du zweisprachig aufgewachsen?!“
Er lacht und nickt: „Sonst hätte ich mein mündliches Abi nicht in Französisch gemacht“
Ich beiße mir auf die Lippen und nicke, dann sage ich: „Deine Mutter ist süß“
Skeptisch zieht er die Brauen nach oben, nickt aber schließlich: „Aber leider maßlos besorgt… Seit ich mit dem Boxen angefangen habe, versucht sie es mir auszureden“
Ich zögere eine ganze Weile und denke über seine Aussage nach. Anscheinend haben seine Eltern ganz bestimmte Erwartungen an ihren Sohn.
„Deine Eltern… haben sie bestimmte Vorstellungen davon, was du tun und lassen sollst?“
„Meine Mutter eher weniger. Mein Vater schon“ Seine Stimme klingt nun zerknirscht und er schüttelt mit dem Kopf: „Er will, dass ich Jura in Harvard studiere“
Er knallt mir dies einfach so an den Kopf und zum ersten Mal wird mir bewusst, dass Luca jetzt tatsächlich sein Abi hat; er hat seine mündliche Prüfung hinter sich; seine Ergebnisse werden in einer Woche eintreffen und danach wird er studieren gehen. In irgendeiner anderen Stadt – vielleicht sogar in einem anderen Land.
Ich schlucke hart. „Und… willst du das auch?“
„Jura studieren? Und das in Harvard?“ Er lacht, als hätte ich irgendeinen Witz gemacht. Doch sein Lachen klingt alles andere als freudig „Ganz sicher nicht!“
„Ich könnte mir dich aber gut als Anwalt vorstellen“ sage ich wahrheitsgemäß und füge dann schnell hinzu: „Du musst aber nicht gleich nach Harvard abhauen!“
Während er an einer roten Ampel hält, schaut er mich vielsagend an und meint: „Ahhh, jetzt weiß ich worum es dir geht“ Leicht stupst er mich mit dem Ellenbogen an.
Mir wird heiß und kalt zugleich, wende mich von ihm ab und räuspere mich: „Wohin willst du eigentlich?“
„Wechsel’ nicht schon wieder das Thema, wenn’s unangenehm wird“ mahnt er mich und ich spüre seine Hand in meinem Nacken. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut und schaue ihn wieder an. „Du wirst bald gehen“
Er schweigt eine Weile, schaut mich nur an und übersieht dabei, dass die Ampel auf Grün gesprungen ist. Hinter uns ertönt ein Hupen und Luca nimmt schnell seine Hand von mir und fährt weiter. „Bis zur Landesmeisterschaft hast du mich noch“
„Wann ist die?“
„In zwei Monaten. Solange bin ich noch da“
„Und danach?“
„Danach hast du mich auch noch“ Er lächelt mich liebevoll an, doch ich schüttele nur mit dem Kopf: „Das meine ich nicht!“
Er seufzt leise und schaut mich wieder an: „Was meinst du dann?“
„Dass du bald weg bist – und ich bin… nun ja, ich bin hier“
Etwas verständnislos sieht er mich an und ich schüttele schnell mit dem Kopf: „Ach, vergiss es einfach“
Eine Weile schweigt er, dann sagt er heftig: „Lydia, ich habe doch selber keine Ahnung, was ich machen soll! Ich weiß noch nicht einmal, was ich studieren will! Mein Vater sitzt mir mit Harvard im Nacken, weil er von mir erwartet, dass ich ein guter Anwalt werde und meine Mutter redet mir permanent das Boxen aus und dann noch die Sache mit dir – mit uns… Kannst du dir nicht vorstellen, dass du nicht die Einzige bist, für die das gerade nicht ganz leicht ist?!“
Es ist das erste Mal, dass er mir gegenüber so dermaßen die Stimme erhebt; dass er mir von seinen Sorgen erzählt; dass er so dermaßen die gelassene und charmante Fassade fallen lässt.
Kurz schauen wir uns nur schweigend an, bis er sich von mir abwendet und den Wagen zum Parkplatz des Planetariums lenkt.
„Ich…“ stottere ich, breche aber relativ bald wieder ab, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Also seufze ich nur: „Luca, es tut mir Leid“
Er schüttelt nur mit dem Kopf: „Schon okay“
„Nein, es war egoistisch!“
„Mach’ dir keine Gedanken mehr. In zwei Monaten können wir noch mal darüber reden“ Er lächelt mir zu, doch es ist nur ein dünnes Lächeln.
Ich zögere kurz, doch dann frage ich: „Was machen wir hier?“
„Heute ist Sternschnuppennacht“ Er schaltet den Motor aus und steigt aus. Ich folge ihm schnell. „Was für eine Nacht?“ hake ich nach.
„Heute hat man die Chance ganz viele Sternschnuppen zu sehen. So einen Tag gibt’s ungefähr einmal im Jahr. Und nun ja, heute ist einer dieser Tage“ Er zuckt mit den Schultern und geht zum Eingang des Planetariums.
Die Treppen zur Kuppel hinauf sind steil und es sind nicht gerade wenig. Schon nach wenigen Metern bin ich außer Atem und mir wird zeitweise schwarz vor Augen, was ich auf das Glas Sekt, das ich heute Abend getrunken habe, schiebe. Doch tief in meinem Inneren weiß ich, dass es daran liegt, dass ich zu wenig gegessen habe.
Ich trete hinter Luca durch Tür, die aus der Kuppel hinaus führt und ich bin nicht überrascht, dass wir nicht die einzigen hier oben sind. Und schon gar nicht das einzige Pärchen. Aber wir sind die Einzigen, die in Abendkleidung hier oben herumstehen. Vor allem ich in meinem Kleid komme mir maßlos overdressed vor. Ich schlinge meine Jacke fester um mich, da ich anfange zu frösteln.
Ich stelle mich an das Geländer, das einen davor bewahrt herunter zu stürzen und schaue nach unten, bis Lucas Stimme mich aufschauen lässt: „Da unten wirst du keine Sternschnuppen sehen“
„Es sieht alles so klein aus von hier oben“
Er lacht nur amüsiert über mich und schließt seine Arme von hinten um meine Taille. Ich lehne mich in seiner Umarmung zurück und schließe mit einem leisen Seufzen die Augen. Und dann rutscht es mir einfach so heraus. Ich denke nicht darüber nach, was ich sage – benebelt von der Schönheit der Sterne; von der frischen Sommerluft; von seiner Berührung.
„Ich bin froh, dass ich dich habe…Ich liebe dich“ flüstere ich und erst Sekunden später wird mir bewusst, was ich gesagt habe. Ich reiße die Augen auf und spüre seinen warmen Atem auf meiner Haut, als er leise lacht und mir ins Ohr flüstert: „Sag’ das noch mal“ Ich kann mir, auch ohne ihn anzusehen, das amüsierte Glitzern in seinen Augen gut vorstellen.
„Ich bin froh, dass ich dich habe“ sage ich ausweichend, als er seine Hände auf meine Schultern legt und mich mit sanftem Druck zu sich herumdreht. „Nein, ich meine das andere“
„Ich liebe dich“ wiederhole ich ehrlich und er grinst süffisant, legt den Kopf schief und fragt gespielt: „Wie bitte? Ich glaube ich habe dich nicht ganz verstanden“
Auch, wenn mich sein selbstgerechtes Verhalten auf der einen Seite ein wenig ärgert, so muss ich lachen und wiederhole erneut: „Ich. Liebe. Dich.“
Und auf einmal ist es ganz leicht es zu sagen – es ihm zu sagen.






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