Wenn die Gedanken nicht schweigen ... Teil 1

Autor: key
veröffentlicht am: 02.10.2008




Heyho Leute, das hier ist der versprochene Fortsetzungsband zu 'Liebe(skummer) und schachmatt' Aber auch, wenn ihr das nciht gelesen habt, könnt ihr den hier lesen, da sie nur in ganz geringer Weise aufeinander aufbauen. Hauptsächlich eigentlich nur in den Hauptfiguren. Das hier wird aber - weil ich mal Lust hatte, was neues auszuprobieren - eine Mischung aus Krimi und Liebesgeschichte. Ich hoffe, das ist okay ;)
Und wie immer: Kommentare sind ausdrücklichst erwünscht!!! Und jede andere Art von Feedback!!

Ich glaube, in diesem Moment war ich einer der glücklichsten Menschen überhaupt. Ich lag in Matthews Armen auf dem Sofa und wir guckten gemeinsam eine DVD. In solchen Momenten konnte ich mich ganz fallen lassen, konnte den ganzen Stress vergessen, den wir grade in der Schule hatten, weil es eben unser Abschlussjahr war, konnte alles, was an mir knabberte und mich beschäftigte entweder in allen Einzelheiten vor ihm ausbreiten, weil er mich verstand und mir zuhörte, weil er Lösungen wusste oder einfach nur, weil er mich tröstend umarmte. Oder aber ich konnte die unangenehmen Gedanken in Schubladen in meinem Gehirn drängen und Matthew half mir so quasi dabei, den Schlüssel dieser Schublade umzudrehen und einen großen Schrank davor zu schieben, um die Gedanken auch ja darin zu bannen.
Und immer wieder wenn ich daran dachte, was er für mich tat oder schon getan hatte, was er für mich bedeutete und wie sehr ich ihn liebte, wurde mir bewusst, dass ich ohne ihn einfach nicht mehr konnte.
Ich seufzte glücklich und vergrub meinen Kopf in der Mulde zwischen Hals und Schulter. Er lächelte mich an, zog mich noch enger an sich und murmelte, während er mir einen Kuss auf den Scheitel drückte irgendwo zwischen meinen Haaren 'Mh, das kitzelt …'
Ich lächelte ebenfalls und küsste ihn an seine empfindliche Stelle auf dem Hals. Und wie verdammt gut er wieder roch. Doch er hatte mir immer noch nicht verraten, welches Deo/Parfum er benutzte. Vielleicht war das auch besser so, ansonsten würde ich mir - glaube ich - dieses Parfum kaufen und meine Kopfkissen und mein Bett damit einnebeln und meinen Ranzen und mein Zimmer und alles eben und, wenn mich niemand davon abhielt, möglicherweise auch noch den armen Hund.
Wir redeten, kuschelten, lachten, machten Witze, neckten uns gegenseitig, schwiegen, unterhielten uns über den Film, den Alltag und alles, was uns beschäftigte. Wie immer eben, wenn wir zusammen waren.
Und schon zum wiederholten Male rutschte mein Gehirn an diesem Tag ab zu dem selben Gedanken, den ich vorhin schon gehabt hatte, dass Matthew mir half, meine unliebsamen Gedanken in die Schublade zu sperren, und zum zig tausendsten Mal wurde mir klar, wobei er mir außerdem noch half: Diese eine Tür zur Vergangenheit geschlossen zu halten, dafür zu sorgen, dass sie nie wieder aufgehen würde.
Auch wenn er nicht wusste, dass es diese Tür gab, und auch, wenn er niemals erfahren durfte, was sich dahinter verbarg, er hielt sie geschlossen. Und das war gut so.

***

Es war ein sonniger Samstag. Vielleicht war es der letzte sonnige Tag, bevor der Herbst zuschlagen würde. Bevor er seine Boten ausschicken würde, die mit Farbe und Pinsel die Umgebung in leuchtendes Gold und majestätisches Rot färben würden.
Ich atmete tief ein, fühlte richtig nach, wie die kalte Luft meine Atemwege hinab floss und stieß sie wieder aus. Ich schielte zur Seite und sah, wie sie mich musterte. Das tat sie oft. Ich hatte sie schon so oft gefragt, woran sie dabei dachte oder warum sie es tat, doch sie war mir nur jedes mal ausgewichen, hatte etwas belangloses geantwortet und dann ganz geschickt das Thema gewechselt oder sie hatte geschwiegen, gelächelt und mich geküsst. Und mit der Zeit hatte ich es aufgeben, sie danach zu fragen. Es würde der Tag kommen, an dem sie es mir von sich aus erzählen würde. Aber selbst wenn dieser Tag nie kommen würde, wäre es egal. Denn ich liebte sie und in gewisser Weise liebte ich es auch, ihre Blicke auf mir zu spüren und das Prickeln, dass sie damit auf meiner ganzen Haut auslöste. Jolie. Meine Jolie.
'An was denkst du gerade?'
Diesmal war sie es, die diese Frage aussprach, nicht ich … Und zum ersten mal konnte ich nachvollziehen, warum sie mir manchmal die Antwort schuldig blieb. Wenn sie dabei an etwas Ähnliches dachte, wie ich jetzt gerade, sollte es mir nur recht sein.
'Ach … nichts wichtiges … schau, da kommen schon die Anderen!'

***
Mir kam ein Spruch, den ich irgendwo mal gelesen hatte, in den Sinn.
'Der beste Freund ist der Mensch, mit dem du stundelang im Garten sitzen und schweigen kannst. Und dann wenn du gehst das Gefühl hast, dass dieses das beste Gespräch seit langem war' Auf Matthew traf das zu. Mit ihm konnte ich schweigen. Und das war mir wichtig.Matthew und ich hatten uns eine Stunde vor der mit den anderen abgemachten Zeit getroffen, um noch etwas Zeit für uns zu haben. Denn heute würden wir wieder alle zusammen auf ein Schachturnier fahren und wir hatten uns darauf geeinigt, dass es während dessen keine Zärtlichkeiten und Knutschereien gab, da sich ja jeder so gut es möglich war, auf seine Partie und sein Spiel konzentrieren sollte. Außerdem war es in letzter Zeit eine besondere Art der Rücksichtnahme auf Freddy, denn der arme Kerl hatte Liebeskummer, weil ihn seine Freundin sitzen hatte lassen. Die Anderen saßen schon im Auto und lächelten alle, als Matthew und ich auch einstiegen. Ich hatte echt tolle Freunde.
'Na, da sind ja unsre Turteltauben … Habt ihr euch wieder früher getroffen?'
Joan erwartete keine Antwort darauf, weil alle es wussten.
Es war eine gemütliche Fahrt und wir lachten dermaßen viel, dass mir, als wir endlich angekommen waren, der Bauch wehtat.
'Also …', setzte Freddy zu einer abschließenden Motivationsrede an, da er nicht nur unser Freund war, sondern irgendwie auch unser Trainer. Doch die angenehme Seite daran, dass er auch unser Kumpel war, war schlicht und ergreifend, dass seine Reden nicht langatmig, ermüdend, schwerfällig und zäh wie Kaugummi waren, sondern kurz und knapp und genau da trafen, wo sie sollten, eben weil er uns am besten kannte.
'… dass das klar ist: Wer ein Spiel verliert, kann nach Hause laufen!! Noch Fragen?'Er sagte das in einem scherzhaften Ton und wir wussten, wie es gemeint war, weil es eine Art Dauer-Joke zwischen ihm und uns waren. Es ist ihm noch nie darum gegangen, dass wir gewinnen, wichtig war einfach nur der Spaß an der Sache.
'Geht klar, Chef!', antwortete ich und salutierte mit übertriebener Ernsthaftigkeit.Ich lächelte Matthew an und schaute ihm kurz in die wunderschönen grünen Augen wegen denen er mir überhaupt erst aufgefallen war. Sie waren wie Gartenteiche. Tief. Beruhigend. Still. Und sie glänzten wie die Gartenteiche, wenn sich das Licht im Wasser brach und in alle seine Farbbestandteile aufspaltete. Er sah mich an und sein Gesicht veränderte sich zum Ansatz eines Lächelns. Und mir fiel zum ersten Mal auf, wie vertraut mir jede Regung, jede Veränderung dieses Gesichtes schon vertraut war, die Wangenknochen, die Nase, die vollen Lippen, fast schon jede Wimper.
'Aufwachen ihr beiden!!! Wenn ihr das jetzt dann beim Spielen auch so macht, dann lässt Freddy euch wirklich laufen!'
'Naja, vielleicht irritiert es ihre Gegner ja so sehr, dass sie sich fortwährend anstarren, dass sie einen totalen Mist spielen.'
Joan und Mary kicherten. Sie meinten es ja nicht böse.
Die beiden und ich gingen also noch mal aufs Klo und mussten uns deswegen von Freddy anhören 'Weiber …' Dann betraten wir gemeinsam den Turniersaal. Verglichen mit dem letzten Turnier, das wir gespielt hatten, war das fast schon ein Kaffeekränzchen. Das eben genannte letzte Turnier war nämlich gleichzeitig das Turnier, bei dem Matthew und ich uns vor über einem Jahr ineinander verliebt hatten, in München. Verglichen mit den dortigen vierhundert Teilnehmern, ist dreißig ja echt ein Witz. Wir setzten uns und tranken alle einen Schluck. Keiner sagte mehr etwas.
Das lag daran, dass sich bei jedem von uns jetzt wieder dieses Lampenfieber einstellte. Die Nervosität, die einen beim ersten Spiel die Hände zittern ließ, so sehr, dass es immer einen Moment dauerte, bis man sie wieder so weit im Griff hatte, dass man den Zug, den man gemacht hatte, auch aufschreiben konnte. Das flaue Gefühl, das den ganzen Magen ausfüllte und das Herz zum schneller und kräftiger Schlagen brachte. Das Gefühl, das einen schier um den Verstand brachte, das schrecklich war und wunderschön zugleich. Das Gefühl, das immer dasselbe war und doch jedes mal anders. Und dieses Gefühl war gut für uns alle, denn es verhinderte, dass wir überheblich wurden.
'Wer von euch ist Jolie?', durchbrach da eine Stimme unser tiefsinniges, schweres, angenehmes Schweigen.
'Ich, wieso?'
'Dein Gegner der ersten Partie ist leider verhindert, weil er im Stau steht. Aber er würde gerne die Partie morgen mit dir nachspielen, bei euch, wo ihr immer trainiert. Wäre das okay für dich?'
'Klar doch, hat er schon was darüber gesagt, wann?'
'So gegen fünfzehn Uhr?'
Ich blickte fragend in die Runde. Die Anderen spürten sofort, was ich wissen wollte. Ob jemand kommen und mir Beistand leisten würde. Denn sie alle wussten, dass bei mir die Nervosität immer am heftigsten zuschlug und dass ich jede Motivation, jeden Kameraden, der mir zuschaute, brauchen konnte. Das gab mir ein Gefühl von Sicherheit, das es leichter machte. Sicher konnte ich auch ohne. Aber diese Meisterschaft war wichtig für uns, es ging schließlich darum, sich einen Platz in der Liga zu erspielen. Matthew nickte kaum merklich, doch ich schüttelte den Kopf. Der Schiedsrichter sah uns verwirrt an. Er konnte ja nicht ahnen, dass Matthew wegen mit sein Fußballtraining sausen lassen wollte. Doch Matthew nickte nur wieder. Woraufhin ich wieder den Kopf schüttelte. Als das eine Minute so ging, setzte sich der Schiedsrichter auf einen Stuhl und diese Geste führte dazu, dass wir alle in einen totalen Lachkrampf ausbrachen. Als wir uns erholten hatten, gab ich meinen Widerstand auf, war ja Matthews Training und nicht meines, und ehrlich gesagt freute ich mich, dass ich ihm wichtiger war.
'Ja, ist okay.'
Ab da ging es dann richtig los. Für die anderen, meine ich.
Mein Gegner war ja nicht da. Also sah ich den anderen zu, stellte mich dabei jedoch jedes mal ganz bewusst so hin, dass sie mich nicht sahen und mich auch nicht spürten, denn im Gegensatz zu mir bekamen sie regelrechte Panik vor dem Versagen, vor einem falschen Zug, wenn sie bemerkten, dass ein Vereinskollege zusah. Die erste Runde gewannen Matthew und Mary, Freddy und Joan verloren. Doch das war egal. Es lagen immerhin noch ganze vier Turniersamstage vor uns. Die zweite Partie, also eigentlich meine erste, gewannen wir alle.Das Licht drang nur abgeschwächt durch die Fenster, da sich ein paar Wolken vor die ohnehin schon blasse Herbstsonne geschoben hatten. Unser Trainingsheim war nichts besonderes: Ein paar Tische, ein paar Stühle, ein Getränkeautomat, ein Klo und ein paar Gläser. Natürlich auch Schachbretter, Schachuhren und Figurensets. Aber das muss ich ja nicht extra erwähnen. Matthew und ich saßen da und hatten schon ein Brett aufgebaut. Ich sollte weiß haben, also übten wir zur Ablenkung, noch einmal ein paar Eröffnungen für weiß.
Da hörten wir die Tür des Trainingsheims ins Schloss fallen und schon kurz darauf hörte ich, wie die Eingangstür zum Spielraum, in dem wir uns befanden, geöffnet wurde. Da ich mit dem Rücke n zur Tür saß, konnte ich nicht erkennen, wer da eintrat, doch als ich das 'Hallo' hörte, fing mein Herz an zu rasen, so sehr, dass es sich beinahe überschlug und mir sackte der Magen gefühlte 20m in die Tiefe. Das konnte nicht wahr sein. Mein blut pulsierte durch meine plötzlich viel zu eng erscheinenden Adern und drohten meinen Kopf zu sprengen. Angst griff mit langen Fingern nach meinem Herzen.
Nein, nein, nein. Das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich. Allein von der Logik her. Ich hob also meinen Blick und drehte mich, nach außen hin so gefasst, wie ich nur eben konnte, um, um mich darin zu bestätigen, dass es eine Halluzination gewesen sein musste.Doch als ich den großen, gebräunten Jungen mit dem dunkelbraunen Haaren und den fast schwarzen Augen sah, fühlte ich mich, wie in ein zu enges Korsett aus dem Mittelalter gepresst. Meine Atemzufuhr wurde einfach gekappt, mein Herz setzte für zwei, drei Schläge aus, um hinterher nur so weiterzuhasten, als müsste es das Versäumnis aufholen. Und obwohl es warm war, fröstelte ich. Erstarrte in meiner Bewegung. Meine Gesichtszüge entgleisten mir.
Er war es.
Und etwas hinter der Tür zur Vergangenheit, die Matthew für mich so quasi geschlossen hielt, begann es zu toben und wüten. Etwas rüttelte schon an der Klinke zum Jetzt.
'Ist was?', fragte Matthew mich und musterte mich scharf. Er kannte mich gut genug.'Nein, alles okay!', antwortete ich betont ruhig. Und es war das erste mal, dass ich Matthew anlog.
Doch in mir schrie alles danach die Beine in die Hand zu nehmen und zu türmen.
Schließlich war er es …







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