Different - Fire - Teil 4

Autor: hazelgrace
veröffentlicht am: 04.11.2014


Ich schnappe mir alles an Materialien und chemischen Stoffen, die ich brauche und bringe sie zu meinem - ich sage dies ganz bewusst - Tisch. Rhys kippelt lässig auf seinem Stuhl herum und kaut laut schmatzend einen Kaugummi. Eron erwische ich dabei, wie er sich meine Zettel mit den Notizen und Gleichungen durchliest.
»Lass mal, ich mach das.«, sagt er und nimmt mir alles aus der Hand. Ich ringe mit mir selbst. Soll ich ihn das Experiment durchführen lassen? Was, wenn er damit nur Blödsinn anstellen wird?
Ich habe mich immer noch nicht entschieden, da hat Eron alles aufgebaut und bereits mit dem Experiment begonnen. Eine Chance gestehe ich ihm ein. Wenn er es vermasselt, nehme ich ihm alles wieder weg.
»Alter, stehst du auf Chemie?«, fragt Rhys perplex über Erons Reaktion. Meine Güte, Rhys kann das Wort "Alter" anscheinend nicht oft genug sagen!
Eron zuckt mit den Schultern. »Ich finde das nicht schwer, also Ja, vielleicht ein bisschen.« Meine Augen folgen haargenau seinen Bewegungen. Offenbar hat er mehr übrig für Chemie, als er sagt. Er weiß ganz genau was er tut, kein einziges Mal sieht er auf den Zettel, um sich die nächsten Schritte einzuprägen.
Als er nach der Streichholzschachtel greift, springt Rhys auf und drängt sich neben ihn.
»Gib mal her, ich will auch was machen!« Eron hält ihm das Reagenzglas hin.
»Du kannst das halten und den Korken rausziehen.«, bietet er ihm an und Rhys reißt es ihm praktisch aus der Hand. Doch dann blickt er ihn verwirrt an.
»Was is'n Korken?«
Eron wirft mir einen vielsagenden Blick zu, den ich nicht erwidere. Zu viel Augenkontakt führt zu einem Gespräch. Und das will ich ja vermeiden.
»Das ist dieses braune Teil da.«, antwortet er Rhys, der nichts mitgekriegt hat.
»Okay, Mann. Los!«
Er entfernt den Korken, noch bevor Eron das Streichholz angezündet hat. Es ist aber wichtig, dass der kleine Holzstab schon brennt, wenn der Inhalt des Reagenzglases mit Luft und somit mit Sauerstoff in Berührung kommt, sonst funktioniert die Knallgasprobe nicht.

Es ist reiner Zufall, dass ich genau in dem Moment auf Erons Hände blicke, wo er nur so tut als ob er das Holzstäbchen an der Schachtel anzündet. Es liegen mindestens zwei Zentimeter Luft zwischen der Schachtel und dem Streichholz, welches aufflammt.
Obwohl das unmöglich ist.
Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich die Flamme sehe, die sich leicht in Erons Richtung neigt, während er sie über das offene Reagenzglas hält.
Das "Plopp" höre ich gar nicht. Stattdessen kleben meine Augen auf Erons Hände und dem Streichholz, welches abrupt erlischt. Ich rieche sofort den Rauch, der in langen, dünnen, grauen Strängen nach oben steigt und sich schließlich langsam mit der Luft vermischt, sodass bald nichts mehr von ihm zu sehen sein wird.
»Geil!«, ruft Rhys, der nichts von alledem mitgekriegt hat, komplett begeistert aus. »Können wir das noch mal machen?«

Meine Hände zittern als ich nach meinem Stift greife, um die weiteren Aufgaben zu bearbeiten.
Mit meiner Konzentration ist es vorbei. Die Buchstaben verschwimmen zu einem einzigen Knäuel aus schwarzer Tinte.
WAS zum Teufel ist gerade passiert?! »Du hast vergessen, das auszugleichen. Da.«, ein langer Zeigefinger schiebt sich in mein Blickfeld und ich sehe mit einem Mal wieder klar. Eine kleine Zahl, mit einem Bleistift geschrieben. Es ist nicht meine Handschrift. »Ich war so frei und habe das korrigiert.« Erons Mundwinkel zucken nervös nach oben, er lächelt unsicher.
In meinem Kopf rattert es schmerzhaft, während ich versuche meine Gedanken zu ordnen. Obwohl die Lösung doch klar auf der Hand liegt! Nur will mein Gehirn sie irgendwie nicht erfassen.
»Entschuldige, ich hätte dich vielleicht zuerst darauf hinweisen sollen.«, fügt er schließlich zerknirscht hinzu.
Er sagt es so unschuldig, so glaubwürdig, dass mir die Worte einfach aus dem Mund rutschten.
»Schon gut.«
Fast unhörbar.
Aber dennoch laut genug, dass auch Rhys es hört.
Sein ungläubiger Blick bohrt sich durch mich hindurch.
»Wie krass ist DAS denn bitte?! Alter, du hast Niamh zum Reden gebracht!«, er fuchtelt wild mit den Armen in der Luft herum, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen. »Heute ist der Tag der Wunder, Mann!« Rhys strahlt, als hätte er gerade über eine Millionen Euro gewonnen. Doch dann, beugt er sich vor und raunt mit geheimnisvoller Stimme: »Ich hab schon geahnt, dass heute ein besonderer Tag ist, Alter. Weißt du, meine Mum hat mich letztens beim Kiffen erwischt, also muss ich das jetzt immer Nachts machen und mich irgendwohin verpissen, wo mich niemand sieht.« Eigentlich interessiert es mich einen feuchten Dreck, was Rhys gerade erzählt. Doch sein nächster Satz lässt mich aufhorchen. Und gleichzeitig zu Eis erstarren.
»Ich hab gestern so'n abgefahrenes Lagerhaus gefunden, das leer steht. Aber was drinnen abgegangen ist, ist noch abgefahrener: da waren Feuerspucker! Ich glaub, das ist deren geheimer Trainingsort oder so. Jedenfalls richtig geil!« Mir wird mit einem Mal richtig schlecht. Mein Kopf scheint zu explodieren, mein Puls rast, mein Herz schlägt wie verrückt gegen die Innenwand meines Brustkorbs.
Der Unbekannte von gestern war Rhys!
Am liebsten wäre ich vom Stuhl zu Boden gesunken und hätte meinen Kopf zwischen die Knie geklemmt. Aber ich muss mich zusammen reißen! Doch die Ereignisse scheinen sich jetzt zu überstürzen, was mir ganz und gar nicht gefällt.
»Feuerspucker? So was gibt es hier?«, fragt Eron überrascht und ich bin heilfroh, dass keiner von beiden mich in diesem Moment ansieht.
»Keine Ahnung, Mann, das ist das was ich zumindest glaub. Da waren total die Mega-Flammen und am Ende ist alles mit einem Mal verschwunden. Das müssen Feuerspucker gewesen sein, anders macht's sonst keinen Sinn.« »Denkst du die trainieren da jeden Abend?« Für meinen Geschmack will Eron definitiv zu viel über diese angeblichen Feuerspucker wissen. Führt er was im Schilde? Und wenn Ja, was?
»Kein Plan, Alter. Lass da heute Nacht hin und gucken!«, in Rhys Augen funkelt die Begeisterung wie bei einem Kleinkind. Auch Eron ist von seinem Vorschlag angetan, denn er grinst freudig.
»Klar. Wann? Und wo ist dieses Lagerhaus überhaupt?« »Weißt du wo der Spielplatz ist?« Eron nickt und Rhys erwidert: »Ich hole dich da um elf ab, klar Alter?« »Klar, Mann.«, das Blitzen in Erons Augen lässt mich kaum merklich erschauern. Er hat irgendetwas vor.


Eron

Es ist als ob ich in mein eigenes Spiegelbild blicke. Nur, dass es weiblich ist. Mit deutlich längeren Haaren und sanfteren, schmaleren Gesichtszügen. Ich weiß, dass sie so sein muss wie ich. Ihre Augen sind genauso kohlrabenschwarz wie meine. Und sie sagen mir, dass sie etwas verbirgt. Niamh trägt Make-up im Gesicht und auch auf ihren Händen. Zum Verdecken ihrer Narben?
Außerdem habe ich gespürt, dass etwas anders war, als ich das Streichholz habe entflammen lassen. Da war noch jemand anderes, ich habe mich nicht allein gefühlt.
Gut, vielleicht ist das nicht die Klügste Idee direkt vor den Augen eines Anderen meine Gabe zu praktizieren, aber ich musste überprüfen, wie sie reagiert.
Niamh ahnt es bestimmt, ich sehe es an ihren Augen, daran wie durcheinander sie wirkt, wie verbissen sie versucht sich zu konzentrieren.
»Wie kommen Sie voran?«, die Stimme von Herrn Dreese lässt uns alle zusammen fahren. Dieser guckt ein bisschen verwirrt, hakt dann aber nach, als niemand eine Antwort gibt. Von Niamh kann man keine erwarten und Rhys scheint auch nicht den Mund aufmachen zu wollen. Also sage ich: »Ähm, ganz gut. Wir haben gerade die Knallgasprobe durchgeführt.« »Unter "gut" verstehe ich etwas Anderes. Sie hängen ziemlich weit hinten. Halten Sie sich ran.«, lautet Herr Dreeses Befehl und ich nicke. »Ja, Herr Dreese.« Er geht weiter nach hinten, zu den anderen Tischen. Ich frage mich wieso Niamh ganz vorn sitzt, wo sie doch mit keinem spricht. Außer mit dir, flüstert eine innere Stimme.

Der Tag verläuft ansonsten ereignislos und ist nicht weiter erwähnenswert. Nach Chemie haben wir nur noch Kunst oder Musik. Ich habe Kunst gewählt und sitze neben Rhys in der drittletzten Reihe. Niamh ist auch in diesem Kurs, nur verschanzt sie sich nach ganz hinten in die letzte Reihe. Sie legt es anscheinend wirklich darauf an, dass sie mit niemandem spricht.





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