Schatten des Mondes - Teil 20

Autor: Ai
veröffentlicht am: 23.11.2012


„Was machst du da?“ Ich zuckte zusammen und drehte mich blitzschnell um. Eric lehnte am Stamm eines Baumes in dessen Schatten. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde daran denken, dass meine Anwesenheit hier unbemerkt bleiben würde?
Eric war sauer. Vermutlich wegen unserer letzten Begegnung am Freitag und weil ich um sein Haus geschlichen war.
„Gar nichts“, antwortete ich kleinlaut. Ich wollte ihn nicht in meine Pläne einweihen, falls man das überhaupt so nennen konnte. Die Stimmung zwischen uns war noch eisiger als sonst.
Er zog eine Augenbraue hoch. „Und das soll ich dir glauben?“
Meine Güte, konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? „Ja, das solltest du!“ Ich war im Begriff mich aus dem Staub zu machen, als ich seine Hand um meinen Arm spürte. Wütend drehte ich mich zu ihm um und schlagartig wich die Wut Erstaunen. „Eric, was ist mit dir?“
Er sah anders aus als sonst. Von seiner Haut aus stiegen kleine Rauchwolken auf. Er vertrug die Sonne nicht mehr. Der Zug seiner Hand an meinem Arm wurde stärker, es zwang mich dazu ihm in den Schatten des Baumes zu folgen.
Perplex blieb ich vor ihm stehen und starrte ihn mit offenem Mund an. „Was ist denn?“ fragte er genervt, als ich noch immer keinen Ton von mir gab.
„Du … du bist ein Vampir …“, stammelte ich.
Eric runzelte die Stirn. „Ich dachte, das wäre klar.“
„Ja, schon. Aber jetzt bist du ein richtiger Vampir!“ Ich weiß nicht genau, was mich daran so schockierte, ich wusste doch, dass das irgendwann passieren musste. „Du verträgst die Sonne nicht mehr und deine Augen …“ Seine Augen, erst jetzt wurde mir klar, was genau dieses Funkeln war. Es war die Fähigkeit der Vampire, andere Lebewesen nach ihrem Willen zu beeinflussen. „Das Leuchten deiner Augen …“ Ich war völlig perplex.
„Was ist damit?“ fragte er verwirrt.
„Es war magisch. Es war eine Vampirkraft.“
Er zuckte nur mit den Schultern.
„Hast du es absichtlich gemacht?“ Was, wenn er mich mit purer Absicht dazu gebracht hat, ihn zu küssen? Was hatte das dann zu bedeuten?
„Was? Nein. Ich wusste gar nicht, dass ich diese Fähigkeit hatte, bis du es mir gesagt hast.“
Aber was hieß das nun? Er hat es unbewusst getan, weil er in seinem Inneren wollte, dass ich ihn küsse? Ich hatte keine Ahnung, was dass alles zu bedeuten hatte.
„Vio …“
„Nein!“ ich riss mich von seiner Hand los und ging einige Schritte zurück. „Ich … ich muss gehen.“
„Vio!“
So schnell ich konnte rannte ich durch den Wald, sehr darauf bedacht immer in der Sonne zu bleiben. Ich hielt diese seltsam angespannte Stimmung nicht mehr aus. Was war nur zwischen uns? Und warum konnte es nicht einfach aufhören? In mir kam die Vermutung auf, dass Eric etwas für mich empfand. Aber diese Idee kam mir so idiotisch vor, dass ich sie sofort wieder verwarf.
Ich hatte nicht darauf geachtet, wo ich hinlief. Umso erstaunter war ich, als ich bei der Lichtung ankam, auf der letzte Nacht noch die kleine Holzhütte gestanden hatte. Ich erkannte sie sofort wieder. Die Bäume zeigten zwar keine Spuren des Feuers mehr – hier war eindeutig Magie im Spiel – aber auf der Wiese waren noch kleine Brandspuren zu erkennen. Sie waren so klein, dass jeder andere sie vermutlich übersehen hätte. Aber ich wusste ganz genau, was letzte Nacht hier passiert war und die kleinen verkohlten Stellen im Gras waren ein eindeutiger Beweis dafür, dass die Explosion und der Brand letzte Nacht kein Traum waren.
„Magicae ostende te“, flüsterte ich erneut, in der Hoffnung, dieses Mal einen roten Schimmer irgendwo erkennen zu können, aber alles, was zu sehen war, war wieder dieses regenbogenfarbene Leuchten. Es war genau an der Stelle, an der gestern Nacht noch die Hütte zu sehen war.
Genau wie bei dem Haus der Marleys. Was hatte das nur zu bedeuten? Warum war überall, wo ein Feuer ausbrach ein regenbogenfarbenes Leuchten zu sehen? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn. Frustriert ließ ich mich ins Gras fallen.
Ich ging alle Zauberarten noch einmal durch. Rot – Feuerzauber. Blau – Wasserzauber. Grün – Glücks- und Naturzauber. Weiß – Reinheitszauber. Schwarz – alle Zauber der dunklen Magie. Violett – Liebeszauber. Gold – materielle Zauber, also jeder Zauber, der einen Gegenstand heraufbeschwört. Das waren alle Farben, die ich kannte, doch von Zaubern die einen Regenbogenschimmer verursachten, hatte ich noch nie etwas gehört.
Ich lag in der Wiese und schloss die Augen. Langsam atmete ich ein und wieder aus. Ich roch den Duft der Blumen, die auf der Wiese wuchsen und noch etwas anderes. Ich hatte erwartet, dass ich den Geruch von verbranntem Holz wahrnehmen würde, aber das war es nicht. Es war etwas anderes und ich kannte diesen Geruch.
Das Rascheln des Grases neben mir ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Erschrocken schlug ich die Augen auf und setzte mich auf. Überrascht sah ich mich auf der Lichtung um, doch ich konnte niemanden entdecken. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Hatte ich mir das nur eingebildet? Vermutlich. Als ich mich gerade wieder in die Wiese zurück fallen lassen wollte, raschelte das Gras neben mir schon wieder. Es war ganz eindeutig links neben mir, keine Einbildung.
„Hallo“, hörte ich jemanden sagen, doch ich konnte niemanden sehen. Was war nur los hier?






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