Keith Richards

[Aus "The Rolling Stones" erschienen zur ´98 Tour]


"Daß Richards offenkundig genau so ist, wie er wirkt, ist ein ganz erheblicher Garant für den Fortbestand der Rolling Stones auf höchstem kommerziellen Niveau. Ihm ist man dankbar, daß er sich nicht angepaßt hat, daß er weiterhin all das tut, was man laut Ärzteschaft im eigenen Interesse besser bleiben lassen sollte. Er ist der lebende Beweis dafür, daß man doch eine Überlebenschance besitzt, selbst dann, wenn man ununterbrochen auf der Überholspur Vollgas gibt. Man will ihn sehen, um sicher zu sein, daß seine Existenz kein Gerücht ist, und erverkörpert noch etwas anderes, sehr Wesentliches: Musikalische Kontinuität. Mit ihm verbindet man künstlerische Ehrlichkeit und eine satte Portion Kompromißlosigkeit.

Diese Kompromißlosigkeit muß von irgendwoher rühren. Keith Richards hatte offenbar nicht allzu viele Lebensoptionen in die Wiege gelegt bekommen. In einem ziemlich chancenlosen Arbeitermilieu wuchs Richards als Einzelkind auf. Sein Vater Bert setzte auf eine ordentliche Erziehung nach Gutsherrenart, seine Mutter gab ihm das, was ledes Kind braucht: Liebe und grenzenloses Verständnis. Richards entwickelte sich zum typischen Muttersöhnchen, wachsweich, unsicher, gehemmt. Der Familienzweig mütterlicherseits hatte bereits einige Male bunte Vögel hervorgebracht. Der buntesten einer war Richards Opa Gus Dupree. Der Überlieferung zufolge ließ Opa Gus bis ins hohe Alter nichts anbrennen, schmiß mit nicht verdientem Geld nur so um sich, machte als Stimmungskanone von sich reden und er war Musiker! Klein Keith zeigte sich ein ums andere Mal hingerissen, wenn der Opa auf der Matte stand.

Stark beeinflußt vom skurilen Opa, stand für Richards spätestens mit 6, 7 jahren unverrückbar fest, was er später einmal machen würde: entweder als Cowboy durch die USA reiten oder als Musiker Karriere machen. In der Schule lernte das Muttersöhnchen die harten Seiten des Lebens kennen. Seine Penne war ein sozialer Brennpunkt, wie es so schön heißt. Wer dort hinging, lernte nicht nur lesen und schreiben. Er mußte sich durchsetzen, gegen Mitschüler und später auch gegen das Lehrpersonal, wenn er nicht hoffnungslos untergebuttert werden wollte. Allerorten konnte es Prügel geben, überall winkten Bestrafungen.

Er war keine schulische Leuchte und stellte irgendwann jegliche Lernbereitschaft ein. Richards verlagerte endgültig alle Energien auf das Gitarrespielen, sonderte sich von Freund und Feind ab, einzig unterstützt von seiner Mutter und dem Opa.

Die wesentlichen Charakterzüge des Keith Richards wurden während dieser frühen Jugendzeit gebildet. Seine irgendwie verzweifelten Ziele waren so glaskiar wie unrealistisch. Er kam aus der Unterschicht und musikalisch war er trotz aller Verbissenheit auch nicht gerade der geniale Überflieger. Hätte es mit dem Ruhm nicht hingehauen, wogegen damals so ziemlich alles sprach, würde er es vielleicht heute noch versuchen und von Club zu Club tingeln. Andererseits dürfte Richards eigene Einschätzung eher den Nagel auf den Kopftreffen."Ich wäre kriminell geworden, aber mit Stil."

Richards suchte Halt und Geborgenheit. Eine Gruppe, die sich einem Ziel verschrieben hatte, war genau das richtige für den einsamen Typen, dessen Chancen eher schlecht standen. Um so begieriger schloß er sich einem verschworenen Kreis von Gleichgesinnten an, die ihrerseits allesamt eher Einzelgänger waren.Seine Bedeutung für das Zustandekommen der Rolling Stones wird heute überschätzt, in den 60er Jahren wurde es unterschätzt. Zu der Zeit, als die Stones ihre ersten Erfolge feierten, fiel Richards Erscheinung fast genauso wenig auf wie die von Wyman oder Watts. Er sah aus wie ein halbstarkerAsi, damals noch nicht verlebt, und deshalb hätte man ihn auch gut für einen arbeitslosen Kfz-Mechanikerlehrling halten können, dem man eine Gitarre um den Hals gehangen hatte. Nur Jagger und Jones gaben den Stones Flair. Wegen ihnen kreischten die Girls, Richards lief nebenher.

Ihn juckte das nicht weiter, denn bandintern war seine Stellung von Anfang an von Bedeutung. Seine Aufgabe war es u.a., die Kluft zwischen Wyman/ Watts auf der einen Seite und Jagger / Jones auf der anderen Seite zu überbrücken. In dem Dreiecksverhältnis Jagger/Jones/Richards wechselten die Bündniskonstellationen während der ersten Zeit ständig. Richards paßte in jeder Hinsicht besser zu Jones, aber im Interesse des Bandprojekts, und nur das zählte, war die Connection zu Jagger mindestens genauso wichtig. Richards bewunderte Jones zwar als Musiker und beobachtete seinen exzessiven Lebenswandel mit wachsender Begeisterung, aber er erkannte sehr bald, daß er absolut unberechenbar war. Loyalität kannte er nicht, und das machte ihn suspekt. Als Richards mit Jagger zusammen begann, Songs zu schreiben, waren die Würfel im Bandgefüge gefallen.

Richards war im wahrsten Sinne des Wortes besessen von der Mission der Rolling Stones. Durch sie konnte er seine sonstigen Defizite kompensieren. Er arbeitete ohne Unterlaß, überall. Im Studio, unterwegs, zu Hause. Auf diese Weise entstand auch der größte Song der Rockgeschichte: Satisfaction. Ständig auf der Suche nach Inspiration wachte er in einem amerikanischen Hotelzimmer auf und hatte eine Tonfolge im Kopf. Er nahm sie auf Kassettenrecorder auf und vergaß sie wieder. Später erst kramte er das Fragment hervor und wollte zunächst eine akustische Folknummer daraus basteln, bis er auf die glorreiche Idee kam, ein Fuzzgerät an die elektrische Gitarre anzuschließen. Er haute sich die Birne mit Speed voll, um möglichst rund um die Uhr im Interesse der Sache wirken zu können.

Es wäre keine Beleidigung, Richards während dieser Phase als eindimensional zu bezeichnen. Nichts konnte den Mann hinterm Ofen hervorlocken, kein noch so leckeres Essen, kein guter Tropfen, kein Film, kein Buch und auch keine Frau. Vermutlich mit 19 jabren trat erstmals nach seiner Mutter eine Frau in sein Leben. Der Name: Linda Keith. Mit ihr blieb Richards bis 1966 zusammen. Im Gegensatz zu Wyman, Jones und mit Abstrichen auch Jagger, ließ ihn das ganze Groupietum um die Band einigermaßen kalt. Von Ausnahmen abgesehen störte das nur bei der Arbeit.Die Stones arbeiteten von Anfang an ohne Unterlaß. Es gab kaum Pausen. Der Motor drohte heißzulaufen. Man schaltete notgedrungen nach 1966 etwas runter und Richards stand auf dem Schlauch. Diese Ruhepausen ließen ihn ein ums andere Mal aus der Bahn kippen.

Bis heute bereitet es ihm Probleme, sich anderweitig zu beschäftigen, ohne Band rudert Richards auf dem Trockenen. Als er sich während einer Stones-Pause bei Brian Jones einquartierte, lernte er Anita Pallenberg kennen, die mit Jones zusammen das Traumpaar der ausgeklinkten Londoner Szene bildete. Zunächst nahm er die blonde Schauspielerin typischerweise nicht wahr. Später aber um so mehr. Als man zu einem gemeinsamen Marokko-Trip aufbrach, spannte er Jones die Freundin aus, was diesen fast vor die Hunde gehen ließ. Richards kam auf einmal auf andere Gedanken und begab sich mit dem blonden Gift auf einen jahrelangen, gemeinsamen Höllentrip. Richards war zu diesem Zeitpunkt in Sachen Drogen keineswegs unbeleckt, aber ihn interessierte hierbei nur die Möglichkeit, sich möglichst lange wach zu halten. Das sollte sich mit Anita Pallenberg gründlich ändern. Beide wurden binnen kürzester Zeit zu VolIblut-Junkies, die später nur noch der Stoff zusammenhielt. Zunächst bewirkte das Heroin bei Richards sogar noch eine Steigerung seiner Leistungsfähigkeit und auch Kreativität. Während der Jahre 1968 bis '70 steuerte er geniale Ideen und Kompositionen zum Stonesrepertoir bei und erledigte den weit überwiegenden Teil aller Gitarrenparts im Alleingang. Jones dämmerte nur noch völlig resigniert und mit allen möglichen Drogen vollgepumpt vor sich hin. Der harte Knochen Richards ließ ihn spüren, daß er von seiner Seite mit keinerlei Erbarmen rechnen konnte. Er hatte Jones die Frau ausgespannt, die diesem mehr bedeutet hatte als alle vorherigen Liebschaften, zusammen und nun reduzierte er ihn im Rahmen der Stones auch noch zum widerwillig geduldeten Statisten. Er sah Jones und glaubte sich erhaben. Er nahm die gleichen Drogen und war trotzdem gut drauf, konnte damit umgehen, wohingegen Jones auseinanderbröselte, vor aller Augen. Nach Richards' Verständnis offenbarte sich Jones als elender Schwächling. Und so ein Weichei hatte er ehedem regelrecht bewundert! Richards hob geradezu ab, fühlte sich unschlagbar. In dieser Zeit bildete sich seine Zahn-um-Zahn-Philosophie vom Leben insgesamt. Er sah sich bei diesem Spiel auf der Gewinnerseite und führte sich fortan auch so auf. Tatsächlich blieb er der unsichere Typ, der seine Schwächen, seine Ängste,Probleme, ja sogar Psychosen umständehalber überdecken konnte. Die Schale wuchs, der Kern blieb so weich wie zu seinen Dartforder Kindheitstagen.

Sogar bis zu den Arbeiten an "Exile On Main Street" in seinem Haus an der Cote d'Azur blieb Richards musikalische Richtlinienkompetenz unbestritten. Dies obwohl er nunmehr schier unglaubliche Mengen an Heroin, Koks und zum Kompott auch noch Alkohol konsumierte. Daß er nicht über die Wupper ging, hatte wahrscheinlich zwei gute Gründe: Erstens konnte er sich stets den besten Stoff leisten und zweitens ist er wahrhaftig mit der Konstitution eines Pferdes ausgerüstet. Die Band blieb trotz aller Drogeneskapaden sein Lebensziel, an dem er sich nahezu jederzeit hochziehen konnte.

Zwar war es ihm auch nach 1972 noch jederzeit möglich gewesen, ein Konzert problemlos durchzustehen, aber seine Bedeutung für die Stones schrumpfte von Jahr zu Jahr, fast bis zum Nullpunkt. Der Höhepunkt seiner Benebelung war 1977 erreicht. Die Stones hatten in Toronto ein Clubkonzert anberaumt, doch vorher wurde Richards zusammen mit Anita Pallenberg in seinem Hotel gefilzt. Die kanadischen Drogenfahnder trafen in seiner Hotelsuite voll ins Schwarze. Die beschlagnahmten Mengen an Drogen über 20 Gramm Heroin u.a. - reichten locker aus, um Richards wegen Rauschgifthandels hinter Gitter zu bringen. Es wurde verteufelt eng für den Stonesgitarristen. Er steckte seit 10 jahren im tiefsten Drogenmilieu und nun stand er vor der Frage, ob er darin seine weitere Bestimmung finden wollte, mit dem zwangsläufigen Ende, oder ob er bereit wäre, alles neu zu ordnen. Wegen der Band entschied er sich für letzteres. Sein Entschluß, clean zu werden, krempelte sein ganzes Leben um. Er trennte sich von Anita Pallenberg, machte mehrere ganz harte Entziehungskuren durch und schaffte das unmöglich geglaubte: Richards wurde nach mehreren Rückfällen 1978/79 endgültig clean.

Richards war wieder da. Zusammen mit Ron Wood bildete er das Zentrum einer neuen Stones-Energie, die auch dringend benötigt wurde. Immerhin gab es zwischenzeitlich die Punk-Bewegung, die den Stones zu schaffen machte. Doch was die Punks gerne gewesen wären, nämlich unverwüstliche Knochen, war Richards schon längst. Jagger sagte damals richtigerweise:"Keith Richards ist der einzige wirkliche Punk. Ihn wegpunken zu wollen ist geradezu lächerlich." Die Stones gewannen die Kraftprobe mit den jungen Wilden um Längen, nicht zuletzt dank Richards Rückkehr und dem daraus entstandenen Album "Some Girls". Die alten Wilden hatten wieder mal gezeigt, wo der Hammer hängt.

Den Entzug geschafft zu haben steigerte Richards' Legende beträchtlich. Fast 10 Jahre lang hatte er sich in einer abgekapselten Junkie-Welt bewegt, permanent getrieben vom brennenden Zwang, Stoff zu besorgen und rund um die Uhr umgeben von anderen heroinabhängigen Musikern, Dealern und Schmarotzern. Ein bißchen Realitätsbezug gaben ihm seine Kinder, um die er sich im Rahmen des Möglichen noch fürsorglich kümmerte. Der deprimierenden, morbiden Junkie-Dämmerwelt mußte er sich notwendigerweise auch entziehen, um nicht rückfällig zu werden.

Hierbei half ihm eine weitere Zuspitzung seiner allgemeinen Lebensauffassung. Richards' Sicht der Dinge ist geprägt von für ihn unumstößlichen Eckpfeilern die da lauten: Der Mensch braucht eine klare Aufgabe, egal welche, er braucht Luft zum atmen, flüssige und feste Nahrung, darüber hinaus vielleicht auch noch Sex dann und wann. Um diese Essencials zu bekommen, kann man schnurgerade durchs Leben gehen und man braucht keine Kompromisse zu schließen.Jeder ist für sich selbst verantwortlich, macht man Fehler - Pech gehabt. Geld ist unwichtig, man hat es oder man hat es nicht. Man braucht wegen nichts lang und breit zu differenzieren, denn auf alles gibt es eine eindeutige Antwort. Mag sein, daß daß man die Dinge so sehen kann, wenn man materiell keine Probleme hat, aber Richards glaubt anscheinend wirklich daran, denn ihm selbst ist bisher nie das Gegenteil bewiesen worden. Dementsprechend sieht er auch nicht die Dinge, die gegen seine Philosophie sprechen.

Für Richards selbst sind diese Lebensweisheiten Gold wert. Sie haben ihm dabei geholfen, sich vom reinen Instinktmenschen zu einem innerlich relaxten, in sich ruhenden, gänzlich von sich überzeugten Menschen zu entwickeln. Dementsprechend ist Richards seit einiger Zeit für durchaus treffende Altersweisheiten gut. Richards sieht sich in seinem Weltbild zusätzlich durch den Erfolg der Rolling Stones voll und ganz bestätigt. Was für ihn persönlich richtig ist, muß auch für die Stones richtig sein.

Somit geriet Richards in ein geradezu fundamentalistisches Fahrwasser. Er steht für die reine Stoneslehre und verteidigt diese gegen leden Versuch, vom Pfad der Tugend abzuweichen.

Als sich die Stones Mitte der 80er jahre wegen Jaggers ernsthafter Soloambitionen haarscharf vor dem Ende befanden, verwandte Richards alle Energien darauf, den verlorenen Sohn bei der Stange zu halten, denn ihm war klar, daß Jaggers Ausstieg durch nichts auszugleichen gewesen wäre. Für seine Verhältnisse bediente er sich ungewohnt vielfältiger Mittel, den Sänger zum Bleiben zu bewegen. Die Bandbreite reichte von charmanten Angeboten bis hin zu wüsten Drohungen. Jagger kam zurück, weil es ihm zu mühselig wurde, für eine Solokarriere zu kämpfen, nicht weil Richards die besseren Argumente lieferte. Richards sieht das rückblickend vollkommen anders. Er hatte recht, Jagger hat's eingesehen.

Jagger/Richards sind vielfach mit einem alten Ehepaar verglichen worden. Sie stellen den Vergleich nicht einmal in Abrede, aber ganz so ist es nicht. Man sollte kaum glauben, daß Jagger gegenüber Richards im Grunde genommen mehr zugetan ist als umgekehrt. Jagger fühlte sich zu Richards wegen dessen Andersartigkeit hingezogen. Er respektierte ihn und fühlte sich verpflichtet. Jagger kam trotz Keith Richards' desolaten Zustands Mitte/Ende der 70er Jahre nie ernsthaft auf die Idee, den Gitarristen als Ballast abzuwerfen. Im Gegenteil, er kümmerte sich z.T. rührend um den Problemfall. Eine seiner ganz harten Entziehungen stand Richards im Haus von Jagger durch, der rund um die Uhr für ihn zur Stelle war, mitlitt, half und pflegte.

Richards seinerseits bewahrte gegenüber Jagger immer ein Mindestmaß an Distanz, trotz aller gemeinsamen Songs, Erlebnisse und Kämpfe. Daß ihn Jagger während seiner langjährigen Junkie-Zeit nicht fallenließ, daß sich Jagger regelrecht den Arsch für seinen Kumpel aufriß, das nahm Richards mehr oder weniger als Selbstverständlichkeit hin. Ein Ereignis aus grauer Vorzeit befand sich für Richards immer im Gepäck, wenn es um sein Verhältnis zu Jagger ging. Bei den Dreharbeiten zu "Performance", dem ersten filmischen Gehversuch von Jagger, kam es zu einer heftigen Affaire zwischen dem Jungschauspieler und Anita Pallenberg. Richards war im Mark getroffen und drehte förmlich durch. Er sah sich urplötzlich in der Rolle eines zweiten Brian Jones, an dem er täglich studieren konnte, was solche Geschichten bewirken können. Das Techtelmechtel zwischen Jagger und Pallenberg dauerte zwar nur zwei Wochen, aber Richards sah den Ehrenkodex einer Freundschaft zutiefst verletzt. Die Wunde heilte jahrelang nicht. Nach seiner Drogenzeit war man nach Richards' Auffassung bestenfalls quitt.

Die Pallenberg/Jagger-Geschichte zeigt zweierlei. Richards war keineswegs der unangreifbar toughe Felsbrocken, für den er sich so gerne hielt, und das, was er von Jagger verlangte, galt für ihn offenbar nicht. Er kannte keine Skrupel, als er sich an Jones Freundin ranmachte.

Nachdem Jagger seine Soloambitionen drangab und die Zukunft der Stones wieder erheblich rosiger aussah, blühte Richards regelrecht auf. Je mehr Tourneen, je mehr Platten, um so besser geht's ihm. Das Projekt Rolling Stones muß so lange wie irgendmöglich fortgesetzt werden, am besten so lange, bis alle tot von der Bühne kippen. Das wäre nach seinem Geschmack. Ein Werk für die Unendlichkeit. Richards sieht die Massen im Stadion, Richards sieht die Plattenverkäufe, er merkt die allseitige Bewunderung und glaubt dadurch, in jeder Hinsicht recht behalten zu haben. Die Mission ist nicht beendet. Längst nicht. In seinem gedanklichen Koordinatensystem ist der Ist-Zustand der Antrieb, alles weiter so machen zu müssen wie bisher. Das bedeutet auch, daß sich am Lebenswandel wenig geändert hat. Immer noch macht er nächtelang durch, immer noch raucht er wie ein Schlot und immer noch stehen ganze Batterien an Alkohol in Reichweite, wenn er sich irgendwo eingenistet hat. Sein Leben ist ein einziger Ritus, mit Regeln, die sich eingeschliffen haben und im höchsten Maße bizarr sind. Richards scheint der lebende Beweis dafür zu sein, daß ein Leben auf des Messers Schneide machbar ist, sehr gut sogar. Man kann schon mal jenseits des Jordans anklopfen, muß aber nicht unbedingt rüberwechseln. Aber wer traut sich schon anzuklopfen? Außer Richards scheinbar niemand. Das ist der Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden, zumal er am Ende wahrscheinlich alle überleben wird. So ist das mit Legenden. Living On The Edge."


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