Autor: Pumpernickelbrot
veröffentlicht am: 25.02.2015
Hallo Zusammen,
dies ist meine erste Story hier. Ich denke sie ist etwas anders als die meisten Geschichten aber ich hoffe sie gefällt euch trotzdem.
Ich freue mich über jeden Kommentar und natürlich über konstruktive Kritik.
KAPITEL 1
„Wie konntest du das nur zulassen?“ Mit vor Zorn funkelnden Augen kam sie auf den großen, dunkelhäutigen Mann, der an der sie bereits an der Wohnungstür der WG erwartete, zu. Noch ehe er etwas erwidern konnte, drückte sie sich an ihm vorbei und ging ins Wohnzimmer. Bei dem Anblick ihres Bruders, der mit einem blauen Auge und mehreren Kratzern und Schrammen auf der grauen Eckcouch saß, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie setzte sich neben ihn und betrachtete ihn einige Sekunden besorgt.Ihre Labradorhündin Cora kuschelte sich sofort neben den Verletzten und begann seinen Handrücken ab zu lecken.
„Was stellst du nur an, Ray?“ fragte sie sanft, während sie ihrem Bruder die freie Hand drückte. Als der Mann, der sie vorher an der Türe empfangen hatte, den Raum betrat blickte sie auf. Vorhin hatte sie gar nicht bemerkt, dass auch er übel zugerichtet war. Seine Lippe war geschwollen und das rote T-shirt, dass er anhatte, war zerrissen.
„Es war nicht Steves Schuld“, murmelte Ray schwach als er ihren Blick folgte, „Sie haben uns provoziert.“ „Erzählt mir genau was passiert ist“,forderte sie die beiden auf.
„Wir haben am See gechillt als plötzlich diese Gruppe von Rassistenschweinen vorbei kam und uns beschimpft und beleidigt und was weiß ich noch was. Erst haben wir sie einfach ignoriert bis einer von den Typen mir die Coladose aus der Hand schmeißt.“ „Warum seit ihr nicht einfach gegangen um Himmels willen?“ „Hättest du dir das gefallen lassen?“ warf Steve nun ein.
„Wenn ihr nur zu zweit seit und die eine ganze Gruppe dann ja, dann wäre ich einfach abgehauen.“ „Außerdem haben wir gar nicht angefangen“, erzählte Ray weiter, „als das mit der Coladose war sind wir aufgestanden und haben denen gesagt sie sollen sich verziehen und im nächsten Moment hatte Steve schon eine Faust in der Fresse... naja und so kam eines zum anderen!“ „Habt ihr die Typen angezeigt?“ „Passanten haben die Polizei gerufen. Wir mussten aufs Revier unsere Aussagen machen und so wie es aussieht ist diese Bande dort schon bekannt. Sieht so aus als würden die ziemlich bald alle ins Gefängnis wandern.“ „Okay“, sagte sie nun weniger aufgebracht, „hoffentlich hast du recht“
Nervös rutschte Sam auf der Zuschauerbank des Gerichtsaals hin und her. Die Bande die vor zehn Tagen ihren Bruder Ray und dessen besten Freund Steve angegriffen hatte war, wie sie von ihrer Freundin Lisa erfahren hatte, Stadtbekannt. Eine rechtsradikale Gruppe die, so wie es aussah, vor nichts zurückschrak. Einige Mitglieder saßen wohl schon hinter Gittern. Sam hatte zuvor noch nie mit Rassisten oder Neonazis zu tun. Bei dem Gedanken an die Motive, welche diese Bande für ihre Taten hatte, wurde ihr übel. Bisher war sie noch nie an Extremisten geraten. Sie wusste, dass Steve, der hier in Deutschland aufgewachsen war, schon oft mit so etwas zu kämpfen hatte. Mit Beleidigungen und Beschimpfungen und auch schon einmal mit Handgreiflichkeiten. Er war nigerianischer Abstammung und hatte, im Gegensatz zu Ray und ihr, dunkelbraune Haut. Bei ihrem Bruder und ihr hingegen konnte man kaum sagen ob sie nun zwei sehr braun gebrannte Weiße waren oder doch afroamerikanische Vorfahren hatten . Ihr Vater war Südamerikaner, dadurch bekamen die beiden ihren sehr südländischen Touch sowie ihren dunklen Teint. In ihrer Familie spielten Dinge wie ethnische Herkunft, Nationalität, Hautfarbe oder auch Religionszugehörigkeit keine Rolle. Sam wuchs zusammen mit Ray und ihren Eltern in Surinam auf, doch da ihre Mutter Deutsche war, und beide auch einen deutschen Reisepass hatten, waren sie zum Studieren nach Deutschland gezogen. Das erste Mal seit sie vor über einem Jahr hergezogen waren bereute sie es ein wenig. So etwas wäre in Surinam jedenfalls nicht passiert schoss es ihr durch den Kopf ehe endlich der Richter den Raum betrat und sich alle im Saal Anwesenden erhoben. Ray und Steve, beide im schlichten, schwarzen Anzug, saßen neben dem Staatsanwalt. Ray sah immer noch angeschlagen aus. Doch wenigstens war das linke Auge nicht mehr zugeschwollen und der anfangs dunkelviolette Ring rundherum hatte sich in ein ansehnlicheres blau gefärbt. Er warf seiner Schwester einen ku rzen Blick zu der ihr verriet, dass er ganz und gar nicht glücklich über ihre Anwesenheit im Gerichtsaal war. Dann wandte er sich wieder der Frau Mitte vierzig im schlichten grauen Kostüm zu die neben dem Richter saß und die Anklage verlas: „...der Staat gegen Raimund Schweiger, Lukas Braun, Mario Berghammer, David Maier, Klaus Gopper und Marius Klamm...“ Sam betrachtete die sechs jungen Männer auf der Anklagebank. Natürlich konnte sie nur deren Hinterköpfe sehen. Zwei der Köpfe hatten eine Stoppel-Glatze, drei hatten eine auf wenige Millimeter kurz geschorene Frisur und einer hatte platinblondes Haar. Gerade als sie dem Platinblonden auf den Hinterkopf starrte drehte er sich um und für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Von vorne erinnerte sie seine Frisur unwillkürlich an Billy Idol. Sofort ärgerte sie sich über sich selbst. Sie war beim starren erwischt worden und nun dachte sie an Frisuren und weit hergeholten Ähnlichkeiten mit irgendwelchen Sängern anstatt der Verhandlung ordentlich zu folgen. Sie schüttelte ihre Gedanken ab und lauschte wieder den Worten der Frau im grauen Kostüm: „...Körperverletzung in Tateinheit mit Wiederbetätigung...“ Wieder glitt ihr Blick zu der Nazigruppe. Zwei von ihnen hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht einen Anzug anzuziehen. Einer der Stoppel-Glatzen-Typen trug ein weißes Shirt und der Blonde trug eine schwarze Lederjacke.
„...wollen Sie sich zu den Vorwürfen äußern“ erhob der Richter schließlich das Wort. Keiner von ihnen nutzte die Gelegenheit sich zu Verteidigen. So machten Ray, Steve und weitere Augenzeugen ihre Aussagen ehe die Hauptverhandlung bis zur Urteilsverkündung unterbrochen wurde. Der blonde Typ in der Lederjacke, welcher sich als David herausgestellt hatte und schon vorbestraft war, erhob sich als erstes von der Anklagebank. Einen kurzen Moment lang ruhte sein Blick auf Sam, dann zupfte er am Kragen seiner Jacke und drehte sich wieder zu seinen Kumpanen um. Als sich auch die anderen schließlich umdrehten um den Saal zu verlassen, konnte sie feststellen dass der Lederjackentyp vermutlich der jüngste in der Gruppe war. Die anderen waren sicher schon um die dreißig, während sie David auf maximal fünfundzwanzig schätzte. Endlich kamen Ray und Steve durch den Gang zwischen den Zuschauerbänken auf sie zu.
„Du solltest nicht hier sein, Samira“, Ray war der einzige der Sam immer mit ihren vollen Namen, Samira, ansprach, „wie kommst du überhaupt hier her?“ „Fabi hat mich geführt.“ „Fabi?“ „Fabian, Lisas Freund“, erklärte sie. Schön langsam sollte er sich den Namen von Lisas Freund gemerkt haben. Doch so wie es aussah hatte Ray im Moment ganz andere Sorgen. Er war offensichtlich alles andere als erfreut darüber sie zu sehen. Wahrscheinlich hatte gehofft, dass sie ohne Auto nicht herkommen würde. Sicher war er deshalb nicht mit Steve gefahren und hat stattdessen den KIA, den sie sich zusammen gekauft hatten, genommen.
„Was ist denn los? Ich will sehen wie diese Arschlöcher verurteilt werden die dich so zugerichtet haben. Verstehst du das denn nicht?“ „Verstehst du nicht, dass ich nicht will, dass du in diese Sache hineingerätst.“ „Er hat recht, Sam! Diese Bande ist gefährlich!“ mischte sich nun auch Steve in die Unterhaltung ein.
„Ach was, die werden doch sowieso weggesperrt“, erwiderte Sam genervt, „kommt gehen wir in die Cafeteria.“ Doch genau als sie sich zum gehen aufmachen wollten kam eine junge Frau Mitte zwanzig aus dem Publikum auf die drei zu.
„Ich soll euch was von Marius ausrichten“, sagte sie im arroganten Tonfall, „er ist gar nicht glücklich darüber, dass er wegen euch heute hier sein muss. Er wird sich dafür revanchieren.“ Sie schauten nun von der jungen Frau auf die Nazigruppe die noch immer neben der Anklagebank standen. Der Typ mit dem weißen Shirt feixte gehässig zu ihnen herüber. So wie es aussah war dieser Marius der Anführer der Gruppe. Er war zwar nicht besonders groß doch dafür extrem bullig. Seine Augen waren zu zwei kleinen gemeinen Schlitzen verengt und sein Nasenrücken wirkte zu groß für sein Gesicht.
„Dein Marius soll mal nicht so große Töne spucken und lieber seine letzten Stunden ohne Gefängnisluft genießen“, fauchte Sam, ihr Blick nun wieder bei der Frau.
Darauf hin grinste die Frau nur selbstsicher und stöckelte auf ihren hohen Absätzen zurück zu der Gruppe. Sam, Ray und Steve sahen ihr nach. Sie konnten sehen wie sie ihren Freunden von Sams Antwort erzählte und sofort ruhten die Blicke der gesamten Nazibande auf den Dreien. Der offensichtliche Anführer Marius, Raimund, der selbst im Anzug extremst gefährlich aussah, Lukas, Mario und Klaus, die typischen Mitläufer die für ihren Anführer alles tun würden und David, der mit seiner Größe von fast zwei Metern und dem schwarzen Outfit wirklich furchteinflößend wirkte. Sam schluckte.
„Kommt wir gehen jetzt“, forderte sie die anderen Zwei nun auf und hakte sich bei Ray ein. Dann verließen die Geschwister und ihr Mitbewohner dem Verhandlungssaal um die Gerichtscafeteria zu besuchen.
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