Autor: dreamy
veröffentlicht am: 23.07.2014
„Nein, ich bin sicher, wir müssen den Weg hinauf.“
Jetzt war ich verwirrt. Ich hatte geglaubt, der andere Weg sei der richtige. So langsam wurde auch Timo unsicher.
Wir schauten uns ein wenig um, doch wir kamen zu keinem Ergebnis.
„Na toll. Wo sollen wir jetzt hin?“, fragte er mich.
„Laufen wir einfach los, wird schon werden.“
Was anderes blieb ihm nicht übrig, also nahmen wir einen Weg. Eine Weile liefen nebeneinander her und ich dachte mir nichts besonderes. Alles sah wie sonst aus, die Pflanzen, die Aussicht. Doch wir liefen viel zu lange. Mittlerweile waren wir an so vielen Stellen vorbeigelaufen und ich bekam es so langsam mit der Angst zu tun.
„Irgendwo muss es doch rausführen?“
Timo ließ sich nichts anmerken.
„Bestimmt, nur wo kann ich nicht sagen.“
Wir liefen noch ein Stück und hielten dann kurz an. Das zerrte mehr und mehr an meinen Nerven. Ich hatte keine Lust im Freien zu übernachten, denn langsam wurde es auch noch dunkel.
„Du siehst echt fertig aus.“, bemerkte Timo so nebenbei. “Ich wäre echt froh, wenn wir wieder zum Platz kämen.“
Er schaute mich etwas mitleidig an.
„Komm, gehen wir weiter.“, sagte ich.
Je länger wir herumliefen, desto verzweifelter wurde ich. Aber ich wollte nicht herumjammern. Wenn ich mir vorstellte, wie es wäre, wenn ich alleine wäre. Aber seit Tagen fühlte ich so ein Gemeinschaftsgefühl. Trotz des Herumirrens, versuchte ich das Beste daran zu sehen.
Außerdem missfiel mir eher die Art von Timo. Aber fragen wollte ich dann doch nicht.
„Warte kurz.“
Ich streckte mich kurz. Ich hatte beschlossen, die Sache langsamer anzugehen. Das war genug Stress.
„Was ist jetzt los?“
Timo ließ sich nicht beirren und lief weiter.
„Warum bist du so gereizt?“
Ich lief ihm hinterher.
„Das wirkte so, als fändest du das witzig.“, meinte er von der Seite aus.
Etwas ließ mich überrascht werden. Und es gefiel mir nicht. Da konnte er noch so viel meinen, ich sehe das als ein Spiel an.
„Denkst du, mir gefällt das alles?“
Langsam veränderte sich mein Gemütszustand.
„Keine Ahnung, ich will einfach nur zurück.“
Auf einmal wirkte er so verletzt. Als hätte man ihm irgendetwas weggenommen.
„Ich doch auch. Aber es bringt doch nichts, jetzt hier so rumzumaulen.“
Anstatt eine Antwort zu geben blieb er ruhig. Ich lief ein Stück hinter ihm her. Ich sehnte mich danach endlich aufzuhören. Dieses rumlaufen ging einfach so an die Niere.
„Timo wo sollen wir denn hin?“
Endlich wandte er sich mir zu. Er schien zu verstehen.
„Ich weiß es nicht.“
Ich wollte einfach nicht mehr. Timo blickte um mich herum und schaute mich hin und wieder an. Wir blieben stehen. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und ich konnte es zunächst nicht einordnen.
„Schau doch mal.“
Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte, folgte aber seinem Blick. Dann blieb mir sofort der Mund offen stehen und Freude kam in mir auf. Da war tatsächlich eine alte Hütte. Ein Platz zum verweilen war also schon mal gefunden. Doch wir wussten nicht, ob sie wirklich dafür geeignet war. Timo blieb immer noch so fassungslos und wollte sich die Hütte genauer ansehen. Ich folgte ihm vorsichtig. Die Türklinke war total verrostet und durch die Fenster konnte man nichts erkennen. Vorsichtig öffnete Timo die Türe und ich war überrascht, dass sie tatsächlich aufging. Das alte Holz machte leise Geräusche. Einen Schritt nach dem anderen tastete Timo sich hinein. Er schien sich umzuschauen. Dann suchte er etwas am Rahmen. Kurz darauf erleuchtete der Raum. Es floss Strom. Damit war ich endlich überwältigt. Ich ging nun mutiger hinein und ließ meine Blicke gleiten. Es sah viel gemütlicher aus. Ich vernahm ein Sofa, eine bestuhlte Ecke und jede menge Decken. Selbst der Boden war mit Teppich ausgelegt. Nur Staub war vorhanden. Ich ließ mich gleich aufs Sofa fallen und legte meinen Holzstapel zur Seite. Timo tat es mir gleich und setzte sich dann neben mich. Er schaute sich noch weiter im Raum um. Dann stand er wieder auf und ging in den hinteren Bereich. Ich linste schief und versuchte zu erkennen, was er vorhatte. Er nahm ein paar Sachen aus einem Schränkchen. Altbackenes Geschirr, das anscheinend nicht zu gebrauchen war. Er stellte es sofort wieder weg. Er fand noch eine Kammer, in der aber nichts großartiges war. Also kam er wieder zurück.
„Für die Nacht wird es reichen.“
Langsam vermisste ich die gewohnte Umgebung. Ich versuchte mir vorzustellen, hier ein Nachtlager aufzubauen. Es war mir aber viel angenehmer, als im Wald zu sein.
„Wir sind schon solche Chaoten.“
Timo grinste mich an. Dass er jetzt solche gute Laune hatte. Ich versuchte mir es auf dem Sofa bequemer zu machen. Dabei beanspruchte ich fast den ganzen Platz und Timo sah etwas ratlos aus. Bevor ich jedoch reagieren konnte schnappte er sich ein paar Utensilien und breitete sie in einer Ecke aus.
„Das wird schon reichen.“
Ich packte mir den mitgebrachten Proviant aus und biss ein Stück davon ab. Dann bot ich Timo etwas an. Er kam wieder zu mir rüber.
„Danke. Gut, dass wir wenigstens das haben.“
Ich aß fertig und kam mir in der bedrückenden Situation seltsam vor.
„Was ist der Plan für heute?“
Ich hatte echt keine Ahnung, was man bei so was machen konnte. Hauptsache Ablenkung war da.
Timo jedoch schaute mich total irritiert an.
„Welcher Plan? Wir sollten lieber ausruhen, morgen gehen wir weiter.“
An sich hatte ich nichts dagegen, aber bis wir einschlafen, blieb uns noch etwas Zeit. Und die wollte ich unbedingt rumkriegen.
„Ich mein ja nur, dass wir uns ein wenig nützlich machen könnten, damit es nicht eintönig wird.“
Ich hatte echte Bedenken, dass ich Timo davon nicht überzeugen konnte. Seine Haltung verriet mir, dass er meine Vorschläge absolut nicht verstand.
„Du hast ehrlich gesagt für heute genug getan. Ruh dich doch aus. Morgen sehen wir weiter.“
Ich richtete mich auf, damit ich besser mit ihm reden konnte.
„Timo, du tust so, als wäre ich zu nichts mehr in der Lage. Versuch doch nicht so gereizt reagieren. Ich will doch auch, dass wir die beste Lösung finden.“
In seinem Gesichtsausdruck veränderte sich etwas. Er versuchte sichtlich mit sich zu kämpfen, um bestmöglich mir antworten zu können.
„Die beste Lösung ist momentan, dass wir uns schonen. Ich versuche doch niemanden zu verletzten. Aber ich habe das Gefühl, dass dich hier so einiges stört.“
„Was soll das denn heißen? Ich bin nicht gerne in so einer Situation, da ist es doch berechtigt, ein wenig miese Laune zu haben. Aber dir scheint gegen den Strich zu gehen, dass ich trotz all dem meine Hilfe anbieten möchte und du den totalen Alleingang gehst.“
Damit wurde Timo erstmal redlos gemacht. Meine verbale Reaktion auf ihn hat selbst mich erschrocken. Bevor es jedoch zu viel wurde, legte sich Timo wieder auf seinen Platz. Meinem Blick wich er aus. Ich versuchte mir eine Kopfunterlage zu verschaffen und legte mich dann auf die Seite. Dann wandte sich Timo wieder zu mir.
„Bitte denk jetzt nicht schlechtes von mir. Ich möchte nicht der Grund dafür sein, dass es jetzt so läuft. Ich versuche immer das zu tun, was gerade nötig ist und da übersehe ich das ein oder andere mal, dass Hilfe gar nicht schlecht wäre.“
Ich sah ihm in sein Gesicht. Am liebsten hätte ich gern mehr gezeigt, dass er sich nicht solche Gedanken machen braucht.
„Vielleicht ist es besser, wenn man anderen zuhört. Ich kenn dich ja auch anders.“
Ein kurzes Lächeln erschien auf sein Gesicht. Dann schaute er mich fragender an.
„Du warst so fröhlich und unbeschwert früher. So gut wie jeder mochte dich auf Anhieb. Aber dann war da dieses trostlose, dass ich heute mehr an dir sehe. Als Kind war das schnell weg, aber jetzt frage ich mich immer öfter, warum du so in dich gekehrt bist.“
Diese Frage war mir unangenehm. Einfach dieses sich Sorgen machen alleine löst schon etwas in mir aus.
„Warum ist dir das so wichtig? Früher jedenfalls, wäre das nicht so ein Thema gewesen.“
„Wie meinst du das? Natürlich hätte mir das etwas ausgemacht, sonst würde ich das ja gar nicht erzählen. Versteh das doch nicht so falsch.“
Ich wollte endlich Fragen klären. Jetzt wurde mir bewusst, dass da so einiges zwischen uns ist.
„Du hast mich nicht immer vorbildlich behandelt und trotzdem warst du mir wichtig. Dann warst du jahrelang nicht da und tauchst jetzt wieder in meinem Leben auf. Es ist so viel los und das ist ja auch normal. Ich brauch einfach nur ne Pause.“
Timo schaute mich immer noch mit einem einfühlsamen Blick an. Seltsamerweise beruhigte mich das.
„Wir waren Kinder. Du gehörst zu meinen engen Personenkreis, daran hat sich nichts geändert. Es tut mir leid wenn es so rüberkam.“
Er stand auf und ging auf mich zu. Ich hielt es nicht mehr aus und bewegte mich vom Sofa weg. Dann stand ich ihm gegenüber.
„Ok. Ist ja schon gut.“
Dann lächelte er mich an.
„So sind Jungs nun mal. Vor allem wenn sie verknallt sind.“
Sofort spannte sich alles in meinem Körper an. Zwar schaute ich immer noch in seine Richtung, aber war unfähig irgendetwas zu machen. Ich brauchte einen kurzen Moment das alles richtig in meinem Kopf zu ordnen. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte.
„Ich weiß, dass kommt jetzt ein wenig plötzlich. Aber vielleicht versteht du dann die Sache anders.“
Ich versuchte meinen Mut zu fassen und konnte endlich meine Stimmbänder aktivieren.
„Timo, ich hab das nicht gewusst. Ich war so verletzt, weil du mir eben wichtig warst. Ich wollte, dass wir so oft wie möglich eine gute Zeit miteinander verbringen. Und jetzt ist alles so kompliziert. Du hast so viel in mir ausgelöst.“
Ich merkte wie er strahlte. Er sah mir direkt in die Augen und dann breitete er seine Arme aus und umarmte mich. Das war nötig. Allgemein dieses Gespräch machte mich fröhlicher. Wir standen einfach so da und sagten nichts. Ich merkte, dass wieder Frieden zwischen uns war und sich unsere Freundschaft vertieft hat. Ich fühlte mich, als wäre ein Knoten in meinem Körper gelöst. Dann ließ er mich wieder los und wandte sich von mir ab. Ich vergaß für einen Moment die ganzen Sorgen, die ich noch vorhin hatte und in welcher Situation wir überhaupt waren. Ich merkte überhaupt nicht, wie viel Schutz er mir geben konnte, gerade wenn es drauf ankam. Was für mich von da an klar war, ist dass ich einiges in meinem Leben umkrempeln sollte. So ziellos durch die Gegend zu gehen machte mich einfach kaputt und Timo hatte einen wunden Punkt in mir getroffen. Er legte sich dann irgendwann wieder hin und ich legte mich aufs Sofa. Vorher machte er noch das Licht aus und ich spürte noch immer dieses wohlige Gefühl in meiner Magengegend. Ich sah alles jetzt von einer anderen Perspektive. Wie sich einfach so die Dinge verändern konnten. Ich war einfach überglücklich. Nicht mal der morgen machte mir mehr Sorgen. Dann schlief ich schnell ein.
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