Autor: dreamy
veröffentlicht am: 25.04.2014
Wooow, ich bin echt gerührt von euren Kommentaren. Hätte nicht gedacht, dass die Geschichte so gut ankommt. :)
Tine hatte sich echt Mühe gegeben, das konnte man sehen. Jeder hatte eine schick gefaltete Serviette und das Besteck lag so wie es sich gehört am Teller. Neben diversen Salaten fiel vor allem der große Teller mit den gegrillten Sachen auf. Mir lief schon fast das Wasser im Mund zusammen und ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.
„Greift zu, ich hoffe es wird euch schmecken.“, sagte Tine.
Zuerst schaufelte ich ein wenig Salat auf meinem Teller, dann nahm ich mir ein paar gegrillte Spieße mit Gemüse. Das duftete schon so gut. Und geschmeckt hat es noch besser. Während wir so dasaßen und aßen, Shaky träge unter einem schattigen Baum lag und an einem Knochen nagte, fingen wir an, über alte Zeiten zu reden. Besonders witzig wurde eine Geschichte über einen Campingausflug erzählt, auf dem ich „etwas schönes“ kochen wollte. Man kann sich vorstellen, was ein achtjähriges Kind mit Dosenravioli alles anstellen könnte. An diese Sauerei werden sich die meisten noch jahrelang erinnern können. Geschmeckt hat es aber trotzdem.
Nach einer Weile wurden wir ziemlich satt. Klaus lehnte sich in seinen Stuhl zurück, schloss die Augen und ließ die Sonne auf sein Gesicht scheinen. Auch ich musste erst kurz entspannen, bevor ich irgendetwas machen konnte. Shaky dagegen war auf einmal putzmunter und sprang um den Tisch herum. Manchmal machte er Halt, schaute einen nach dem anderen an und winselte dabei. Tine, die schon am abräumen war, wandte sich ihrem Sohn zu.
„Timo, geh doch ein Weilchen mit ihm spazieren.“
Etwas widerwillig stand Timo auf und machte sich ins Haus, um die Leine zu holen.
„Und nimm Selina mit, sonst langweilt sie sich noch.“
Ich schaute sie beschämt an. Also langweilig würde mir bestimmt nicht werden. Dennoch hatte ich nichts gegen einen Spaziergang. Timo kam mit der Leine heraus, leinte den Hund an ich folgte ihm also zur Straße. Dort bog er in den nahegelegenen Wald ein. Shaky wedelte fröhlich mit dem Schwanz und ich genoss die Kühle des Waldes. Nachts würde ich mich keinen Meter weit hinein trauen, aber da ich nicht alleine war und es noch Tag war, gab es keinen Grund zur Sorge. Dennoch wurde mir die Stille zwischen Timo und mir unangenehm. Ich beobachtete die Landschaft während ich neben ihm herlief. Dabei musste ich aufpassen nicht zu stolpern, da ziemlich viele Äste und große Steine auf dem Weg lagen. Als es dann bergab ging, war ich nicht mehr so gut gelaunt wie vorher. Timo gab mir zwar die Hand, damit ich nicht abrutschte, dennoch musste ich mich auch noch an abstehende Äste festhalten. Als das endlich geschafft war, musterte ich meine Hose. Total dreckig. Genervt schaute ich mich um. Wo waren wir hier? Der Weg verlief eigentlich oberhalb, aber aus irgendeinem Grund, mussten wir hierher kommen. Timo ließ sich nicht abhalten und ging weiter. Widerwillig folgte ich ihm. Nach kurzer Zeit hörte ich ein leises Plätschern. Ich versuchte herauszufinden, woher es kam und nach ein paar Metern bekam ich die Antwort. Mitten im Wald lag ein kleiner See. Ich blieb stehen und sah ihn mir an. Das sah wunderschön aus. Total abgelegen. Sonnenstrahlen fielen auf ihn und es wirkte alles so stimmig. Auch einige Seerosen gab es. Am Ufer stand jetzt Timo und ließ Shaky von der Leine. Ich ging hin, stellte mich neben ihm und blickte auf den See. Eine Weile genoss ich diesen Augenblick, bis Timo sich zu mir drehte.
„Gefällt’s dir? Ich bin total gerne hier. Man kann einfach abschalten.“
„Es ist wunderschön.“
Plötzlich hörten wir ein lautes Platsch und sahen, dass Shaky in den See gesprungen ist. Unbeirrt
paddelte er im Wasser herum und schien das kühle Nasse sichtlich zu genießen.
„Es ist wie früher. Ein Wald bietet einfach so viele Möglichkeiten.“, fährt Timo fort.
Ich stimmte ihm zu und dann wurde es wieder Still zwischen uns. Ein wenig beobachtete ich Shaky, der sich seinen Weg durch die Seerosen bahnt. Dann bemerkte ich, wie Timo sich sein Shirt über den Kopf zieht. Verwirrt starrte ich ihn an. Er grinste in meine Richtung und warf sein Shirt auf dem Boden. Was sollte das denn jetzt? Dann entledigte er sich auch seiner Schuhe und Socken.
„Komm mit, das Wasser ist bestimmt angenehm.“
Schockiert blickte ich ihn immer noch an. Unbeeindruckt von seinem Oberkörper, blieb ich stehen und dachte nicht daran auch nur einen Fuß ins Wasser zu setzen. Dann drehte er sich um und rannte ins Wasser. Nach einem Tauchgang kam er wieder an die Oberfläche und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. Shaky schien das zu gefallen, denn er begrüßte sein Herrchen mit lautem Gebell. Dann drehte sich Timo wieder zu mir.
„Es ist echt angenehm. Überleg es dir doch mal.“
Unsicher blickte ich zu ihm rüber, die Arme verschränkt. Dann zuckte er mit den Schultern und ließ sich auf dem Rücken treiben. Na toll. Und ich darf hier rumstehen. Ein Weilchen schaute ich mir das alles an, dann wurde es mir zu viel. Ich bückte mich, zog Schuhe und Socken aus und legte sie zu Seite. Timo sah das und fing an zu klatschen.
„Sie traut sich doch.“
Dann wurde ich jedoch unsicher. Einfach so ausziehen wollte ich mich ja nicht.
Timo bemerkte meinen Blick.
„Komm einfach so rein, die Sonne wird deine Sachen schon trocknen.“
Und eine schöne Erkältung hab ich dann später auch. Ich ließ mich dann aber doch umstimmen und ging zum See. Vorsichtig ließ ich einen Fuß hinein. Warm war es nicht, aber auszuhalten. Dann nahm ich meinen Mut zusammen und ging weiter. Drinnen schwamm ich ein wenig um mich warm zu halten. Dann ging es und ich fing an es zu genießen. Shaky begrüßte mich sofort und ich hielt mich an ihm fest. Dann ließ ich aber doch von ihm ab um schwamm selber ein paar Meter. Ich konnte verstehen, warum Timo diesen Platz mochte. Ich schwamm jedoch nicht weit, sondern hielt mich eher am Rand auf. Dort wollte ich mich gerade auf dem Rücken treiben lassen, als Timo mir eine Wasserfontäne entgegenschleuderte. Geschockt schrie ich auf. Mein Kopf hatte sich gerade erst aufgewärmt und dann überraschte mich dieses kalte Wasser. Herausgefordert bekam er die Retourkutsche und so veranstalteten wir eine Wasserschlacht. Shaky beobachtete begeistert das Schauspiel und bellte. Nach einer Weile beendete Timo unsere Schlacht und hielt mich an den Armen fest, damit ich auch aufhörte. Wir mussten beide lachen und schlossen Frieden. Ich schwamm noch eine Weile, dann wollte ich raus. Wir waren schon ziemlich lange unterwegs. Ich stieg aus dem Wasser und Timo folgte mir. Auch Shaky kam heraus und schüttelte sein Fell ab. Auf dem Land wurde es mir kalt. Ich begann zu zittern. So konnte ich bestimmt nicht zurück laufen.
„Hier, nimm mein Shirt.“
Ich blickte zu Timo. Erst wollte ich ablehnen, aber das wäre ja verrückt. Dankend nahm ich sein Shirt an und gab ihm zu verstehen, dass er sich umdrehen soll. Dann streifte ich mein Oberteil ab und zog seines an. Es war mir zu groß, aber Hauptsache ich war trocken. Dann zogen wir Socken und Schuhe an und machten uns auf dem Weg. Am Hang half er mir dann nach oben und wieder auf dem Weg spürte ich die Wärme der Sonne. Unterwegs sprachen wir nicht viel, aber ich fand es nicht so schlimm. Man konnte auch eindeutig ohne viele Worte Spaß haben. Als wir in den Garten einbogen, war ich schon fast wieder trocken. Hoffentlich haben sich Tine und Klaus nicht so viele Sorgen gemacht. Sie waren draußen, als wir ankamen. Tine erblickte uns sofort.
„Da seid ihr ja. Was habt ihr denn gemacht?“
Zerknirscht ging auf sie zu und sie bemerkte das Shirt von Timo.
„Musstest du unbedingt schwimmen gehen? Und dann auch noch Selina mit hineinziehen. Das arme Mädel erkältet sich ja noch.“
Ich schaute zu Timo, der auf den Boden sah. Dann wandte er sich seiner Mutter zu.
„Tut mir leid, es war ja schönes Wetter.“
Dann kam Klaus dazu.
„Geht jetzt rein und zieht euch was Trockenes an. Selina, du kannst deine Sachen zum trocknen aufhängen.“
Drinnen gab mir Tine ein paar Sachen von sich und ich zog mich um. Meine Sachen hängte ich, wie abgemacht, auf die Wäscheleine. Dann traf ich im Flur auf Shaky, der mittlerweile trocken war. Ich streichelte ihn ein wenig und blickte in das letzte Zimmer am Ende des Flurs. Entschlossen stand ich auf und ging dorthin. Dann klopfte ich an.
„Herein.“
Ich machte die Tür auf und ging hinein. Timo lehnte am Fenster und hörte Musik. Mittlerweile hatte er sich auch andere Sachen angezogen. Als er mich erblickte, nahm er die Kopfhörer heraus.
„Dein Shirt hab ich auch an die Wäscheleine gehängt.“
„Danke.“
Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu.
„Außerdem tut es mir leid, dass du den Ärger ab bekamst.“
Er lächelte.
„Ist schon ok. Ich bin nur froh, wenn du wirklich nicht krank wirst.“
Jetzt wurde ich wieder rot.
„Bestimmt nicht. War echt ein schöner Nachmittag.“
Wieder lächelte er.
„Fand ich auch. Freut mich, dass es dir gefallen hat.“
Dann musterte er mich von oben bis unten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und blickte einfach aus dem Fenster.
„Die Sachen meiner Mutter stehen dir echt. Kannste öfters tragen.“
Jetzt musste ich lachen. Wie ich das vermisst hatte. Das Lachen und das Beisammensein. Fast war es wir früher. Timo stand jetzt aufrecht und begutachtete noch meinen Aufzug. Dann sah er mir in die Augen. In dem Moment kam er mir ziemlich nahe und ich spürte ein heftiges Kribbeln in meinem Körper. Einen kurzen Augenblick sahen wir uns noch an, dann drehte er sich weg.
„Ich glaub, du solltest langsam gehen.“
Noch etwas irritiert schaute ich ihn an. Dann bekam ich wieder klare Gedanken.
„Ja, hast Recht. Sonst macht sich meine Mutter auch noch Sorgen.“
Wir gingen nach unten, ich zog mich im Bad um und ging dann wieder ins Wohnzimmer. Dort blickte ich auf das Shirt von Timo. Es hatte so einen tollen Geruch von ihm. Dann wieder draußen, verabschiedete ich mich von allen. Trotz allem, war es ein schöner Nachmittag. Ich gab jedem eine Umarmung und lief aus dem Garten Richtung Bushaltestelle. Normalerweise war ich nicht leicht dazu zu bringen, einfach so in einem See zu schwimmen. Vor allem mit Klamotten. Aber an diesem Nachmittag kam ich mir wieder wie ein kleines Mädchen vor. Es war wie früher. Natürlich wollte ich nicht, dass Tine und Klaus sich Sorgen machten und Timo alles abbekam. Schließlich hatte er mir sein Oberteil überlassen.
An der Bushaltestelle lehnte ich mich an die Glaswand und wartete. Mittlerweile waren meine Sachen wieder ganz trocken. Nur an meinen Haaren konnte man erkennen, dass ich schwimmen war. Wieder zuhause roch ich das Abendessen, das meine Mutter zubereitete. Vorsichtig tapste ich in die Küche und wartete kurz am Türrahmen.
„Hallo Mum.“
Sie drehte sich um und wischte sich den Schweiß von der Stirn weg. Aus dem Topf stieg Wasserdampf empor.
„Hallo Schätzchen. Warst ja schon eine Weile unterwegs. Wie war es denn?“
Ich ging auf sie zu und sah, dass sie Rigatoni zubereitete.
„Ja..ziemlich gut. Tine kann immer noch so gut kochen wie früher.“
„Schön….sag mal, du hast ja nasse Haare?“
Verlegen biss ich mir auf die Lippe.
„Wir waren…schwimmen. Timo und ich.“
Verblüfft sah sie mich an. Vermutlich hätte ich genauso reagiert.
„Schwimmen? Wo denn? Und du hattest doch keine Badesachen?“
„War ein wenig leichtsinnig, ich weiß... Da war ein See im Wald und ich ging einfach mit Klamotten rein.“
Jetzt hatte sie wieder ihren Blick, der so viel wie ‚Kindchen, was machst du nur’ bedeutet. Den hatte sie oft in meiner Kindheit.
„Ach Selina. Komm setz dich erstmal auf die Couch und deck dich ein. Ich mach dir einen Tee.“
Meine Mutter war einfach zum knutschen. Sie hatte so viel Verständnis und es brauchte nicht viele Worte, denn ich bemerkte meine Fehler meist selber. Ich tat, was sie sagte und kuschelte mich ein. Nach ein paar Minuten kam sie mit unserem Essen und dem Tee herein und stellte alles auf den Esstisch. Ich stand auf und setzte mich auf meinen üblichen Platz. Der Duft von selbstgemachter Soße stieg mir entgegen. Ich genoss diesen Tag, an dem es lauter Köstlichkeiten gab. Während wir aßen, erzählte ich von dem Tag und meine Mutter hörte mir aufmerksam zu. Sie beschloss ihre alten Freunde bald selbst zu besuchen.
Nach dem Essen räumte ich ab und ging dann in mein Zimmer. Wie abgemacht rief ich Elvira an.
„Hey Sel, hab schon auf deinen Anruf geantwortet.“
„Hi Elli. Ja, hat ein wenig länger gedauert..“
Ich erzählte ihr alles und sie fing an zu kichern.
„Oh man, wie Kinder seid ihr. Aber dass er dir sein Oberteil überlassen hatte, ist schon süß nicht?“
„Wenn du meinst.“
„Ja meine ich.“
Bevor sie noch etwas dazu sagen konnte, fing ich ein anderes Thema an.
„Wie wärs, wenn wir morgen shoppen gehen? Ich brauch noch etwas für die Abi-Party.“
„Gut, dass du das ansprichst. Ich brauch noch Schuhe. Also, so um 14:00 Uhr? Ich hol dich ab.“
„Geht klar.“
Wir plauderten noch ein wenig und legten dann auf. Mittlerweile wurde es schon dunkel und ich machte es mir auf meinem Bett gemütlich. Dort erwartete mich schon Felix. Ich nahm ihn hoch und kuschelte mich mit ihm in meinem Bett ein. Ich dachte noch mal darüber nach, was alles an dem Tag passiert ist. Dann klopfte es an der Tür. Ich rief ‚Herein’ und wartete. Meine Mutter tapste langsam herein.
„Ich wollte dir noch etwas geben.“
Sie setzte sich aufs Bett und überreichte mir ein kleines Kästchen. Ich sah es erstaunt an und öffnete es. Drinnen lag ein Foto und eine Karte. Ich sah mir das Bild genauer an und merkte, dass ich selber darauf war. Als kleines Mädchen mit meiner Mutter und meinem Vater.
„Das war bei deiner Einschulung, weißt du noch?“
Gerührt umarmte ich sie.
„Ja weiß ich, danke.“
Dann sah ich die Karte an. Es waren Glückwünsche zu lesen. Von meinen Großeltern. Sie lebten seit ca. 10 Jahren auf Teneriffa und besuchten uns nur ganz selten. Die Karte kam per Post. Ich war überglücklich.
„Schön, dass dir das gefällt.“
Ich sah meine Mutter an. Dann fiel mir etwas wieder ein.
„Ach übrigens, Elli und ich wollen morgen shoppen gehen.“
Sie lächelte mich an und strich mir über die Stirn.
„Schön, habt Spaß.“
Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und wünschte mir gute Nacht.
„Gute Nacht“, sagte ich auch.
Sie ging wieder nach unten und ich schlief ein.
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