Merancyia - Dämonen der Nacht - Teil 2

Autor: BobbySmitty
veröffentlicht am: 25.04.2014


Kapitel 1

Etwas Sanftes und Warmes kitzelte mich an meiner Nasespitze, sodass ich widerwillig aufwachte, obwohl sich alles dagegen sträubte. Müde und immer noch verschlafen schlug ich meine Augen auf, aber so gleich schloss ich sie wieder, weil die Sonne aus dem Fenster direkt in meine Augen blendete. Das muss das Kitzeln an der Nase verursacht haben. Widerwillig öffnete ich sie und warf einen Blick auf meinen Wecker. Erst 6:34, was hieß, dass es noch lange nicht hieß aus den Federn zu kommen. Erleichtert darüber noch ein Weilchen schlafen zu dürfen verkroch ich mich unter meine wollweiche grüne Decke und versuchte wieder einzuschlafen.

Doch mit dem Schlafen schien es doch schwieriger, als es sich anhörte, weil sich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengrube ausbreitete. Ich brauchte auch überhaupt nicht um den großen Brei herum reden, daher mir der Grund schon auf der Zunge lag.

„Schule.", murmelte ich mit rauer Stimme. Genau. Die Ferien waren nämlich schon vorbei, also musste ich mich wieder dem alten Schulmuster richten, das sich keineswegs verlockend anhörte. Es war zwar nicht so, dass ich eine Niete in der Schule war, ganz im Gegenteil, doch wenn ich bloß daran denken musste, wie sich die anderen Schüler meiner Schule auf mich reagieren würde, drehte sich mir der Magen übel um. Hauptsache musste ich mich in den ersten Schultagen nicht alleine durchsetzen. Dafür würden mir Phil und Mary schon auf die Sprünge helfen. Phillip war über die Ferien, in Boston geblieben. Mary wiederum ist zwangsweise mit ihren Eltern und Schwestern nach Italien ans andere Ende der Welt geflogen. Natürlich war mir klar, dass sie mit gehen wollte, weswegen ich ihr anfangs auch versucht hatte, ihr die Schuldgefühle zu nehmen, weil sie dachte, sie würde mich im Stich lassen. Ihr sagen, dass es mir nichts ausmache, war schwerer gewesen, als gedacht. Letzten Endes war sie ja geflogen.

Heute würde ich endlich wieder Marilyn sehen. Weswegen ich auf einmal ganz hibbelig und hellwach wurde, daher es wenigstens einen guten Grund gab, in die Schule zu gehen. Phillip und ich hatten die ganze Ferien zusammen mit Michael in Kanada, Toronto, verbracht. Leider musste Mason Zuhause bleiben, daher er für seine diesjährigen Prüfungen ackern musste. Immerhin war er der vernünftigste von uns Dreien und wusste, seine Freizeit angemessen zu vertreiben. Selbst wenn ich lieber Zuhause, bei meinem spießigen Bruder geblieben wäre, konnte ich Phils Freude nicht zu Nichte machen. Jetzt hatte er wenigstens Mary wieder, die jeden Mist mit ihm unternehmen würde, ob es nun legal oder illegal wäre. Ich stieß die Decke von mir und wollte die Richtung ins Bad einschlagen, um die morgendliche Routine hinter mich zu bringen. Doch so unvorsichtig wie ich war, schaffte ich es nicht weit und stieß meinen Fuß gegen das Bettgestell an.

„Mist!".

Der Holzboden näherte sich erschreckend schnell meinem Gesicht, doch in der letzten Sekunde stützte ich mich mit beiden Händen ab, stieß mich vom Boden und wollte ins Badezimmer schleichen. Vergeblich, denn Mason war anscheinend schon auf den Beinen. Vielleicht sollte erwähnt sein, dass er einer der Wenigen Frühaufsteher war. Das hatte Mason von Grams, unserer Oma aus Irland, die früher, wenn wir sie im Sommer mit unseren Eltern besucht hatten, schon um sieben Uhr früh, in der Küche stand und der Tisch schon längst gedeckt war.

„Jeara ? Bist du schon wach?", rief er hoch zu mir. Ich schwankte zur Treppe und stampfte die Stufen hinab zu ihm. Wie jedes Mal, wenn ich die Stufen hinab stieg, betrachtete ich die eingerahmten Bilder, die stufenartig nach unten führten. Auf jedem einzelnen Bild, waren Mason, Michael, Marilyn oder Phillip gemeinsam abgebildet. Mal waren es einzelne Schulbilder oder Erinnerungsfotos, von Ausflügen, die wir zu fünft unternommen hatten. Mein Lieblingsbild von allen, war das am Ende.

Darauf waren wir gemeinsam abgebildet. Das Foto wurde von meinen Eltern geschossen, als wir uns an den Seven Sisters, in London, vor die Klippen gestellt hatten. Die Aussicht war atemberaubend gewesen. Marilyn hatte ihr Arm bei mir eingehakt und das rechte Bein angewinkelt, wobei ihr grünes Kleid ein Stückchen hoch gerutscht war. Ein breites Lächeln zierte ihr Gesicht, wobei ihre süßen Grüppchen zum Vorschein kamen. Nicht anders zu erwarten stand ich etwas steif da, mit einer dunkelgrünen Hose und einem schwarz-weiß gestreiften T-Shirt. Pragmatisch.

Meine Haare waren zu einem wirren Zopf gebunden, was am starken Wind lag, während Marys Haare ordentlich zu einem Fischgrätenzopf geflochten waren.

Neben mir stand Michael, den Arm um meine Schulter gelegt und einem strahlenden Lächeln auf dem markanten Gesicht. Er trug ein blaues Hemd mit einem grauen T-Shirt darunter und schwarzen Shorts. Phil stand neben ihm.

Ich erinnerte mich noch, als man ihn, mit der Kamera, beim Lachen erwischt hatte.

Phillip trug eins seiner berüchtigten T-Shirts, auf den immer komische Sprüche und Bilder gedruckt waren. <Das Schicksal ist ein mieser Verräter>.

Das Shirt hatte er sich deshalb gekauft, weil er das Buch so gemocht hatte.

Sowie das Cover vom Buch, war auch auf dem T-Shirt gedruckt. Zum Schluss stand Mason, mit einer Brille, daher er zu dieser Zeit noch keine Kontaktlinsen besaß, die Hand auf dem Kopf von Phil. Er stand etwas verklemmt da, aber nur deswegen, weil er nicht gern vor der Kamera stand. Kamerascheu, wie die Leute es heutzutage zu sagen pflegten. Schwarzes T-Shirt und schwarze Hosen. Seine Lieblingsfarbe. Wenigstens lächelte er fröhlich. Ich war jedoch die Einzige, dessen Grinsen aufgesetzt war. Dafür schämte ich mich heute noch. Das war ein Jahr später, nach dem Tod unserer Großeltern in Amerika. Die Eltern meines Vaters. Mich trafen die Tode in unseren Familien immer sehr hart, daher mir nichts wichtiger war als meine Generation. Immerhin sah man es mir auf dem Bild an .Was im Foto besonders auffiel, war jedoch, dass Marilyn ihren Arm so hielt, als würde sie jemanden halten. Masons andere Hand war in die Luft erhoben, sowie die andere Hand, die auf Phils Kopf ruhte. Lag wohlmöglich daran, dass alle zu diesem Zeit aufgeregt waren. Am Treppenabsatz roch ich schon den wundervollen Duft von Pfannkuchen. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen und lief zu ihm in die Küche. Er stand mit dem Rücken zu mir am Herd hinter der Kücheninsel wo er gerade eine neue Ladung Pfannkuchenteig auf die Pfanne herabließ. Sofort stieg heißer, wohl duftender Duft in die Luft und erfüllte den Raum mit einem süßen Geruch. Er drehte sich zu mir um und schenkte mir sein stolzes Lächeln das ich so sehr an ihm liebte. Ich konnte nicht anders und musste ein bisschen lachen, er stimmte mit ein und widmete sich wieder den Pfannkuchen zu. „Irgendwie habe ich es hervorgesehen, dass du heute früh aufstehen würdest, also wollte ich dir einen guten Vorgeschmack für den Schulanfang mitgeben.", erklärte er und wendete den letzten Pfannkuchen und legte ihn zu denn anderen aufs Teller und stellte ihn auf den Tisch, das neben der Kücheninsel stand. Er hatte schon alles gedeckt und auch an alles gedacht. Drei Teller hatte er drauf abgelegt und Messer und Gabel waren schon zur Stelle. Die Erdbeermarmelade, der Schokosirup und zwei Gläser mit Saft standen schon drauf. Mason und ich bevorzugten es, Säfte zu trinken. Michael konnte aber nicht ohne eine Tasse Kaffee getrunken zu haben, aus dem Haus gehen. Deshalb sah seine überdimensionale Tasse total fehl am Platz aus. Beeindruckt schaute ich mir das geschmackvolle Essen an, wobei ich drauf achtete den Sabber im Mund zu behalten. Gerade als ich Mason meine Hilfe anbieten wollte, um den Mehl den Zucker und die anderen Zutaten für Pfannkuchen in die Schränke einräumen könnte, erschreckte mich ein lautes Gähnen. Michael. Als ich über meine Schulter lugte, fuhr er sich durch seine zerzausten Haare. Bloß in Garfield- Boxershorts in die Küche torkelte und seine Hüfte an Kante der Kücheninsel stieß und es mit einer Grimasse abtat.

„Morgen.", nuschelte er und ließ sich auf den Stuhl fallen. Entweder musste er a) gestern zu lange gelernt haben b) die Nacht durch gesoffen oder c) mal wieder ein Spiel bei seinem Freund Tyson McAdams. Ich musste nicht mal einen Gedanken daran verschwenden, daher die Antwort wohl bei c lag. Ich setzte mich hin, Michael rechts von mir und Mason hockte sich vor mich. Beide schauten mich mit ihren blau-grünen Augen fragend in meine.

„Was ist?", fragte ich sie und nahm mir einen Pfannkuchen auf mein Teller.

Michael zuckte mit den Schultern und Mason hob spöttisch die Augenbraue.

„Kann es sein, dass du letzte Nacht, wieder schlecht geschlafen hast?", fragte er mich und gabelte sich Gurken auf den Teller. Innerlich zuckte ich wegen der Frage zusammen. Ließ es mir aber nicht anmerken.

„Etwas, wieso? Und ihr?", fragte ich und räusperte mich kurz und schmierte mir Marmelade auf mein Pfannkuschen.

„Hatte noch Hausarbeiten zu erledigen, immerhin ist es gestern noch spät geworden. Auf deine Frage zurück. Deine Augenringe sehen scheiße aus.", sagte er und kräuselte beim kauen die Lippen. Na vielen Dank auch! Er brauchte mich nicht drauf aufmerksam machen.

„Deine Haare sehen auch scheiße aus.", sagte ich empört und schob mir den zusammen gerollten Pfannkuchen in den Mund. An meinem Mundwinkel jedoch, tropfte ein kleines bisschen von der Marmelade auf den Teller.

Mason lachte und verschluckte sich dabei an seinem Pfannkuchen. Michael schlug ihm dafür einpaar Schläge auf den Rücken.

„Gib es auf Jearinne, mit deinen Augenringen übertrumpfst du alle. Selbst Michaels Boxershorts sind weiter hinter dir.", gluckste er und trank einen Schluck von seinem Kaffee. Michael sah mich von der Seite an.

Ich verdrehte darauf nur die Augen, konnte mir ein Schmunzeln jedoch nicht verkneifen. „Dein Entchen- Schlafanzug ist wesentlich schlimmer."

Daraufhin starren wir zu dritt auf die grünen und roten Entchen auf seinem T-Shirt. Michael bohrt den Zeigefinger auf seine Brust und drückt auf den Kopf einer roten Ente.

„Hilfe Mason, Michael belästigt mich!", quiekte Michael. Lachend schlug Mason seinen Finger weg.

„Was hat dich wach gehalten?", fragte mich Mason, während er sich mit der Serviette den Schokosirup von der Oberlippe wegwischte.

Ich schluckte schwer. „Der Traum".

Beide hören mitten beim Kauen auf und schauten zu mir auf.

„Noch immer?", fragten beide gleichzeitig. Ein Nicken meinerseits.

„Leider ja.", antwortete ich und schwieg.

„Das sind fast drei Jahre her. Langsam sollten sie dich nicht mehr plagen.", meinte Mason mitfühlend. Wir hatten das Thema schon so oft durchgekaut. Meistens liefen die Gespräche auf diese Sache hinaus. Obwohl hunderte bestimmt noch folgen würden.

„Mason, ich habe mir das so nicht gewünscht, okay? Das liegt nun mal nicht in meiner Hand. Wir haben das schon so oft besprochen, langsam sollte es abgehakt sein. Ich träume es noch immer. Punkt.", sagte ich etwas laut und sofort übernahmen mich Schuldgefühle. Beschämt senkte ich mein Kopf und starrte meinen Pfannkuchen an. Mir war der Appetit vergangen, aß jedoch trotzdem etwas, daher mein Bruder nicht oft backte oder kochte. Mason wollte ja nur das Beste daraus machen, da brauchte ich nicht so wütend werden. Ich biss mir solange auf die Zunge bis ich Blut schmeckte. Blöde Angewohnheit.

„Kopf hoch Süße.", sagte Michael und hob mein Kopf mit dem Finger. Mason sah mich keineswegs sauer an. Sondern belustigt. „Ein Glück. Dein Sturkopf ist noch in Takt.", scherzte er das Thema ab. „Und jetzt iss lieber sonst bleibt nichts mehr übrig.", meinte er. Mason löffelte sich Marmelade auf sein Toast, Michael tunkte sein Essen in Sirup und ich streute Zucker auf mein Pfannkuchen.

Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen. Ich konnte von Glück reden, dass Mason mich mit dem Thema nicht bedrang.

„Und bist du schon wegen dem ersten Schultag nervös? Immerhin ist lange Zeit vergangen seit Beginn der Ferien.", fragte Mason.

„Af nu'n bifchen.", sagte ich mit vollem Mund. Nachdem ich meinen Pfannkuchen verputzt hatte spülte ich es mit Orangensaft runter. Eins musste man meinem Bruder lassen, von ihm schmeckten die Pfannkuchen immer sinnlich und perfekt. Fein und luftig.

„Hast du dir schon einen guten Vorsatz für das neue Schuljahr vorgenommen?", fragte mich Mason und goss diesmal Schokosirup über seinen Pfannkuchen.

Darüber brauchte ich gar nicht lange nach zu denken, daher ich mir schon viele Gedanken drüber gemacht hatte. Und zwar...

„Die Mitschüler ignorieren, einfach im Unterricht mitmachen und perfekte Klausuren schreiben.", sagte ich und schob mir den zusammen gerollten Pfannkuchen in den Mund. Mir war natürlich klar, dass Mason mit so einer Antwort vollkommen gerechnet hatte, es ihm aber trotzdem wurmte.

Ich mied meinen Bruder seinen wütenden Blick mit voller Absicht, daher ich wusste, wenn ich den jetzt erwidern würde, ich wieder einer Diskussion ins Auge sehen musste, die er letztendlich immer gewann. Doch selbst vor so einer Situation konnte ich schlecht flüchten, so hob ich den Blick, der sofort in die wütenden dunkelblauen Augen sah. Selbst wenn mein Bruder eine wütende oder säuerliche Miene aufsetzte, schien das seinem hübschen Gesicht nichts anzuhaben.

Mason hatte äußerst maskuline Gesichtszüge, doch keiner wusste besser als ich, wie weich seine Wangen waren, wenn er mal keinen Dreitagebart hatte. Auch wenn Mason mit dem Bart mit Abstand noch besser aussah, als er es eh schon war. Mehr wollte ich auch nicht sagen, immerhin war er mein Bruder

Anfangs, als Mason und Michael nachdem Tod unserer Eltern zu mir zogen, war es für mich etwas schwierig Mason ins Gesicht zu sehen, weil er mich immerzu an unseren Vater erinnerte. Deshalb brauchte ich längere Zeit einpaar Einläufe um wieder in den Spiegel zu sehen. Erstens, weil ich mich für mich selber schämte, daher ich den Tod meiner Eltern als meine Schuld sah. Zweitens, erinnerten mich meine Augen an meine geliebte Mutter, aber nach einer gefüllten Zeit, war das ein großer Vorteil, weil ich in meinen blauen Augen etwas von meiner Mutter sah und sie sogar irgendwie spürte, im Herzen. Drittens, wusste ich würde mich selber verabscheuen, wenn ich mich im Spiegel betrachten würde.

„Diesmal hätte ich mehr erwartet, als nur diesen Satz, den du jedes Jahr als Vorsatz hast.", sagte mein Bruder und ich konnte ich seinen Augen ablesen, dass er sich Sorgen machte. Mal wieder. Aber Wut spiegelte sich auch in seinem Ausdruck.

„Ich habe es langsam satt, dass du dir nichts einfallen lässt.", mischte sich Michael ein, der mir wiederum einen belustigten Ausdruck in den Augen ansah.

„Mike, ich versuche vernünftig mit ihr zu reden, weswegen es keineswegs hilfreich ist, wenn dir die Ernste der Sache nicht klar ist.", fuhr Mason ihn an.

Natürlich bekam jeder mit, dass Mason der dominanteste von uns war. Lag wiederum auch daran, dass er der älteste unter uns drei Geschwistern war. Michael würde im Oktober siebenundzwanzig werden, Mason in einem Monat zweiunddreißig. Weswegen es ziemlich unfair war, dass ich mit meinen siebzehn Jahren gar nichts zu sagen hatte.

„Es hat sich seit fast drei Jahren nichts geändert, woher willst du wissen, dass es diesmal anders wird. Du beißt auf Granit.", meinte Michael und stopfte sich dabei eine zusammen gerollten Pfannkuchen in den Mund. Meinen genervten Blick bemerkte er leider nicht. War ja genug, dass Mason mir immer Predigten vorhalten musste und sie nie zu enden schienen, aber Michael redete zu allem Überfluss auch noch so, als könnte man mir wenig zutrauen. Ich konnte mir sehr wohl etwas Neues vornehmen. „Okay, wisst ihr was. Ihr wollt, dass ich glücklich bin und mit euch über meine Gefühle und Probleme rede. Mich nicht verschließe und offen zu euch bin. Ich verspreche in nächster Zukunft fröhlicher zu sein und als Erstes komme ich zu euch, wenn mir etwas am Herzen liegt.", sagte ich und beendete meine Rede mit einem Schluck Saft. Diese Entscheidung war eigentlich unvorhersehbar gewesen. Ich hatte einfach drauf los geredet und hatte mich spontan dazu entschieden.

„Gut, das freut mich. Ich habe allerdings noch eine Bitte.", sagte Mason bestimmt. Na klar. Da hatten wir den Salat. Wenn man jemanden einen Finger gab, wollten sie gleich deinen ganzen Arm. Ich nickte.

„Und die wäre?", fragte ich skeptisch. Michael sah unseren Bruder auch verwundert an.

„Gib mir ein Lächeln, Liebling.", sagte er sanft und lächelte mich warm an.

Das hatte ich zwar nicht erwartet, aber ich tat es gerne. Wenn es mehr nicht war. Ich stützte meine Arme auf dem Tisch ab und zeigte ihm mein breitestes Lächeln, dass momentan am offensten war. Zufrieden strich er mir über die Wange.

„Wenn du lächelst, siehst du gleich weniger hässlich aus.", meinte Michael lachend, aber liebevoll. Dann wendete sich das Gespräch auf eine lockere Ebene. Mason fragte Michael wie das Footballspiel gestern ausgegangen war. Dieser fragte ihn, wann er nach Hause käme. Anscheinend stand Mason ein lange OP bevor. Er war Thoraxchirurg. Seit vier Jahren, deshalb war er der Jüngste Chirurg im Krankenhaus. Michael studierte zwar noch, aber praktizierte nebenbei bei einer Firma als Sozialarbeiter. Nach drei Pfannkuchen war ich satt und trank mein Glas leer. Heute hatte ich ausnahmsweise viel gegessen. Ich stellte meinen Teller und mein Glas in die Spüle und wollte den Tisch abräumen.

„Lass mal, Michael mach das schon.", winkte er ab, trotz Michaels Poteste.

Dankend rannte ich die Treppen hoch um mich für die Schule fertig zu machen.

Ich holte meine Zahnbürste und meine Zahnpasta aus dem Schrank und fing an meine Zähne zu putzen. Nachdem ich mich geduscht und mit dem Bad fertig war ging ich in mein Zimmer um meine Haare zu föhnen. Diesmal versuchte ich alle trocken zuföhnen. Mary beschwerte sich immer, wenn meine Haare wie elektrisiert nach oben standen. Für heute entschied ich mich für ein kariertes orange, rot und grün farbiges Hemd, eine pechschwarze Jeans und zog mir eine graue Weste mit Kapuze an. Als ich mit meiner Tasche runter gehen wollte, lief ich an meinem Spiegel vorbei. Ich wollte einfach schnell raus, doch an der Türschwelle blieb ich stehen und dachte darüber nach einen Blick in den Spiegel zu riskieren oder nicht. Ich entschied mich dafür einen kurzen Blick zu erhaschen. Also stellte ich mich davor und betrachtete mich. Ich sah mich mit braunen, kurzen, glatten Haaren die bis zur Schulter reichten und mein Gesicht umrahmten. Saphirblaue Augen sahen mir entgegen. Leer und leblos. Michael hatte Recht behalten. Meine Augenringe sahen ziemlich unschön aus, weder Make-up würde helfen noch Creme. Auch wenn ich mich sehr dagegen sträubte, Make-up zu verwenden, konnten sie in bestimmten Situationen hilfreich sein. Meine Hose war nicht mehr so anliegend. Falten zeichneten sich auf meinen Schenkeln ab.

Der Anblick widerte mich sofort an. Man könnte meinen ich sei mit den Augenringen der Tod höchst persönlich. Ich lief runter zu Mason der schon im Flur auf mich wartete. Michael musste schon los gefahren sein, während ich meine Haare geföhnt hatte. Am Wochenende hatte er uns berichtet, dass er heute volles Programm im Studium haben würde und anschließend zu den Kindern in die Stiftung fahren würde. Nachdem ich unten ankam und mir die Schuhe anzog, nahm Mason die Autoschlüssel vom Anhänger.

„Was ist los? Waren meine Pfannkuchen etwa zu viel?", witzelte er, doch es war ein bisschen Unsicherheit heraus zu hören. Besorgt begutachtete er mein Gesicht.

Diesmal schaffte ich ein beinahe Lächeln auf mein Gesicht zu bringen.

„Nein, es ist bloß die Schule.", sagte ich. Immerhin war das die halbe Wahrheit.

Behutsam und vertraulich nahm er mich in Arme und strich mir über die Haare. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und atmete seinen schönen Duft ein. Kein Hauch von Parfüm, Deo oder Aftershave. Aber trotzdem schön. Ich schlang meine Arme um seine Rippen, weil ich besonders kleiner war als er. Eine Weile standen wir so da, doch dann viel zu schnell lösten wir uns voneinander. Mason lächelte mich erheiternd an, ich lächelte zurück. „Das wird schon. Nach ein paar Tagen, wird sich die Unsicherheit schon legen.", munterte er mich auf und öffnete uns die Haustür. Wir liefen zu seinem schwarzen Volvo, das vor unserer Garage stand. Ich rutschte auf den Beifahrersitz und legte meinen Rucksack auf den Rücksitz. Neben mir stieg Mason ins Auto, steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn und der Wagen sprang sofort an. Er lenkte das Auto in Richtung Schule. Wie üblich verlief die Autofahrt zur Schule schweigend. War unser gewohntes Muster.

Nach fünfzehn Minuten Fahrt parkte Mason den Wagen auf dem Parkplatz vor der Schule. Es war erst sieben Uhr vierzig. Schüler rannten in die Schule oder standen in Grüppchen da. Umarmungen hier und dort. Ein übler Knoten bildete sich in meinem Magen. Ich war überhaupt nicht bereit für dieses Schuljahr.

„Ich wünsche dir noch einen wundervollen ersten Schultag.", daraufhin küsste Mason mich auf mein Haarscheitel und ich lächelte ihn skeptisch an.

„Wünsche ich mir auch.", seufzte ich. Mason zwinkerte mir zu und nahm dann sein Geldbeutel aus seiner Hosentasche. Bitte nicht!

„Falls du es brauchst.", sagte er und steckte es in meine Seitentasche.

„Danke.", erwiderte ich. Wir beide wussten, dass ich das Geld gar nicht anrühren würde. Daran hatte sich Mason und Michael jedoch gewöhnt, wenn sie mir Geld einsteckten. Ich nahm beim Aussteigen meinen Rucksack vom Rücksitz und machte mich auf dem Weg zum Schultor. Kurz davor schaute ich die moderne Schule an. Sie war vor sieben Jahren mitten in einem Wald gebaut worden. Das hieß, dass die Schule von Bäumen umgeben war, sie war jetzt nicht ganz eingeschlossen, weil sich hinter dem Gebäude noch eine große, lange, grüne Wiese erstreckte, wo Schüler oder Schülerinnen sich gerne hinlegten oder Pause machten. Meiner Meinung nach war es wunderschön hier. Es war eine tolle Idee die Schule hier zu bauen. Immer wenn der Unterricht zu langweilig wurde schaute ich immer aus dem Fenster raus und bestaunte den schönen Ausblick. Ich versuchte meine Nervosität ab zu schütteln, doch erfolglos. Klar, ich wusste ich musste mich zusammenreißen also ging ich rein. Ich lief die Treppe hoch zu meinem Schließfach, der oben in der 2og. stand und versuchte den Blicken, die die Leute mir zuwarfen auszuweichen, also zog ich mir meine Kapuze über denn Kopf und steckte die Hände in die Taschen. Ich lief den schmalen Flur entlang, wo viele Schüler standen und miteinander plauderten. Doch sobald ich an ihnen vorbei lief, verstummten sie und ich spürte wie ihre Augen sich in meinen Rücken bohrten. Wie oft hatte ich mich auf der Toilette versteckt und gewartet bis es klingelte, um die neugierigen, säurigen oder mitfühlenden Augen zu vermeiden. Doch ich war jetzt reifer und älter und auf jeden Fall mutiger geworden, weswegen ich ohne überhaupt aufzusehen zu meinen Schließfach tappte, aber oft genug rempelten mich Mädchen oder Jungs absichtlich an, auch dafür gab es Gründe.

„Wohin die Eile?", johlten Jungs vor mir. Ein mächtiger Körper stellte sich mir in den Weg. Das Logo unserer Schule prangte auf der Jacke. Nachdem ich aufblickte, hätte ich fast gelacht. Kein anderer zu erwarten als Murphy Meyer. Der Quaterback unserer Schule. Ein angewiderter Ausdruck schlich sich in seine Gesichtszüge. Murphys Augen standen etwas weit auseinander und er hatte eine markante Nase. Zwar war er nicht hässlich, sogar eine Augenweide, aber der kühle Ausdruck in seinem Gesicht stand ihm nicht sehr. Wie immer hatte er seine braunen Haare frisiert, nicht einmal eine Strähne fiel ihm in die Stirn. Seine hellgrünen Augen sahen auf mich herab. Er bemühte um eine kalte und angewiderte Miene, aber etwas wie Freude konnte ich von seinem Blick ablesen.

Vor fünf Jahren hatte er mich gefragt, ob wir mal nicht was zusammen unternehmen wollen. Die Frage hatte er mir gestellt, bevor die Halle der Trophäen in Brand gesetzt wurde. Jeder hier gab für jedes Unglück mir die Schuld. Marilyn, Phillip und er jedoch nicht. „Kannst du mich bitte vorbei lassen?", fragte ich und machte Anstalten vorbei zu laufen, jedoch packt er mich am Unterarm und riss mich zurück. Im ganzen Flur wurde es still. Bloß Gekicher und Seufzer waren zu hören. Klar, manche hatten die Tour echt satt. „Walker, du schuldest mir noch einen Kuss.", grinste er. Ich würde gleich kotzen, wenn er mich nicht sofort loslassen würde. War auch eine blöde Angewohnheit. In Momenten wie diesen, kam mir oft die Galle hoch. „Halt die Klappe.", flüsterte ich beschämt und senkte den Blick. Das war nun schon ein Jahr her. Bei Marilyns Geburtstagsfeier hatten alle Flaschendrehen gespielt. Als die Flasche auf Murphy gezeigt hatte und er Pflicht gewählt hatte, sagten die anderen er solle mich küssen. Ich war natürlich wütend und peinlich berührt aufgestanden und nach Hause gegangen. Seitdem ließ Murphy mich nicht mehr in Ruhe. Bloß war der unerwiderte Kuss, die angebliche Brandstiftung, nicht die Einzigen Sachen, die ihn rasend machten, wenn wir uns begegneten. Vor dem Tod meiner Eltern waren wir...nun ja zusammen. Er sagte mir er würde mir bei stehen, aber ich hatte wirklich keinen Nerv gehabt. Es war nicht so, dass ich ihn nicht gemocht hatte, aber mehrere Schuldgefühle wollte ich nun wirklich nicht haben. Weswegen ich ihm sozusagen die Feikarte geschenkt hatte. Mir nahm er das wiederum übel. „Hör zu, nach der Schule müssen wir reden.", sagte er und ihm schien es egal zu sein, dass alle anderen zuhörten. Murphy sah mich unverwandt an und wartete auf eine Antwort. Ich nickte. Doch innerlich wusste ich schon, dass ich nicht hingehen würde. Dafür brachte ich nicht die nötige Kraft auf. „Okay, dann. Bis bald.", sagte er und verschwand mit seinen Freunden, die alle verwirrt, aber auch angewidert waren. Man konnte fast meinen, dass meine Anwesenheit, ekelhaft war. Mit weichen Knien lief ich weiter. Meine Gliedmaßen fühlten sich wie Pudding an. Musste ich mich gleich am ersten Tag mit solchen Problemen abgegeben? Es schien immer mehr zu meinem Leben zu gehören, dass ich mich automatisch in solche Situationen rein ritt. Nachdem ich an meinem Spind ankam, versuchte ich vergeblich den Code zu drehen, doch meine Finger zitterten wie verrückt. Jemand tippte mir auf den Rücken. Okay, Jeara, ganz ruhig bleiben, redete ich mir ein und drehte mich um. Vor mir stand Phillip mit einem wissenden Ausdruck im Gesicht.

Seine vertrauten Arme umfingen mich und ich vergrub mein Gesicht sofort an seiner Brust. Ich schlang meine Arme um seinen Rücken und spürte wie Phil mich enger an sich zog. Ein vertrautes Gefühl, breitete sich in meinem Körper aus. So gern hätte ich glücklich aufgeschluchzt. Vor Erleichterung hätte ich heulen können. Freudig sah ich ihm in die warmen, braunen Augen. Diese Farbe war immer eine Abwechslung. Marilyns waren grün, meine, Mason und Michaels blau oder grün. Seine Augen waren für mich immer das warme Heim. Es tat so gut ihn wieder zu sehen.

„Hey Jeara, alles in Ordnung.", flüsterte Phil mir beruhigend ins Ohr. Ich entwand mich seiner Umarmung soweit, dass ich ihm gegenüber stand. Soviel Nähe wollte ich nun auch nicht zulassen. Von Mason umarmt zu werden war schon genug für den restlichen Tag

Phillip beobachtete mich traurig, jedoch auch warmherzig an. Seine Augen funkelten im Flurlicht.

Phil grinste wie blöd und legte mir den Arm um die Schulter.

„Komm lass uns raus gehen. Suchen wir uns einen Platz wo wir ungestört reden können.". Ich nickte nur stumm und ließ mich von seiner Hand führen, die sanft auf meinem Rücken lag. Langsam liefen wir denn Gang entlang, verfolgt von unzähligen Blicken. Als mir der Wind die Haare vors Gesicht wehte, traute ich mich wieder tief einzuatmen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich solange die Luft angehalten hatte. Die frische Luft tat meinen Lungen gut. Ich holte ungefähr zwei bis dreimal Luft bis ich mich wieder einigermaßen entspannt hatte. Kurz schloss ich meine Augen um einen klaren Gedanken zu fassen und schlug sie nach einer Sekunde wieder auf und schaute die Bäume an, die sich in verschiedene Größen und Längen vor uns erstreckten.

Die Blätter wehten im Winde, in der Ferne konnte man Vögel zwitschern hören. Wie sie weiche melodische Klänge von sich gaben. Das alles beruhigte mich, legte sich wie ein warmer Nebel um mich. Es schien so als würde mich dieser Anblick trösten und mir unendlich viel Kraft geben. Mein Vater hatte mich früher, wenn wir in New Hampshire Ferien machten, immer mit zum Angeln genommen. Er sagte ich hätte die Liebe und Verbundenheit zur Natur von ihm geerbt.

Als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte, zuckte ich zusammen und drehte mich ruckartig um. Phil der schon die ganze Zeit dar gestanden hatte, hatte ich total vergessen während ich ganz in Gedanken versunken war. Langsam kam ich wieder zu Sinnen. Entschuldigend sah ich ihn an.

Schmunzelnd zuckte er mit den Schultern. „Pass bloß auf, dass Mrs. Peterson dich dieses Jahr nicht wieder dabei erwischt, wie du abtauchst.", riet er mir.

„Du weißt ich hab das nicht unter Kontrolle.", sagte ich und grub meine Hände wieder in die Taschen meines Hoodies. „Was ist diesmal im Gang passiert?", fragte Phil frei heraus. „Überhaupt nichts.", murmelte ich und wandte meinen Blick von seinen Augen. Manchmal kam es mir so vor, als müsste Phil oder Mary nur einen Blick in meine Augen werfen und sie wüssten schon, was wirklich los war. „Das glaube ich dir nicht. Also was ist wirklich los?".

„Es ist nichts.".

„Jeara du hast gerade eben noch traurig im Flur rumgelungert. Da ist doch etwas.". Ich gab es auf. Was sollte ich ihm den schon groß erzählen, dass alles in Ordnung war? Das wäre gelogen und Phil kannte mich zu gut, da wären meine Lügen, doch völlig überflüssig.

„Murphy will mit mir nach der Schule reden und langsam habe ich diese Blicke total satt.", gab ich zu und erkannte selbst, dass meine Stimme sich niedergeschlagen anhörte, das war nicht zu überhören. Auch nicht für Phil.

„Hör zu Jeara, lass dir von den neugierigen Blicken nichts anhaben. Lass deinen Gefühlen freien Lauf, aber lass dich einfach nicht unterkriegen. Außerdem sollst du Meyer nicht so ernst nehmen. Der nimmt dir das von früher nur übel. Ich meine, wie soll der arme Murphy mit einer Abfuhr sonst umgehen.", lachte er und machte somit klar, dass Murphy auch ihm immer noch auf den Zeiger ging.

„Das sagst du nicht zum ersten Mal.", erinnerte ich ihn und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Du weist mich auch nicht das Erste Mal darauf an.", erwiderte er.

Als Phils Blick hinter mir fiel und er anfing zu lächeln, brauchte ich mich gar nicht umdrehen um zu wissen, wer es war. Ich wandte mein Körper nach hinten und wartete es erst gar nicht ab und rannte los. Marilyn sprintete mir mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Sie streckte die Arme aus und bahnte sich den Weg durch die Schüler zu uns. Das Lächeln wurde noch breiter, dass total schön auf ihrem herzförmigem Gesicht aussah. Als die Lücke zwischen mir und ihr gefüllt war umarmten wir uns.

„Du weißt gar nicht wie sehr du mir in der Ferien gefehlt hast. Ich hab dich sehr vermisst.", sagte Marilyn fröhlich. Sie rieb mir freudig über den Rücken und quiekte begeistert auf. Ihre blonden Locken kitzelten mich an meiner Nase, doch das machte mir nichts aus. „Mir geht es genauso.", ich lächelte sie an, sie erwiderte es und grinste zurück. Phil kam schon angerannt und nahm sie auch in die Arme. „Hey, du Nervensäge. Du hast mir gefehlt", lachte Phillip und drehte sie einmal im Kreis.

„Du mir auch, du Nuss.", schrie sie belustigt und krallte sich in seine Schultern um nicht runter zufallen. Beide brachen in Gelächter aus und unwillkürlich musste ich lächeln. Nachdem er sie runter stellte sah sie uns abwechselnd an. „Ihr habt mich ja so vermisst, hab ich recht?", grinste sie und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. Marilyn war wunderschön. Dass sie sich dem nicht bewusst war, machte sie umso sympathischer.

Marilyn hakte sich bei uns unter und fing sogleich wie ein Wasserfall an zu reden. Wie nett die Leute in Italien waren und dass die Gegend dort fast nur aus antiken Gebäuden bestand. Die riesige weiße Uhr an der Schulmauer zeigte auf acht Uhr. In einer halben Stunde würde der Unterricht anfangen.

Wir mussten noch mal zu unseren Schließfächern, weil das Sekretariat vor dem ersten Schultag alle Stundenpläne in die Schließfächer warf. Meiner war in der 2.og, die von Mary und Phil waren in der ersten. Als ich meinen aus dem Schließfach entnahm erfuhr ich, dass die erste Stunde Geschichte war. Mary, Phil und ich hatten uns geeinigt, dass wir uns vor dem Jungenklo treffen würden. Beide warteten schon ungeduldig auf mich.

„Zeig mir mal deinen Stundenplan.", sagte Marilyn als ich auf sie zulief. Sie entriss es mir förmlich aus der Hand.

„Der von Phil und mir sind die gleichen deiner mit viel Glück vielleicht auch.", Mary grinste mich aufgeregt an. Doch als sie den Stundenplan durch sah und ihn mit dem ihres verglich verschwand das Lächeln und ein Runzeln trat auf ihre Stirn. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

„Du, Phil und ich haben nur Gemeinschaftskunde und Englisch zusammen sonst nichts.". Erschrocken riss ich die Augen auf.

„Was?", keuchte ich und sah mir die Stundenpläne an. Egal wie oft ich sie auch miteinander verglich, es änderte sich nichts. Phil stöhnte genervt. „Geile Sache, wirklich. Haben die mal wieder super hingekriegt.", seine Worte waren energisch. Marilyn strich sich wütend eine Locke aus dem Gesicht, die sich wieder aus ihrem Zopf gelöst hatte. Okay, an der Sache mit dem Stundenplan konnten wir schlecht etwas ändern. Dass mich alle hassten, mir finstere und neugierige Blicke zuwarfen war schlimm genug und jetzt musste ich die Schule sozusagen alleine durch ziehen. Irgendwie schien das verdammte Universum mich nicht zu mögen. Wieso sonst sollten mich an einem Tag schon so viele Probleme plagen.

„Immerhin...na ja, immerhin sind wir vier Mal in der Woche zusammen in einem Unterricht. Es gibt ja auch Doppelstunden.", versuchte Mary die Situation zu entschärfen.

„Natürlich. In Englisch können wir Mr. Bricks nerven. Dieser regt sich doch über alle Wörter oder Themen auf, die mit Sex zutun haben.", grinste Philip. Dieser nahm es wenigstens mit Humor. Was blieb uns anderes übrig.

„Ich muss los. Der Raum ist im anderen Flügel. Ich will noch schnell auf die Toilette. Bis bald.", verabschiedete ich mich und lief den Gang entlang. Oay, ich wusste, dass das meine übliche Abwehrhaltung war. Meine Bemühungen, möglichst wenige Gefühle zuzulassen, setzten ich noch immer durch. Zwar war mir bewusst, wie verletzend es gegenüber meiner Familie, damit auch Mary und Phil, war. Schließlich konnte und wollte ich es auch nicht ändern.

„Und immer schön den Kopf hochhalten!", rief mir Phil zu. Marilyn winkte und hauchte mir einen Luftkuss zu. Michael hatte das heute Morgen auch gesagt. Vielleicht lag ja wirklich was an der Sache.

Schließlich nachdem ich das Klo verließ, rannte ich zum Klassenraum. Kurz davor fasste ich mir noch an den Hals. Gut, die goldene Kette von meinem Dad war noch dran. Dann strich ich mir flüchtig über den vernarbten Nacken und ging rein.

Ich wartete bis unser Geschichtslehrer rein kam und endlich mit dem Unterricht anfangen konnte. Absichtlich hatte ich mir einen Sitz in der hintersten Reihe am Fenster ergattert. Damit ich wenigstens einen Ausblick nach draußen hatte. Während alle anderen Mitschüler redeten und lachten, hoffte ich einfach nur, dass der Lehrer oder die Lehrerin bald kommen mochte. Hauptsache ich war wie auf dem Gang, den Blicken der anderen nicht mehr so ausgeliefert. Als die Tür zuknallte und Stühle über den Boden schabten, sah ich auf.

Mr.Conklin sollte dieses Jahr mein Lehrer für Geschichte sein.

„Guten Morgen, alle zusammen", begrüßte er uns mit seiner netten Stimme. Einer der wenigen Lehrer die Charme und Freude an den Tag brachten. Ich glaubte Mr.Conklin war bloß zwei oder drei Jahre älter als mein Bruder.

„Guten Morgen Mr.Conklin.", begrüßte ihn die Klasse. Mein Mund blieb allerdings zu.

„Ich freue mich viele neue Gesichter im Fach Geschichte zusehen. Zuerst mal sollten wir uns über...", weiter hörte ich nicht zu. Ich versank wieder in Gedanken und dachte über die Zukunft nach. Wie alles wohl sein würde, wenn die Schule endlich vorüber wäre. Wahrscheinlich das Beste für mich. Alle Leute auf dieser Schule nie wieder zusehen, klang so geschmackvoll und toll an. Doch anscheinend ließ man mir heute wirklich keine Ruhe, als Raunen und Geflüster über die Bänke huschten

„Die neuen Schüler kommen aus Seattle und sind reine Jungs. Bitte nehmt sie gut in eure Gemeinschaft auf.", meinte Mr.Conklin und lächelte bittend in die Klasse. Dann klopfte es wie auf Stichwort an der Tür. Doch das ganze interessierte mich kaum und schaute aus dem Fenster raus und beobachtete den Wald, der sich draußen erstreckte und wunderschön aussah. Manchmal da wünschte ich mir echt, ich könnte einfach aus dem Fenster springen und im Wald verschwinden. Den Leuten auf dieser Schule aus dem Weg gehen. Mr. Conklin meldete sich wieder zu Wort. „Na kommt schon, stellt euch nach vorne.", wies er jemanden an.

Ich schaute wieder auf und blickte zur Tafel. Sechs Jungen die ganz unterschiedlich aussahen standen vorne. Ihr Erscheinen war ganz seltsam. Ein paar mal musste ich blinzeln, um mich ja zu vergewissern, dass ich mir das Licht, das von ihnen ausging, nicht einbildete. Doch alle Mädchen hatten nur verträumte Ausdrücke im Gesicht und schmachteten sie an. Vielleicht, kam es von der schlaflosen Nacht. Ist seit Jahren zur blöden Angewohnheit geworden. Natürlich war ich mir bewusst, wie viele Gewohnheiten ich an den Tag brachte, aber selbst wenn ich versuchen würde, dies alles bleiben zulassen, es funktionierte nicht. Plötzlich in einen meiner schwachen Momente, könnte ich mir auf die Zunge beißen, nur um zur Besinnung zukommen. Manchmal da würde ich meine Fingerknöchel knacksen lassen, weil sich wütend oder verzweifelt war. Sollte ich nervös, aufgeregt oder durch den Wind sein, da suchte ich an meiner Kette Kraft. Obwohl ich eigentlich wusste, dass ich das bloß tat, weil ich vergeblich Anzeichen von meinen verstorbenen Eltern suchte. Doch bevor ich völlig abdriftete, besann ich mich eines Besseren und wandte meine gesamte Aufmerksamkeit den Neuen. Zumindest versuchte ich es. Seit Jahren viel es mir schwer volles Interesse oder meine ganze Aufmerksamkeit auf etwas oder jemanden zu richten.

„Herzlich willkommen auf der Schule. Wie wäre es wenn ihr euch alle der Klasse vorstellt.". Einer aus der Reihe nickte. Er hatte kurze schwarze Locken, haselnussbraune Augen und eine Schokobraune Haut. Er lächelte bestimmt und stellte sich vor. „Meine Name ist Samuel Nichals und wie ihr bestimmt schon wisst kommen wir alle aus Seattle.", sagte er und lächelte offen. Danach ging es mit de Jungen neben ihm weiter. Dieser setzte lediglich eine eiserne Miene auf, Cameron O'Rys hieß er. Dunkelbraune Augen und den hellbraune Haare. Ethan Finn, der eher etwas verschlossen wirkte, hatte schwarze Haare und türkisblaue Augen. Bei ihm fiel mir auf, dass ihm das Auftreten ein bisschen Mühe entnahm. Charlie Brighton sah sehr nett aus mit seinen Grüppchen und den großen grün braunen Augen und auch seine Haare waren kurz. Jackson Zachary sah sehr ernst aus. Seine Gesichtszüge waren das totale Gegenteil von Charlie, aber er hatte auch braune Haare, doch seine Augen waren eine Mischung aus grau und blau. Anfangs, auch eine törichte Gewohnheit, machte ich mir Bilder von den Menschen. Das tat ich deshalb, weil ich immer alles im Blick haben wollte. Absichtlich achtete ich auf Kleinigkeiten. Erstens um Kontrolle zu haben. Zweitens der Person ständig einen Schritt voraus zu sein und drittens, weil ich durch den Unfall, immer sicher ging ob von etwas oder jemanden etwas Bedrohliches ausging. Kritisch musterte ich die Jungs und um ehrlich zu sein, nervten sie mich etwas. Von Grund auf konnte ich neuen Zuwachs nie so richtig leiden. Alle blickten wo anders hin und sahen niemanden an. Jeder Einzelne von ihnen hatte perfekt frisierte Haare und moderne Klamotten an. Bis auf einen. Seine Haare waren kurz und glatt und zimtbraun. Sie hingen schlaf herunter, doch sahen sie perfekt aus und glänzten unter dem Licht. Er trug nicht weiter als ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Hose. Seine Haut schien von hier hinten makellos zu sein. Seine Nase war gerade und er hatte hohe Wangenknochen und volle Lippen. Dieser Junge war schöner, als jedes Model und jeder Schauspieler den ich je gesehen hatte. Aber nicht sein Aussehen hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sondern seine funkelnden Augen. Sie waren unbeschreiblich schön und unfassbar. Obwohl er Meter weiter weg stand stachen seine purpurroten Augen mächtig hervor. Solche Augen hatte ich in meinem Leben nie gesehen und diese Augen sahen mich an. Er schaute mir direkt ins Gesicht. Neugier und Freundlichkeit waren in seinen Augen abzulesen. Ich wartete bis er den Blick von mir wendete, doch das tat er nicht. Mir jedoch wurde das zu blöd, so senkte ich den Kopf auf mein Mäppchen.

Zuletzt stellte er sich vor.

„Mein Name ist Anthony Munroe.", seine Stimme klang wunderschön so musikalisch in meinen Ohren. Es lag definitiv nicht daran, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte, im Gegenteil, sondern an meiner Schwäche zu Klängen. Ich liebte ruhige, musikalische oder sanfte Stimmen. Daran erfreute ich mich immer an den Erinnerungen meiner Eltern. Sie hatten immer einen Klang in der Stimme, die eines Engels glichen. Deshalb mochte ich seine Stimme.

Ich blickte wieder auf und hoffte, dass er diesmal woanders hinschaute. Anthony beobachtete mich noch immer, ohne den Blick abzuwenden. Es war immer noch der gleiche Ausdruck. Von meiner Sicht sah es so aus, als würde sich die Farbe seiner Augen bewegen. Seltsam...

„Bitte nehmt euch einen Platz es sind genau noch 6 Plätze frei. Jemand könnte sich neben unsere Herzdame da hinten setzen.".

Ich wusste, dass er mich meinte. Den Namen hatte er mir gegeben, als ich dreizehn war. Mir war ziemlich egal, wer sich neben mich setzte, aber bevorzugte es trotzdem, in Ruhe gelassen zu werden. Der Stuhl neben mir wurde bewegt und vom Augenwinkel nahm ich diese Augen wahr. Ich spürte den Blick auf meinem Gesicht.

„Hey.", sagte die gleiche Stimme von eben. Der ganze Mut der in mir steckte, sammelte ich und sah auf. Kurz blieb mir der Atem weg, als mich diese roten Augen neugierig ansahen. Verdammt, das war mehr als nur außergewöhnlich. Unbeschreiblich schön. Vom Nahen sah es so aus, als würden Flammen in seinen Augen tanzen und sich rekeln. „Hallo.", sagte ich und nicht mehr. Zwar faszinierten seine Augen mich, was mein Interesse weckte, aber mehr wollte ich nun auch nicht sagen. Ob er Kontaktlinsen trug? Soweit es ging verdrang ich diese Gedanken. Ich hörte aufmerksam zu und schrieb auf was wir alles für Geschichte brauchten. Für den Einstieg der ersten Stunde, gab uns Mr. Conklin eine simple Aufgabe. Denn wir sollten in Pärchen die Geschichte des Bürgerkriegs besprechen. Anthony und ich drehten unsere Stühle gleichzeitig in unsere Richtung wobei sich unsere Knie streiften. Er zuckte übertrieben. Ich sah in überrascht an und zog mein Knie schnell wieder weg.

„Tut mir leid.", sagte ich, daher ich mich dazu verpflichtet fühlte.

„Das macht nichts. Ich war nur überrascht.", er lächelte dabei. Wir fingen an und er war darauf bedacht mich nicht noch einmal zu berühren was mich irgendwie verwirrte. Anthony las den Text laut vor und schlug Stichworte vor, die wir auf unser Blatt schreiben konnten. Vergeblich versuchte ich mich auf die Worte zu konzentrieren und nicht auf das Geräusch von Anthonys Stift, der über das Blatt schrieb. Seltsamer Weise machte mich seine Anwesenheit nervös. Nicht im Sinne von, ich würde nicht wissen was ich sagen sollte, sondern, als würde er mich durchschauen. Woher dieses Gefühl kam, konnte ich mir keineswegs erklären.

Da hielt er inne und schaute mich an. Ich erwiderte den Blick, als hätte er mich bei irgendetwas erwischt.

„Wir sind doch jetzt für immer Sitznachbarn, nicht wahr?", fragte er grinsend.

„Nicht wirklich, du könntest dich in der nächsten Stunde entscheiden dich woanders hinzusetzten.", gab ich zurück. Weshalb fragte er mich so etwas?

„Das habe ich aber nicht vor.", sagte er. Das Grinsen wurde noch breiter.

„Okay, wieso fragst du?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. Eigentlich wollte ich unsere Gespräche bloß auf Zusammenarbeit im Unterricht minimieren.

„Weil ich finde, dass Sitznachbarn wissen sollten wie sie heißen.", sagte er und grinste weiterhin

„Ich weiß doch wie du heißt.", erwiderte ich. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, wollte ich ihm meinen Namen nicht verraten. Mein Gefühl sagte mir, ich solle mich von ihm fern halten. Außerdem warum fragte er, er könnte doch auch ganz gut ohne meinen Namen auskommen. Er lachte ein wenig.

„Ich weiß, dass du weißt wie ich heiße. Wie schade, dass ich nicht weiß, wie du heißt. Verratest du mir deinen Namen?", er sah mich fragend an.

„Mein Name ist Jearinne.". Okay, das war gruselig. Obwohl ich mein Mund nicht hatte aufmachen wollen, waren mir die Worte nur so aus dem Mund gepurzelt.

Als ich es ihm verriet, wiederholte er es nachdenklich.

Er schaute mich an und wieder musste ich mich an den Riemen reißen, den Plan, aus dem Fenster zu springen und zu verschwinden, nicht in die Tat umzusetzen. Langsam wurde es mir mit ihm unangenehm.

„Wunderschöner Name.", sagte er lächelnd.

"Bestimmt sehr selten. Zumindest habe ich den Namen zum ersten Mal gehört. Hast du einen Spitznamen?", fragte er neugierig. Ich schaute ihn mit großen Augen auf. Nicht weil er gesagt hatte, dass ich einen so wunderschönen Namen hatte sondern, weil ich darüber überrascht war, dass er sich dachte, ich hätte einen Spitznamen. Ich riss mich zusammen.

„Dankeschön.", es war kaum ein Flüstern und ich erkannte meine Stimme fast nicht wieder, aber er lächelte und las den Text weiter. Ich auch und fragte mich ob ich meinen Spitznamen, absichtlich nicht verraten hatte. Aber zum Glück hatte Anthony nicht weiter nachgebohrt. Ich wandte mich von ihm ab und schrieb die wichtigen Informationen auf. Erst jetzt fielen mir seine Freunde wieder ein. Ganz unauffällig drehte ich mich zu ihnen um und hätte es lieber gleich gelassen. Allesamt starrten mich an. Zwei jedoch ziemlich erbost. Diese Blicke gingen mir runter wie Öl. Niemals war ich ein Mensch, das sobald er beim Starren erwischt wurde, beschämt wegsah. Das ließ mein verdammter Stolz nie zu.

Als es endlich klingelte und mir die Erleichterung bestimmt ins Gesicht geschrieben war, packte ich meine Sachen zusammen. Die einzigen Gedanken galten der Toilette, in der ich über die kleine Pause bleiben würde und dann in den Unterricht gehen würde. Anthony neben mir schulterte gerade seine Tasche auf. Nachdem ich den Reißverschluss zugezogen hatten, wollte ich zur Tür laufen, erschrak jedoch, als die Jungs an unserem Tisch standen und mich abwartend ansahen.

„ Ist irgendwas?", fragte ich ruhig. Innerlich hoffte ich nichts weiter, als dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Bittet mich bitte nicht darum, euch in der Schule rumzuführen!

„Ja. Daher du ja schon lange auf dieser Schule bist, dachten wir, du könntest uns zeigen wie wir zum Gemeinschaftskundekurs kommen. Würdest du und behilflich sein?", fragte Samuel und sprach für einen fünfzehn Jährigen ziemlich formell. Seine Stimme klang ruhig und sanft. Es glich der von Anthonys. Von dieser direkten Aussage und der Offenheit musste ich erstmal trocken schlucken.

„Ehm, klar." Pff, wenn die bloß wüssten.

„Was hast du denn jetzt?", fragte mich Anthony.

„Bin mir nicht sicher..". Ich griff in meine Hosentasche und zog meinen Stundenplan raus. Er war schon ganz zerknittert, also strich ich es zuerst glatt, um die Worte entziffern zu können. Gemeinschaftskunde.

„Du auch, oder?!", brachte Cameron von sich. Wenn ich mich nicht in den Namen täuschte. Es war eher eine Feststellung als eine Frage und er klang genervt. Die anderen 5 schauten ihn verärgert an. Er verstummte, aber schaute mich finster an. Ich war verwirrt. Ich hatte ihm nichts getan, er kannte mich nicht mal, doch war er von mir ziemlich genervt. Das konnte ich mir nicht erklären. Deshalb nickte ich bloß

„Also ich muss jetzt los. Meine Freunde warten schon.", sagte ich und lief los, mit ihnen im Gefolge. Ich ging geradewegs in den Kurs, kurz drehte ich mich um. Die Jungs sahen mich an und lächelten. Ich wollte mich eigentlich nur vergewissern ob sie mir immer noch folgten. Es überraschte mich immer noch was für eine Feinseeligkeit, Cameron mir gegenüber brachte. Komisch, immerhin hatte ich nur stumm dagesessen. Vielleicht hatte er von den Gerüchten an dieser Schule gehört. Nachdem wir endlich ankamen, stand unsere Lehrerin, die ich aus meiner Zeit in der fünften klasse kannte, vorne an Tafel und schrieb ihren Namen mit ihrer krakeligen Schrift auf. Gott segne uns, denn sie war mehr als nur streng und launisch. Ms. Wheeler. Kein Wunder, dass sie so kratzbürstig war. Sie war noch immer Single und schien ihren Traummann noch nicht gefunden zuhaben. Ich ging ins Klassenzimmer uns sah Marilyn und Phil hinten sitzen. Sie hatten einen Platz für mich frei gehalten, daher sie mich anscheinend erwartet hatten und winkten mich zu sich rüber. Die restlichen der Schüler starrten diesmal nicht nur mich an, sondern auch die Jungs hinter mir. Andere Mädchen schienen sich im inneren Geiste, wohl auszumalen, wie sie die Jungs um de Finger wickeln konnten.

Als Phillip und Marilyn sahen, wen ich im Schleppzaun hatte, zogen sie die Stirn kraus. Ich ging auf sie zu und zog eine finstere Miene damit sie endlich aufhörten so zu kucken, als wären Geister auf meinen Fersen. Sie rissen sich zusammen und lächelten sie verwirrt an. Anthony, Samuel, Ethan, Charlie, Cameron und Jackson blieben hinter mir stehen und begrüßten sie.

„Hallo, ich bin Marilyn.", stellte sie sich vor und musterte alle eingehend.

„Und ich Phillip Roys.", sagte Phil und stand auf, um allen die Hand zu reichen. Gott, ich beneidete ihn um seine Selbstsicherheit.

„Nett euch kennen zu lernen. Wie ich sehe habt ihr Lizzie schon kennen gelernt", scherzte er und schenkte mir ein Lächeln. Mir leider stieg die Schamesröte ins Gesicht. Ganz sicher hatte mein bester Freund, diesen Spitznamen nur deshalb Preis gegeben, um mich auf die Schippe zunehmen.

„Lizzie? Ich dachte du heißt Jearinne.", fragte Anthony verwirrt. Doch als Mary anfing zu lachen, wandten sie ihr die Aufmerksamkeit. „So heißt sie auch. Ich bin mir sicher, ihr kennt Lizzie Borden.", gackerte Marilyn und hielt sich die Hand vor den Mund. Ihre Wangen hatten sich vom Lachen rot gefärbt. Doch mir war überhaupt nicht zu lachen zumute. Phillip fing natürlich an ihnen die Geschichte vom letzten Sommer zu erzählen. Wir waren bei Phils Vater gewesen und hatten draußen Holz gehackt, weil das Feuer im Kamin bald ausgegangen wäre. Ich hatte etwas zu stark ausgeholt, dabei flog mir die Axt aus den Händen. Um Haaresbreit hätte es Phil an der Hüfte getroffen. Dieser war zum Glück erschrocken ausgewichen. Da hatte er angefangen mich Lizzie Borden zu nennen. Nach der berüchtigten Axtmörderin. Wie einfühlsam. Während sich die anderen auf meine Kosten amüsierten, setzte ich mich neben Marilyn. Ms. Wheeler bat nun die anderen sich hin zu setzen. Daher in jeder Reihe nur sechs Plätze gab, mussten sich vier von ihnen vor uns setzen. Wie selbstverständlich rutschte Anthony auf den Stuhl neben mir. Er grinste mich von der Seite an. Mir schoss das Blut wieder in die Wangen und damit er es nicht bemerkte wandte ich mich Marilyn zu.

„Hey. Hab dich in der ersten Stunde vermisst. Was hattet ihr davor?", ich versuchte sie abzulenken damit sie nicht nachfragte, aber das war unmöglich. Sie flüsterte so leise, dass ich mich anstrengen musste um sie zu hören, obwohl sie direkt an meinem Ohr war.

„Wer sind die denn?", fragte sie neugierig.

„Ach, wir gehen zusammen in Geschichte und anscheinend auch in den Gemeinschaftskundekurs.". Ich versuchte ganz beiläufig zu klingen. Genauso leise flüsternd wie sie und doch hatte ich das Gefühl, dass egal wie leise wir auch redeten oder flüsterten, sie hörten jedes unserer Worte mit. Ich drehte mich halb zu Anthony und halb zur Tafel um. Einen kurzen Blick auf ihn erhaschend, stellte ich fest, dass er in ein Gespräch mit Samuel vertieft war. Dieser hatte sich anscheinend neben Anthony gesetzt. Erleichtert, dass ihre Aufmerksamkeit nicht uns galt, drehte ich mich zu Marilyn. Doch die hatte anscheinend etwas Besseres erwartet und hatte das Interesse verloren. Zum Glück. Dann schloss Ms. Wheeler die Tür und begann mit dem Unterricht.

Nach der anstrengenden Stunde Gemeinschaftskunde, stand endlich die Pause vor der Tür. Die Lehrerin hatte Marilyn, Phillip und Jackson oft ermahnen müssen. Dieser hatte sich nämlich häufig zu ihnen umgedreht und hatten irgendwelche Sachen ausgetauscht und gelacht.

„Ich muss meine Sachen aus meinem Schließfach holen, weil die nächste Stunde im anderen Gebäude ist. Wir sehen uns in der Cafeteria. Und...", weiter kam ich nicht den Marilyn zeigte mit ihren Augen hinter mir. Ich drehte mich um und alle sechs schauten mich erwartend an. Irgendwie sahen alle zusammen, so wie sie dastanden, aus als wären sie einem Magazin entsprungen. Wie alt sie wohl wirklich waren?

„Ehm, ich muss noch hoch zu meinem Schließfach. Wenn ihr wollt zeigt Mary...", ich wurde wieder unterbrochen. Von Charlie, dessen Grüppchen zum Vorschein kamen. „Dann begleiten wir dich.", sagte er lächelnd. Um nicht unhöflich zu wirken, nickte ich und winkte Phil und Mary zum Abschied. Die jedoch standen verdaddert da und konnten sich genauso wenig wie ich, einen Reim draus machen, was die Typen wohl an uns oder mir fanden. Zugegebenermaßen waren sie mir genauso ein Rätsel. Samuel lief neben mir und musterte mich die ganze Zeit von der Seite. Komische Jungs. Und das dachte ich nicht einfach so daher, sondern so war es. Langsam beschlich mich das Gefühl, das sie irgendwas ausheckten. Könnte vielleicht aber auch bloß an meiner paranoiden Seite liegen

Die Neuen unterschieden sich von allen anderen Jungs hier auf der Schule. Sie hatten alle eine außergewöhnliche Ausstrahlung und eine seltsame Art an sich.

Wie verabredet saßen Marilyn und Phil nach der dritten Stunde in der Cafeteria und unterhielten sich. Verstohlen sah ich zu ihnen rüber und stellte mich in die Schlange. Ich war schon nach der dritten Stunde so müde und ausgelaugt, wie bitte schön sollte ich den restlichen Tag, heil überstehen? Die Blicke saugten wortwörtlich jeden Nerv und jede Energie aus mir. Schließlich bekamen die Schüler nicht genug davon mir finstere Blicke zuzuwerfen oder mir in den Rücken zu bohren. Plötzlich tauchte ein Tablett in mein Blickfeld auf. Anthony hielt es in der Hand und reichte sie mir lächelnd.

„Dankeschön.", bedankte ich mich und nahm sie an.

„Gern geschehen.", sagte er und schenkte mir weiterhin sein Lächeln. Samuel und die restlichen schienen jedoch nicht in Sicht. Gerade, als ich Anthony nach ihnen fragen wollte, kam er mir wieder zuvor.

„Sie haben keinen Hunger, also haben sie sich schon neben Marilyn und Phil gesetzt.", er nickte in die Richtung zu Mary und Phil. Ich blickte hin und sah, dass sie sich unterhielten und lachten. Ich wandte mich wieder ihm zu und realisierte erst jetzt, dass er kein Tablett vor sich hatte.

„Willst du denn auch nichts essen?", fragte ich und als die Schlange weiter rückte machte ich einen Schritt nach vorne.

„Ich habe schon gegessen bevor ich hier war.", erwiderte er und grinste. Ob ihm die Wangen schmerzten? Immerhin sah ich ihn heute bloß lächeln. Von ihm konnte ich noch gut lernen.

„Verstehe.", murmelte ich. Phillip warf einen Blick in unsere Richtung und lächelte mir zu. Somit lenkte er die anderen auch auf uns, die jedoch lächelten nicht, sondern fixierten Anthony misstrauisch. Verwirrt wandte ich meine Augen auf Anthony. Der sah mich unverwandt an. Von nahem sah er nur schöner aus. Außerdem überragte er mich um fast zwei Köpfe. Lag aber auch daran, dass ich nicht wirklich groß war. Mein Vater hatte immer gesagt, ich hätte meine liliputanerhafte Größe von Grannis geerbt. So nannten wir unsere Oma. Meine Cousins und Cousinen in Irland und auch meine Brüder.

„ Du bist dran.", er zwinkerte mir zu. Ertappt drehte ich mich zur Essensausgabe um. Wie jedes mal nahm ich mir einen Apfel, eine Wasserflasche und gabelte mir Karotten drauf und wollte zum Tisch rüber laufen. Da hielt Anthony mich am Arm und schaute mich überraschender Weise verärgert an.

„Was ist los?", fragte ich und versuchte meinen Arm aus der Umklammerung zu befreien. Das brachte ihn dazu, den Griff zu verfestigen.

„Jeara, willst du mich auf den Arm nehmen?", sagte er.

„Auch wenn ich das wollen würde, wären meine Arme nicht dazu imstande.", sagte ich energisch und zog wieder an meinem Arm. Vergeblich.

„Du bist schon dünn genug, also nimm dir bitte was Richtiges zu essen."

Ich wich zurück und diesmal ließ er mich los. Was bildete er sich ein, sich wie mein Vater oder meine Mutter aufzuführen?!

„Tu es einfach.", bat er mich.

Ich wollte mich abwenden, aber seine Hand hielt diesmal mein Handgelenk umklammert. Da ging ein Kribbeln durch meine Pulsader und ließ mich erschauern. Doch so schnell wie es gekommen war, so verschwand es auch. Misstrauisch wandte ich meinen Blick von meiner Hand zu ihm. Eine dumpfe Wut braute sich in meiner Brust auf. Sauer riss ich mein Arm aus seinen Fingern und nahm mir irgendein Sandwich und legte es auf mein Tablett.

„Bist du jetzt zufrieden?!", keifte ich und lief auf unser Tisch zu. Ich wusste ehrlich nicht was mich geritten hatte, aber von einem Moment auf den anderen wurde ich fuchsteufelswild. Erstens, hatte er nicht das Recht sich wie ein Kumpel oder sonst dergleichen aufzuführen. Zweitens gab ihm niemand die Erlaubnis, so mit mir umzugehen und drittens... Das hatte meinen Stolz verletzt und besonders meinen Verstand durcheinander gebracht. Die Berührung seiner Finger um mein Handgelenk, hatte mir gefallen. Obwohl mich doch eine seltsame Wut und Energie übermahnt hatte.

Nachdem wir am Tisch ankamen, setzte ich mich neben Marilyn und achtete nicht auf die anderen und fing an meine Karotten zu essen. Ich würdigte Anthony keines Blickes mehr, daher ich wegen ihm ziemlich verwirrt und durcheinander war. Und die Wut war plötzlich wie weggeweht.

Ich versuchte mich schließlich nur noch auf meinen Apfel zu konzentrieren und alles und jeden in meinem Umfeld zu ignorieren. Es war nicht gerade schwer gewesen, Anthony zu ignorieren, daher ich die nächsten Stunden kein Unterricht mit ihm hatte. Marilyn sah ich den Tag über nicht mehr. Bloß war ich Phillip auf dem Gang begegnet, der mich in den Kurs begleiten hatte wollen. Beide hatten heute früher Schulschluss und wollten auf mich warten, das hatte ich ihnen jedoch ausreden können. Immerhin war ich kein kleines Kind.

Die letzte Stunde war Mathematik und somit liefen Ethan und ich aus dem Klassenzimmer, nachdem der Gong die Erlösung des Tages war. Schweigend liefen wir nebeneinander her. Ethan war ziemlich ruhig, doch das machte ihn für mich ertragbarer. Bloß fragte ich mich, ob er und die anderen schon von den Gerüchten gehört hatten. Ethan blieb zwei Meter vor den anderen stehen und umarmte mich. Etwas überrumpelt erwiderte ich die Geste und winkte den anderen dann zum Abschied. Anthony jedoch sah mich an. Und bei diesem Blick, da sollten sich nicht nur meine Nackenhaare aufstellen. Sauer, hasserfüllt und vor allem mörderisch schaute er mich an. Ein seltsamer Knoten bildete sich in meinem Brustkorb, verriet mir, dass ich äußerst ängstlich war. Außerdem fing mein Nacken auch noch an zu jucken, das immer dann passierte, wenn ich ziemlich aufgeregt oder nervös wurde. Der Junge war mir mehr als unheimlich. Denn seine Augen, die leuchteten nicht rot. Sie waren von einem tiefen Schwarz gefärbt. War das möglich? Oder war es dir große Laterne auf dem Parkplatz, das ein Schatten auf die Jungs warf. Trotzdem wandte ich mich zitternd um und bahnte mir den Weg zu den Schulbussen. Ich erschrak als ein Auto hupte, ich schaute in die Richtung. Ein schwarzer Volvo fuhr gerade an. Überrascht änderte ich die Richtung und öffnete die Beifahrertür und ließ mich auf den Sitz fallen. Mason grinste mich an. „Ich dachte, dass man dich heute in ein OP eingeschrieben hatte.", sagte ich und sah meinen großen Bruder verwundert an. Der Spiegel über dem Lenkrad war aufgeklappt. Das Familienbild mit unseren Eltern, steckte zwischen dem Band fest.

Sein Blick nahm einen traurigen Ausdruck an. „Er hat es bis ins OP nicht mehr geschafft.", sagte er und drehte den Schlüssel um. Ich wartete mit meiner Frage, bis er den Weg nach Hause einschlug.

„Was ist passiert?", fragte ich und stellte meinen Rucksack ab und steckte ihn zwischen meine Waden.

„Seit ein paar Tagen lag er in der Intensivstation. Es war ein übler Tierangriff.

Kurz bevor wir operieren konnte, ist er leider verblutet."; sagte Mason mit gerunzelte Stirn. Anscheinend fand er dies überaus seltsam. Müde seufzte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Du wirst noch tausend anderen das Leben retten. Bestimmt auch Michael. Der wird sich irgendwann ins Komma scherzen.", versuchte ich ihn aufzumuntern. Wir beide waren uns bewusst, wie humorlos ich war. Er streichelte mir über die Wange und lächelte warm.

„Danke, Schatz.", sagte er und wechselte die Spur.

„Wie war der erste Schultag?", fragte er beiläufig. Anscheinend erwartete er die üble Antwort wie immer. Ich jedoch wollte ihm eine Freude machen.

„Gut. Ich glaube auch dieses Jahr, wird mich Ms. Wheeler nicht in ihr Herz schließen. Trotzdem kann ich mich glücklich schätzen, Mr. Tygerson in Mathematik zuhaben.", sagte ich. Über die anderen seltsamen Sachen verlor ich kein Wort. Mason sah mich strahlend an.

„Schön zu hören, Liebling. Und weshalb sollte dich Ms. Wheeler hassen?", lachte er und schüttelte verwundert den Kopf.

Ich konnte nicht anders und musste lächeln. Somit begann unsere erste Konversation während einer Autofahrt.






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