The Facets of Black

Autor: Ai
veröffentlicht am: 03.12.2012


Taylor
»Mr. Danjels«, sagt Mrs. Wilker, die fette Sekretärin der Schule, freudestrahlend. »Schön sie dieses Jahr wieder zu sehen.«
Ich ziehe eine Augenbraue skeptisch hoch. Meint die das wirklich ernst? Sie grinst wie ein Honigkuchenpferd und reicht mir meinen Stundenplan. Ich habe nur einen missbilligenden Blick für sie übrig. Ein Blick auf meinen schönen, neuen Stundenplan verrät mir, dass jetzt Mathe mit Mr. Jackson auf dem Plan steht. Diese Trantüte. Ich hatte ihn schon die letzten vier Jahre an der Highschool gehasst und jetzt durfte ich ihn noch ein weiteres Jahr hier verbringen, während all meine Kumpel schon dabei waren, sich auf das Uni-Leben vorzubereiten.
Während ich hier jetzt durch die Gänge dieser beschissenen Schule schlendere und mir überlege, ob ich noch eine rauchen sollte, liegen Georg und Finn noch in ihren kuscheligen Betten und träumen von heißen Chicks und kühlem Bier.
Davon hatte ich vor nicht einmal zwei Stunden auch noch geträumt, bis mich meine Mutter unsanft aus dieser schönen Welt gerissen hat. »Steh auf, du fauler Sack!«, hat sie gebrüllt und mit die Bettdecke weggezogen. Sie hat mir schon vor den Sommerferien, als klar war, dass ich noch ein weiteres Jahr in dieser Schule verbringen werde, gedroht, sie würde dafür sorgen, dass ich dieses Jahr einen Abschluss bekam.
Die Tatsache, dass ich letztes Jahr die Highschool nicht erfolgreich abschließen konnte, war zweierlei Dingen geschuldet. Einmal liege ich prinzipiell lieber in meinem Bett, als in der Klasse zu sitzen. Was logischerweise zur Folge hatte, dass ich fast jeden Tag zu spät kam. Und dann war da das Lernen an sich. Ich mochte es nicht. Und die Kombination dieser beiden Tatsachen war der Grund, warum ich jetzt noch ein Jahr in Mr. Jacksons Mathe-Kurs saß.
Gelangweilt lehne ich mich an einen der Spinte, die die Wände der Gänge säumen. Gegenüber von mir befindet sich die Tür zu Raum Nummer 275. Laut Plan findet hier Mr. Jacksons Mathe-Kurs statt. Es ist kurz vor neun. Ich kann die Schulglocke, die den Anfang der ersten Stunde des neuen Schuljahres verkündet, schon fast hören.
Trotzdem mache ich keine Anstalten, mich in den Klassenraum zu begeben. Ganz im Gegenteil. In dem Moment, als die Glocke ertönt, mache ich mich auf den Weg in den Innenhof. Es ist Zeit für die zweite Zigarette des Tages. Ich lasse meinen Rucksack, in dem sich, abgesehen von Feierzeug und Zigaretten, nur der zusammengeknüllte Stundenplan von Mrs. Wilker befindet, neben mir auf die Holzbank sinken.
Der Innenhof ist ziemlich langweilig. Die Schule liegt wie ein Ring drum herum und hüllt ihn ein, wie riesige Gefängnismauern. Der Platz ist vollkommen zubetoniert, und abgesehen von drei weiteren Holzbänken wie die, auf der ich sitze, gibt es hier absolut nichts.
Ich ziehe eine Zigarette aus der Packung, klemme sie mir zwischen die Lippen und zücke mein Feuerzeug. Langsam verkohlt die Flamme das Papier und den Tabak. Eine dünne, blaue Rauchsäule Steigt von der Spitze auf. Ich fasse den Filter zwischen Zeige- und Mittelfinger und nehme einen kräftigen Zug. Ich spüre fast, wie sich das Nikotin durch meine Lunge ins Blut saugt und mich wacher macht. Ich nehme die Zigarette von meinem Mund und atme langsam eine blaue Rauchwolke aus. Der Rauch schlängelt sich langsam und anmutig gen Himmel.
Ich sitze rauchend auf der Bank und denke darüber nach, was für ein scheiß Gluck Georg und Finn doch haben. Georg hatte allgemein Glück. Er war klug genug, um nicht viel lernen zu müssen und Finn war schon wieder so dumm, dass er aus Mitleid positive Noten bekam. In jedem Fall waren sie besser dran, als ich.
Als ich den letzten Zug mache, beschließe ich, doch noch den Rest von Mr. Jacksons tollem Unterricht beizuwohnen. Ich drücke die Zigarette an der Bank aus, was einen kleinen, runden Brandfleck auf dem Holz hinterlässt und lasse den Stummel dann fallen. Als ich aufsehe, erschrecke ich kurz. Auf der Bank mir gegenüber sitzt ein Mädchen. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. Wie war sie nur so schnell hierhergekommen? Sie hatte ein schwarzes Sweatshirt mit Kapuze an, die sie sich über den Kopf gesogen hatte. Ihre feuerroten Locken hängen in Strähnen aus dem Shirt. Ihre dünnen Beine sind in eine schwarze Strumpfhose mit irgendeinem abstrakten Muster, gehüllt. Darüber trägt sie einen schwarzen, bauschigen Rock. Ihr Blick ist gesenkt, in ihrem Schoß liegt ein Buch. Sie liest.
Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, obwohl mir der Innenhof vor allem in der Unterrichtszeit wohl bekannt ist. Aber eigentlich ist es mir auch egal.
Ich stehe auf, hänge mir den einen Träger meines Rücksackes über die Schulter und mache mich auf den Weg zum Eingang. Als ich an dem Mädchen vorbeigehe, sieht sie kurz zu mir auf. Ich blicke geradewegs in zwei hellgrüne Augen, die von schwarzem Kajal umrahmt sind. Ein Eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. Schnell wende ich den Blick ab und gehe in das Gebäude.
Langsam gehe ich zurück in den zweiten Stock zu Raum Nummer 275. Es ist schon fast halb zehn. Die Hälfte des Unterrichts habe ich jetzt schon verpasst. Für einen kurzen Moment überlege ich, ob es sich überhaupt noch lohnt, das Klassenzimmer zu betreten. Doch schließlich entscheide ich mich dafür und betrete den Raum, ohne zu klopfen.
Mr. Jackson steht gerade vor der grünen Tafel und schreibt, mit weißer Kreide, irgendwelche Formeln darauf. Als er bemerkt, dass ich hereinkomme, sieht er mich zuerst erstaunt, dann erfreut an.
»Mr. Danjels«, sagt er lächelnd. »Schön, dass Sie uns auch einmal mit ihrer Anwesenheit beehren.«
»Ja«, sage ich trocken. »Ich bin auch ganz begeistert.«
Gedämpftes Lachen ertönt von den Sitzbänken.
Mr. Jackson räuspert sich. »Nun gut, dann nehmen Sie bitte Platz, damit wir mit dem Stoff fortfahren können«, weist er mich an und deutet in Richtung Sitzbänke.
Mit genervter Miene drehe ich mich zu den Reihen, auf denen die Schüler Platz genommen hatten. Nur noch ganz hinten sind Plätze frei, was mir mehr als recht ist. Ich schlürfe durch die Bänke, verfolgt von zirka zwanzig Augenpaaren.
Ich habe viele von ihnen schon einmal gesehen. Staisy Emeil, die in der dritten Reihe in der Mitte sitzt, ist Finns Exfreundin. Als ich an ihr vorbeigehe, wirft sie mir ein strahlendes Lächeln mit mindestens hundert strahlendweißen Zähnen, zu. Ich nicke ihr nur zu und setzte mich dann auf den Platz hinter ihr.
Als Mr. Jackson endlich mit dem fortfährt, was er bei meinem Hereinplatzen unterbrochen hatte, dreht Staisy sich zu mir um. Noch immer grinst sie wie ein Honigkuchenpferd. »Hey Taylor«, sagt sie mit ihrer viel zu freundlichen Quietschestimme. Ich weiderstehe dem Drang, mir die Ohren zuzuhalten.
»Hey Staisy«, sage ich stattdessen mit zusammengebissenen Zähnen. Ich habe nie verstanden, was Finn an ihr gefunden hat. Vermutlich war es die Tatsache, dass ihr IQ auf demselben Level war. Zum Glück hat er am Ende des letzten Schuljahres Schluss gemacht.
Sie grinst mich weiter dümmlich an. »Wie geht es Finn?«
»Bestens«, sage ich gelangweilt. Momentan gibt es nur eine Sache, die ich noch weniger gerne tun würde, als mich mit Miss Dummdödel zu unterhalten. Nämlich Mr. Jacksons Unterricht zu folgen.
»Ich hab gehört, er studiert jetzt«, sie stockt, es sieht fast so aus, als würde sie nachdenken. Ich bezweifle, dass sie das tatsächlich kann. »Sportlermanager«, vollendet sie ihren Satz mit einem absolut sinnlosen Wort.
»Sport und Fitness Management«, verbessere ich sie und versuche, so desinteressiert wie möglich zu klingen. Vielleicht versteht sie es ja endlich.
»Sportler fit Manager«, wiederholt sie fragend. Ach du meine Güte. Sie kann sich vier einfache Wörter nicht einmal zwei Minuten Merken. Und der Preis an die dümmste Frau der Welt geht an …, höre ich den Moderator der Preisverleihung schon sagen.
» Sport. Und. Fitness. Management«, wiederhole ich besonders langsam.
Sie nickt, obwohl ihr Gesichtsausdruck mir sagt, dass sie absolut gar nichts verstanden hat. Als sie wieder den Mund aufmachen möchte, wird sie von Mr. Jackson daran gehindert. »Miss Emeil«, sagt dieser, vor ihrem Pult stehend. Langsam dreht sie sich zu ihm um. »Sie wissen schon, dass der Unterricht hier vorne stattfindet?« Staisy nickt stumm. »Gut, dann können Sie gleich mal die an der Tafel stehende Aufgabe lösen.« Er reicht ihr die Kreide.
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Prompt ernte ich einen missbilligenden Blick von Mr. Jackson. »Sollte Miss Emeil die Aufgabe nicht lösen können, dürfen Sie ihr Glück versuchen, Mr. Danjels.« War ja klar. Natürlich wird Miss Dummnase die Aufgabe nicht lösen können.
Zum ersten Mal betrachte ich die Tafel einmal näher und stelle fest, dass ich das, was dort steht, absolut nicht kapiere. Schlechtes Vorzeichen.
Staisy verzweifelt indessen an der Aufgabe. Sie hat genau so wenig Ahnung davon, wie ich. Noch ein schlechtes Vorzeichen, obwohl ich mir das schon gedacht habe.
»Nun gut«, setzt Mr. Jackson an, als ihr der Angstschweiß ausbricht und sie mit verzweifeltem Blick durch die Reihen der Schuler schaut, auf der Suche nach Hilfe. »Beenden wir das Martyrium«, fährt Mr. Jackson fort. »Mr. Danjels, darf ich Sie bitten.«
Ich verdrehe die Augen und fange insgeheim an zu beten, dass dieser Moment irgendwie ohne größeren Schaden an mir vorrübergehen möge. Ich habe Glück, denn genau in dem Moment, in dem ich aufstehe, ertönt die Schulglocke. Ich kann mir ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen und ernte dafür von Mr. Jackson einen strafenden Blick. Ist mir egal.
Bevor Staisy nochmal auf die Idee kommt, mich wegen Finn auszufragen, verschwinde ich schnell aus der Klasse und verziehe mich an einen Ort, der meist eher unbesucht ist. Die Männertoilette. Hier kriegt diese nervige Dummnase mich nicht. Ich setzte mich in eine der mit Gravity und sonstigen Schmierereien geschmückte Kabine und schließe ab. Anders als die Damentoilette ist dies ein Ort der Stille. Genau das, was ich jetzt brauche. Stille.
Ich setzte mich auf den zugeklappten Klodeckel und nehme mein Handy aus meiner Hosentasche. Es ist kurz vor zehn Uhr. Die zweite Stunde fängt in wenigen Minuten an. Ich krame den zerknüllten Stundenplan heraus. Geschichte bei Mrs. Parker. Diese Frau ist alles andere als Geschichte. Sie unterrichtet erst seit letztem Jahr an dieser Schule und hat Mrs. Sandersen ersetzt, was eindeutig mehr als ein Aufstieg war. Mrs. Sandersen war geschätzte 100 Jahre alt und ein Fossil. Ganz im Gegensatz zu Mrs. Parker. Kaum älter als 30, lange, dünne Beine, die sie meistens in einen knielangen Bleistiftrock einhüllt. Kombiniert mit einer halb durchsichtigen Bluse, durch die man ihren Spitzen-BH sehen kann, ist diese Frau einfach nur der Wahnsinn.
Deshalb entschließe ich mich dazu, die Männertoilette wieder zu verlassen, zu Raum Nummer 104 zu gehen. Ich erreiche das Klassenzimmer einige Minuten nach dem Klingeln der Schulglocke. Das stört mich nicht besonders. Wieder öffne ich die Tür, ohne zu klopfen.
Mrs. Parker steht ans Lehrerpult gelehnt da, in einen grauen Rock gehüllt, mit einer weißen Bluse, die mehr offenbart, als für eine Lehrerin angemessen ist. Sie hält ein Buch in der Hand und redet gerade über den Bürgerkrieg. Langweiliges Thema. Was interessiert es mich, was vor keine Ahnung wie vielen Jahren einmal passiert ist. Es ist Vergangenheit. Ich bin nur hier, wegen Mrs. Parkers langen Beinen und ihrer durchsichtigen Bluse.
»Oh, Mr. Danjels«, sagt sie gespielt entzückt, als sie mich bemerkt und lächelt mich an. »Schön, dass Sie auch noch zu uns gefunden haben. Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Ich lächle zurück und male mir aus, wie sie wohl ohne Rock und Bluse aussehen würde. Nette Gedanken. Dann gehe ich durch die Reihen zum letzten freien Platz in der vorletzten Reihe. Genau dahinter sitzt das Mädchen in Schwarz mit den Feuerroten Haaren. Sie hat die Kapuze nicht mehr auf, sodass ihr die roten Locken ungehindert ins Gesicht fallen. Das Kinn auf ihre Hand gestützt hat sie den Blick auf das Buch vor sich auf dem Pult gerichtet. Anders als alle Anderen hat sie nicht aufgesehen, als ich hereingekommen bin. Erst als ich den Sessel wegscheibe, um mich setzten zu können, sieht sie kurz auf und ich erhasche einen kurzen Blick auf ihre kalten, grünen Augen. Wieder huscht ein eiskalter Schauer über meinen Rücken. Dieses Mädchen ist einfach unheimlich.
Die Unterrichtsstunde vergeht quasi wie im Flug. Mrs. Parker steht an das Pult gelehnt da und labert irgendetwas über den Bürgerkrieg, ich sitze in der vorletzten Reihe und höre ihr nicht zu. Male mir derweil aus, was man alles Hübsches mit ihr anstellen könnte. Sie ist zum Glück der Typ Lehrer, der den Frontalunterricht bevorzugt. Sie redet, die Schüler hören zu, oder auch nicht.
Trotzdem fühle ich mich nicht besonders wohl, vor diesem seltsamen Mädchen zu sitzen. Ich habe das Gefühl, dass sie mich anstarrt. Aber immer, wenn ich mich umdrehe, ruht ihr Blick auf dem Buch vor ihr.
»Gut, dann bis zum nächsten Mal«, beendet sie den Unterricht, nachdem die Schulglocke ertönt und die Hälfte der Schüler schon aus dem Raum gestürmt ist. Ich stehe, als einer der Letzten, langsam auf und schwinge einen Gurt meines Rücksacks über die Schulter. Ich kann mir einen Blick nach hinten nicht verkneifen. Das Mädchen ist weg. Erstaunt sehe ich wieder nach vorne und gehe hinaus. Wie ist sie an mir vorbeigekommen, ohne dass ich es bemerkt habe?
Als ich an Mrs. Parker vorbei zur Tür gehe, lächelt sie mich an und ich bleibe unwillkürlich stehen. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und sagt: »Nächstes Mal bitte pünktlich.«
Ich grinse zurück und sage höflich: »Natürlich Mrs. Parker.« Dann verlasse ich den Raum. Nächstes Mal bitte ohne BH, denke ich ganz für mich und muss wieder grinsen.






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