Gestern, heute, morgen - Eine Liebe für die Ewigkeit - Teil 5

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 15.11.2012


Nachdem ich vor Mila so große Rede geschwungen habe, schwand jetzt mein Mut dahin und alles was blieb, waren verschwitzte Handflächen und schloddernde Knie. Kein einziges Wort wollte meinen Mund verlassen, aber auch meine Zunge spielte nicht mit.
“Du wolltest mir was sagen?” - erinnerte mich Tony, nachdem ich auch einige Augenblicke später kein Wort von mir gab.
“Ja.” - meine Stimme zitterte in Erbebbenstärke 9,0. “Ich wollte … ich …” - stammelte ich.
“Du wolltest was?” - wollte Tony wissen und sah mich skeptisch an. Ich kam mir echt blöd vor.
`Reiß dich zusammen` - befahl ich mir und atmete tief durch.
“Ich wollte dich fragen, ob du mit mir ausgehen möchtest?” - sprudelte es ganz schnell aus mir heraus und 100 Tonnen fielen von meinen Schultern.
Tonys Augenbrauen schossen in die Höhe und er schwieg. Ich fragte mich, ob dieses Schweigen positiv oder negativ war? Doch bevor ich von meinen Zweifeln zerfleischt wurde, lächelte Tony mich an. Es war nicht das Lächeln, was er immer auf den Lippen hatte. Wo immer Häme seine Mundwinkel in die Höhe zog, sah ich jetzt Verlegenheit und Freude. Mein Herz machte einen Salto.
“Ich würde gerne mit dir ausgehen, Abby.” - sagte er dann und sah mich direkt an.
“Oh.” - gab ich nur verblüfft vor mir. Ich weiß zwar nicht, was ich erwartet habe, aber das sicherlich nicht. “Das ist gut.” - meinte ich dann und mein Gesicht glühte.
“Wollen wir am nächsten Samstag zusammen ins Kino gehen und dann etwas essen?” - fragte er mich dann.
“Das hört sich gut an.”
“Dann hole ich dich dann gegen 19:00 Uhr ab?”
“Ja, soll ich dir meine Adresse geben?” - wollte ich wissen, doch er schüttelte bloß mit dem Kopf.
“Die kenne ich.” - gab er nur zurück. “Ich freu mich schon.”- er lächelte mich an.
“Ich mich auch.” - ich war total erstaunt über diesen unerwarteten Ausgang.
“Bis dann.” - verabschiedete er sich dann und ging zurück zu seinen Freunden, die ihn mit Pfiffen und hämischen Lauten begrüßen.
Als ich mich wieder umdrehte, sah ich schon Mila auf mich zu rennen.
“Du bist meine Heldin.” - sie war aus dem Häuschen und kreischte begeistert auf. Damit zog sie die Aufmerksamkeit der Passanten und auch der Gruppe Jungen auf uns.
“Leise.” - bat ich sie, immer noch rot wie eine Tomate. “Lass uns gehen.” - ich hackte mich bei ihr ein und wir liefen mit schnellen Schritten an den Tisch von Tony und seinen Freunden vorbei. Als wir um die Ecke bogen und sie nicht mehr im Sicht hatten, fiel mir Mila um den Hals.
“Du bist echt mutig.” - sie war immer noch begeistert und ihre Augen leuchteten vor Bewunderung. “Du bist meine persönliche Wonderwoman, meine Superwoman.”
“Ist ja gut.” - ich war peinlich berührt von ihrer Begeisterung, doch auch irgendwie stolz auf mich selbst. “Ich habe einen Date mit Tony.” - stellte ich dann fest und blieb abrupt völlig erschrocken stehen. “Ich habe nichts zum Anziehen.”

Nachdem wir dann noch weitere 2 Stunden damit verbrachte haben, nach einem perfekten Outfit für meine Verabredung zu suchen, kehrten wir mit vollen Einkaufstaschen und leeren Geldbeuteln nach Hause zurück. Meine Füße brannten, ich hatte Hunger und war total erschöpft vom ständigen Aus- und Anziehen. Mila hatte mir mindestens 100 Kleidungsstücke in die Kabinen gereicht mit der Aussage: “Das könnte ich mir an dir sehr gut vorstellen.”
“Ich kann nicht mehr.” - hechelte ich, als ich mich auf die Stufen meines Elternhauses niederließ und meinen Stirn an meine Knie lehnte.
“So schlimm war es doch nicht.” - verharmloste Mila die ganze Sache und setzte sich neben mir. Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu. “Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dich getraut hast, Tony einzuladen.” - staunte sie.
“Ja.” - gab ich nur zurück und eine Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus.
“Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.” - sagte sie dazu.
“So ist es.”- pflichtete ich ihr bei.
“Jetzt muss ich aber los. Die Hausaufgaben warten auf mich und auf dich übrigens auch. Ich habe für dich alles aufgeschrieben und in deine Tasche alles gelegt.” - informierte sie mich und ich seufzte. “Abby, wir wollen ja nicht, dass deine Noten sich verschlechtern.” - mit einen strengen Blick bedachte sie mich.
“Nein, wollen wir nicht.” - gab ich zurück und rappelte mich wieder auf die Beine. “Wir sehen uns morgen.” - verabschiedete ich mich und schleppte mich die Treppe zur Haustür über.
“Du bist meine Heldin.” - rief Mila mir noch hinterher und ich streckte lächelnd die Hand in die Höhe. “Bis dann.”
Im Haus angekommen streifte ich meine Schuhe ab und stöhnte genüsslich.
“Abby-Schatz, bist du es?” - hörte ich meine Mutter aus der Küche rufen.
“Wer denn sonst?” - murmelte ich vor mich hin. “Ja, Mama.” - rief ich dann zurück und lief ihrer Stimme nach.
Sie stand am Herd und rührte mit einem Kochlöffel in einem Topf mit dampfender roter Soße um. Ich ließ mich auf den Stuhl am Küchentisch fallen.
“Na wie war denn dein Ausflug mit Mila? Was schönes gefunden?” - fragte sie.
“Ja.” - sagte ich nur knapp dazu.
“Wie geht es dir denn?”- sie drehte sich zu mir um. “Weil es dir doch heute morgen etwas kränklich ausgesehen hast.” - antwortete sie auf meinen fragenden Blick.
“Ich bin nur etwas müde, aber ansonsten geht es mir ganz gut.”
“Das freu mich. Das Essen ist in 10 Minuten fertig.” - sie drehte sich wieder dem Kochherd zu.
Einige Momente bliebe ich sitzen und sah meine Mutter an. Für ihre 57 Jahre hatte sie eine noch sehr schöne Figur, mit langen schlanken Beinen und einer Wespentaille. Mein Blick wanderte an ihrem Körper hoch. Dennoch verrieten die zahlreichen Falten und das mit silbernen Strähnen durchzogenes schwarzes Haar ihr wahres Alter.
Natürlich war ich meiner Mutter unendlich dankbar, dass sie Jahre lang dafür gekämpft hatte, dass ich zur Welt komme, aber von einer innigen Beziehung zwischen Mutter und Tochter konnte man bei uns nicht sprechen.
Zwanzig Jahre lang hat meine Mutter um ein eigenes Kind gekämpft. Drei Fehlgeburten und zwei Todgeburten musste sie in Kauf nehmen, bis sie dann vor 17 Jahren mich in den Armen halten konnte. Bei dieser Vorgeschichte konnte ich ihr ihre irrsinnige Fürsorge nicht übel nehmen, aber manchmal nervte es mich. Bei jedem Husten oder Niesen verfiel sie sofort in Panik und als ich noch ein Kind war, habe ich mehr Arztpraxen von Innen gesehen, als jedes andere Kind aus meinem Kindergarten oder Schule.
Jetzt war ich erwachsen und sie konnte mich nicht zwingen, aber ihre Überfürsorge ließ immer noch nicht nach, obwohl sie diese manchmal mit gespielter Nüchternheit überspielen versuchte, wie jetzt auch.
Ihre Stimme klang zwar ruhig, als sie sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte, aber ihre zitternden Hände verrieten sie.
“Ich ziehe mich dann mal um.” - tauchte ich aus meinen Gedanken wieder auf.

Als ich in meinem Zimmer ankam und die Einkaufstaschen endlich abgelegt hatte, ließ ich den heutigen Tag noch mal Revue passieren. Es war viel vorgefallen, beinahe zu viel für diesen Tag.
Meine Gedanken wanderten zu Sean. Wie unter Hypnose schritte ich auf das Fenster zu und spähte zu dem Nachbarhaus rüber, wo seit einigen Jahren Leos Familie wohnte.
Irgendwo hinter der Mauer aus grauem Backstein, war er. Was er jetzt wohl machte? - fragte ich mich und schüttelte diesen Gedanken sofort weg und trat vom Fenster zurück.
Ich durfte nicht an Sean denken, sonst hat mein Schicksal gewonnen. Alleine ich durfte darüber bestimmen, wie mein Leben weiter verläuft, in wem ich mich verliebe. Und ich nahm mir vor, mich in Tony zu verlieben.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz