Autor: Loraine
veröffentlicht am: 10.04.2012
Zack! Neue Geschichte! Neuer Name! Ein Anfang eben! Ich erzähl euch eine Geschichte die ich von einer Freundin, bzw auch weit Verwandten erzählt bekommen habe. Gut die meisten Sachen sind vielleicht ein wenig übertrieben oder hinzugefügt worden aber es geht um die Handlung und die ist wirklich passiert. Es ist eine wahre Liebesgeschichte die mich total gerührt hat! Ich hoffe sie wird euch gefallen. Gut, der Anfang mag schon ein wenig langweilig oder gar überumpelt sein, aber so fing das Ganze erst an. Viel Spaß beim Lesen!!! vlg Loraine
Kapitel 1 – Chaos
„Hör endlich auf zu Rauchen! Willst du sterben? Provoziere das Ganze nicht auch noch.“, fluchte Milou. Ihre Mutter stand lässig am Balkon. Ihre Ellenbogen stützte sie am Geländer ab, da ihr Kopf ihr zu schwer wurde. Dabei tauchte die Zigarette jedes Mal in ihren Mund. Milou betrachtete ständig den feuchten befleckten Teppichboden. Er muss durch den gestrigen Regen nass geworden sein. Der Wind blies so stark, das es sogar die zwei Quadratmeter bewässerte. Über ihnen war ein weiterer Balkon, genau wie unter und neben ihnen, denn sie lebten in einer Wohnung. Milou fühlte sich erdrückt. Wenn ihre Schuhe in den Boden hämmerten, konnte sie ein leises Plätschern hören, als ob sie auf eine überschwemmte Wiese hüpfen würde.
„Hier ist es ätzend!“, gab Milou kund, als ihre Mutter immer weiter schwieg. Kerstin war nicht immer so gewesen. Auch wenn es hart klang, aber seit Milou auf der Welt war, begann sie zu rauchen, zu trinken und verlor ihre Arbeit. Nun lebte sie seit fast zehn Jahren mit Hartz IV. Der Vater ihrer Tochter starb damals, er wurde erschossen. Milou musste darunter sehr leiden in Armut zu leben. Jedoch hatte sie nun eine Ausbildung gefunden und lernte als Fachkraft für Bürokommunikation. Ihr Abschluss war eben nicht mehr als ein Mittlerer Bildungsabschluss.
Die Ignoranz ihrer Mutter nervte Milou. Jahrelang beschimpfte sie Kerstin als Stubenhockerin, Loser und Rabenmutter. Aber sie rauchte und betrank sich weiterhin. Tolles Vorbild!
Der Zigarettenstummel flog in einem hohen Bogen in den kleinen Vorgarten, um den sich Frau Scherer immer liebevoll kümmerte. Fast jeden Tag plagte sie über die Stummel, die verstreut in den Blüten und Pflanzen lagen. Aber Kerstin kümmerte das wenig.
„Frau Scherer hasst dich dafür.“, bemerkte Milou und grinste frech.
„Juckt mich das?“, ächzte Kerstin und lief wieder in ihre Wohnung.
„Mama, du könntest dir mal einen Aschenbecher besorgen.“
„Wieso? Wenn ich doch einen Riesigen unter mir habe und dazu sieht er auch noch ganz gut aus.“, gab sie lachend Antwort.
„Dich werden alle hier hassen, wenn du so weiter unfreundlich bist.“, kreischte Milou und ballte ihre Fäuste. Das Wort “kämpfen“ existierte in Kerstins Wortschatz nicht.
„Mich hassen sie doch schon alle. Die sind froh, wenn es mir bald an den Kragen geht und der Krebs eintritt. Am besten einmal eine große Portion Brustkrebs im Endstadion, bitte!“
„Sag nicht so eine Scheiße! Das ist absoluter Schwachsinn. Wer will denn schon freiwillig sterben?“, brüllte Milou, weil sie es nicht mehr mitansehen konnte, wie ihre Mutter sich selbst zerstörte.
„Irgendein Idiot muss es ja wohl!“
Kerstin ließ sich lässig in ihrem Wohnzimmer auf die Couch fallen. Der Schwarzweiß-Fernseher sprang an und Milou betrachtete den dreckigen Teppich, der unter Kerstins Füßen dahin gehrte.
„Du bist eine furchtbare Mutter, weißt du das?“, fauchte sie.
Kerstin lächelte kurz auf.
„Ich weiß. Ich habe dir nicht umsonst den Namen von meiner toten Katze gegeben.“
Milou hasste ihren Namen. Als sie erfuhr, wie ihre Mutter darauf gekommen war, meinte Kerstin nur, dass ihr kein anderer eingefallen war. Daran merkte man, dass sich ihre Mutter nicht einmal die Mühe gemacht hatte, ihrem einzigen Kind einen anständigen und schönen Namen zu geben. In der Schule wurde sie deshalb oft gehänselt. Die Jungs behandelten Milou wie ein Tier und gaben immer Katzenlaute von sich. Ihre Vergangenheit war wirklich kein Ponyhof. Selbst mit sechszehn Jahren glaubte sie daran eines Tages allein auf zwei Beinen stehen zu können. Allerdings wurde sie schon mehrmals hintergangen, mit dreizehn entjungfert und anschließend wie ein Stück Müll zurückgelassen. Darüber kam sie schnell hinweg. Milou war eine Einzelgängerin und band sich nur sehr schwer an eine Person. Seit diesem Vorfall war sie so verschlossen, das es vielleicht keinen Schlüssel zum Öffnen gab. Wer gab ihr denn Hoffnung? Niemand verlieh ihr das Gefühl gemocht und geliebt zu werden. Damit musste Milou sich abfinden.
Beleidigt und deprimiert setzte sie sich in die Küche. Allein zu sein war nie ihr Wunsch. Richtige Freunde existierten nicht in ihrem Leben. Viele Mädchen nahmen von ihr Abstand und versuchten jeglichen Kontakt mit ihr zu vermeiden. Das war kein schönes Gefühl, es war ätzend. Genau wie alles andere. Die Wohnung, die Mutter, ihre Klasse, in Zukunft auch ihre Arbeitskollegen und es gab nichts was es noch erträglich machen könnte. Fast jeden Tag spielte sich in ihrem Kopf eine Selbstmordaktion ab. Allerdings fehlte ihr der Mut. Es musste doch etwas in ihrem Leben geben, woran sie glaubte. Es war die Hoffnung eines Tages ein bescheidenes glückliches Leben zu führen, das Gefühl zu spüren, geliebt und gemocht zu werden.
Aber alles kam anders.
Nach drei Wochen wachte Milous Mutter nicht auf. Ihr Atem war kalt und schwach. Hastig griff sie zum Hörer und alarmierte sofort den Notarzt. Nach fünf Minuten tauchte er auf und Kerstin wurde ins Krankenhaus verschleppt. Milou fuhr mit und im Krankenhaus stellten sie eine schreckliche Diagnose fest: Brustkrebs im Endstadion. Er war schon sehr weit fortgeschritten und es gab kein Entkommen. Obwohl Milou ihre Mutter verachtete, weinte sie an ihrem Bett. Jetzt war sie vollkommen allein und hatte niemanden mehr. Kerstin öffnete g schwächt ihre Augen und sah wie die Tropfen auf ihren Armen fielen. Jemand streichelte ihre Hand, behutsam. Es war ein tolles Gefühl. Das Zimmer sah teilweise wie eine kleine Wohnung aus. Sie glänzte und war wundersam rein. Es gab sogar einen kleinen Herd, eine gemütliche Couch, durch das Fenster schien wärmende Sonne und kühlender Wind zog durch den Spalt. Kerstin weigerte sich Medikamente anzunehmen und war gegenüber allen Krankenschwestern unfreundlich.
„Ach, du bist das, Lou.“, ächzte ihre Mutter. „Wunderschön hier, oder?“
Milou nickte eifrig. „Draußen scheint die Sonne, es ist warm und eine frische Brise zieht über mein Gesicht. So kann der Tag oder besser gesagt mein Leben enden.“
„Selbst auf dem Sterbebett wünscht du dir den Tod. Das ist doch krank!“, fauchte Milou schluchzend.
„Mag sein, aber ich werde dich allein zurück lassen müssen.“
„Die Ärzte meinten dass sie nicht genau feststellen können, wann dein Todestag ist.“
Kerstin zog verärgert die Augenbrauen zusammen.
„Tz, was wissen die schon. Ich spüre es, wenn ich sterbe. Ganze vierundfünfzig Jahre gelebt. Gar nicht mal so schlecht.“
„Du bist bescheuert.“
Kerstin lachte auf. Ihre Augen wanderten zum blauen Himmel und sie genoss den Sonnenschein, der ihr Gesicht wärmte. Erneut fielen Milou die Tränen hinunter. Sie hatte furchtbare Angst um ihre Mutter. Auch wenn Kerstin kein Vorbild war, liebte ihre Tochter sie trotzdem, obwohl sie es sich nicht selbst eingestand. Nach ihrem Tod müsste Milou in ein Heim und dort auf eine neue Mutter zu hoffen, lag nicht einmal in ihrem Vorstellungsvermögen. Ihr Herz schmerzte, ihre Brust zog sich zusammen und eine gewaltige Welle von Schuldgefühlen und Kummer übermannte ihren Körper. Ihr einziger an verbliebener Familie war ihre Mutter und nun lag auch dieser Mensch im Sterben. Konnte denn Milous Leben noch schlimmer werden?
Es vergingen mehrere Wochen, der Zustand ihrer Mutter verschlechterte sich drastisch. Kerstin weigerte sich noch immer Medikamente einzunehmen und der Arzt war kurz davor sie wieder nach Hause zu schicken. Aber der gute Mann sah einen Hoffnungsschimmer, den Kerstin jedes Mal abblendete. Alle Krankenschwestern wisperten und lästerten über ihre Mutter, Laute, wie: „Soll sie doch sterben“, „Hoffentlich ist es bald soweit“ und „Ich weine ihr keine Träne nach“ drangen in Milous Ohr, sobald sie in das Zimmer ihrer Mutter hineinspazierte. Es war auch nicht anders von ihnen zu erwarten, denn Kerstin behandelte die jungen Damen sehr unhöflich. An einem Mittag schmiss sie einem Mädchen sogar ihr Essen nach, mit der Begründung, dass sie allergisch auf Käse sei. Keine andere Art als zu sagen, dass sie gerade keine Lust auf diese Sorte Essen hatte. Kerstin war ein wirklich furchtbarer Mensch.
Trotz dessen besuchte Milou Kerstin jeden Tag. Neben ihrem Nachtschränkchen lagen immer frische Blumen und eine Schachtel Pralinen, die ihre Mutter so gerne aß. Plötzlich wurde ihr klar, dass es der einzige Mensch auf Erden war, der sie respektierte und akzeptierte. Allein die Vorstellungen, das die Auseinandersetzungen mit ihr, die Meinungsverschiedenheiten und das herumkommandieren in der Wohnung nicht mehr existierten, ließen ihr Herz einen Sprung gegen ihren Brustkorb machen. Auch wenn Kerstin kein liebevoller Mensch war, gab es keine andere Bezugsperson als sie. Ob Milou im Heim eine neue Mutter bekommen würde? Tausende von Gedanken schwebten in ihrem Kopf herum und darauf gab es keine einzige Antwort. Jede Frage begann mit den Wörter: Was wäre wenn...? Angst breitete sich in ihrem Gewissen aus. Kummer und der kommende Schmerz einen Menschen zu verlieren, den mein eigentlich liebte, entstand. Milou wusste das. Sobald ihre Mutter einschlief, winselte und weinte sie neben ihr leise. Manchmal gab es auch Momente in denen ihre Mutter ihrer Tochter Liebe zeigte. Als Milou erzählte entjungfert worden zu sein und grob dabei behandelt wurde, konnte Kerstin nicht anders, als sie zu trösten. Immerhin ging es um das Leid ihrer einzigen Tochter. In diesem Moment fühlte Milou sich geborgen und akzeptiert. Nie wieder in ihrem Leben wollte sie leiden, geschweige denn verletzt werden. Ohne es zu bemerken, tat sie es aber jeden Tag durch ihre Mutter. Es wurden Wörter durch die Gegend geworfen, bei denen sich die Nachbarn schon beschwerten. Gegenstände landeten auf der Straße und sehr selten durchstreiften Haarfetzen die Wohnung. Milou wandelte diesen Umgang miteinander in ihre Liebe um, denn etwas anderes spürte sie nicht.
Weitere Wochen vergingen und Kerstin konnte beinahe nicht mehr sprechen. Ihre Kraft verschwand allmählich und zurück blieb nur Schmerz. Der Arzt verabreichte ihr deshalb ihre Medizin in Ruhe, ohne Geschreie. Milou sprach mit dem Mann.
„Sie wird nicht wieder gesund.“
„Wer weiß. Es ist meine Pflicht den Menschen zu helfen die leiden. Deshalb bin ich auch Arzt geworden.“, antworte er.
„Aber ihr ist nicht mehr zu helfen. Sehen sie doch, ihr geht es von Tag zu Tag schlechter. Ich sehe nur ein Häufen Elend und Schmerz.“
Der junge Mann seufzte und durchfuhr sein gelocktes kurzes Haar. Seine blauen Augen kreisten durch den Raum. Er schloss die Tür und setzte sich neben Milou auf den Stuhl.
„Du bist doch die Tochter, oder?“
Sie nickte.
„Warum willst du dass deine Mutter stirbt? Geht es um das Erbe? Oder hasst du sie so sehr?“
Milou achtete auf die feinen Gesichtszüge des Mannes und beobachtete jedes kleinste Zucken. Auf seiner Nase waren winzige Sommersprossen, die man nur bei genauem Hinsehen erkannte. Sein rasierter Bart zeigte kleine Stoppeln, die ihm aber gut standen. Die meerblauen Augen spiegelten ihr Bild wider. An seiner Kinnspitze hatte er sich gekratzt, jedenfalls sah man eine deutliche Kruste. An seiner Stirn hing eine kleine blonde Locke hinunter. Milou schüttelte gedankenversunken den Kopf, als er immer noch auf ihre Antwort wartete.
„Welches Erbe? Die verseuchte Wohnung? Nein, danke. Ich will ihren Tod, weil sie es sich so wünscht. Soll man den Sterbenden nicht einen letzten Wunsch gewähren?“
Der Arzt schüttelte missverstanden den Kopf. Aber ihre Worte waren gar nicht so falsch. Kerstin ersehnte den Tod.
„Merkwürdige Art jemanden einen letzten Wunsch zu erfüllen.“
Milou hob ihre Schultern und wandte ihren Blick zu ihrer schlafenden Mutter. Bevor der Arzt durch die Tür verschwinden wollte, drehte er sich ein letztes Mal zu ihr um. „Frau Lohr, ich habe einen Sohn Daheim. Er ist achtzehn Jahre geworden. Wissen sie wie alt ich bin? Ich bin dreiunddreißig Jahre alt und lebe glücklich mit meiner Familie zusammen. Sie dürfen sich gerne ausrechnen wann ich Vater geworden bin und was für eine Zeit ich durchmachen musste.“
Nach wenigen Sekunden fiel die Tür zu und Milou begann tatsächlich an zu rechnen. Eigentlich interessierte sie die Privatsachen anderer Leute nicht. Im Kopf subtrahierte Milou die dreiunddreißig mit der Achtzehn und kam auf fünfzehn. Er war wirklich noch sehr jung. Wie hatte er so schnell die Kurve bekommen? Kopfschüttelnd griff ihre Hand nach der ihrer Mutter. Eiskalt und leblos.
„Hast du denn keinen anderen Wunsch?“, flehte Milou und erneut tropften Tränen auf den Fußboden.
Die Tage waren hart mit der Angst zu kämpfen, dass Kerstin jeden Moment sterben könnte. Milou versuchte sich dagegen zu wehren, der Wahrheit ins Auge zu blicken, belog sich selbst, damit es ihr besser ging.
Am nächsten Tag saß sie wieder bei ihrer stillen und bewusstlosen Mutter. Nach zweistündiger Ruhe, stand sie auf und lief aus dem Zimmer. Dabei geriet ihr Kopf gegen die Brust des Arztes. Doktor Klaas begutachtete sie von oben.