Autor: Noa
veröffentlicht am: 10.01.2012
Viertes Kapitel
„E
laine! Nachdem du die Post zu Frau Alt gebracht hast, möchte ich dass du dir für den Rest des Tages frei nimmst. Corinna meinte, du seist zu überarbeitet und unsere Chefin liegt sehr viel Wert auf muntere Mitarbeiter.“, rief Herr Scherer aus seinem Büro des Krankenhauses.
„Wie Sie meinen.“, gab sie ihm Antwort.
Nach ein Uhr verließ Elaine ihren Arbeitsplatz und es waren noch gute zwei Stunden bis halb vier. Sie seufzte und überlegte, ob sie nicht nach Hause gehen sollte. Jedoch müsste sie dann später wieder kommen und darauf hatte sie überhaupt keine Lust. Wieso gab auch ihre Chefin ihr frei? Elaine hatte eine gute Laune, auch wenn sie heute Morgen keine Nerven für eine Patientin hatte, die ihre idiotensichere Wegbeschreibung nicht verstand. Na gut, Elaine war gestern Abend so damit beschäftigt über Noel nach zu grübeln, das sie nicht einschlafen konnte. Elaine setzte sich im Park auf den Brunnen und genoss sie warmen Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht. Vielleicht legte sie sich auch ganze zweieinhalb Stunden hier hin und schlief. Es war sowieso keine einzige Seele zu sehen und ein wenig Ruhe täte ihr gut. Gerade als sie ihren Kopf auf die harte Steinmauer legen wollte, entdeckte sie Noel, der in den Park gestürmt kam.
„Was zum Teufel…?“, dachte sich Elaine.
Sie stand schleunigst auf und setzte sich weit vom Brunnen weg. Auf einer Bank fand sie eine abgenutzte Zeitung und breitete sie vor sich aus. Beobachtend sah sie Noel zu, wie er am Brunnen geduldig auf jemanden wartete. Er würde doch niemals zwei Stunden dort stehen bleiben wegen ihr. Elaine schüttelte den Kopf und musterte die Situation weiter.
Nach wenigen Minuten tauchte eine Gestalt am den Brunnen auf. Die Person war männlich, das erkannte sie an der Hose und an dem Aufbau des Körpers. Er trug eine Jacke und zog sein Gesicht tief in die Kapuze. Er hatte eine etwas engere hell blaue Jeans an und trug graue Sneakers. Noel sprach mit ihm und ihr Modegeschmack ähnelte einander. Sie mussten also Bekannte sein. Auch wie Noel mit dem Typen sprach, war mehr oder weniger vertraut. Zwischendurch lächelte er und dann nahm er einen Brief aus seiner Tasche. Wenn sie doch bloß etwas hören könnte. Der Typ wollte nach dem Brief direkt greifen, aber Noel zog ihn wieder zurück. Mit deutlichen Worten machte er ihm klar, dass er es ernst meinte. Der Typ nickte, nahm den Brief entgegen und verschwand. Elaine atmete lange aus und ihre Gedanken schweiften über die Situation. Um was ging es wohl dabei? Was war der Inhalt dieses Briefes? Elaine schmiss die Zeitung schnell neben sich, als Noel außer Sichtweite war und folgte dem unbekannten Typen.
Der Weg war lang und sie wusste, sie waren schon aus der Stadt draußen. Genau in einer halben Stunde würde sie sich mit Noel am Brunnen treffen, aber das schaffte sie nicht mehr. Der Typ ging immer dunklere und abgelegene Straßen entlang. Es schauderte Elaine, als sie in eine dunkle Gasse einbog. Vielleicht hatte er schon längst bemerkt, dass er verfolgt wurde und wollte sie in eine Falle locken. Ihr Bauchgefühl riet ihr sich umzudrehen und wieder zurück zu laufen, aber sie wollte nicht. Ihre größte Schwäche war und bliebe die Neugierde. Sie schaute kurz in die Gasse hinein, aber der Typ war verschwunden. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem misstrauischen Blick betrat sie die dunkle Gasse. Als sie spürte, dass jemand hinter sie trat, drehte sie sich ruckartig um, aber da wurde sie bewusstlos geschlagen.
Elaine erwachte auf einem Stuhl. Die Bilder waren verschwommen und undeutlich, aber sie erkannte rechts von ihr helles Licht. Dort musste ein Fenster sein und links ein dunkler Raum. Ihre Augen erholten sich und dann erkannte sie knarrendes Holz unter ihren Füßen, befleckte graue Wände um sich und Spinnenweben in allen Ecken und Winkeln. Alle Anzeichen für ein verlassenes altes Haus.
Noel ging auf und ab. Es war schon eine gute viertel Stunde nach halb vier. Wo blieb sie bloß? Vielleicht ließ ihr Chef sie nicht gehen. Bevor er weiter nachdachte, beschloss er an ihrer Arbeitsstelle vorbeizuschauen. Er wusste wo sie tätig war und klopfte sanft gegen die Tür.
„Ja?“, rief eine Stimme.
Er trat ein und ein alter Mann, etwas kräftig, rundem Gesicht, kleinen bläulichen Augen und mit grauen kurzen Haaren saß auf einem Bürostuhl. Er wippte hin und her damit.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er.
„Ich suche Elaine Kavia.“
„Die ist schon um ein Uhr entlassen worden.“, antwortete er.
Noel konnte an ihm ablesen, dass er nicht log. Dann nickte er nur, bedankte sich und verschwand aus dem Gebäude. Er wollte wieder zum Brunnen laufen, aber da bekam er einen Anruf von einem Freund.
Elaines Kopf brummte und sie war noch nicht ganz bei Besinnung. Unter ihren Füßen fand sie noch nicht ganz den Halt und musste sich ständig korrigieren, sonst flöge sie vom Stuhl. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken an einen Stuhl gebunden. Dann hörte sie Schritte, die ins Zimmer traten. Aber die Person befand sich hinter ihr. Elaine bekam Angst, sie wusste nicht wer sie entführt haben sollte. Ihren Puls spürte sie deutlich im Hals, als wolle er aus ihr ausbrechen. Ihr Atem wurde unregelmäßiger, bei dem Gedanken, was nun mit ihr passieren würde. Ihre Hände schwitzten vor Nervosität und bei jedem Schritt, wollte sie sich am liebsten umdrehen oder aufstehen und gefesselt mit dem Stuhl davonstehlen. Als sie bemerkte wie nah die Person an ihr war, zuckte sie erschrocken zusammen.
„Wer bist du?“, fragte eine sanfte und zugleich ernste Stimme. Nein, Elaine konnte sich vorstellen, dass er nichts Böses wollte. Schon allein die Frage und der Beginn seiner Unterhaltung folgerten, dass er niemand Kriminelles war.
„Mein Name ist Elaine und ich wollte wirklich nichts Böses.“, antwortete sie mit entschuldigender Stimme.
„Und du bist ganz sicher nicht von der Sekte?“
Elaine schüttelte den Kopf.
„Wieso folgtest du mir dann?“
„Du hattest dich im Park mit einem Bekannten von mir getroffen und ich wollte nur wissen, wer du bist, da du eine Kapuze über den Kopf getragen hattest.“, erklärte er.
„Du kannst mich gehen lassen. Ich weiß weder etwas von einer Sekte noch etwas von dem Gespräch. Ich schwöre es. Wieso sollte ich dir folgen, wenn ich es mitbekommen hätte. Das einzige was ich wollte, war dein Gesicht zu sehen, mehr nicht.“
Er lief einige Schritte hin und her und da klopfte es an der Zimmertür. Der Junge öffnete sie und jemand trat ein.
„Ach, ihr Dummköpfe! Bindet sie sofort los! Sie ist nicht von der Sekte.“, rief eine bekannte Stimme aufgeregt durch den Raum.
„Noel?“, rief Elaine.
Jemand machte sich am Seil zu schaffen und da merkte sie wie der Druck an ihrem Armen nachließ. Noel kam zu ihr gerannt und packte sie zart an den Schultern.
„Alles ok mit dir?“, fragte er besorgt.
„Ja. Mir tun nur die Oberarme und der Kopf weh.“, murmelte sie.
Noel seufzte erleichtert und half ihr vom Stuhl hoch.
„Tut mir leid, Elaine, aber du hattest mich eben verfolgt und ich hatte Angst, dass es die…“, sprach er ohne Luft zu nehmen los, aber stoppte sofort, als er in Noels Augen blickte. Er räusperte sich und erst jetzt schaute sie sich ihn genauer an. Er hatte fuchsrotes kurzes Haar und graue Augen. Er hatte ein kantiges Gesicht, sodass seine Augen ihr größer vorkamen und eine kleine Nase. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Noel.
„Wir werden dann wieder gehen. Mach´s gut, Elaine und entschuldige nochmals wegen des Missverständnisses.“
Er schloss die Tür und war in wenigen Sekunden aus dem Gebäude verschwunden.
„Wen meinte er mit “wir“?“, fragte sie und zog eine Augenbraue hoch.
„Seine Freundin.“, antwortete er.
Als es für wenige Minuten still zwischen ihnen war, stellte sich Noel vor sie. Er fasste sie erneut an den Schultern und blickte ihr genauestens in die Augen.
„Ist auch wirklich weiterhin nichts passiert? Was hat er noch gesagt? Bitte, ich muss es wissen!“, drängelte er.
Verblüfft blickte ihn Elaine an und wusste überhaupt nicht wieso ihn das so panisch machte.
„Er erwähnte eine Sekte.“
„Sonst nichts?“, fragte er.
„Nein, zumindest nichts, das für mich eine Bedeutung hätte.“
Er seufzte erleichtert.
„Gut. Am besten wir verschwinden von hier. Ich fahre dich nach Hause, da kannst du deinen Kopf kühlen.“
„Danke.“, murmelte sie und die komplette Situation verwirrte sie ein wenig.
Zu Hause setzte er sie vor der Tür ab und wollte wieder gehen, aber völlig ungewollt, platze ein „Nein“ aus ihr heraus. Noel drehte sich zu ihr um.
„Geh nicht! Du kannst ruhig noch zu mir kommen. Meine kleine Schwester würde sich bestimmt auch freuen.“
„Was ist mit deiner Mutter? Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht sehr besonders auf Besuch steht.“
„Keine Sorge. Die schläft heute bei einer Freundin.“
Er lächelte erleichtert und ging mit ihr ins kleine Haus hinein. Elaine bat Noel hier unten zu warten und lief hoch in Mias Zimmer. Dort schaute sie flüchtig hinein und sah, dass ihre kleine Schwester auf dem Boden bei ihren Stofftieren eingeschlafen war. Vorsichtig hob sie sie aufs Bett, deckte sie fürsorglich zu und schloss die Tür hinter sich. Unten fing sie Noel ab und lief mit ihm ins Wohnzimmer. Es war das erholsamste Zimmer im ganzen Haus, da man hier keine Straßen, Autos, Nachbarn oder das Bellen im Garten hörte. Elaine räumte hier auch gerne auf, um eine angenehme Atmosphäre zu haben. Die hellen und braunen Möbel sonderten ein beruhigendes Gefühl ab. Elaine bat ihn auf dem Ledersofa Platz zu nehmen. Er setzte sich neben sie hin und begutachtete noch den Raum.
„Wir sitzen bei mir zu Hause. Es ist ruhig und gemütlich. Keiner kann uns zuhören und nun ist der Augenblick gekommen, mir vielleicht zu erzählen, woher du so gut über uns Bescheid weißt.“, ließ Elaine mit dem Thema nicht locker.
Noel seufzte.
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