Autor: dreamy
veröffentlicht am: 08.10.2014
Am nächsten Tag besorgte ich für Rocky erstmal einen Schlafplatz. Meine Eltern waren nicht da, so hatte ich Zeit für mich. Ein paar Mal hatte sich Ani gemeldet, aber es waren nur belanglose Sachen. Ich wollte mich gerade um ein paar andere Dinge kümmern, da klingelte es und ich ging an die Tür. Da war schon wieder mein seltsamer Besuch.
Hey. Ich wollte nach Rocky sehen.
Achso, kommt das jetzt öfters vor?
Er schaute mich gar nicht amüsiert an. Ich wusste auch nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte.
Naja, fürs erste. Geht das denn nicht? Wenn ich mir vorstelle, meine Mutter geht mal zur Tür und muss einen Fremden Einlass gewähren. Sie ist ja so gastfreundlich.
Ok, komm rein.
Ich bot ihm ein Glas Wasser an und er machte schon Konversation mit seinem Findling. Ich fühlte mich komisch. Auf einmal waren wir total nett zueinander und hatten nicht mehr diese Spannung zwischen uns. Wenn ich ihn mir so ansehe, fallen mir lauter kleine Dinge auf, die ich bis dato noch nicht bemerkt hatte. Seine Gesichtszüge wirkten kräftig, aber das war noch dieses geheimnisvolle, dieses vorsichtige. Er war hübsch. Ich versuchte weiter fortzufahren.
Komm.
Ich ging in mein Zimmer und Rocky folgte mir. Addy zögerte, kam dann aber nach. Es war ein Vertrauensbeweis, dass ich ihm Einlass gewährte.
Erzähl mir jetzt, was geschehen ist.
Addy schnaufte und versuchte auszuweichen. Aber ich ließ nicht locker.
Emillia, ich will dich da nicht mit rein ziehen. Ich meine, wir kennen uns kaum. Solange ich nur halbwissend war, fühlte ich mich nicht voll. Man müsse mir schon erklären, was hier abging.
Dafür trage ich schon einiges an Verantwortung. Ich kann schweigen. Er machte noch ein paar Schritte durch mein Zimmer, dann rückte er mit der Sprache raus.
Du hattest einige Vorurteile gegen mich. Aber mein Leben war nicht immer einfach. Ich hab Rocky einfach nur gefunden. Ok, der Ort war jetzt nicht der vertrauenswürdige, aber so war das eben. Das war noch nicht alles.
Und warum kann er nicht zu dir?
Wieder stille. Vielleicht war es doch nicht so gut, dass ich da sozusagen mitmachte.
Er kann eben nicht zu mir, meine Eltern haben da was dagegen. So war das also. Es war also schwierig da was durchzuboxen.
Und soll er jetzt bei mir leben?
Nicht, dass ich da was dagegen hätte.
Nein, ich finde schon eine Lösung.
Er wanderte mit seinen Augen durch meine Einrichtung. Ich hatte mir nicht mal überlegt, was er da alles zu sehen bekam. Vermutlich musste er sich auch mit der Situation zurechtfinden. Ich setzte mich auf mein Bett und wartete ab. Ich wollte einen Plan haben, wie das weitergehen sollte.
In wie weit hat dein Privatleben mit deiner Vergangenheit zu tun? Er schaute mich überrascht an. Aber ich war ja jetzt eingeweiht.
Ich meine, du erzähltest von diesem Ort und du scheinst dich öfters dort aufzuhalten. Meinst du nicht, wenns schon schief gegangen ist, sollte ich mal was anders von dir hören? Er lachte. Hatte er etwas anderes erwartet? Dass wir uns hier anzicken?
Ich hab keine Vorurteile gegenüber Menschen. Du würdest wahrscheinlich nicht mit den Typen um die Häuser ziehen, mit denen ich manchmal unterwegs bin. Aber ich hab auch echte Freunde. Früher war ich total aufgedreht. Ich hatte nur Spaß im Kopf. Aber ich wollte nie Probleme. Die Leute, die sich normalerweise da so abseits aufhalten, wollen einfach nur weg von dem Stress. Ich hab schon einige gute Gespräche dort geführt. Das mag vielleicht auf andere seltsam wirken, aber ich denke, es tut gut, wenn jemand einem zuhört. Das gab mir zu denken. Ich hatte ihn ja voll falsch eingeschätzt. Vielleicht sollte man hinter die Fassade schauen.
Welchen Stress willst du aus dem Weg gehen? Er runzelte bloß die Stirn.
Ich meine, wozu brauchst diesen Ort?
Wieder lächelte er.
Nicht so schlimmen, wie du vielleicht annimmst. Es viel ruhiger, als im Zentrum. Verstehe. Rocky schmuste sich an Addys Bein an.
Weißt du, vor einiger Zeit dachte ich noch, du wolltest von irgendwas ablenken, wenn dir jemand zu nahe kam. Du bist manchmal so ausgerastet, wenns jemand übertrieb. Das machte mich verlegen. Ich dachte an einige Momente, bei denen ich nicht ganz meiner Sinne war.
Es war auch nicht alles humorreich, was ihr angestellt habt. Vielleicht. Aber bei dir hatte ich das Gefühl, du hast mit mir abgeschlossen. Dann sollte ich mehr von dir erfahren, wenns anders werden sollte. Kaum zu fassen, so kam eins und eins zusammen. Wenn ich mir vorstelle, wie wir uns angeschrien haben. Man hatte ich Kopfkino. In dem Moment kam mir das so suspekt vor. Es war so schade.
Wir hatten damals nur ein paar Worte miteinander gewechselt. Die anderen Leute wussten sich auch nicht zu helfen. Ich musste lachen. Jetzt wollte ich das anders regeln.
Ich hab es einfach nur nicht verstanden, wie man sich so verhalten konnte. Rocky verzog sich gelangweilt in eine Ecke.
Ich sollte langsam gehen. Vielleicht verstehst du jetzt einiges besser. Aber naja, Vergangenheit ist Vergangenheit. Echt sozial von dir, dass ich vorbeischauen konnte. Ich begleitete ihn grinsend zu Tür. Rocky kam gleich miauend hinterher. Auf einmal sah ich alles mit anderen Augen. Dass er auch zuvorkommend zu mir ist. Ich war gespannt, ob das alles gut ausgehen würde. Erstmal verbrachte ich die Zeit, bis meine Mutter nachhause kam, mit anderen Dingen. Sie konnte meine gute Laune schon sehen, aber ich wusste nicht, wie ich ihr das erklären sollte.
Na, einen guten Tag gehabt?
Gut war er auf jeden Fall.
Ja, sagen wir mal so. Es gab eine Versöhnung. So, das ist ja schön. In meinem Zimmer merkte ich am Abend, dass ich mir seine Anwesenheit vorstellte. Noch vor wenigen Tagen hätte ich nicht daran geglaubt, dass er mich mal besuchen kommt. Aber ich wollte mir nicht zu viele Gedanken machen. Die Pläne mit Ani wegen dem Wellness waren abgeschlossen und schließlich kamen die Tage, an denen wir wegfuhren. Das war wirklich entspannend und eine Erfahrung wert. Ich konnte ein wenig Abstand nehmen. Bei unserer Rückkehr merkte ich aber, dass sich viele Sachen wieder in meinen Kopf einschlichen. Ani war wie ausgewechselt. Sie schwärmte total von dem Ausflug und ihre Ruhe konnte man spüren. Trotzdem hat es mir was gebracht. Ich hatte ihr nichts von dem Besuch erzählt, aber dann wollte ich doch mit ihr reden. Als wir mal spazieren gingen, berichtete ich ihr davon und sie hatte gar nicht damit gerechnet.
Aber das ist doch gut. Den Kater muss du mir mal zeigen. Ich dachte daran, dass Addy möglicherweise während meiner Abwesenheit vorbeischauen wollte. Nicht so schlimm dachte ich dann. Wie durch Zufall sah ich ihn dann auf unseren Jugendplatz. Und er war nicht alleine. Reflexartig wollte ich schon zur Seite gehen, aber dann kam mir wieder in den Sinn, dass ich es anders angehen wollte. Addy schaute kurz rüber und lächelte. Ich lächelte zurück und blieb dann stehen. Er wechselte kurz ein paar Worte mit seinen Leuten und winkte mich dann zu ihm rüber. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, aber mit Anis Unterstützung traute ich mich dann doch.
Na, da ist ja unsere Tierbetreuerin.
So wurde ich auch noch nicht von ihnen begrüßt. Könnte ein nettes Gespräch werden.
Du weißt ja, jetzt herrschen liebevolle Töne. Da konnte ich mal andere Seiten von ihnen sehen. Zumindest sagte keiner etwas Schräges.
Du wirkst so anders. Warst du im Urlaub? Ich bemerkte erst nicht, dass Addy mich meinte.
Nicht ganz. Ein Wochenendtrip ins Wellnesscenter. Er zog die Augenbraue hoch. Wahrscheinlich hatte er mir das nicht zugetraut.
Hat dir gut getan.
Ich fühlte mich geschmeichelt, wollte aber das Thema wechseln. Ani stand neben mir und konnte kein Wort sagen, vor lauter Überraschung. Vielleicht sollte ich mehr auf andere Menschen zugehen, dann würde so ein Smalltalk öfter zustande kommen. Man konnte sich vorstellen, dass es da noch andere Sachen zu bereden gab. Ich fühlte mich total erleichtert. Addy unterhielt sich meistens und schaute ab und zu zu mir rüber. Mittlerweile waren wir schon ziemlich lange da. Ich wollte langsam gehen, doch Addy wollte noch etwas fragen.
Hey, kann ich demnächst wieder vorbeischauen? Er hatte sich von seiner Gruppe abgelöst und stand mit mir am Rand. So konnten wir uns besser unterhalten.
Klar kannst du.
Gut. Und noch was. Wenn du willst, können du und Ani heute Abend zu uns stoßen. Ein paar Bekannte machen ne kleine Feier und wenn ihr noch nichts vorhabt, könnt ihr vorbeischauen. Ich wusste nicht so recht, wie ich das finden sollte. Welche Leute waren das? Aber ich wollte mir das mal anschauen.
Ich frag Ani und überleg es mir mal.
Ok, dann vielleicht bis heute Abend.
Es wurde langsam dunkel und hatte noch kein Outfit. Mein Zimmer war schon mit Klamotten ausgebreitet. Ani war einverstanden und wollte mich demnächst treffen. Ich kombinierte ein paar Sachen miteinander und legte einen Zahn zu. Nicht, dass ich zu spät gekommen wäre, aber ich verlor langsam die Geduld. Dann nahm ich mir eine Tasche und zischte ab. Ani war schon am Treffpunkt und genauso aufgeregt wie ich. Es war nicht weit und wir fanden schnell den beschriebenen Ort. Es war ein Grundstück von einem der Leute und total gemütlich. Wir waren draußen und es wurde gegrillt. Da kam gleich einer auf uns zu und begrüßte uns.
Ihr seid also die neuen Gäste. Kommt, holt euch gleich Getränke. Wir nahmen dankend an und ich war überrascht. Mir gefiel es auf Anhieb. Ein paar alte Holzbänke wurden aufgestellt und Musik kam aus einer Anlage. Die Leute waren ungefähr in unserem Alter und wir kamen schnell ins Gespräch. Dann gab es Essen und es war köstlich. Ich erblickte dann Addy, wie er mit anderen zu uns kam. Er setzte sich neben mich und schaute sich erst mal das Essen an.
Und gefällts dir?
Ich wusste nicht, wie ich es besser beschreiben konnte.
Ja, die Leute sind alle voll nett.
Von weiter weg wurde gelacht und die Musik wechselte sich.
Jetzt siehst du mal, dass manche doch keine Freaks sind. Das konnte man sagen. Aber ich hab nicht darüber nachgedacht, wie manche Menschen in Wirklichkeit sein könnten. Wir wurden behandelt wie alte Freunde. Addy streckte seine Füße aus. Er trug eine Jeans, die ziemlich dunkel war. Ich dagegen saß ziemlich damenhaft da.
Hast du mal vor im Freien zu übernachten? Was? So ohne gar nichts?
Ich weiß nicht.
Könnte aber schön sein.
Ich lag mal eine halbe Nacht in einem Garten und hab mir die Sterne angeschaut. Welch interessante Sachen man von ihm erfahren konnte.
Wie romantisch.
Addy lachte.
Man bemerkt nicht, wie die Zeit vergeht. Er wirkte so tiefsinnig. Ich hatte das Gefühl ziemlich gute Gespräche mit ihm führen zu können.
Du machst so was gerne oder? Einfach in den Tag gehen und irgendwelche Momente festhalten. Plötzlich richtete er sich auf.
Naja, sagen, dass ich irgendwo hinlaufe und aus allem etwas tiefsinniges mache, kann man nicht. Aber zuhause ist vieles anders. Ich merkte, dass ihn etwas bedrückte.
Du bist noch nicht vorangekommen oder? Kann man da nicht reden? Ich schätze, das bringt nicht viel. Es ist nicht so, dass ich meine Eltern nicht schätze, aber sie verstehen mich nicht. Ich rechnete es ihm hoch an, dass er so offen mit mir redete. Ich wollte ihm irgendwie weiterbringen.
Aber warum denn nicht? Ich meine, da gibt es doch nichts, weshalb sie dich anzweifeln sollten. Er schnaufte und senkte den Blick.
Sie sind der Meinung, ich sollte vorsichtiger handeln und mich nicht irgendwelchen Leuten anschließen. Ich wäre zu naiv. Aber ich lerne gerne neue Leute kennen und deshalb bin ich noch lange nicht verantwortungslos. Ich fühlte mit ihm. So sehr wünschte ich ihm, dass noch alles gut werde.
Aber lass uns über etwas anderes reden. Über schöne Dinge. Wie er alles positiv nahm. Man hörte ihm aufmerksam zu und hatte das Gefühl, es wäre etwas besonderes. Er schaute mich an und ich wollte etwas sagen. Dann blieb ich aber still und wir saßen einfach nur da. Er löste irgendein Gefühl in mir aus, dass ich zunächst nicht einordnen konnte. Das alles schien mir wie eine Wohlfühlbehandlung. Ich hatte so einiges verpasst. Wir aßen noch auf und irgendwann waren alle am tanzen. Es wurde spät und ich mahnte Ani. Eigentlich wäre ich gerne geblieben, aber irgendwann musste man gehen. Addy bestand darauf uns zu begleiten. Er lief ein ganzes Stück mit uns und nach einer Weile, wollte ich dann doch, dass er umdrehte.
War nett. Danke fürs begleiten.
Gerne. Also bis dann.
Er lächelte und ging dann. Ani wollte ihren Weg nachhause gehen.
Was für ein Gentleman.
Ich musste lachen. Ani verabschiedete sich und ich ging meinen Weg. Der Abend war hammer. Plötzlich konnte ich es nicht erwarten Addy wieder zu sehen. Ich bahnte mir den Weg durch die Bude und in meinem Zimmer merkte ich meine Müdigkeit. Ich sollte ein wenig zurückschalten. Es fühlte sich immer so seltsam an, wenn ich hier herumsitze und nachdenke. Ich sprach meine Gedanken gerne aus. Doch um diese Uhrzeit wollte ich niemanden mehr wecken.
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