Verwandelt - Teil 2

Autor: lucy-josephin
veröffentlicht am: 26.04.2012


Häuser, gepflegt und hübsch, standen Reihe um Reihe um die Straße herum. Nur die Schule stach mit ihrer Größe heraus. Als ich ankam, war der Pausenhof leer. Keine lauten Kinder hüpften herum, kein Lehrer schimpften und keine Jugentlichen rauchten. Ich stellte mein Fahrrad ab, schloss es an und rannte zum Gebäude. Es war sehr sauber, eher ungewöhnlich für eine Schule, aber darauf wurde penibel geachtet. Ich lief einen Gang entlang, indem selbstgemalte Kustbilder hingen. "Der Schrei" in verschiedenen Versionen und auch Kreatives konnte man erkennen, wenn man sich die Zeit dazu nahm, und das tat ich auf alle Fälle nicht. Ich blieb abrupt vor einer Tür stehen, holte tief Luft und machte sie auf. Ich sah einem verärgerten Lehrer ins Gesicht, der sichtlich um Ruhe bemüht war. Sofort setzte er zu einer Standpauke an: "Fräulein Tamis, warum sind sie so spät?" Wie ich es hasste, wenn man mich Fräulein nannte."Entschuldigung. Ich habe verschlafen..." murmelte ich und setzte mich unter den belustigten Blicken meiner Mitschüler auf meinen Platz neben meiner besten Freundin Vivian. Sie war auch eine Verwandelte, wenn auch keine der Fische. Es gab verschiedene Arten von Verwandelten, oder auch Cambios genannt. Fische und Schmetterlinge zum Beispiel waren ziemlich schwache Verwandler. Ein Adler ist um einiges stärker und gehört der 4 Stufe an, die höchste. Angeblich gab es auch stärkere Wesen, wie Drachen, aber das war nur ein Mythos. Die Stunde zog sich so dahin und meine Gedanken schweiften ab. "Hey, warum hast du verschlafen?" flüsterte Vivian mir ins Ohr. "Ich war mal wieder nachts schwimmen... Ich bin irgendwie auf einem Felsen eingeschlafen." Sie sah mich geschockt an. "Wächter?" Ich hob die Schultern, zeigte ihr damit, dass ich es nicht wusste. Der Lehrer warf uns einen tödlichen Blick zu, aber ich ignorierte es einfach. "Komm, lass uns zu den anderen gehen." schlug Vivi vor, als es zur Pause klingelte. Ich nickte und schlurfte ihr hinterher. "Hi, Leute." begrüßten wir die kleine Gruppe, zu der Fiona, Leon, Bell und Eddie gehörten. Sie alle waren Verwandelte, sodass wir uns nichts verheimlichen mussten. "Warum hast du verschlafen?" fragte jetzt auch Leon und fixierte mich mit seinen hellen, gläsernen Augen. "Ich war wohl gestern zu lange im Wasser und bin dann irgendwann auf einem Stein eingeschlafen..." Jetzt meldete sich Fiona zu Wort: "Keine Wächter?" "Vielleicht, ich habe keine gesehen." Die Wächter sollten die Verwandelten vor den Menschen, oder anders herum, beschützen. Sie sollten nicht von unserer Existenz erfahren. "Gehen wir heute nach dem Training aus?" wollte Eddie wissen und blickte fragend in die Runde. Vivian nickte eifrig, doch ich, immer noch geschlaucht, schüttelte den Kopf: "Nach dem Training bin ich tot! Herr Brunn wird mich so lange quälen, bis ich endlich die Verwandlung unter 10 Sekunden schaffe." "Und ich muss diesen Sprung noch lernen." ergänzte Leon. Er war auch ein Cambio-Fisch, ein halber Meerjunge, und ging mit mir in das gleiche Level. Ein Level konnte man mit einem Jahrgang vergleichen, wir waren Level 1.3. Das hieß, wir sie Stufe 1, Level 3. "Wir gehen trotzdem ins Island, da gibt es heute nämlich live-Musik." Fiona würde auch gehen, sie war ein Party-Girl. Sie verabredeten sich für 21Uhr und quatschten über die Band, die heute spielen würde. Als es klingelte lief ich wieder in de Klasse und saß dort meine Zeit ab.
Schulschluss! Ich schnappte mir meine Tasche, schloss mein Fahrrad ab und strampelte zum Strand. Dort angekommen, kaufte ich mir am Imbiss eine Portion Pommes und schob mein Rad zur kleinen Bucht. Ich stellte es ab, zog mich aus und kam rannte übermütig ins Wasser. Mit einem eleganten Hüpfer sprang ich in die hohen Wellen. Meine Haare klebten an meinem Gesicht, als ich auftauchte und nach Luft schnappte. Das Training würde erst in einer Stunde beginnen, doch ich liebte das Meer und verbrachte die Stunde liebend gern dort. Ich konzentrierte mich auf die Verwandlung und spürte, wie ich mich veränderte. Meine Beine wuchsen zusammen und jeweils drei Schlitze taten sich an meinem Hals auf. Erst nach 12 Sekunden hatte sich mein Fischschwanz gebildet und ich tauchte mit neuen Kräften in die Welle. Strömungen strichen an meinem Körper entlang und trieben mich zum Strand. Ich ließ meine Flosse ruckartig schlagen und sofort sauste ich nach vorn. Meine Augen ließen sich problemlos öffnen und mein Brustkorb hob und senkte sich, obwohl mein Mund geschlossen blieb. Ich steuerte auf eine geheime Höhle zu, die ich bei einem Ausflug entdeckt hatte. Sie war unter einem Felsen versteckt, der weit aus dem Wasser ragte und war mein persönliches Geheimnis. Ich hatte dort vor einem Jahr ein paar Kleinigkeiten versteckt, wie zum Beispiel eine Muschelkette, ein Gebilde aus Müll und eine große, wunderschöne Perle. Der Eingang wurde von Wasserpflanzen verdeckt, die ich nun bei Seite schob und in den Gang schwamm. Es war eng und ich kam nur langsam voran, und auch das Wasser war so verdreckt, dass ich nicht viel erkennen konnte. Schließlich kam ich am Ende an und stieg nach oben. Ich durchstieß die glasige Oberfläche und hievte mich mit den Armen auf den glitschigen Stein. Eine Wasserschnecke bewegte sich auf mich zu, ich fasste sie vorsichtig mit zwei Fingern an und setzte sie an anderer Stelle ab. Diese Höhle faszinierte mich immer wieder. Der dunkle, nasse Fels war mit Pflanzen und kleinen Tieren übersäht und schien so unberührt.





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