Autor: Kathy
veröffentlicht am: 16.04.2012
„It´s a beautiful day....“
Ich drücke meinen Wecker aus und fluche.
Wie ich das aufstehen hasse. Es ist ja nicht so, dass ich mein Leben in meinem Bett verbringen möchte, aber...
Im Übrigen. Ich bin Mona.
Und wie ihr merkt, bin ich ein ziemlicher Morgenmuffel. Doch es hilft alles nichts....
aufstehen, duschen, Zähne putzen, das Übliche eben...
Ein größeres Problem ist da schon das Outfit. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass es regnet. Na toll, auch das noch.
Ihr müsst wissen, dass ich heute meinen zweiten Tag in der neuen Klasse habe. Ich meine, Gestern war OK, aber man kann ja nie wissen.
Ich entscheide mich schließlich für eine schwarze Röhrenjeans und ein längeres, knall pinkes Sweatshirt.
Damit ihr jetzt nicht auf dumme Gedanken kommt: Nein, ich bin keine Tussi!
OK... ich liebe Pink und habe blonde Haare. Doch eigentlich finde ich Rockmusik toll – und lässige Outfits.
Na denn, wenn ich jetzt noch meine Chucks finde, kann es losgehen.
Auf dem Weg zum Bus kämpfe ich mal wieder mit meinem Schal, den Ipod-Steckern und meinen Haaren gleichzeitig.
Und wum... ich taumle zurück und finde mich einem grinsenden Kerl gegenüber. „Achtung, wir wollen doch nicht, dass du dich verletzt.“
Die Situation nervt mich und ich will schon an ihm vorbei, als er mir seine Hand hinstreckt.
„Hi, ich bin Tobias. Wir sind in einer Klasse.“
Ich schaue ihn prüfend an und Tatsache: Das Gesicht kommt mir bekannt vor.
„Mona.“
Meine Hand bekommt er jedoch nicht.
„Wohnst du auch in der Nähe?“ Wir setzen uns in Bewegung um zum Bus zu kommen. „Offensichtlich. Ich fahre bestimmt nicht extra her um in dich reinzulaufen.“
Er fängt an zu lachen. „Das ist alles schon vorgekommen.“
Ich schaue ihn gespielt ungläubig an, „Wow, wie schön für dich.“
Er grinst mich an. „Ach, Quatsch mit Soße. Sag mal, bist du immer so oder liegt das an mir?“
Jetzt muss ich lachen.
„An dir und diesem grässlichen Morgen.“ Ich schiele ihn von der Seite an.
„Autsch, können wir uns auf den grässlichen Morgen einigen?“
Der Kerl scheint tatsächlich Humor zu haben.
„Sicher....“
Wir steigen in den Bus und oh Wunder, er setz sich neben mich.
„Wo kommst du eigentlich her?“
„Zuletzt aus München. Davor waren wir fünf Jahre in der Schweiz und davor in Frankfurt. Geboren bin ich allerdings in Hamburg.“
Er sieht mich belustigt und gleichzeitig beeindruckt an.
„Da bist du ja ziemlich herumgekommen. Wo wart ihr in der Schweiz?“
„Zuerst in Bern, dann in Zürich.“
Ich fahre mir durch die Haare und stelle fest, dass sie komplett nass sind.
„Keine Sorge, du siehst gut aus. Darf ich fragen, was dein Vater macht, dass ihr so herumkommt?“
„Klar. Er macht das, was uns anschließend nervt.“
Er sieht mich verwirrt an und ich fange an zu lachen.
„Er produziert Werbung.“
Ich sehe, wie es bei ihm Klick macht und er auch lachen muss.
„Interessante Beschreibung.“
Mittlerweile laufen wir zusammen Richtung Schulgebäude. „Du, wir sehen uns gleich in der Klasse. Ich brauche noch meine Dosis Koffein.“
Er grinst mich wieder an. „Ach ja, dann haben wir den selben Weg.“
„Wahnsinn. Sag jetzt nur nicht, dass dein zweiter Vorname auch Kaffee ist.“
Wir brechen in lachen aus, was fast dazu führt, dass ich gegen ne Mülltonne laufe.
„Wenn du dich verletzt, lasse ich dich liegen.“
„Na danke. Aber keine Angst ich gebe mir Mühe.“
Wir betreten den Verkaufsraum und wen wundert’s, eine Schlange.
Wir stellen uns an und wehrend ich mich herum drehe rutscht mir mein Pony mitten ins Auge. Ich will die Strähne gerade zurückschieben als er das tut. Seine Finger streifen dabei sanft meine Stirn... was mich verwirrt.
„Em... danke.“
„Gern geschehen.“
Der Tag ist wirklich gut gelaufen. Ich meine, nicht das der Unterricht hier besonders Anspruchsvoll wäre aber die Leute in meiner Klasse sind alle echt nett.
„Mona! Warte mal.“
Tobias war auch echt nett, doch irgendwie verwirrte er mich.
„Sag mal, hast du heute Nachmittag schon was vor?“
Hatte er denn nichts zutun?
„Sorry, aber ich muss meinen Kleiderschrank noch aufbauen. Ich denke nicht, dass das für dich so interessant wäre.“
„Ach komm, ich kann dir doch helfen. Meine Eltern sind eh nicht zuhause.“
Er sieht mich mit einem perfekten Hundeblick an. „Und andere Hobbys hast du nicht? Na dann komm...“
Er greift nach meiner Hand und sieht mich ziemlich intensiv an. „Du solltest echt mal netter werden.“
„Da könntest du Recht haben. Doch ich tue Grundsätzlich nicht das was ich soll.“
Ich entziehe ihm meine Hand und zusammen laufen wir zum Bus.
Bei mir zuhause angekommen schleife ich ihn erst mal in unsere Küche. Ich bin froh, dass die Deppen von der Aufbaufirma nur meinen Schrank vergessen haben.
„Magst du Pizza?“
Mein Magen ist wirklich ziemlich leer. „Klar!“
Ich stopfe zwei Pizza in den Ofen.
„Sorry, setz dich doch. Möchtest du was trinken?“
Er lächelt mich an und schüttelt den Kopf. Warum fällt mir denn jetzt erst auf, wie hübsch er ist?
„Sind deine Eltern auch so selten zuhause wie meine?“
Ich sehe ihn lange an. „Ich habe sie das letzte Mal am Samstag gesehen.“
Tobias steht schneller vor mir als ich gucken kann. Er zieht mich in seine Arme und drückt mich fest an sich.
„Das tut mir leid.“ flüstert er mir ins Ohr. Sein Atem streift mein Gesicht und plötzlich fängt alles an meinen Körper an zu kribbeln. Ich hebe meinen Kopf und sehe ihm tief in die Augen. Die nähe zwischen uns erschüttert mich ein wenig, doch nicht genug um mich von ihm lösen zu wollen.
Seine Hände wuscheln mir sanft durchs Haar um dann zärtlich meine Wangen zu streicheln. Sein Daumen fährt ganz leicht über meine Lippen.
Ich habe das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist.
„Mein Vater lebt unter der Woche in London. Wenn er es einrichten kann, kommt er am Wochenende nachhause. Ich habe ihn das letzte mal vor drei Wochen gesehen. Meine Mutter ist darüber so unglücklich, dass auch sie sich in ihrer Arbeit vergräbt.“
Ich ziehe seinen Kopf fest an meine Schulter.
Erst der Bling vom Backofen reißt uns in die Realität zurück. „Setzen wir uns zum Essen ins Wohnzimmer?“
Ich spüre einen sanften Kuss in meinem Nacken. „Danke.“
Ich nehme die beiden Teller in die Hand und drehe mich zu Tobias um. „Gern geschehen. Ich lächle ihm zu.
Wir machen es uns zusammen auf dem Sofa bequem und es tut gut, mal wieder Gesellschaft zu haben. Es ist verrückt, ich kenne ihn erst seit heute Morgen, aber ich habe das Gefühl, ihm wirklich Vertrauen zu können
„Wenn meine Eltern mal zuhause sind, fragen sie mich, ob ich etwas brauche. Sie kaufen mir alles, doch wenn ich sie bitte Zeit mit mir zu verbringen haben sie immer eine Ausrede, warum das nicht geht.“
Auf seinem Gesicht spiegelt sich Traurigkeit und Verständnis.
„Kenne ich. Man müsste sie schon bezahlen um eine Minute ihrer kostbaren Zeit stehlen zu dürfen.“
Ich rutsche näher zu ihm und lege meine Hand auf sein Knie.
„Wer ist der Junge auf den Bild da drüben? Du hast gar nichts von Geschwistern erzählt.“
Ich spüre, wie die Traurigkeit in mir aufsteigt.
„Das ist mein kleiner Bruder Nick. Er ist letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
Ich will mich von ihm abwenden, doch er lässt es nicht zu. Er zieht mich auf seinen Schoß und sieht mich einfach weiter an. Gibt mir die Sicherheit, das jemand da ist.
„Was ist passiert?“
Ich bleibe einfach auf seinem Schoß sitzen. Ich habe noch nie mit jemandem über Nicks Tod gesprochen.
„Er ist mit Freunden übers Wochenende nach München gefahren. Auf dem Rückweg sind sie wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen. Sie sind gegen einen Baum gefahren. Mein Bruder und sein bester Freund saßen vorne. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Ihre Freundinnen haben schwer verletzt überlebt.“
Die Bilder schossen ohne Vorwarnung in meinen Kopf und die Tränen stehen in meinen Augen.
„Seit ihr deswegen nach München gezogen?“
Das hatte er verstanden?
Ich nicke. „Meine Eltern waren nach dem Unfall nicht mehr dieselben.“
Ich lege meinen Kopf an seine Schulter, weine immer weiter.
Er lässt es einfach zu. Ich fühle mich so sicher bei ihm, was natürlich unlogisch ist weil ich ihn ja gar nicht kenne.
Trotzdem.
Im Gegensatz zu meinen Eltern ist er da.
„Haben sie je mit dir darüber gesprochen?“
Ein Stich fährt durch mein Herz. „Nein. Ich habe es versucht, doch...“
Meine Stimme bricht.
„Ich bin doch echt das letzte. Jetzt hab ich dich unglücklich gemacht.“
Er sieht mich liebevoll an, als ich zu ihm aufblicke.
„Nein, dass hast du nicht. Das sind die Ereignisse. Du hast mir die Möglichkeit geben, endlich darüber zu sprechen.“
Ein lächeln erscheint auf seinem Gesicht.
„Dann habe ich dich gerne zum weinen gebracht.“
Ich fange an zu lachen.