A Bit(e) of Hope (Repost)

Autor: Ascaeldor
veröffentlicht am: 24.11.2014


Kaoru schlug ihre Augen auf, als sie ihre Mutter nach ihr schreien hörte.
Es ist schon nach sieben! Steh endlich auf! Du bist eh schon spät dran!
Ich will aber nicht! rief sie ihrer Mutter zu und zog sich die Decke über den Kopf. Diese ließ sich jedoch nicht so einfach abwimmeln und stand bereits wenige Minuten später in KaoruŽs Zimmertür.
Steh endlich auf. Unsanft zog sie ihr die Bettdecke weg und warf sie auf den Boden. Nachdem sie die Vorhänge geöffnet hatte und das Licht KaoruŽs Zimmer flutete, schlug diese endlich die Augen auf und streckte sich. Widerwillig zog sie sich an und suchte ihre Schulsachen zusammen. Sie hatte so gar keine Lust auf Unterricht und auf diese blöden Gesichter auch nicht. Überhaupt war ihr nicht so ganz klar, warum sie unbedingt zur Schule musste. Ausgerechnet zu dieser. Warum konnte sie nicht weiter zu ihrer alten Schule gehen? Da war es sowieso viel schöner und es fiel nicht so auf, wenn man mal einen Tag einfach fehlte. Stattdessen schickte ihre Mutter sie in eine Lehranstalt, in der man die Woche über wohnte und nur am Wochenende nach Hause durfte. Schrecklich. Sie hatte das Prospekt der Schule nur kurz durchgeblättert und es danach gleich weggeworfen. War eh uninteressant.
Deine Sachen sind gestern schon angekommen Kaoru. Ich habe die Empfangsmitteilung heute erhalten. Lag im Briefkasten. Beeil dich, Frühstück ist auch schon fertig. ratterte ihre Mutter in einem Atemzug herunter, während Kaoru noch ihre Zähne putzte.
Eigentlich habe ich keinen Hunger. flötete sie und nahm am Tisch Platz.
Iss wenigstens etwas Müsli.
Nachdem Kaoru sich eine Scheibe Brot herunter gewürgt hatte, nahm sie ihre Sachen und setzte ihre Schultasche auf.
MachŽs gut Kleine. Sei nicht so frech zu den Lehrern. Wir sehen uns dann am Freitag.
Ja, ja.
Missmutig schlürfte Kaoru zur Straße und kurz darauf hielt ein Bus, der sie in ihre neue Schule bringen würde. Sie stieg ein und blickte sich um. Alles gaffte sie an und ihr verging die Lust noch mehr. Sie lief zielstrebig auf die letzte Sitzreihe zu und nahm Platz. Die anderen im Bus begannen zu tuscheln und zu kichern, doch Kaoru steckte sich ihre Kopfhörer in die Ohren und schaltete die Musik ein. Sie würden schließlich noch gut dreißig Minuten fahren und irgendwann würde den anderen schon der Gesprächsstoff ausgehen. Sie schloss ihre Augen und umklammerte ihre Schultasche, als der Bus schließlich wieder stoppte und drei etwas ältere Jungen zustiegen.
Sie liefen zielstrebig zur letzten Sitzreihe und blickten Kaoru an.
Hey du! rief der eine ihr zu und tippte sie an.
Was ist?! giftete sie ihn an.
Du sitzt auf dem Platz von Constantine.
Dann hat er eben Pech und muss sich wo anders hinsetzen. flötete sie genervt zurück und schloss wieder die Augen.
An deiner Stelle wäre ich nicht so frech. Wenn er sieht, dass du hier sitzt, dann gibt?s richtig Ärger. Also steh besser auf, bevor er einsteigt.
Steht hier irgendwo -Eigentum von Constantine-?!
Jeder hier weiß, dass er immer hier sitzt.
Tja, ab heute nicht mehr.
Sie stellte ihre Musik auf laut und schloss wieder die Augen. Die drei Jungs zuckten mit den Schultern und setzten sich neben sie. Sie würde es sicher noch bereuen, dass sie nicht auf sie gehört hatte. Als der Bus wieder hielt, stieg ein junger Mann ein, dessen Blick sofort auf SEINEN Platz fiel, der von Kaoru noch immer blockiert wurde. Er rümpfte kurz die Nase und ging auf sie zu. Der Busfahrer starrte kurz in den Rückspiegel und schüttelte den Kopf. Das würde wieder richtig Ärger geben. Jedesmal das gleiche.
Constantine nahm eine Sitzreihe vor Kaoru Platz und stierte sie an. Ein ungutes Gefühl, von dem sie nicht wusste, woher es kam, machte sich in ihr breit und sie öffnete ein Auge, um zu gucken, was los war. Sofort traf ihr Blick den von Constantine, der sie noch immer an funkelte.
Was ist?! giftete sie gleich wieder los und stellte die Musik etwas leiser.
Das frage ich dich. Was hast du auf meinem Platz verloren?
Junge, das ist nicht DEIN Platz, checkst du es nicht?!
Du bist ganz schön frech du kleine Ratte.
Er nahm seinen Finger, legte ihn unter ihr Kinn und hob damit ihren Kopf in die Höhe.
Vielleicht nimmst du mal deine schmierigen Pfoten von mir du eingebildeter Pinkel!
Sie schlug ihm auf die Hand und blickte sich um. Der ganze Bus gaffte sie an und das ungute Gefühl in ihr mehrte sich.
Schon gut. Ich setz mich wo anders hin. Mach Platz da.
Unsanft schob sie ConstantineŽs Bein weg und griff nach ihrer Tasche, als sie plötzlich spürte, wie er sie am Arm packte und zu sich herunter zog.
Du bist frech. Und du bist neu, ich kenne dein Gesicht nicht. Du kannst also nicht wissen, wer ich bin. Aber lass dir gesagt sein, mit mir machst du so etwas nicht, klar?!
Nimm deine Finger weg!
Panik machte sich in ihr breit und ihr Herz schlug bis zum Hals. Die anderen im Bus lachten sie hämisch aus und tuschelten etwas, was sie nicht verstehen konnte. Warum hatte sie nicht gleich gehört, als die anderen ihr gesagt hatten, dass sie da nicht sitzen bleiben sollte? Warum nur musste sie immer alles besser wissen? Als sie fühlte, wie ihr eine Träne an der Wange herunter lief, schluchzte sie kurz laut auf und drückte ihre Hand auf den Mund.
Es tut mir Leid. presste sie heraus und versuchte ihre andere Hand aus seinem Griff zu lösen, doch es war vergebens. Er hielt sie so fest, dass ein Entkommen unmöglich war.
Na, na. Wer wird denn gleich weinen?
Er stand auf, setzte sich auf SEINEN Platz und zog sie zu sich auf den Schoß. Mit der anderen Hand strich er ihr durch das Gesicht und wischte ihre Träne weg.
Ist sie nicht süß? kicherte er seinen Kumpels zu und die lachten sich gehörig schlapp. Auch alle anderen im Bus lachten sie lauthals aus und wieder rollte eine Träne aus ihrem Auge.
Habe ich gesagt dass ihr lachen sollt ihr Vollpfosten?! brüllte er plötzlich los und es wurde von einer Sekunde zur anderen mucks Mäuschen still.
Kaoru blickte sich um und zog laut die Nase hoch.
Wie heißt du?
Kaoru. presste sie zwischen ihren Zähnen heraus, als er ihr wieder die Träne aus dem Gesicht wischte. Es war ihr total unangenehm auf seinem Schoß zu sitzen und eigentlich wollte sie nur so schnell wie möglich wieder runter da, doch er hielt sie noch immer sanft aber sicher fest und so verweilte sie in ihrer misslichen Lage.
Kaoru? Das ist aber ein ungewöhnlicher Name.
Ihre Mutter ist bestimmt ne Japse. flötete Marc, ein Kumpel von Constantine, der direkt neben ihm saß. Laut prustete er los und lehnte sich zurück. Kaum hatte er das ausgesprochen klatschte Constantine ihm die flache Hand gegen den Hinterkopf und blickte ihn böse an.
Halt die Fresse Junge. Du redest, wenn du gefragt wirst, ist das klar?!
Schon gut, schon gut. Reg dich ab Alter. Marc verleierte die Augen und wandte sich etwas ab.
Wie kommt es, dass du so einen außergewöhnlichen Namen hast?
Das geht dich nichts an. presste Kaoru wieder heraus und versuchte noch immer ihre Hand aus seinen Fängen zu befreien. Das schien allerdings aussichtslos zu sein. Er machte nicht den Anschein, als wolle er sie gleich wieder los lassen und so gab sie erschöpft auf. Ihre Tasche rutschte von ihrer Schulter und krachte laut auf den Boden. Widerstand war eh zwecklos, warum also noch die ollen Schulbücher retten?
Du bist wirklich ein sehr freches Mädchen Kaoru.
Ich habe mich doch bereits entschuldigt. Warum lässt du mich nicht los? Ich setze mich doch schon wo anders hin?
Vielleicht will ich gar nicht, dass du wo anders sitzt?
Mir wäre es aber lieber. Du bist unbequem.
Nun ich kann ja beim nächsten Mal ein Sitzkissen mitbringen. Dann hast du es bequemer?
Lass mich los. Bitte.
Dann läufst du mir aber weg.
Na und?!
Du bleibst hier bei mir und zwar so lange, bis ich sage, dass du gehen kannst klar?
Aber du tust mir weh.
Sofort löste sich sein fester Griff und Kaoru sah ihre Chance. Schnell stand sie auf und wollte los laufen, als sie den Widerstand an ihrer Jacke bemerkte und er sie wieder auf seinen Schoß herunter zog.
Sei doch nicht so schüchtern. Bleib doch bei mir. Ist doch nett?
Denkst du.
Ich bin doch nett, ich weiß gar nicht, was du hast.
Der Bus wurde immer voller und schließlich standen die ersten Schüler schon, weil alle Sitzplätze belegt waren. Verunsichert blickte Kaoru sich um. Warum half ihr denn keiner? Alle blickten sie nur verquer an und lachten. Was war das nur für schmieriger Typ auf dessen Schoß sie da saß? Und warum zum Henker half ihr keiner?!
Gefühlte Stunden später hielt der Bus schließlich vor der Schule und die erste große Traube an Schülern presste sich aus dem Bus heraus. Kaoru erhob sich und wollte gehen, als Constantine sie wieder zu sich auf den Schoß zog.
Was soll das? Wir sind da und müssen los. Also lass mich endlich los! schrie sie ihn immer lauter werdend an.
Zu erstens SCHREIST DU MICH NICHT SO AN!!! Und zweitens... sprach er wieder ganz ruhig weiter: .. hast du die ganze Fahrt auf meinem Schoß gesessen. Glaubst du, das ist kostenlos?
Was willst du von mir?
Er drehte sie sich so zu Recht, dass sie am Ende breitbeinig auf seinem Schoß saß und blickte sie an. Sie fühlte, wie seine Hand an ihrem Rücken empor strich und an ihrem Hinterkopf halt machte. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen und sie schluchzte leise auf.
Hab keine Angst. flüsterte er ihr zu und küsste sie frech auf die Lippen.
Angeekelt drehte sie ihren Kopf weg und weinte nun laut auf.
Du bist so widerlich! Lass mich endlich!
Sie knallte ihm ihre Hand ins Gesicht, schnappte sich ihre Tasche und flüchtete Hals über Kopf aus dem Bus. Sie wünschte sich noch in der dritten Stunde, dass sie ihn nie wiedersehen musste und schüttelte angeekelt ihren Kopf. Dem Unterricht war sie in keinster Weise gefolgt und so wusste sie natürlich auch nicht, an welcher Stelle die Klasse in ihrem Schulbuch war, als der Lehrer sie aufrief. Sie zuckte mit den Schultern und kritzelte belanglose Dinge auf ihren Block.
Kaoru, ich weiß nicht, wie man dir diese Schule erklärt hat, aber hier gelten andere Richtlinien, als an öffentlichen Schulen. Pack deine Sachen zusammen und melde dich beim Direktor. Du wirst diese Stunde heute Nachmittag nachholen.
Verschreckt blickte sie auf. Alles Bitten Und Flehen jedoch half nichts. Also packte sie ihre Sachen und machte sich auf den Weg zum Direktor. Sie musste nur noch das Sekretariat finden. Sie irrte mehr oder weniger durch das Schulgebäude und blickte sich um. Wenn sie jetzt einfach gehen würde, dann müsste sie nicht nachsitzen. Sie müsste nur pünktlich zur vierten Stunde wieder da sein. Ganz einfach. Nach kurzem Suchen fand sie den Ausgang und lief die Treppen dorthin zügig herunter. Ihr Herz begann zu rasen, als sie an der Tür klinkte, diese aber anscheinend verschlossen war. Sie war eingesperrt! Wo gab es denn so was?
Na? Kein Bock mehr? hörte sie ein Stimme sagen und drehte sich um.
Du schon wieder! flötete sie verschreckt heraus.
Ich schon wieder, genau. Na? Haste gleich am ersten Tag Stress oder was?
Mit dir rede ich nicht mehr.
Aha? Und warum nicht?
Weil du ein Arsch bist.
Nur weil ich deine Lippen entjungfert habe?
Was ist?! verschreckt blickte sie ihm in sein breit grinsendes Gesicht. Du hast sie ja nicht alle.
Hastig sprang er die paar Stufen zu ihr herunter und lehnte sich, vor ihr stehend, mit dem Arm gegen die Wand.
Freches Mädchen. Freche, kleine Kaoru.
Ich kann dir gleich mal eine klatschen. Lass mich einfach zu Frieden.
Ich mag es, wenn du so frech bist Kaoruchan. (Verniedlichungsform, entspricht ungefähr dem deutschen -chen (Hans vs Hänschen)
Nenn mich nie wieder so! giftete sie ihm schwer gekränkt entgegen.
Klingt doch süß und passt zu dir du kleine, freche Ziege.
Kaoru hob ihre Hand bedrohlich und holte tief Luft, doch bevor sie sie weiter bewegen konnte, umfasste er sie schon wieder und drückte seine Stirn auf ihre.
Was gedenkst du zu tun, Kaoruchan? Willst du mich etwa schlagen?
Lass mich endlich los. Ich muss zum Rektor.
Was willst du denn bei dem, wo es mit mir doch viel schöner ist?
Das wüsste ich. Du bist ein schmieriger, ekelhafter, widerlicher...
Kleine, süße Kaoruchan. Wie süß du bist, wenn du dich aufregst.
Lass mich endlich los oder ich schreie.
Mach doch.
Lauthals kreischte Kaoru alles aus sich heraus und siegessicher blickte sie Constantine an. Nach ein paar Sekunden verzog sich ihr Gesicht und sie blickte in Richtung der Klassenräume. Niemand hatte die Türen geöffnet. Hatte man sie etwa nicht gehört? Sie holte noch einmal Luft, doch Constantine drückte ihr die Hand auf den Mund.
Shht. Du verrätst uns ja. Du willst also raus, ja?
Sachte nickte sie ihm zu.
Gut, komm mit.
Noch immer hielt er ihren Arm fest und zog sie hinter sich her. Sie liefen eine ganze Weile, ließen Flure und einige Treppen hinter sich und standen schließlich vor einer großen Tür, die wohl in den Keller führte. Leise knarrte sie, als Constantine sie öffnete und er zog Kaoru die Treppen herunter. Es war stockdunkel und sie hatte Mühe mit ihm mitzuhalten, ohne dabei zu stürzen.
Wohin gehen wir?
Na raus. Wohin sonst?
Es ist so dunkel hier.
Ich weiß, das Licht ist schon seit Monaten kaputt.
Warum meldest du es nicht?
Wenn ich es melde, dann wissen doch alle, wie ich aus der Schule rauskomme oder etwa nicht? Dumme, kleine Kaoruchan.
Du sollst mich nicht so nennen.
Leise lachte er vor sich hin und zerrte sie weiter durch die düsteren Gänge, als er schließlich stoppte und eine Luke öffnete. Sogleich strahlte sie die Sonne an und frischer Wind wehte ihnen um die Nase. Constantine schwang sich aus der Luke ins Freie und reichte ihr seine Hand.
Na komm. Greif zu.
Kaoru sah sich um. Warum sollte sie ihm jetzt ihre Hand geben? Wer wusste schon, wann er sie wieder los lassen würde? Sie verschränkte die Arme und grinste ihn hämisch an.
Ich bleibe. entgegnete sie ihm schließlich und wandte den Blick von ihm ab.
Gut, wie du meinst. Vielleicht finden sie dich noch vor Einbruch der Dunkelheit. Bis dahin, viel Spaß.
Mit einem lauten Krachen ließ er die Luke wieder zu fallen und verschwand. Kaoru verging ihr hämisches Grinsen recht schnell, als sie feststellte, dass sie ganz allein in diesem dunklen Keller stand. Tief atmete sie durch und fasste neuen Mut. Sie musste ja nur wieder zurück zum Ausgang gehen. Fast blind tastete sie sich an den feuchten Wänden entlang und suchte nach der Tür, durch die sie den Keller betreten hatten. Es tropfte und knackte immerzu und ihr Herz raste unaufhörlich. Nach eine guten Stunde gab sie es auf. Er hatte sie minutenlang durch diesen Keller geführt und sie hatte sich den Weg nicht gemerkt. Wieder rannen Tränen durch ihr Gesicht. Sie erinnerte sich an seine Worte und ihr wurde unwohl. Was, wenn man sie gar nicht mehr fand? Weiß doch der Geier, ob man sie überhaupt schon vermisste? Und, wer sollte sie denn vermissen? Sie kannte ja niemanden! Constantine würde sicherlich nicht sagen, dass sie fehlte. Sie kauerte sich auf dem nassen Boden zusammen und brach
in Tränen aus. Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und blickte auf das Display. Seit gut zwei Stunden suchte es schon nach Empfang und der Akku blinkte auch schon wild herum. Bald würde es aus gehen. Sie konnte keine SMS schicken, geschweige denn telefonieren.
Aber sie konnte sich damit den Weg leuchten!
Neuen Mutes sprang sie auf und leuchtete mit dem Display die Kellerräume aus. Es war gruselig und überall tropfte, knackte und raschelte es. Wenn es wirklich Monster und Geister gab, dann waren sie sicher hier anzutreffen. Panisch lief sie wieder los und suchte nach der Tür, doch egal, wo sie abbog, es war der falsche Weg. An jeder Kreuzung, die sie erreichte gabelten sich die Gänge in vier neue auf und schließlich blieb sie stehen und blickte geschockt auf ihr Handy. Es piepte noch einmal kurz auf und schaltete sich schließlich aus. Akku leer.
Kaoru schniefte laut und kauerte sich wieder auf den Boden. Sie saß mitten in einer Pfütze, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Nach einer weiteren Stunde philosophierte sie schon, wie sie wohl sterben würde. An Hunger, an Durst oder würde sie gar erfrieren? Tränen rannen wieder durch ihr Gesicht und sie wischte sie mit ihrem Pulli weg.
Wie in Trance blickte sie durch ihren Tränenschleier in die Richtung, aus der sie Schritte und eine Stimme vernahm. Irgendjemand rief nach ihr. Sie kniff die Augen zu und drückte sich die letzten Tränen aus den Lidern.
Kaoruchan? Wo bist du?
Constantine? flüsterte sie mit zitternder Stimme und wischte sich durch das Gesicht.
Kaoruchan?
In gebückter Haltung zwängte er sich in den kleinen Gang, in dem sie saß und kniete sich zu ihr herunter.
Dumme, kleine Kaoruchan... flüsterte er und strich ihr durch das Gesicht. Erleichtert fiel sie ihm um den Hals und schluchzte wieder auf. Ihr Tränen hatte sie bereits alle geweint und so zog sie laut die Nase hoch.
Du bist ja ganz nass. flüsterte er ihr ins Ohr und zog sie an ihrem Arm aus der Pfütze. Komm mit, ich bringe dich auf dein Zimmer.
Er fasste sie an der Hand und zog sie aus dem kleinen Gewölbe heraus. Kaoru war müde und erschöpft. Außerdem hatte sie einen Mordshunger, auf den ihr Magen lauthals aufmerksam machte.
Kommentarlos führte er sie durch die düsteren Gänge und schließlich vernahm sie das ihr bekannte Knarren der Kellertür. Frische Luft zog an ihr vorbei und sie schnappte regelrecht danach. Sie hatte sich schon an den Kellermief gewöhnt und bemerkte jetzt, wie toll doch frische Luft sein konnte.
Wie spät ist es? wimmerte sie leise vor sich hin.
Kurz nach sieben.
Der Unterricht... stammelte sie und blickte zum Fenster heraus ins Freie.
Der ist schon lange vorbei. Die Lehrer suchen dich schon. Lass dir was gutes einfallen.
Warum sollte ich?! Ich werde sagen, wie es war. Dass du mich in den Keller verschleppt hast.
Spinnst du?!
Es ist doch so!
Kaum hatte sie ihren Satz beendet, da kam auch schon die halbe Lehrerschaft um eine Ecke geschossen und atmete erleichtert auf.
Kaoru! Da bist du ja! rief Mister Jones, der sie aus seinem Unterricht geschmissen hatte. Wo warst du denn?
Sie blickte zu Constantine, der seinen Blick von ihr abgewendet hatte und auf den Boden stierte. Er hatte sie dort einfach zurück gelassen. Und es hat verdammt nochmal lange gedauert, bis er sich dazu entschieden hatte, sie da wieder heraus zu holen. Dieser blöde Arsch!
Ich war draußen, mir ging es nicht gut.
Draußen? wiederholte Mister Jones und blickte sie ungläubig an. Wie bist du denn raus gekommen?
Na durch die Tür?
Die ist doch abgeschlossen? Von wem hattest du denn die Schlüssel?
Kaoru stockte der Atem. Ja von wem hatte sie denn angeblich die Schlüssel?
Von mir. funkte Constantine dazwischen. Sie sah blass aus und da habe ich aufgeschlossen.
Ja warum bist du denn nicht bei ihr geblieben oder hast es wenigstens gemeldet?!
Weil ich allein sein wollte. redete Kaoru wieder dazwischen.
Ich hatte sie aus den Augen verloren und naja, dann habe ich sie bis eben gesucht.
Nun, ihr beiden. Das war nicht in Ordnung, aber das wisst ihr sicher selbst. Wenn es dir nicht gut geht Kaoru, dann melde dich bei einem Lehrer ab, genau wie du Constantine. Melde dich ab, wenn du jemandem die Tür aufschließt. In Ordnung?
Beide nickten Mister Jones zu.
Gut, dann geht jetzt auf eure Zimmer.
Mister Jones drehte ab und die Lehrer zogen sich in ihre Arbeitszimmer zurück. Kurz darauf gab es eine Durchsage, dass die Vermisste wieder aufgetaucht ist.
Verstört blickte Kaoru zu Constantine.
Was?
Gibt es keine Strafe? fragte sie irritiert.
Nein, wieso?
Na weil wir geschwänzt haben?
Dir ging es doch nicht gut, also.
Kaoru zuckte mit den Schultern und lief Constantine zügig hinterher. Nach einem Fußmarsch quer über den Schulhof und durch einen kleinen Park stoppten sie vor einem alten Bauernhaus. Kaoru blickte sich fasziniert um und folgte ihm weiter. Sie liefen durch eine große Eingangshalle und durch ein paar Flure. Überall andere Schüler die stillschweigend zu den beiden sahen und tuschelten, sobald Constantine mit seiner Errungenschaft nur weit genug weg war. Wieder raste ihr Herz, denn es war ihr natürlich unangenehm. Wer war dieser Constantine nur? Und warum genoss er ein so hohes Ansehen bei den anderen? Sie würde es schon noch heraus bekommen. Am Ende eines Ganges stoppte er schließlich und klopfte an eine Tür.
Herein?
Er öffnete die Tür und ließ Kaoru den Vortritt.
Das wird dein Zimmer sein. Du teilst es dir mit Sassy. Das ist Kaoru. Ich hoffe, ihr vertragt euch.
Das wird schon. Hallo Kaoru. Ich bin Saskia, nenn mich einfach Sassy. Das machen hier alle so.
Hallo. entfuhr es ihr trocken und sie reichte ihrer Zimmergefährtin die Hand.
Ich schlafe hier. Wenn es ok für dich ist, dann nimm das Bett hier.
Ja passt schon.
Gut, dann lasse ich euch jetzt allein.
Constantine warf die Tür zu und Kaoru warf einen Blick auf ihr neues Reich. Das Zimmer war nicht besonders groß, aber es hatte ein großes Fenster, dass in den Garten zeigte. Und Sassy schien auch ganz ok zu sein. Vielleicht konnte sie sich ja mit ihr anfreunden. Das würde diese Schule vielleicht etwas erträglicher machen. Nachdem sie ihre Sachen in den Schrank verräumt hatte, ließ sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen. Ihre Hose war noch immer nass am Hintern.
Ist es ok, wenn ich duschen gehe?
Sicher. Warum auch nicht?
Gut. Wo sind die Duschen?
Geh den Gang zurück und dann links. Kurz vor den Treppen ist der Waschraum.
Ok, dann also bis gleich.
Bis gleich.
Sassy lächelte ihr noch zu und wandte ihren Blick wieder ihrem Buch zu, dass sie schon einige Zeit las. Ein ziemlich dicker Wälzer, für den sich Kaoru sicher nicht begeistern konnte. Sie war eher der Musiktyp und umschiffte das Lesen immer.
Mit Handtuch, Duschbad und Wechselsachen bewaffnet machte sie sich auf den Weg zu den Waschräumen. Die Dusche würde ihr gut tun und sie könnte ihren ersten, total schrecklichen Tag vergessen.
Schnell waren die Duschen gefunden und Kaoru knallte die Kinnlade auf den Boden. Es handelte sich um recht herunter gekommene Gemeinschaftsduschen. -Privatsphäre ade- ging es durch ihren Kopf und sie warf nochmal einen Blick in den Gang. Es schien niemand sonst noch duschen zu wollen, also war sie allein. Sie musste sich nur etwas beeilen.
Sie schloss ihre Sachen in den Spind und sprang schnell unter die Dusche.
Plötzlich vernahm sie Stimmen und ihr Puls raste in die Höhe. Sie hatte sich gerade die Haare aufgeschäumt und spülte sich rasch ab. Kurze Zeit später kamen die Stimmen näher und drei Mädchen betraten die Duschräume.
Das ist die von heute morgen. flüsterte eine und alle drei fingen an zu lachen.
Da ist ja gar nichts dran.entgegnete die andere und blickte Kaoru fies an. Die versuchte die Mädchen so gut es nur ging zu ignorieren und schnappte sich ihre Duschutensilien.
Ist die eingebildet. erwiderte die erste wieder.
Pass auf, dass du nicht fällst. riefen sie ihr noch zu und Kaoru spürte, wie sie sie fest anstießen. Prompt rutschte sie aus und stürzte auf die nassen Fließen.
Seid ihr bescheuert?! Lasst mich gefälligst in Ruhe!
Hab du mal nicht so eine große Fresse!
Caro, nicht so doll, sonst weint sie gleich. rief die andere und alle drei lachten laut los. Caro packte KaoruŽs Schopf und zerrte an ihren Haaren.
Als Neue solltest du dich nicht so aufspielen du hässliche Kuh.
Lass mich los!
Kaoru schlug mit der Faust nach Caro und erwischte ihr Knie. Laut schrie sie auf und ging ebenso zu Boden.
Du dämliche Schlampe! schrie Caro auf und zerrte noch doller an ihren Haaren. Schließlich packten die zwei anderen Mädchen Kaoru an den Beinen und zerrten sie zurück zu den Duschen.
Hier kannst du dich erstmal abreagieren! fauchte Caro und schaltete das kalte Wasser an. Nackt, ängstlich und weinend saß Kaoru unter der Dusche und wartete, bis die drei verschwunden waren. Was war das nur für eine Schule? Sie schaltete das Wasser ab und stand wieder auf. Ihr Handtuch war durchnässt und das Shampoo, hatten diese blöden Ziegen vollkommen leer gemacht und den Ausguss herunter gespült. Also zog sie sich nass an und stapfte zurück in ihr Zimmer. Die Sachen klebten an ihrer Haut und noch immer liefen Tränen an ihrer Wange herunter. Ein paar Mädchen kamen ihr entgegen und lachten sie aus, sprachen sie aber glücklicherweise nicht an. In ihrem Zimmer angekommen, knallte sie die Tür zu und schmiss sich auf ihr Bett. Sofort ließ Sassy ihr Buch fallen und setzte sich neben sie.
Was war denn los? Ist was nicht in Ordnung?
Ich hasse diese Schule!
Wieso? Was ist los?
Die Duschen sind ja wohl die Höhe!
Naja, sie sind nicht mehr die neuesten.
Da sagst du was! schluchzte Kaoru ihr entgegen und biss fest in ihr Kissen.
Deine Sachen sind ja total nass. Was ist denn los? Hat man dich geärgert?
Geärgert? GEÄRGERT?! Da waren drei Schnepfen, die es wohl lustig fanden auf mir herum zu hacken.
Drei? Wer denn?
Keine Ahnung, eine Caro glaube ich.
Ach Caro mal wieder. Dann waren da sicher noch Lisa und Vera. Die drei ticken eh nicht ganz sauber.
Allerdings. Die haben mich geschubst und ich falle natürlich voll auf die Fresse.
Hast du dich verletzt?
Die Knie tun weh, sonst ist alles ok.
Langsam versiegten KaoruŽs Tränen und Wut machte sich in ihr breit.
Das haben die nicht umsonst gemacht.
was meinst du damit?
Sie werden es mir büßen!
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und stierte Sassy in die Augen.
Ich wäre an deiner Stelle vorsichtig. Die haben es faustdick hinter den Ohren, echt. Mit denen ist nicht zu spaßen.
Mir doch egal.
Hör mal, die sind nur neidisch, mehr nicht. Das legt sich wieder.
Neidisch? Auf was denn?
Ach wegen der Aktion im Bus denke ich. Das hat hier schon die Runde gemacht.
Was? Wegen der Sache mit Constantine?
Genau deshalb. Wie gesagt, das legt sich wieder.
Was ist hier eigentlich los? Dreht sich an dieser Schule die Sonne um diesen Typen oder was?
So in der Richtung. Sassy lächelte und legte ihr Buch auf ihren Schreibtisch. Er ist Vertrauensschüler, Schüler- und Wohnheimsprecher. Mit ihm sollte man es sich nicht verscherzen.
Was? DER?!
Kaoru schluckte schwer und rappelte sich wieder auf. Noch immer wütend strich sie sich über ihre Knie, die ziemlich schmerzten.
Er ist in Ordnung. Mag sein, dass er etwas eigenartig ist, aber er ist ok.
Da das Ereignis im Bus sich ja schon herum gesprochen hat, müsstest du eigentlich wissen, dass das absoluter Blödsinn ist. Er hat mich meiner Freiheit beraubt und mich außerdem geknutscht. Vor allen Leuten. Und das, obwohl er mich überhaupt nicht kennt.
Dann hättest du dich eben nicht auf seinen Platz setzen sollen.
Woher sollte ich das wissen?
Ich bin sicher, dass seine Kumpels dich darauf aufmerksam gemacht haben.
Ich bin neu hier, woher hätte ich wissen sollen, dass er ein so kranker Affe ist?
Er ist kein Affe.
Sassy nahm an ihrem Schreibtisch Platz und schlug ihre Hausaufgaben auf.
Er ist nett. Glaub mir. Er ist eigenartig, aber eben auch nett. Beruhig dich, komm wieder runter und gut.
Wieder ächzte KaoruŽs Magen laut auf.
Wann gibt es hier eigentlich was zu essen?
Um acht.
Gehst du auch essen?
Sehe ich aus, als würde ich meine Mahlzeiten verpassen? Sassy drehte sich grinsend zu Kaoru um und umfasste ihre kleine Bauchrolle.
Verlegen schüttelte sie den Kopf und zog sich nun endlich etwas trockenes an. Gegen acht Uhr machten sich die beiden auf den Weg in den Speisesaal. Noch immer tuschelten und lachten die anderen Schüler über Kaoru, die sich dabei natürlich total blöd vorkam. An einem kleinen Tisch für vier Personen hielt sie schließlich und blickte Sassy fragend an. Die zuckte mit den Schultern und nickte. Nachdem beide Platz genommen hatten, vergrub sich Kaoru in ihren Händen. Noch immer konnte sie das Getuschel der anderen hören. Es machte sie wahnsinnig. Warum waren sie so gemein zu ihr? Und das alles nur, weil sie bei diesem Halbaffen auf dem Platz gesessen hatte. Oh, wenn ihre Mutter nur wüsste, was das hier für eine merkwürdige Schule ist.
Nachdem sich alle etwas zu essen geholt hatten verstummte das Tuscheln und das Geklapper von Besteck und Geschirr erhellte den Saal.
Jetzt guck nicht so deprimiert. Wirst dich schon an alles gewöhnen, also keine Panik.
Ich finde es schrecklich hier. Alle reden über mich, ein Wunder, dass du so normal mit mir umgehst.
Hast mir ja nix getan.
Ja eben! entfuhr es Kaoru etwas laut und wieder starrten sie alle an.
Mach dir nichts draus. Wie gesagt, das hört schon auf.
KaoruŽs Blick blieb an Caro und ihren Freundinnen hängen, die soeben den Speisesaal betraten. Schnell hatten sie ihren Tisch ausgemacht und stolzierten auf ihn zu.
Na? Hat sich dein Temperament wieder etwas abgekühlt?
Kaoru starrte verbissen auf ihren Teller und nickte leicht.
Das ist gut. grinste Caro ihr hämisch entgegen und tätschelte unsanft über KaoruŽs Haare.
Schließlich kicherten alle drei und ließen von ihr ab. Es war gut, dass sie nichts gesagt hatte und sicher hatte Sassy recht, mit dem, was sie sagte. In ein paar Tagen würde sie sicher gar nicht mehr auffallen. Sie musste sich so oder so eingewöhnen. Diese Schule war teuer, da es sich um eine private Lehranstalt handelte und sie wollte ihre Mutter nicht enttäuschen. Auch wenn sie dafür in Kauf nehmen musste, ihre ganzen Freunde zu verlieren.
Es herrschte wieder Stillschweigen, als Constantine den Saal mit seinen Kumpels betrat. Sassy legte ihr Besteck nieder und senkte den Kopf. Alles war ruhig. Nur Kaoru ließ es sich weiter schmecken. Sie würde wegen diesem Affen nicht so einen Aufriss machen. Außerdem hatte sie Hunger und er hatte noch einen gut bei ihr. Schließlich hatte sie für ihn gelogen.
Constantine stoppte am Tisch der beiden und blickte Kaoru an, die sich gerade die letzte Scheibe Brot ins Gesicht stopfte.
Schmeckt es dir?
Eifrig nickte sie ihm zu und kaute schnell, damit sie ihm antworten konnte.
Das ist gut. Und? Vertragt ihr beiden euch auch?
Wieder ein nicken und schließlich schaffte Kaoru es auch, alles auf einmal herunter zu schlucken.
Und Sassy? Wirst du mit ihr zurecht kommen?
Ich denke schon. Bisher verstehen wir uns sehr gut.
Gut, das ist gut.
Sassy machte eine nickende Kopfbewegung und Constantine beugte sich zu ihr herunter. Leise tuschelte sie ihm etwas ins Ohr und blickte ihn fragend an. Er antwortete ihr mit einem Nicken und richte sich wieder auf.
Dann guten Hunger ihr zwei.
Bedächtig ging er weiter, setzte sich und begann zu essen woraufhin auch alle anderen wieder begannen zu essen. Kaoru zuckte mit den Schultern. Sie hatte einfach weiter gegessen und ihn hat es nicht gestört, wozu also dieser Aufriss? Es war einfach lächerlich, wie alle ihr Essen unangetastet ließen, bis sich der kleine Prinz endlich auch gesetzt hatte. Der Hammer war ohnehin, dass er zu spät gekommen war. Eigentlich hätte er gar nichts kriegen dürfen. Kaoru schmunzelte vor sich hin und stopfte sich eine saure Gurke in den Mund. Wenigstens das Essen war lecker hier. Das Abendbrot verlief glimpflich, niemand lachte über sie. Im Gegenteil. Von den anderen Tischen schnappte sie ab und zu ein paar Gesprächsfetzen ein und auch von dem Tisch an dem Constantine saß vernahm sie Lachen, dass sich richtig erfrischend auf sie auswirkte. Schließlich räumten alle ihr Geschirr ab und begaben sich in ihre Zimmer und so auch Sassy und Kaoru.
Es war noch eine halbe Stunde, bis sie schlafen mussten und Sassy vertiefte sich wieder in ihr Buch.
Was liest du da?
Einen Thriller. Der ist gut. Wenn du magst, kannst du ihn auch lesen wenn ich durch bin.
Nein lass mal. Thriller sind nichts für mich.
Was liest du so?
Ich höre eher Musik. Wenn ich lesen muss dann lieber irgendwas romantisches oder so.
Schmalz also?
Nein, kein Schmalz. Eher Romantik.
Sassy schüttelte ihre braunen Locken und grinste.
Ja,ja. Schmalz. korrigierte Kaoru sich und musste nun auch lachen.
Gegen halb zehn knirschte es plötzlich leise aus dem Lautsprecher im Flur.
So ihr Lieben, es ist halb zehn. Schlafenszeit. Licht aus, Kopf zu ich höre und sehe alles. Wer nicht im Bett ist, den erwartet eine Nacht im stehen, nackt und zwar draußen.
Sassy grinste kurz und legte ihr Buch auf den Schreibtisch.
Sag mal, diese Stimme... Kaoru war sich nicht ganz sicher.
...ja, das ist Constantine. bestätigte Sassy ihre Vermutungen und knipste das Licht an ihrem Bett aus. Du solltest dein Licht jetzt auch löschen, das gibt sonst nur Ärger. Der Spruch mit dem draußen stehen ist nicht von ungefähr. Er hat schon mal jemanden die halbe Nacht draußen Schnee schieben lassen.
Bitte?! Das darf der doch gar nicht.
Kaoru, vergiss nicht. Diese Schule hier tickt etwas anders, also mach das Licht aus.
Kaum hatte Sassy ihren Satz ausgesprochen stand auch schon Constantine in der Tür und blickte zu Kaoru.
Ich sagte doch, Licht aus?
Tut mir Leid. zackig schaltete sie ihr Licht aus und zog sich die Decke über den Kopf.
Willst du etwa in deinen Straßenklamotten schlafen? Du wirst dich jetzt umziehen.
Ja dann geh.
Nein. Du ziehst dich um und zwar sofort. Oder du verbringst die Nacht draußen im stehen und nackt, klar?!
Widerwillig warf Kaoru ihre Decke zurück und stand auf.
Aber das Licht bleibt aus.
Mach jetzt, ich habe nicht ewig Zeit.
Murrend und maulend zog sie sich um und schlüpfte wieder in ihr Bett. Von SassyŽs Seite kam kein Mucks. Sie schien schon zu schlafen und so zog es auch Kaoru vor, schnellstmöglich zu schlafen. Constantine nahm ihre Decke, deckte sie damit zu und strich ihr über die Haare.
Du hast heute noch deinen Neulingsbonus. Du solltest es aber nicht überreizen Kaoruchan. Morgen werde ich auf dich keine Rücksicht mehr nehmen, hast du mich verstanden?
Was soll das denn heißen?
Dass du morgen so zu funktionieren hast, wie alle hier. Klar?
Du kannst mich mal. presste sie ihm besonders giftig entgegen. Mach die Tür von außen zu, du blöder Arsch.
Mit voller Absicht pustete er ihr ins Gesicht, fing an zu lachen und schloss endlich die Tür. Rasend vor Wut setzte Kaoru sich wieder aufrecht ins Bett und ballte ihre Fäuste. Dieser selten dämliche, blöde, arrogante... Ach, es hatte ja doch keinen Zweck.
Entrüstet ließ sie sich wieder in ihr Kissen fallen und starrte an die Decke. Was für ein Tag und was für ein Typ. Ein leiser Seufzer entfuhr ihr, bevor sie schließlich einschlief.
Am nächsten Morgen wurde sie durch eine ihr bekannte Stimme geweckt, die wieder durch den Lautsprecher auf dem Flur tönte.
Einen wunderschönen guten Morgen an die Damen und Herren des Hauses, an die Lehrer und natürlich an das Küchenpersonal. Es ist halb sieben. Ich verlese nun die wichtigsten Meldungen. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Lisa-Marie aus der Klasse sieben F. Lass den Tag entspannt angehen. Du bist heute vom Tafel- und Geschirrdienst befreit. An die Klasse neun B. Die Mathematikarbeit wird auf die ersten beiden Stunden vorverlegt. Beeilt euch bitte, damit niemand zu spät kommt. Desweiteren werden die Deutscharbeiten der Klassen acht B, sechs C und zwölf A verschoben, da Miss Connor heute krank ist. Ein genauer Termin ist nicht bekannt. Außerdem heiße ich die neue Mitschülerin Kaoru Svenson herzlich willkommen. Kaoruchan, ich hoffe, dir gefällt es hier. Sicherlich wirst du bald Anschluss finden. Seid nett zu ihr. Einen schönen Tag noch und denkt dran School rocks!
Es war kurz nach halb sieben und Kaoru kochte vor Wut. Er hatte es schon wieder gesagt.
Du blöder Affe! schrie sie spitz heraus und knüllte ihre Bettdecke zusammen, um sie so unschön wie möglich auf ihrem Bett zu platzieren.
Mach doch nicht gleich morgens so einen Stress Kaoru. Sassy wischte sich müde die Augen und gähnte laut auf.
Hast du gehört, wie er mich genannt hat?
Ist doch süß, was hast du denn?
Süß? Süß?! Ich glaube es hackt.
Mensch, reg dich ab. Wenn du dir deshalb schon so einen Stress machst... Nimm es so hin und gut. Ist doch nicht schlimm. Stell dir mal vor er hätte dich Kackfratze oder Hackfresse genannt.
Das wäre schrecklich!
Na also. Meine Rede.
Das ist genau so schrecklich, wie Kaoruchan!
Sassy schüttelte verständnislos ihren Kopf und zog ihr Nachthemd aus.
Du hast ja einen Piercing! entfuhr es Kaoru schließlich.
Und? lächelte Sassy ihr entgegen. Ist doch heutzutage nichts besonderes mehr.
Ich hätte auch gern einen, aber meine Mutter meinte, ich würde mich damit verunstalten.
So ein Käse. Sicher gibt es Leute, denen Piercings nicht stehen, aber an deinem Bauchnabel könnte ich mir durchaus vorstellen, einen zu sehen. Würde dir bestimmt stehen.
Meinst du?
Sicher und nun komm. Wir müssen noch zum Frühstück.
Beide zogen sich rasch an und packten ihre Sachen. Nachdem sie sich im Waschraum fertig gemacht hatten, liefen sie zum Speisesaal. Wieder kreuzten andere Schüler ihren Weg. Niemand reagierte auf sie, keiner lachte, niemand tuschelte. Alles lief so ab, als wäre Kaoru nicht da. Verwundert blickte die sich um. Nun verstand sie gar nichts mehr. Sassy öffnete die Tür zum Speisesaal. Kaoru beschlich wieder ein ungutes Gefühl. Spätestens hier würde man sie wieder stillschweigend begaffen, doch auch hier, nichts. Niemand sah auf, alle redeten normal weiter und von zwei Mädchen wurden sie schließlich an den Tisch gerufen.
Setzt euch doch hier mit hin? rief eine mit langen, roten Haaren und lächelte auch Kaoru freundlich an. Ich bin Susi und das hier ist Nora. Komm her, nur keine Panik, wir fressen dich schon nicht.
Danke. presste Kaoru aus sich heraus und nahm mit Sassy am Tisch der beiden Platz. Sofort eröffnete Nora das Gespräch und alle vier lachten beherzt. Tief im Inneren kam Kaoru aber trotzdem nicht darauf klar, dass plötzlich alles anders war. Alle hatten sich über Nacht vollkommen geändert. Sie blickte sich um und wieder stockte ihr der Atem, als sie Caro entdeckte. Die aber rümpfte nur die Nase und ging, ohne Anstalten zu machen an ihr vorbei.
Plötzlich legten alle ihr Besteck aus der Hand und Ruhe kehrte ein. Kaoru dachte ja nicht daran es ihnen gleich zu tun, doch Susi nahm ihr das Messer aus der Hand und legte es schnell ab. Schon näherte Constantine sich ihrem Tisch und blieb stehen. Mit einem lauten Krachen knallte der Teller auf den Boden und der Junge vom Nachbartisch machte sich daran, die Scherben aufzuheben.
Spinnt der?! flüsterte Kaoru Susi zu, doch die blickte stumm auf ihren Teller und reagierte nicht. Schließlich drehte Constantine sich zu ihr um und blickte sie an.
Na kleine Kaoruchan? Hast du gut geschlafen?
Leck mich. flötete sie heraus und erntete dafür einen Blick, der eine Topfpflanze zum Verwelken bringen konnte.
Sorry, ja ich habe gut geschlafen.
Das ist gut. Constantine richtete sich auf, umfasste seine Hände hinter seinem Rücken und warf einen prüfenden Blick durch den Saal. Alles war ruhig. Sehr schön.
Kaoru, du bist heute vom Unterricht befreit. Ich werde dir das Schulgelände zeigen und dich in deine Wahlpflichtgruppe einteilen. Wieder hatte er sich zu ihr herunter gebeugt und blickte sie freundlich lächelnd an. Zaghaft nickte sie ihm zu.
Iss jetzt, ich hole dich nach dem Frühstück vom Tisch ab.
Ist gut.
So rechten Hunger hatte sie zwar nicht mehr, aber wer weiß, wo er sie hin schleppen wollte. Nachher steckte sie wieder in irgendeinem Keller und fand den Ausgang nicht wieder. Also stopfte sie sich noch zwei weitere Brötchen in den Mund und spülte sie mit Kaffee herunter. Gegen halb acht standen alle auf und räumten ihr Geschirr ab. Nachdem auch der letzte gegangen war, blickte sie verunsichert auf und sah sich um. Constantine saß noch immer am Tisch, trank seinen Kaffee und las Zeitung. Als er aufsah, drehte sie sich schnell wieder um und tat unschuldig.
Setz dich zu mir Kaoruchan.
-Mist- ging es ihr durch den Kopf und sie nahm ihre Tasse mit dem letzten Rest Kaffee, um sich zu ihm zu setzen. An der Ecke des Tisches, die am weitesten von ihm entfernt war, nahm sie Platz.
Komm hier her.
Er strich über seinen Nachbarstuhl und blickte sie über den Zeitungsrand hinweg an.
Willst du noch Kaffee?
Hmm...
Dann komm her.
Widerwillig nahm sie neben ihm Platz und ließ sich von ihm noch etwas Kaffee nachschenken.
Du liest Zeitung? begann sie schließlich das Gespräch.
Sicher.
Ist das nicht voll langweilig?
Er knickte eine Ecke der Zeitung nach unten und blickte sie an.
Würde ich sie dann lesen?
Ich frag ja nur!
Kaoru verleierte die Augen und schlürfte, so laut wie sie konnte ihren Kaffee.
Geht das nicht leiser?
Nö. und wieder schlürfte sie an ihrer Tasse. Plötzlich schlug er ihr die Tasse aus der Hand und packte sie im Genick.
Du bist frech, kleine Kaoruchan und du willst deine Grenzen bei mir austesten. Das verstehe ich. Ich bin sogar so fair und sage dir wo Schluss ist, so musst du es nicht auf den Versuch ankommen lassen. Also. Lass es bleiben oder du trinkst deinen Kaffee in Zukunft durch den Strohhalm, ist das klar?!
Mit großen Augen blickte sie ihn an und ihr Herz raste wie wild in ihrer Brust. Doch sie schaffte es nicht auch nur einen Ton heraus zu bekommen. Sein Griff im Nacken löste sich und er nahm seine Zeitung wieder auf. Vollkommen unbeeindruckt vertiefte er sich wieder in seinen Artikel.
KaoruŽs Steifheit löste sich langsam wieder und sie stand auf, um die Scherben der Tasse einzusammeln. Nachdem sie diese weggeworfen und die Pfütze aufgewischt hatte, nahm sie wieder Platz und starrte auf den Tisch.
Wenn ich dich erschreckt oder dir gar weh getan habe, tut es mir Leid Kaoruchan. hörte sie ihn hinter seiner Zeitung sagen, doch noch immer war ihre Miene wie versteinert und so nickte sie nur. Noch immer klopfte ihr Herz bis zum Hals.
Hast du noch Hunger?
Leicht schüttelte sie mit dem Kopf.
Wo wollen wir mit dem Rundgang anfangen?
Ein Schulterzucken.
Redest du noch mit mir?
Wieder ein Kopfnicken.
Er ließ seine Arme mit der Zeitung auf seinen Schoß sinken und blickte sie an.
Wenn du die ganze Zeit nur mit dem Kopf schüttelst oder mit den Schultern zuckst, verstehe ich dich nicht.
Vollkommen regungslos starrte sie noch immer ein und den selben Punkt an. Schließlich stand Constantine auf, holte eine neue Tasse und schenkte ihr nochmals Kaffee ein.
Hier und nun zieh mal ein anderes Gesicht auf. Trink den, wie ein normaler Mensch und alles ist ok ja?
Kaoru nahm die Tasse und trank ihren Kaffee. Constantine versank wieder in seiner Zeitung und blätterte eine Seite weiter.
Das ihr Frauen auch immer so komisch sein müsst. So zickig, weißt du, wie ich meine? Ich finde, dass das eine total ätzende Einstellung zum Leben ist. Wenn ihr euch einfach alle ganz normal benehmen würdet, wäre es auch nicht so kompliziert mit euch.
Langsam taute Kaoru aus ihrer Schreckensstarre auf und blickte ihn an. Eigentlich sah sie nur seine Finger, wie sie die Zeitung umklammerten.
Wenn eine Frau mit einem Mann schlafen will dann muss sich der Mann erst etwas einfallen lassen. Er muss sie teuer ausführen, ihr Geschenke machen und das ganze drum herum. So ein Käse. Statt sie einfach sagt -nimm mich-, aber nein. Und dann du mit deinem Kaffeegeschlürfe. Schrecklich, als ob du keine Erziehung genossen hättest.
Mit einem Satz kippte Kaoru ihm den letzten Rest Kaffee über die Hose, zerknüllte die Zeitung und warf sie auf den Boden.
Du selten dämlicher Arsch. Was glaubst du eigentlich, wer du bist hmm?! Dir hat man die Hose wohl mit der Kneifzange angezogen was?! Wage es dir nicht noch einmal so über mein Elternhaus zu sprechen, du niederes Subjekt!
Sie stand auf und machte sich auf den Weg um den Speisesaal schnellstmöglich zu verlassen.
Du wirst sofort hier her kommen Kaoru.
Leck mich.
Ich nehme dich beim Wort. Ich warne dich, wenn du gehst, erlebst du dein blaues Wunder.
Tu, was du nicht lassen kannst. Ist mir mittlerweile so was von egal. Mach mit mir, was du willst, aber meine Eltern lässt du aus dem Spiel.
Sie drehte sich um und zeigte ihm mit herausgestreckter Zunge den Stinkefinger. Mit der anderen Hand griff sie bereits nach der Türklinke und wandte sich von ihm ab. Verschreckt blieb sie stehen, als er plötzlich vor ihr stand und die Tür blockierte.
Ich sagte doch, du sollst es dir nicht wagen zu gehen.
Wie hast... Wie hast du das gemacht?
Ungläubig blickte sie zurück zum Tisch. Wie hatte er es geschafft in so kurzer Zeit an der Tür zu sein? Das war unmöglich. Spielte ihr Unterbewusstsein etwa Streiche mit ihr? Sie schüttelte den Kopf und besann sich wieder darauf, den Saal zu verlassen.
Geh mir aus dem Weg du arroganter Schnösel.
Du wirst jetzt erstmal dafür sorgen, dass dieser Fleck, der im Übrigen an einer sehr unschönen Stelle entstanden ist, sich nicht noch mehr ausbreitet.
Ah ja? Was soll ich tun? Soll ich ihn dir aus den Fasern deiner Hose saugen?!
Das ist eine prima Idee.
Er packte sie an den Schultern und drückte sie auf die Knie. Sie konnte ihm genau auf seinen Reißverschluss gucken und so sehr sie sich auch dagegen wehrte, sie musste einfach hinsehen.
Plötzlich reichte er ihr eine Serviette und blickte sie erbost an.
Wisch es weg und danach kommst du mit mir mit.
Irgendetwas sagte ihr, dass sie ihm nicht widersprechen sollte und so wischte sie ihm so unsanft wie möglich über die Hose. Schließlich nahm er die Serviette, knüllte sie zusammen und warf sie zielsicher in den Papierkorb.
Komm jetzt.
Wieder packte er sie an der Hand und führte sie durch das Wohnheim. Sie stiegen die Treppen zur dritten Etage hoch und stoppten vor einer großen Tür. Immer noch sauer fischte er die Schlüssel dafür aus seiner nassen Hose und schloss auf. Er gab ihr einen sanften Stoß und drückte sie in das Zimmer hinein.
Was soll das? Lass mich!
Er warf die Tür zu und schloss sie wieder ab. Zielsicher ging er auf einen Schrank zu, öffnete ihn und warf eine neue Hose auf sein Bett.
Komm her.
Ich denke ja nicht dran.
Du wirst mir jetzt die neue Hose anziehen, nachdem du mir die alte ausgezogen hast. An deiner Stelle würde ich mich beeilen, denn wenn die Unterhose auch nass ist, wirst du sie wohl oder übel auch wechseln müssen. Und zwar mit dem Mund.
KaoruŽs Augen wurden größer und ungläubig blickte sie ihn an.
Das wagst du dir nicht. Zieh dich gefälligst selbst um, du Affe.
Mit einem Satz packte er sie am Arm und zog sie unsanft an sich heran.
Ich habe dir gesagt, dass dein Neulingsbonus nicht ewig gilt, dein Kontingent ist aufgebraucht, also tu, was ich dir sage oder es klatscht. Und zwar keinen Beifall!
Verunsichert blickte sie sich um. Seine Stimme war scharf wie des Messers Schneide. Und keine Sekunde später erwischte sie sich schon dabei, wie sie versuchte den Knopf seiner Jeans zu öffnen.
Das geht nicht, du bist zu fett.
Oder du bist zu ungelenk. Komm her, ich helfe dir.
Mit einer Hand öffnete er den Knopf und blickte sie erwartungsvoll an.
Na los, worauf wartest du noch?
Muss das sein?
Da hast es doch heraus gefordert. Also mach.
Mit zittrigen Händen öffnete sie den Reißverschluss und machte einen Schritt nach hinten. Warum sollte sie ihn umziehen? Er war schließlich alt genug. Andererseits erinnerte sie sich an SassyŽs Worte. Vielleicht war es wirklich nicht gut, es sich mit ihm zu verscherzen. Wie es war, wenn er ausflippte, hatte sie ja mittlerweile schon erfahren. Er griff nach ihren Händen und zog sich mit ihrer Hilfe die Hose aus.
Siehst du, ist doch gar nicht so schwer. Jetzt die neue Hose anziehen und wir sind fertig.
Mit rotem Gesicht nickte Kaoru ihm zu und zog ihm schließlich die neue Hose wieder an. Schelmisch grinste er sie an und schloss den Knopf, an dem sie eine ganze Weile schon herum fummelte.
Gut, dann zeige ich dir jetzt alles.
Er schloss die Tür auf und führte sie durch das Wohnheim.
Hier ist die Waschküche. Dein Waschpulver und das alles kannst du hier hin stellen. Dort hinten stehen Wäschekörbe. Wenn du fertig bist kannst du dir einen nehmen. Die Die Wäscheleinen sind draußen im Garten.
Und wenn es regnet?
Dann hängst du deine Sachen auf dem Boden auf. Den zeige ich dir später.
Er schloss die Tür wieder und lief weiter. Unsicher schlich Kaoru hinter ihm her und versuchte, sich die ganzen Wege zu merken.
Den Speisesaal kennst du ja schon. Dort hinten, da wo die blaue Tür ist, ist der Konferenzraum. Dort solltest du dich nicht erwischen lassen. Der ist nur für Mitglieder.
Warum hast du eigentlich so ein großes Zimmer?
Weil ich es verdient habe.
Aha. entfuhr es ihr trocken und sie verleierte die Augen. Wie eingebildet er doch war.
Hier kommst du in den Garten. Dort kannst du rauchen. Auf den Zimmern ist es natürlich verboten.
Ich rauche nicht.
Das ist gut, Kaoruchan.
Sie atmete tief ein und blies die Luft verärgert durch ihr Gesicht. Es hatte sowieso keinen Zweck ihm zu sagen, dass er sie so nicht nennen sollte.
An einer weiteren Tür machte er Halt und öffnete sie. Sie führte nach draußen zu dem Weg über den sie gestern beide hergekommen waren. Kaoru blickte in Richtung Schulhof, auf dem die ganzen Klassen gerade ihre Pause verbrachten.
Den Weg zur Schule kennst du ja. Also komm weiter.
Sie liefen um das alte Bauernhaus und blieben auf einer großen Wiese stehen.
Hier kannst du deine Wäsche aufhängen. Wenn es nicht regnet.
Ist mir schon klar. flötete sie vor sich hin und sog die frische Brise ein, die ihr ins Gesicht wehte.
Was ist denn da hinten?
Der Wald.
Ein Wald?
Ein Wald. wiederholte er und lächelte sie an.
Und ist da sonst noch was?
Geh doch hin und sieh es dir an?
Sag mir doch einfach, was da ist und gut.
Wie gesagt, geh hin und sieh nach.
Ja dann eben nicht.
Bockig drehte Kaoru sich um und lief zurück ins Wohnheim. Der Typ war nicht ganz sauber. Eindeutig. Sie würde sofort zu Hause anrufen und sich abholen lassen. Die haben hier alle eine Macke. Ganz klar.
Kaoru suchte sich zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür. Fast schon hörbar flog ihr die Kinnlade herunter, als sie Constantine an ihrem Schreibtisch sitzen sah.
Und was hast du jetzt vor? Ich habe dir noch gar nicht alles gezeigt.
Wie... Wie bist du so schnell... Wie...
Also, was wolltest du machen? Wir haben nicht viel Zeit und müssen weiter.
Ich werde meine Mutter anrufen. Sie soll mich abholen. Ich habe auf das alles hier keinen Bock. Und du komischer...
Ja?
Du Freak. Du nervst. Also geh jetzt.
Wolltest du nicht erst wissen, wie ich hier her gekommen bin?
Nein, ist mir doch egal. Geh jetzt endlich.
Wie du meinst. Wirst schon noch sehen.
Er stand auf und schloss die Tür hinter sich. Kaoru kramte nach ihrem Handy und wählte hastig ihre Festnetznummer ein. Es klingelte nur kurz und schon vernahm sie die vertraute Stimme ihrer Mutter.
Hallo?
Mutti?
Kaoru, Schätzchen. Was ist los? Warum bist du nicht beim Unterricht?
Ich wurde freigestellt, damit mir der Wohnheimsprecher alles zeigen kann.
Das klingt doch nett?
Ist es aber nicht! Mutti hol mich ab, bitte.
Aber warum denn?
Die sind so fies hier. Gestern haben die mich in der Dusche regelrecht überfallen!
Ach nun komm. Sonst hast du doch auch eine große Klappe. Wehr dich und gut.
Wie soll ich mich denn gegen die ganze Schule wehren?
Die ganze Schule? Also Kaoru, hör mal. Übertreib es nicht. So schrecklich ist es sicherlich nicht. Ich habe das Prospekt genau studiert. Es wird dir schon gefallen.
Nach einer Weile gab Kaoru es auf. Ihre Mutter würde ihr eh nicht glauben.
Dann freue ich mich schon auf Freitag.
Wieso?
Na weil dann Wochenende ist. Holst du mich ab?
Äh Kaoru...
Was äh?
Kaoru. Du wirst in der Schule bleiben. Bis zu den Ferien.
Was?! Warum das denn?!
Weil ich es so möchte. Ich habe alles mit der Schulleitung abgesprochen. Deine schulischen Leistungen sind so schlecht und...
Warum hast du mir das nicht früher gesagt?!
Weil du sonst niemals zu der Schule gefahren wärst.
Natürlich wäre ich das nicht! Spinnst du?! Du kannst mich doch nicht einfach hier sitzen lassen?!
Kaoru, ich diskutiere nicht weiter mit dir. Früher oder später wirst du meine Entscheidung verstehen können.
Doch die legte einfach auf und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kopfkissen. Wie sollte sie es hier nur aushalten? Mit diesem psychisch kranken Freak und den anderen, die immer so fies zu ihr waren? Jetzt hatte sie nur noch Sassy. Naja und Susi und Nora. Waren ja immerhin schon mal drei.
Kaoru fasste neuen Mut. Es konnte nicht so schwer sein, sich an alles anzupassen. Es hatte lange gedauert, bis sie den Tod ihres Vaters verwunden hatte, aber sie schaffte es. Also würde sie diese Schule auch nicht klein kriegen. Sie sprang vom Bett auf und verließ ihr Zimmer. Auf den Gängen blickte sie sich suchend um.
Constantine? Bist du da?
Überall war es ruhig. Die Dielen unter ihren Füßen knackten leise, als sie die Empfangshalle erreichte.
Constantine?
Etwas verunsichert stieg sie die Treppen zur zweiten Etage hoch und rief nochmals nach ihm. Als auch von dort keine Antwort kam machte sie sich auf den Weg in die dritte Etage. Sie stand kurz darauf vor seinem Zimmer und klopfte an.
Ja?
Darf ich rein kommen?
Die Tür öffnete sich und Constantine blickte sie fragend an.
Was willst du? Ich dachte, du wärst bereits zu Hause?
Meine Mutter wird mich nicht abholen.
So?
Kaoru nickte etwas traurig und besann sich schnell wieder.
Wir waren noch nicht fertig mit der Führung. Zeigst du mir den Dachboden noch?
Sicher. Warte kurz ich mache nur eben den Fernseher aus.
Du hast einen Fernseher?!
Sicher.
Wahnsinn. Warum ist in meinem Zimmer keiner?
Die Unterstufen kriegen eben keinen. Wenn wir nach dem Rundgang noch Zeit haben, kannst du ja bei mir ein bisschen gucken.
Was echt? Dieses Ekel konnte also auch nett sein?
Wenn du mich nicht wieder schlägst oder mit Kaffee überschüttest.
Nein, tut mir Leid.
Also gut.
Er schaltete das Gerät ab und nahm seine Jacke mit. Kurze Zeit später erreichten sie den Dachboden.
Hier riecht es schön frisch. stellte Kaoru erfreut fest.
Da hinten hängt noch Wäsche. Komm mit. Hier kannst du deine Wäsche aufhängen. Achte darauf, dass du auf deiner Wäscheleine bleibst, sonst gibt es wieder unnötig Stress.
Ist gut.
Sie öffnete die kleine Dachluke und warf einen Blick über den Garten mit dem anschließenden Waldstück.
Da unten. Das sieht aus, wie eine Feuerstätte.
Wo? Im Wald?
Ja genau.
Constantine stellte sich hinter sie und blickte in die angezeigte Richtung.
Dort finden manchmal Feste statt. Dann wird auch mal ein Feuerchen gemacht.
Cool. Und was für Feste sind das?
Nennt sich Vampyra Missa. Wenn wieder mal eine ansteht, sage ich dir Bescheid.
Vampyra Missa? Klingt unheimlich.
Ist es auch. lachte er ihr entgegen, schob sie vom Fenster weg und schloss es wieder.
Wieso?
Vampyra Missa hat hier schon Tradition. Es gibt eine Kleiderordnung. Ausschließlich schwarz, das ist wichtig.
Also Gothicstyle?
Ja genau.
Klingt interessant. Wann ist die nächste Party?
Es ist keine Party, sondern ein Fest. Das nächste wird wohl schon diese Woche sein. Allerdings nur für die Oberstufe. Das heißt, dass die kleine Kaoruchan sich noch etwas in Geduld üben muss.
Oh, schade.
Vollkommen unbeeindruckt stapfte sie zur Tür zurück und blickte ihn schließlich an.
Kommst du?
Leicht irritiert nickte Constantine ihr zu und folgte ihr. Wollte sie denn nicht wieder rebellieren?
Nach einer Weile des Schweigens hielt er plötzlich an.
Was ist? fragte sie und blieb auch stehen.
Stört es dich wirklich so sehr, wenn ich dich Kaoruchan nenne?
Nein. Mach nur.
Sie drehte sich um und ging einfach weiter. Irgendetwas war da doch faul. Constantine kniff die Augenbrauen zusammen und blickte ihr nach. Sie hatte nicht mal das Gesicht verzogen und genau das wurmte ihn gewaltig.
Wir sind dann fertig! rief er ihr nach und machte Kehrt, um in sein Zimmer zu gehen.
Was? Jetzt schon? Es ist erst kurz vor zehn.
Es gibt aber nichts mehr, was ich dir noch zeigen kann.
Ich habe von der dritten Etage fast nichts gesehen.
Da oben hast du auch nichts verloren. Das ist die Etage der Oberstufe. Du darfst da eigentlich gar nicht hin. Es sei denn, du willst deine Wäsche aufhängen.
Wenn es regnet. ergänzte sie ihn und grinste.
Genau.
Zeigst du sie mir trotzdem?
Da gibt es nichts besonderes.
Bitte...
Schließlich willigte er ein und sie erklommen ein weiteres Mal die vielen Treppen.
Hier ist der Aufenthaltsraum. Da hinten spielen wir ab und zu Billard.
Er führte sie in einen großen Raum, der ein wenig um die Ecke ging. Auf den dunklen Dielen lagen dicke, flauschige Läufer, die sich mit ihrem saftigen Rot von den gelben Wänden abhoben. Links neben der Tür war eine Theke mit Kühlschrank und einigen Barhockern. Genau vor ihr stand der besagte Billardtisch und rechts in der einen Ecke stand eine große Couch. Sie lief begeistert durch das Zimmer, an dem Sofa vorbei und blickte in einen riesigen Fernseher.
Ist das eine Wii?
Ja.
Der Wahnsinn! Spielst du mit mir?
Hmm... Na gut, aber nicht lange.
Au prima!
Was willst du spielen?
Was kann man denn spielen?
Fangen wir mit Bowling an.
Ruhig und sachlich erklärte er ihr, wie sie mit der Fernbedienung umzugehen hatte.
Volltreffer! brüllte sie laut heraus und sprang in die Luft.
Du bist gut.
Das weiß ich doch.
Wild fuchtelte sie mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum. Das Lachen verging ihr jedoch schnell, nachdem er einen Strike nach dem anderen warf.
So macht das aber keinen Spaß! Da verliere ich ja.
Soll ich lieber mit Absicht verlieren?
Nein.
Na also. Lass uns für heute Schluss machen. Du kannst dich morgen beim Sport noch genug austoben.
Woher kennst du denn meinen Stundenplan?
Mittwochs ist immer Sporttag. Da hat die ganze Schule Sport.
Ah ja? Ich hasse Sport.
Dann solltest du dich damit besser schnell anfreunden. Ich glaube kaum, dass du bis zu deinem Abschluss deine Tage vortäuschen kannst.
Das hatte ich auch nicht vor, aber in Sport bin ich echt eine Null.
Ach keine Panik, das klappt schon.
Wo ist eigentlich der Aufenthaltsraum der Unterstufe?
Es gibt keinen.
Was? Warum das denn?
Keine Ahnung. Frag doch mal beim Rektor nach.
Das ist ja bescheuert. Sollen wir etwa den restlichen Tag immer in unseren Zimmern verbringen?
Constantine zuckte mit den Schultern und führte sie zurück auf den Flur.
Was jetzt? fragte sie ihn schließlich.
Willst du noch fern sehen?
Sie nickte ihm zu und sie machten sich auf den Weg in sein Zimmer. Dort angekommen zappte sie sich durch das Programm, während er an seinem Schreibtisch irgendwelche Unterlagen studierte. Das Frühprogramm konnte man echt vergessen. Es war zum Heulen. Sie stellte den Fernseher ab und stellte sich hinter ihn, um zu sehen, was er da machte.
Ist das Mathe?
Wonach sieht es denn aus?
Nach Mathe.
Na dann ist es ja wohl eindeutig Geschichte oder nicht?
Ich weiß nicht.
Kleine Kaoruchan. Du hast schon Recht. Es ist Mathe.
Sieht kompliziert aus.
Ist es nicht, wenn man es verstanden hat.
Du kannst richtig nett sein. hörte sie sich sagen und blickte ihn entsetzt an. Ungeachtet dessen kramte er in seiner Schreibtischschublade herum und holte sein Brillenetui heraus.
Du weißt doch, wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es wieder heraus.
Ich war immer nett zu dir, nur du warst gemein.
Constantine zog eine Augenbraue nach oben und setzte seine Brille auf.
Natürlich warst du das. sprach er und widmete sich wieder seinen Aufgaben.
Darf ich mich auf dein Bett setzen?
Setz dich nur.
Kaoru schlug die Bettdecke zurück und nahm Platz. Irgendwie war sein Bett auch viel bequemer als ihres. Wahrscheinlich hatte man in die Matratzen der Unterstufe Stroh gesteckt, während die Oberstufe echte Schafwolle und Satin genoss. Sie ließ sich in sein Kopfkissen fallen und kniff die Augen zusammen. Sie würde also ihre Wochenenden auch hier verbringen. Und erst zu den Ferien konnte sie nach Hause. Sicher würde sie hier ganz alleine sein, denn die anderen fuhren bestimmt zu ihren Eltern und Freunden. Welch unschöne Vorstellung.
Ich hab irgendwie Hunger.
Jetzt schon? Es ist nicht mal halb elf.
Ja, nur ein bisschen. Dabei habe ich heute eigentlich ordentlich gefrühstückt.
In dem Kühlschrank im Aufenthaltsraum liegen ein paar Milchschnitten. Wenn du magst, kannst du dir eine nehmen.
Au ja. Willst du auch eine?
Nein. Lass dich aber nicht erwischen.
Ist gut.
Kaoru sprang auf und flitzte in den Aufenthaltsraum. Sie schlich hinter die Theke und öffnete den Kühlschrank. Sogleich strahlte sie eine Familienpackung Milchschnitte an und sie griff beherzt zu, als sie plötzlich jemand antippte.
Was soll das werden?
Schnell drehte sie sich um und blickte in ein düsteres Gesicht. Vor ihr stand ein Junge mit fast weißen Haaren, so hell hatte er sie sich gebleicht. Seine Hand legte sich unsanft auf ihre Schulter und er stierte sie wütend an.
Wer bist du?
Was geht dich das an? Fass mich nicht an, du tust mir weh!
Sein Griff wurde fester und Kaoru spürte, wie sich langsam ein pulsierender Schmerz in ihrer Schulter ausbreitete.
Du hast hier oben nichts verloren du Göre.
Ich sagte, du sollst mich los lassen! Ich darf hier sein.
So? Und natürlich darfst du dich hier auch einfach bedienen, nicht wahr?!
Allerdings! giftete sie ihm entgegen.
Ah ja?! er zog sie ganz nah an sich heran und sie spürte seinen Atem im Gesicht.
Lass mich endlich los! Ihr Herz raste. Sie hatte ihn bisher noch nicht gesehen, aber er machte ihr Angst.
Du wirst jetzt zurück in den Unterricht gehen.
Ich bin heute aber befreit.
Natürlich. Komm jetzt!
Lass mich endlich los! Beherzt trat sie ihm gegen das Bein, doch er rührte sich nicht. Er zuckte nicht mal mit der Wimper.
Was glaubst du, wer du bist hmm?! Du hast es gewagt, nach mir zu treten! Du weißt wohl nicht, was sich gehört!
Wie gesagt, ich darf hier sein, also lass mich!
Und wer soll dir das bitte erlaubt haben?!
Ich! Und jetzt lass sie los! hörte Kaoru plötzlich eine ihr bekannte Stimme sagen. Constantine stürmte auf den Jungen zu, packte ihn und riss ihn von ihr weg. Mit einem dumpfen Knall krachte er ihn gegen die Wand und drückte ihm den Unterarm gegen den Hals. Verschreckt blickte sie die beiden an. Constantine drückte so fest zu, dass der Junge mit den Beinen schon in der Luft hing und schwer röchelte.
Hast du mich verstanden?! fauchte er ihm fast geflüstert entgegen. Er nickte ihm mit letzter Kraft zu und fiel sogleich dumpf auf den Boden.
Komm Kaoru.
Er war wie ausgewechselt. Ganz ruhig und freundlich blickte er sie an und reichte ihr seine Hand. Ihr saß noch immer der Schreck in den Knochen und doch ergriff sie sie und folgte ihm zurück auf sein Zimmer. Dort angekommen setzte er sie auf das Bett und brütete kurz darauf wieder über seinen Aufgaben.
Wer war das? presste sie nach einiger Zeit endlich heraus und biss in ihre angematschte Milchschnitte.
Mario. Ein Möchtegern. Du kennst ihn nicht.
Ist vielleicht auch besser so... Danke, dass du mir geholfen hast.
Constantine drehte sich zu ihr und nahm seine Brille ab.
Das nächste Mal sagst du, dass ich es dir erlaubt habe. Dann gibt es auch nicht so einen Ärger.
Heißt das, dass ich jetzt öfter hier her kommen darf?
Nein. Das heißt es nicht. Er setzte seine Brille wieder auf und drehte sich weg.
Und wie soll ich dann meinen Bedarf an Milchschnitten decken?
Ungläubig drehte er sich wieder zu ihr und blickte sie an. Kaoru schleckte sich gerade die Milchcreme von den Fingern und begann zu grinsen.
Im Schulgebäude ist ein Kiosk. Der hat die Dinger auch. bekam sie zur Antwort und wieder lenkte er seine Aufmerksamkeit auf seine Unterlagen.
Musst du noch lange lernen?
Lernen?
Na Mathe?
Für Mathe muss man doch nicht lernen.
Was machst du dann?
Hausaufgaben. Außerdem arbeite ich vor. Was ich jetzt schon fertig habe, muss ich im Unterricht schließlich nicht mehr machen.
Ach was, echt?
Sicher.
Und was machst du dann die ganze Zeit?
Ab einer gewissen Vorarbeit darf man sich am Freitag frei nehmen. Nicht jede Woche aber immerhin einmal im Monat.
Nicht schlecht, aber was ist mit den anderen? Ich meine, machen die das auch?
Nicht das ich wüsste.
Und was machst du dann an deinem freien Tag?
Ich fahre in die Stadt oder ich gehe in den Park. Da findet sich eigentlich immer etwas.
Aber allein?
Sicher. Glaub mir, wenn man vierundzwanzig Stunden immer jemanden um sich herum hat, ist man es irgendwann Leid.
Ich wüsste nicht, was ich allein machen würde. Ist doch langweilig.
Constantine lächelte sie kurz an und blickte wieder auf seine Aufgaben. Er konnte wirklich total nett sein. Und hässlich war er auch nicht. Gut, er war eingebildet, aber das wohl auch zu Recht. Schließlich war er groß, kräftig gebaut und hatte ein smartes Lächeln. Seine schwarzen Haare hatte er frech nach oben gestylt und er hatte einen Piercing in der Zunge. Das war ihr gleich am ersten Tag aufgefallen. Außerdem hatte er wunderschöne blaue Augen. Sie waren so blau, wie das Meer und doch konnten sie unerbittlich sein, wenn er sie so manches mal sauer anblickte. Ohne auch nur kurz zu ihr zu blicken fing er an zu lachen.
Was ist?
Ich kann nicht arbeiten, wenn du mich so anstarrst.
Ich hab dich nicht angestarrt.
Ach nein?
Nein.
Er nahm seine Brille, legte sie auf den Tisch und rieb seine Augen. Und wieder fing er an zu lachen.
Gefällt dir denn was du siehst?
Das hättest du wohl gern was?
Kaoru zog ihre Beine an ihre Brust und schloss ihre Arme drum herum.
So schön bist du nun auch nicht.
Nicht? Ach schade, dabei dachte ich das bis eben.
Tzz...
Weißt du, ich will mir einen Piercing stechen lassen. Am Freitag. In meine Augenbraue. Glaubst du, dass mich das noch hässlicher macht? Ich meine noch hässlicher, als ich ohnehin ja schon bin.
Du bist nicht hässlich.
Nicht? Diesen Eindruck hast du mir aber gerade vermittelt.
Ich habe lediglich gesagt, dass du nicht schön bist. Also nicht sooo schön.
Wieder fing er an zu lachen und auch Kaoru musste leise kichern. Sie bildete aber auch wirklich recht wirre Sätze.
Wie schön bin ich denn?
Constantine rutschte von seinem Stuhl auf den Boden und kroch auf allen vieren zu ihr. Direkt vor ihrem Gesicht machte er stopp und blickte sie fragend an.
Normal. entgegnete sie ihm und blickte schnell weg.
Normal schön?
Ja.
Und wieder lachte er beherzt und setzte sich auf den Boden.
Na du bist mir eine Marke. Normal schön, das habe ich ja noch nie gehört!
Ach nun komm. Jetzt hör schon auf zu lachen!
Ich kann nicht! kicherte er ihr entgegen und lag schon fast auf dem Boden.
Du bist gemein.
Ich lache doch nur! Das solltest du im Übrigen auch mal machen. Also lach endlich!
Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte.
Weil ich dich sonst kitzeln muss!
Ha! Niemals!
Kaum hatte sie das ausgesprochen beugte er sich schon über sie und kitzelte drauf los. Kaoru rollte quer durch sein Bett und drückte lachend seine Hände von sich weg. Doch er schaffte es immer wieder an sie heran zu kommen und schließlich standen ihr schon die Tränen in den Augen. So beherzt hatte sie schon lange nicht mehr gelacht und noch immer robbte sie kichernd durch sein Bett, als er plötzlich ihr Gesicht zu seinem drehte und sie küsste. Für eine Sekunde setzte ihr Herz aus und sie riss ihre Augen weit auf. Hinter ihrem Schleier aus Lachtränen erkannte sie seine Augen. Sie waren geschlossen und seine langen, schwarzen Wimpern ruhten auf seinen Wangen. Entrüstet stieß sie ihn von sich weg und wischte sich über den Mund.
Du machst alles kaputt. Du bist so scheiße!
Sie riss die Tür auf und rannte durch die Flure, die Treppen herunter und kam schließlich völlig außer Atem in ihrem Zimmer an. Wie konnte er es wagen? Warum musste er das ausgerechnet jetzt machen? Sie hatte sich gerade damit angefreundet, dass er doch gar nicht so schrecklich war und dann das. Kurz verweilte sie an der geschlossenen Tür und spitzte die Ohren, um zu lauschen, ob er ihr gefolgt war, doch es war alles ruhig und so setzte sie sich auf ihr Bett und schmollte vor sich hin. Nach ein paar Minuten steckte sie sich ihre Kopfhörer in die Ohren und legte sich hin. Sie musste das nur ganz schnell vergessen. Ganz schnell.

Constantine leckte sich über die Lippen und verzog seinen Mund zu einer Art grinsen. Kleine, aufmüpfige Kaoruchan. Er stand auf und setzte sich an seinen Tisch. Mal sehen, wie lange er sie bearbeiten musste, bis sie endlich weich wurde. Bisher hat er jede Frau gekriegt, die er wollte. Sie war eine neue Trophäe, die sich sicherlich gut in seiner Sammlung machte. Jung, frisch und unverbraucht. Wieder grinste er und setzte seine Brille auf, um seine Aufgaben noch fertig zu bekommen. Plötzlich klopfte es an der Tür.
Ja?
Mario steckte den Kopf in den Spalt und blickte ihn zerknirscht an.
Du hast vollkommen überreagiert! Wolltest du mich umbringen oder was?!
Reg dich ab. So schlimm war es nun auch nicht.
Reg dich ab. äffte er ihn nach und setzte sich auf sein Bett. Glaubst du ich fand das witzig? Was hatte diese Göre hier oben überhaupt verloren?
Ich wüsste nicht, was dich das angeht.
Mario verleierte die Augen und machte sich auf dem Bett von Constantine breit.
Wann ist das nächste Fest?
Am Freitag.
Das ist gut. Dann hole ich sie mir eben dann.
Wen?
ConstantineŽs Blick legte sich auf MarioŽs Gesicht und verweilte dort.
Die Kleine von eben.
Mario erwiderte seinen Blick, doch Constantine drehte sich weg und blickte auf seine Aufgaben.
Du wirst sie in Ruhe lassen. Und sollte ich dich dabei erwischen, dass du dich ihr auch nur auf einen Meter näherst, dann reiß ich dir die Eier ab.
Mario richtete sich auf und blickte ihn an. Er sagte das so unglaublich ruhig und sachlich, dass er nicht wusste, ob er es Ernst meinte oder nicht.
Warum drohst du mir?
Ich drohe dir nicht. Ich warne dich nur, damit du keinen dummen Fehler machst.
Was ist eigentlich dein Problem?
Nun, du störst. Ich muss hier noch etwas arbeiten und du laberst mich dumm von der Seite an.
Mario blies sich durch das Gesicht und stand wieder auf.
Du bist echt nicht normal, Junge.
Und du bist gleich einen Kopf kürzer. Verschwinde und nerv mich nicht.
Laut knallte die Tür zu ConstantineŽs Zimmer und er war wieder allein. Es waren noch sechs Seiten und die galt es bis morgen zu erledigen. Also schob er seine Brille zurecht und blätterte eine neue Seite in seinem Block auf.

Kaoru? Kaoru! Wach auf! Es ist schon kurz nach sieben. Es gibt bald essen.
Sassy rüttelte immer wieder an ihrer Schulter, bis sie schließlich die Augen aufschlug. Sie streckte sich und stand schließlich auf.
Hast du etwa bis eben geschlafen?
Ich denke schon. entgegnete sie ihr müde und gähnte laut auf.
Nicht, dass du heute Nacht nicht schlafen kannst.
Ich kann immer schlafen.
Kaoru schlich zu ihrem Schrank und angelte sich ein paar neue Sachen heraus. Bald musste sie ihre benutzten waschen. Sie zog sich um und wischte sich den Schlaf aus den Augen.
Ich habe dir deine Hausaufgaben mitgebracht. Ist heute nur Mathe.
Uh! entfuhr es ihr vollkommen unbegeistert und sie warf einen Blick auf SassyŽs Mitschriften.
Die Aufgaben sind ganz leicht.
Was ist das überhaupt?
Parabeln berechnen und zeichnen.
Super, davon habe ich gar keine Ahnung.
Dann sollte dir über Nacht besser ein Geistesblitz kommen. Miss Owen sammelt nämlich grundsätzlich alle Hausaufgaben ein und benotet sie.
Was?!
Kaoru riss die Augen auf und vertiefte sich in die Aufgaben.
Scheitelpunkt berechnen? Ich verstehe nur Bahnhof?
Dann solltest du dir schnellstmöglich etwas einfallen lassen.
Kann ich von dir abschreiben?
Wie denn? Mein Heft liegt schon bei Miss Owen. Ich war schneller fertig, als die anderen.
Na dann hilf mir doch dabei?
Aber ich habe heute noch eine Verabredung.
Ah ja? Kaoru begann zu grinsen. Mit wem denn?
Den kennst du nicht. Er ist aus der Oberstufe.
Ui... Ist da etwa jemand verliebt?
Sassy bekam rote Wangen und nickte ihr verlegen zu.
Aber verrate es keinem. Normalerweise darf jemand aus der Unterstufe nicht in die dritte Etage.
Ja, ja. Ich weiß. Hat mir Constantine... erzählt. hängte sie dem Satz noch an und versank in Gedanken. Er hatte sie schon wieder geküsst. Einfach so, ohne sie zu fragen. Nun wurden auch ihre Wangen rot und sie schüttelte eifrig den Kopf. So ein blöder Arsch.
Lass uns essen gehen. Heute gibt es Lasagne.
Au ja. Lecker!
Und schon waren die Hausaufgaben Schnee von gestern. Die Mädchen machten sich auf den Weg und schon bald schlangen sie die Lasagne in sich hinein. Sie hatten sich wieder zu Susi und Nora gesetzt und unterhielten sich ein wenig. KaoruŽs Blick wanderte durch den Speisesaal und blieb an Constantine hängen. Der saß an seinem Tisch und trank schon wieder Kaffee. Das Essen hatte er nicht angerührt. Sicher hatte er bereits ausgiebig beim Mittagbuffet zugeschlagen. Und wieder hatte er seine Zeitung am Wickel und durchstöberte die Artikel. Kaoru konnte sich noch nie für Tageszeitungen interessieren. Die waren viel zu langweilig. Mit einem Mal blieb ihr fast die Lasagne im Halse stecken, als er über die Zeitung hinweg zu ihr sah und lächelte. Hastig würgte sie das Stück herunter und streckte ihm die Zunge heraus. Schließlich hatte er sie geküsst. Einfach so!
Constantine schüttelte leicht den Kopf, lachte leise vor sich hin und hob die Zeitung wieder etwas höher, sodass sein Gesicht dahinter verschwand.
Kaoru war schon ein echter Wildfang. Es reizte ihn, sie zu ärgern und er amüsierte sich einfach zu sehr, wenn sie ihre Backen aufblies, denn dann wusste er, dass sie mal wieder ihren Ärger herunterschluckte.
Nachdem alle aufgegessen hatten und den Saal verlassen hatten, räumte er seinen noch immer vollen Teller weg und nahm wieder Platz. Es war ihm ein Rätsel, wie man diesen Mist essen konnte. Schon allein der Geruch ließ seine Nackenhaare steil abstehen. Es war offensichtlich, dass er etwas anders tickte, als der Rest der Schüler, denn die hatten dieses Zeug regelrecht verschlungen. Er schaltete das Licht aus und machte sich auf den Weg in sein Zimmer.

Er hat gar nichts gegessen. murmelte Kaoru vor sich hin und schüttelte ihr Kopfkissen auf.
Wer?
Na Constantine! Hast du das nicht gesehen? Er hat sein Essen nicht mal angerührt.
Vielleicht hatte er keinen Hunger.
Die gute Lasagne. War echt lecker. Ich versteh ihn nicht. Ich kann immer essen.
So, wie du auch immer schlafen kannst, was?
Genau. schmunzelte sie Sassy entgegen und entknotete ihre Bettdecke.
Ich werde dann jetzt noch zu Mario gehen.
Mario?! entfuhr es Kaoru laut und sie blickte Sassy entsetzt an.
Ja, wieso? Ich hab dir doch gesagt, dass ich mich mit ihm treffen werde.
Hat er so ganz hell blonde Haare?
Ja genau! Woher...
Er ist voll der Arsch! Er hat mich heute morgen zu Tode erschreckt.
Mario? Ach Quatsch, du verwechselst ihn bestimmt.
Ganz sicher nicht. Er war total grob und unfreundlich.
Ich will davon nichts hören. Mario ist total lieb! Du kennst ihn ja gar nicht.
Aber...
Nein! Mario ist ein ganz Lieber. Vielleicht hatte er gerade schlechte Laune...
Ah ja? Und die muss er natürlich an mir auslassen. Ist klar. Dabei hatte Constantine mir erlaubt, etwas aus dem Kühlschrank zu nehmen.
Und lass mich raten. Er hat dich dabei erwischt?
Genau.
Und woher hätte er deiner Meinung nach wissen sollen, dass du es durftest? Ich glaube, dir ist noch nicht ganz klar, wie hier alles läuft. Du darfst normalerweise gar nicht da oben sein. Nur mit Erlaubnis eines Oberschülers. Wenn du da oben allein herum läufst, ist es doch schon vorprogrammiert, dass es Ärger gibt.
Achso... entgegnete Kaoru ihr und kauerte sich zusammen.
Also, ich gehe jetzt. Bis dann.
Kann ich nicht mitkommen?
Das geht nicht. Was willst du denn machen?
Da oben ist eine Wii! Ich könnte noch ein bisschen spielen.
Dafür brauchst du die Erlaubnis von Constantine!
Ja dann hole ich sie mir eben.
Er hat noch nie jemanden aus der Unterstufe auf dem Teil spielen lassen, also mach dir keine Hoffnung.
Aber...
Oh Mann! Mach was du willst.
Sassy warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel und öffnete die Tür. Kaoru wollte unbedingt noch einmal mit der Wii spielen, also folgte sie ihr in die dritte Etage. Die älteren Schüler liefen an ihr vorbei und drehten sich irritiert zu ihr um. Was hatte die Kleine hier oben nur verloren?
Kaoru sah sich um und schon hatte sie Sassy aus den Augen verloren. Alles suchen half nichts, ihre Zimmergenossin blieb verschwunden. Also ging sie allein weiter und blickte kurz in den großen Aufenthaltsraum. Dort saßen ein paar Leute und lachten laut. Allgemein war es recht laut dort drinnen und Kaoru zog es vor, doch lieber wieder nach unten zu gehen. Sie drehte ab und rannte Constantine halb über den Haufen.
Was machst du denn hier?
Mit großen und wütenden Augen blickte er sie an. Hinter ihm stand Mario mit Sassy und noch zwei andere Jungen.
Ich...
Ich hatte dir doch gesagt, dass du hier oben nichts verloren hast! schrie er plötzlich los und das Lachen und Gerede im Aufenthaltsraum verstummte.
Das war so, weil ich nämlich, also...
Ich glaube, du hast mich nicht verstanden! herrschte er sie an und packte sie am Arm. Kleine Kinder wie du haben hier nichts zu suchen!
Constantine, warte! Ich, ich...
Was ich?! Du gehst jetzt wieder runter und gut! Er zerrte sie unsanft hinter sich her und Kaoru hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten.
Ich wollte dich doch nur etwas fragen! schrie sie ihn an und riss sich von ihm los.
Er stoppte prompt und drehte sich zu ihr um. Alle Türen standen offen und die anderen Oberschüler gafften interessiert zu den beiden.
Sagte ich, dass es irgendwas zu glotzen gibt?! Verpisst euch in eure Zimmer oder ihr schlaft die Nacht alle draußen im Flur! wetterte er die Gänge entlang und nur wenige Sekunden später waren alle Türen wieder zu.
Hör mir zu Kaoruchan. Ich habe dir gesagt, dass du nicht hier hoch kommen sollst. Ich kann für dich keine Ausnahmen machen. Du untergräbst meine Autorität, hast du mich verstanden?
Zitternd nickte sie ihm zu und wollte die Treppen nach unten steigen, als sie plötzlich merkte, wie er sie am Pulli festhielt.
Du wolltest mich doch etwas fragen?
War nicht so wichtig.
Sie riss ihren Pulli aus seiner Hand und stürmte die Treppen herunter in ihr Zimmer. Kaum war sie dort angekommen, hörte sie ihn schon wieder von oben wettern. Sein Geschrei halte durch das ganze Haus und sie schmiss rasch ihre Tür zu. Mit Tränen in den Augen vergrub sie sich in ihrem Bett und steckte sich ihre Kopfhörer in die Ohren. Noch nie hatte sie jemand so angefahren wie Constantine es eben getan hatte. Ihr Herz raste und stolperte vor sich hin und eine Träne tropfte auf ihr Kissen. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war nicht mal neun Uhr, als es begann zu regnen. Große Tropfen klatschten gegen die Scheibe und das Rauschen wurde immer lauter. Kaoru bekam von alledem nichts mit. Sie hatte ihre Musik so laut, wie möglich aufgedreht und sich die Bettdecke über den Kopf gezogen.
So bekam sie auch nicht mit, wie es an der Tür klopfte und jemand ins Zimmer kam. Verschreckt blickte sie sich um, als ihr jemand die Bettdecke weg zog. Sie stierte i9n zwei grüne Augen, die ihr verständnisvoll zulächelten.
Wer bist du? zischte sie durch die Zähne und zog einen Ohrstöpsel heraus.
Ich bin Charlotte. Sag ruhig Lotte.
Und was willst du?
Das frage ich dich. Was wolltest du bei uns oben?
Ist doch egal.
Kaoru schlang die Bettdecke um sich und kauerte sich weiter zusammen.
Nun sag schon.
Eigentlich wollte ich nur ein bisschen an der Wii spielen.
Und willst du jetzt immer noch?
Ich darf ja nicht.
Komm mit.
Wohin?
Nach oben?
Niemals! Nachher kriege ich wieder so einen Anranzer.
Ich erlaube es dir. Wenn du die Einwilligung eines Oberschülers hast, darfst du doch mitkommen. Und mit der Wii müssen wir gucken, vielleicht erlaubt Constantine es dir ja doch noch.
Ich weiß nicht.
Jetzt wisch dir erstmal die Tränen weg und dann komm.
Aber...
Nun komm schon, keine Angst.
Widerwillig stand Kaoru auf, machte sich etwas frisch und folgte Lotte wieder mit nach oben. Von Constantine war keine Spur. Unsicher blieb sie doch stehen.
Komm schon.
Lotte nahm ihre Hand und zog sie sanft in den Aufenthaltsraum. Wieder blickte die anderen sie schief an, sagten jedoch keinen Ton. Sie nahm neben Lotte Platz und blickte stur gerade aus auf den Tisch. Langsam begannen die anderen wieder mit ihren Unterhaltungen und lachten beherzt.
Willst du eine Cola?
Sachte nickte sie ihr zu.
Gut, warte hier.
Lotte schlenderte zur Theke und goss Kaoru etwas Cola ins Glas und warf zwei Eiswürfel hinein.
Hier.
Sie stellte das Glas ab und legte die Beine hoch.
Du musst nicht so verkrampft hier sitzen. Entspann dich, hier frisst dich schon keiner.
Langsam aber sicher löste sich KaoruŽs Steifheit und sie blickte zu dem großen Fernseher, an dem gerade zwei Mädchen Tennis spielten.
Darf ich dann auch mal? flüsterte sie Lotte zu und nippte an ihrem Glas.
Ich frage gleich mal, aber jetzt komm erstmal wieder runter. Du zitterst ja noch überall.
Die Tür zum Aufenthaltsraum öffnete sich und Constantine trat ein. Sofort raste sein Blick auf Kaoru, die verschreckt ihr Glas ab stellte und aufstand.
Ich geh jetzt wieder. presste sie noch heraus und schluckte schwer. Doch Lotte griff nach ihrem Arm und brachte sie wieder dazu, sich hinzusetzen.
Bleib ruhig!
Du bist ja schon wieder hier. flüsterte er Kaoru zu und nahm neben ihr Platz.
Lass sie Constantine, ich habe es ihr erlaubt.
Schon gut, ich habe ja gar nichts gesagt, Lottilein.
Kackfrech legte er seinen Arm um Kaoru und zog sie zu sich an die Brust.
Und? Gefällt es dir hier?
Lass mich, bitte Constantine, bitte lass mich.
Ängstlich blickte sie ihn an und umklammerte ihr Glas, indem die Eiswürfel bereits begannen zu schmelzen.
Hast du Angst?
Hast du nicht gehört, was sie gesagt hat? Du sollst sie in Ruhe lassen.
Lotte löste seinen Arm von Kaoru und zog sie weiter zu sich heran.
Lasst mich doch bitte beide. Ich will nur hier sitzen und nicht hin und her gezerrt werden.
Hinter KaoruŽs Rücken warfen sich die beiden böse Blicke zu.
Sie darf doch sicher auch mal spielen oder Constantine? lenkte Lotte schließlich ein und blickte ihn noch immer böse an.
Sicher. Warum nicht? Gegen mich versteht sich.
Gegen dich zu spielen macht doch eh keinen Spaß. Du gewinnst ja ständig. entgegnete Lotte ihm blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Und wenn schon, ihr seid eben alle zu schlecht für mich.
Du bescheißt doch. Ich weiß zwar nicht wie, aber früher oder später kommt es eh heraus.
Wenn du meinst. Aber bevor Kaoru spielt, begleitet sie mich in den Garten. Ich will eine rauchen.
Aber es regnet doch?
Und wenn schon. Sie ist doch nicht aus Zucker. Komm Kaoruchan.
Er nahm ihre Hand und zerrte sie gegen ihren Willen die Treppen herunter.
Aber draußen ist es kalt. Soll ich erfrieren?
So schnell geht das schon nicht. Ich kann dich außerdem ja auch wieder warm rubbeln.
Wenn du das machst...
Was? Hmm? Was ist dann?
Nichts. Kaoru gab es auf. Mit ihm zu diskutieren hatte eh keinen Nährwert. Er öffnete die Tür zum Garten und zog sie wieder hinter sich her.
Hier nimm. er legte ihr seine Jacke auf die Schultern und stülpte die Kapuze über ihren Kopf. Wieder nahm er sie an die Hand und zog sie hastig durch den Garten zu einem kleinen Pavillon.
Dort angekommen, war sein Shirt vollkommen durchnässt und seine Haare klebten an seiner Stirn. Er kramte seine Zigaretten aus der Hosentasche und steckte sich eine an.
Na? Bist du auch schön trocken geblieben?
Es geht, ja. Nur die Schuhe sind nass geworden.
Die trocknen schon wieder.
Er zog ein seiner Zigarette und lehnte sich, vor ihr stehend, mit dem Arm gegen eine Säule des Pavillons.
Hat Lottilein dich wieder zurück geholt?
Sachte nickte Kaoru ihm zu und wusste nicht, wo sie hin blicken sollte.
Sieh mir in die Augen Kaoruchan. Und jetzt sag mir nochmal, dass ich nur normal schön bin.
Sie blickte ihn an, während er den Rauch der Zigarette durch die Nase blies. Verlegen biss sie sich auf die Unterlippe und drehte den Kopf weg.
Der Rauch stinkt.
Er nahm noch einen Zug und warf die Kippe achtlos auf den Boden.
Los sag es schon.
Ich kann nicht.
Also hast du deine Meinung geändert?
Nein.
Dann sag es eben.
Ich kann nicht. Lass mich.
Sie schob sich unter seinem Arm hinweg und setzte sich auf eine der kleinen vergammelten Holzbänke.
Warum weichst du mir immer so aus?
Warum ärgerst du mich immer? Und warum hast du mich vorhin so angeschrien?
Ich habe es dir doch lang und breit erklärt. Ich dulde es nicht, wenn jemand meine Autorität untergräbt.
Nur weil ich ganz kurz oben war? entgegnete sie ihm leise und spielte an einer der Kordeln, die an seiner Jacke hingen.
Verboten ist nun mal verboten. Oder glaubst du, du bekommst für einen kurzen Banküberfall auch eine mildere Strafe?
Nein.
Na also.
Er setzte sich neben sie und legte seinen Arm um sie.
Ich will nur, dass du so schnell wie möglich begreifst, wie der Hase hier läuft, bevor du mal richtig Ärger bekommst. Ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Wenn du Pech hast gerätst du wieder an jemanden wie Mario. Was dann?
Ich weiß es nicht, aber ich finde, man könnte hier ruhig etwas netter zueinander sein. Die Oberstufe benimmt sich, als wären sie die Könige der Welt.
Respekt vor dem Alter. Das müsstest du doch kennen?
Natürlich, aber doch nicht so?
Wie sonst?
Freundlicher.
Soll ich es dir das nächste mal erregt entgegen hauchen?
Du spinnst ja.
Kaoru stand auf und streckte ihm frech die Zunge heraus.
Wo willst du hin?
Ich gehe wieder rein. Mir wird das zu kalt hier.
Du wirst jetzt hier warten, bis ich meine Zigarette noch aufgeraucht habe.
Du hast doch schon lange ausgemacht?
Dann mache ich mir jetzt eine neue an.
Mach doch, ich geh wieder rein.
Kaoru warf ihm seine Jacke zu und stapfte durch den aufgeweichten Boden. Noch immer stürzten große, kalte Tropfen vom Himmel und es dauerte nicht lange, bis auch sie vollkommen durchgeweicht war. An der Tür kochte schließlich wieder die Wut in ihr hoch denn er musste sie abgeschlossen haben.
Constantine! schrie sie und drehte sich erbost zu ihm um. Ihre Augen durchsuchten die Dunkelheit, doch von ihm war keine Spur. Er hatte doch eben noch im Pavillon gesessen? Ungläubig lief sie den kleinen Weg dorthin wieder zurück. Seine Jacke lag noch immer auf der vergammelten Bank. Sie nahm sie an sich und blickte sich noch immer suchend um. Schließlich stellte sie sich erstmal im Pavillon unter. Er konnte doch nicht einfach verschwunden sein?
Constantine! Du blöder Arsch! Hör auf mit dem Mist! Hörst du?! Komm wieder her!
Das Rauschen des Regens erstickte ihre Schreie bereits im Keim.
Das ist nicht witzig Constantine! Komm endlich wieder her!
Plötzlich vernahm sie ein leises Lachen, was aus dem Wald zu ihr ans Ohr drang. Siegessicher grinste sie in sich hinein und stapfte in diese Richtung.
Na komm. hörte sie ihn sagen und folgte weiter seiner Stimme.
Wo bist du?
Komm.
Constantine? Mensch jetzt hör auf. Es ist schon gruselig genug.
Der Wind wog die Bäume sachte hin und her und es rauschte noch lauter. Die Lichter des Wohnheims entfernten sich immer weiter.
Hier her. Komm.
Verunsichert drehte Kaoru sich um. Das Wohnheim war nicht mehr in Sicht. Sie stand auf einer kleinen Lichtung und vernahm wieder ein leises Rufen.
Hab keine Angst. Komm zu mir.
Constantine? Langsam lief sie weiter, die Jacke in ihren Händen, die sie fest zusammen knüllte.
Der Regen wusch ihr die Schminke von den Augen und tropfte an ihrer Nasenspitze zu Boden. Wieder wehte der Wind kräftig durch das Geäst und Kaoru bekam eine Gänsehaut.
Von weiter weg vernahm sie ein Rauschen, dass sich von dem des Regens abhob. Mit jedem Schritt, den sie machte wandelte sich das Rauschen in ein knurren. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie und immer wieder sah sie sich ängstlich um.
Das Knurren wurde lauter und plötzlich stoppte Kaoru. Er wollte sie sicher erschrecken. Aber nicht mit ihr! Sie machte Kehrt und lief zügig wieder zurück. Das Knurren kam näher und Kaoru legte einen Schritt zu. Schließlich rannte sie bereits, doch das Knurren wollte nicht verschwinden. Mit einem Ruck packte sie etwas und zog sie hinter eine alte Eiche.
Buh!
Constantine! Du mieser...
Shht. Er kann uns hören.
Was? Wer kann uns hören?
Shht. Sei leise.
Er grinste sie an und blickte in den Wald hinein.
Findest du das etwa komisch?! zischte sie ihn angesäuert an.
Lache ich? Sei lieber still.
Wieder knurrte etwas in ihrer Nähe und Kaoru biss sich auf die Unterlippe.
Was ist das?
Ein Jäger. flüsterte er ihr zu und blickte sich weiter um. Komm mit.
Er nahm ihre Hand und schlich mit ihr zum Haus zurück.
Was meinst du mit Jäger?
Sei still. Du verrätst uns ja.
Er schloss die Tür auf und drückte sie sacht in den Flur.
Was soll das? Jetzt sag endlich, was du meinst?
Constantine verschloss die Tür zum Garten und ließ Kaoru einfach stehen.
Wo willst du hin? Warte gefälligst!
Ich geh jetzt duschen. Du solltest das auch machen, du bist total nass. Sonst bist du morgen bereits krank.
Erklär mir bitte, was das da eben war!
Später irgendwann. Jetzt gehe ich duschen.
Er drehte sich um und stieg die Treppen nach oben. Kaoru kochte innerlich. Egal, wie oft sie ihn noch fragen würde, er würde ihr sicherlich keine Antwort darauf geben. Ihre Sachen klebten an ihrem Körper und ein kalter Schauer jagte an ihrem Rücken herunter. Sicherlich war es das Beste, wenn sie auch duschen würde. An die Wii würde er sie heute sowieso nicht mehr lassen. Sie holte in ihrem Zimmer ihr Handtuch und ihr Duschbad. Eigentlich würde sie sich auch gern die Haare waschen, doch nach der gestrigen Aktion war die Flasche vollkommen leer. In der Dusche angekommen, zog sie sich aus, legte ihre Kleider in den Spind und spitzte die Ohren. Alles war ruhig. Nur ein Duschkopf schien zu tropfen.
Schnell lief sie in den Waschraum und wusch sich. Das warme Wasser wärmte sie recht schnell wieder auf und nachdem sie sich in ihr Handtuch gewickelt hatte, ging es ihr auch gleich besser.
Mit einem lauten Knall flog die Tür zu den Duschen auf und Kaoru schreckte zusammen. Sassy, Nora und Susi stürmten gut gelaunt hinein und warfen ihre Sachen auf eine der Bänke.
Kaoru! Du guckst, als hättest du einen Geist gesehen! Lach doch mal! rief Susi und fing an zu kichern.
Ich habe mich nur erschreckt.
Hat Constantine noch doll Ärger gemacht?
Nein.
Schön zu hören. entgegnete Sassy ihr und öffnete ihren Zopf.
Wir waren noch im Garten.
Was denn? Um diese Zeit? Bei dem Wetter? Susi blickte sie ungläubig an.
Ja. Es war total gruselig.
Ist ja auch schon dunkel. stimmte Nora mit ein und zog sich ihre Bluse aus.
Da war irgendwas, aber Constantine wollte mir nicht sagen, was. Er meinte nur, das wäre ein Jäger.
Ein Jäger?! entfuhr es Nora schrill und die drei Mädchen blickten sich an.
Weißt du etwas darüber? fragte Kaoru schließlich.
Er hat dich verarscht, mehr nicht. Das hat er mit jeder neuen hier gemacht. antwortete Susi schließlich und die drei machten sich zu den Waschräumen auf. Kaoru blieb stehen wie angewurzelt.
Hast du schon gehört? Die wollen jetzt Schuluniformen einführen, weil es zu viele Differenzen zwischen den Schülern gibt.
Ist nicht wahr.
Kaoru folgte dem Gespräch noch ein wenig und verließ dann die Duschen. Er hatte sie also geleimt. Und sie ist darauf rein gefallen, so wie alle anderen Mädchen vor ihr auch. Wie ärgerlich. Als sie ihre Zimmertür öffnete, lag auf ihrem Bett eine Flasche von ihrem Shampoo. Ungläubig blickte sie es an und hob es hoch. Sie war voll! Schnell ging sie zur Tür zurück und warf einen Blick in den Flur. Alles war ruhig, nur von den Duschen hallte leise das Lachen der Mädchen zu ihr.
Psst! Hey! Hier oben!
Kaoru blickte nach oben und entdeckte Constantine auf der Treppe, wie er sich gerade über das Geländer hängte.
Ist es das Richtige?
Was?
Das Shampoo.
Das Shampoo? Achso, äh ja. Ist es von dir?
Jap.
Danke.
Wollen wir noch spielen?
Du hast mir meine Fragen noch nicht beantwortet.
Und du hast noch nicht gespielt. Na komm.
Spinnst du? Ich habe nur noch meinen Schlafanzug an.
Warte eben.
Er verschwand und warf kurz darauf einen schwarzen Morgenmantel über das Geländer zu ihr nach unten.
Zieh den an und dann komm. Ich warte oben auf dich.
Kurz überlegte Kaoru, zog den Mantel an und lief ihm dann nach. Oben an der Treppe stand er in kurzer Hose und Shirt und grinste sie verschmitzt an. Leise schlichen sie in ein kleines Zimmer und Constantine schloss die Tür.
Was machen wir hier?
Sei leise.
Er knipste das Licht einer Schreibtischlampe an und schob ein Mikrofon an sich heran. Kurz grinste er noch und drückte auf den Knopf am Fuße des Mikrofons.
Meine Damen, meine Herren. Es ist jetzt kurz vor halb zehn. Ich möchte euch bitten zurück in eure Zimmer zu gehen und euch bettfertig zu machen. Wie immer sehe und höre ich alles. Wer heute nicht um Punkt halb zehn im Bett ist, mistet den Pferdestall aus und zwar auf allen vieren. Also Ruhe im Karton, sonst kommt die Lampe runter.
Wieder grinste er sie an und sein Finger ließ von dem Knopf ab.
Dann gehe ich mal besser.
Du wolltest doch spielen?
Aber es ist doch bereits halb zehn? Ich dachte, alle müssten dann ins Bett?
Ich erlaube dir, etwas länger auf zu bleiben. Und jetzt komm.
Sie verließen das Zimmer und huschten in den Aufenthaltsraum. Alles war dunkel und ruhig. Keine Menschenseele war zu hören.
Es ist gruselig. Lass uns bitte Licht machen.
Lass es aus. Du machst sonst alles kaputt. Außerdem würde man den Lichtkegel von draußen sehen.
Was mache ich denn bitte kaputt?
Willst du was trinken?
Von mir aus.
Was möchtest du?
Kommt drauf an, was du hast.
Cola?
Cola. wiederholte sie und warf ihre langen, schwarzen Haare nach hinten. Kindergetränk. Hast du nicht was ordentliches?
Sicher.
Na also, dann her damit.
Kaoru setzte sich im Dunkeln auf die Couch und beobachtete, wie Constantine eine Flasche Sekt hinter der Theke hervor zauberte.
Wo hast du die denn her? Alkohol ist doch sicherlich verboten?
Du wolltest etwas ordentlich, also bekommst du es auch. Keine Sorge, ist ein Asti. Du wirst ihn sicher mögen.
Langsam ließ er den Korken aus der Flasche gleiten und schenkte zwei Gläser ein.
Hier.
Sie nahm ihm das Glas ab und nippte daran.
Schön süß. stellte sie fest und nahm einen größeren Schluck.
Trink langsam Kaoruchan, nicht dass du morgen einen Kater hast.
Das lass mal mein Problem sein.
Wie du meinst.
Spielen wir jetzt?
Wenn du willst?
Sicher, deswegen bin ich ja hier.
Constantine beobachtete sie, wie sie den Fernseher einschaltete und sich eine Fernbedienung an das Handgelenk schnallte. Sollte dieses dumme Spiel ihm tatsächlich die Show stehlen? Er würde ihr den Spaß daran schon noch vermiesen.
Es dauerte nicht lange und Kaoru saß entnervt auf dem Sofa und nippte an ihrem Sekt. Constantine warf mal wieder einen Strike nach dem anderen und führte bereits Haus hoch. Gegen zehn warf Kaoru ihre Fernbedienung auf die Couch und gab auf. Gegen ihn zu spielen machte tatsächlich keinen Spaß, denn gewinnen war unmöglich.
Was ist los? Hast du keine Lust mehr?
Nein, ich verliere ja ständig.
Tja, und was jetzt?
Lass uns noch etwas fern sehen.
Gut, aber nicht hier. Lass uns das in meinem Zimmer machen.
Warum denn?
Weil das hier zu laut ist. Und jetzt komm.
In seinem Zimmer angekommen, legte er die Decke an das Fußende seines Bettes und nahm Platz. Bedächtig zeigte er auf den Platz neben sich und auch Kaoru setzte sich hin.
Hier such dir ein Programm aus. Mir ist es egal, was ich gucke.
Na gut.
Sie zappte durch das Programm und stoppte schließlich bei Spongebob Schwammkopf -Der Film-.
Können wir das gucken?
Sicher. Wenn du willst?
Ihre Augen begannen zu strahlen und sie folgte belustigt dem Film. Immer wieder kicherte sie leise auf. Ab und zu trank sie einen Schluck Sekt. Sie war bereits angeheitert und das von nur so wenig Alkohol. Aber so machte der Film sogar noch mehr Spaß.
Constantine blickte in ihre Augen, in denen sich das Bild des Fernsehers widerspiegelte. Am liebsten würde er sofort über sie herfallen und sich nehmen, was er die ganze Zeit schon von ihr wollte, aber er würde bedächtig abwarten. Der richtige Zeitpunkt würde schon noch kommen. Als Kaoru zu ihm sah, blickte sie ihm direkt in die Augen und rückte ein Stück weg von ihm.
Was denn? Warum guckst du mich so an?
Du bist total süß, wenn du lachst, weißt du das?
Willst du mich jetzt anmachen?
Das muss ich nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass du total niedlich aussiehst, wenn du lachst.
Aha. entfuhr es ihr trocken und sie versuchte sich wieder auf den Film zu konzentrieren. Doch seine Blicke klebten regelrecht an ihr und sie blickte wieder zu ihm.
Jetzt guck doch nicht so! Ich muss sonst lachen.
Wild wedelte sie mit ihren Händen vor seinem Gesicht herum. Doch das hinderte ihn nicht daran, sie weiter anzusehen. Schließlich musste sie wirklich lachen und setzte sich auf den Boden.
Nun hau doch nicht ab. Komm wieder her. Ich guck dich auch nicht mehr an.
Aber wenn du nochmal guckst, dann, dann... Ja dann gibt?s Ärger.
Ist das so ja? er schmunzelte sie an und legte sich hin. Komm schon wieder her.
Sie setzte sich neben ihn und verfolgte wieder den Film. Von ihr unbemerkt spielte er an einer ihrer Haarsträhnen und blickte sie wieder an.
Du hast wunderschöne Haare Kaoruchan.
Mhh?
Wirklich, sie gefallen mir.
Aha.
Komm her, leg dich neben mich.
Mit einem Satz drehte sie sich zu ihm um und blickte ihn misstrauisch an.
Was hast du vor?
Nichts. Ich glaube nur, dass es im liegen wesentlich bequemer für dich wäre.
Ich möchte aber nicht liegen, dann werde ich müde.
Das macht doch nichts. Lange bleiben wir doch eh nicht mehr wach.
Schließlich gab Kaoru nach und legte sich neben ihn. Was für ein sinnloser Film. Und er schien ihr zu gefallen. Er fand nicht eine Stelle daran komisch, doch sie lachte beherzt auf und ihre Augen strahlte, wie zwei grüne Smaragde im Sonnenlicht. Seine Gier nach ihr verschlang ihn fast und doch schaffte er es, sich zurück zu halten. Nach einer Weile blickte er sie wieder an. Der Film war wirklich mehr als grässlich. Kaoru hatte die Augen geschlossen und schlief tief und fest. Ein kurzes Lächeln huschte durch sein Gesicht und er stieg vorsichtig über sie herüber aus dem Bett. Er beobachtete sie noch eine ganze Weile, deckte sie dann aber zu und zog seinen langen, schwarzen Mantel an. Müde war er keines Falls und so musste er sich die Zeit mit irgendetwas vertreiben. Er öffnete das Fenster und sog die frische Luft ein. Es roch noch immer nach Regen und er liebte es, wenn es so sauber und angenehm roch. Noch einmal warf er einen Blick auf Kaoru und verschwand.

Ein kalter Schauer jagte Kaoru über den Rücken und die Sonne strahlte ihr ins Gesicht, als sie ihre Augen öffnete. Verschreckt setzte sie sich im Bett auf und blickte sich suchend nach einer Uhr um. Als sie schließlich eine entdeckte, entfuhr ihr ein erschreckter Seufzer und sie riss die Bettdecke von ihrem Leib. Sie hatte doch tatsächlich bei Constantine geschlafen! Und sie war spät dran. Es war bereits kurz nach sieben und sie musste sich noch frisch machen und umkleiden! Ihr Herz wummerte unregelmäßig vor sich hin und Kaoru schlüpfte hastig in ihre Schuhe.
Guten Morgen Kaoruchan. Hast du gut geschlafen?
Constantine stand lässig gegen den Türrahmen gelehnt, in Unterhosen und mit Zahnbürste im Mund vor ihr und grinste sie an.
Ich bin spät dran. Ja, ich habe gut geschlafen aber jetzt muss ich los.
Nun mal nicht so hastig. Lass dir Zeit, mach dich in Ruhe fertig.
Aber der Unterricht?
Heute ist doch Sporttag. Also immer mit der Ruhe. Du hast noch eine gute Stunde Zeit. Der Unterricht beginnt Mittwochs immer erst um neun. Ich hätte dich sonst schon früher geweckt.
KaoruŽs Anspannung legte sich langsam wieder und sie schnaufte tief durch. Noch einmal Glück gehabt.
Gibt es das Frühstück wie immer?
Meine Güte, du denkst auch nur ans Essen. Da steht ein halb nackter Mann vor dir und du fragst nach etwas zu Essen.
Mann? Wo?
Du bist schon wieder sehr frech Kaoruchan.
Tja...
Sie streckte sich und presste sich durch die Tür an ihm vorbei.
Wenn du willst, kannst du mein Bad benutzen. Da bist du ungestört.
Wie meinst du das?
Du kannst ganz in Ruhe duschen, zur Toilette gehen und dich fertig machen. Hier oben gibt es Einzelbäder.
Was du nicht sagst.
Hol deine Sachen, bis dahin bin ich im Bad auch fertig.
Sie nickte ihm zu und eilte hastig die Treppen herunter. Sassy war bereits weg und so suchte sie in aller Ruhe etwas schönes aus ihrem Schrank, was sie heute tragen wollte. Sie schnappte sich ihr Handtuch, nahm das Shampoo und ihr Duschbad und sprang die einzelnen Stufen zur dritten Etage nach oben. Mit einem Lächeln empfing er sie bereits und führte sie in ein großes Badezimmer.
Schließ hinter dir ab, wenn du möchtest. Ich warte in meinem Zimmer auf dich.
Ist gut. Ach Constantine?
Hmm?
Danke.
Er zwinkerte ihr zu und schloss die Tür. Kaoru fühlte sich wohl. Endlich, nach zwei ewig langen Tagen fühlte sie sich endlich wieder wohl. Sie sah sich um, als hätte sie noch nie ein Badezimmer gesehen. Sie musste sich nur noch zwischen Dusche und Badewanne entscheiden. Allerdings wartete Constantine ja in seinem Zimmer auf sie, also sollte sie den Bogen nicht all zu sehr überspannen. Sie zog sich aus und sprang kurzerhand unter die Dusche. Gut gelaunt trällerte sie ein Lied nach dem anderen vor sich hin und wusch sich mit ihrem Lieblingsshampoo die Haare. Nachdem sie auch ihre Morgentoilette verrichtet und ihre Zähne geputzt hatte, verließ sie zufrieden das Bad. So konnte der Tag weiter gehen. Doch ihre gute Laune sollte bereits bald ein jähes Ende finden. Sie öffnete die Tür zu ConstantineŽs Zimmer, der gerade über einem Stundenplan hing und ihn überflog.
Was machst du da?
Ich habe dir die Wahlpflichtfächer gar nicht mehr vorgestellt. Naja, macht nichts. Ich teile dich jetzt einfach ein.
Was habe ich denn zur Auswahl?
Ich will, dass du zur Musikstunde gehst. Ich will, dass du für mich singst.
Bitte? Kaoru lachte leicht schockiert auf und blickte ihn ungläubig an. Ich kann doch gar nicht singen.
Dann lernst du es eben. Du wirst für mich singen.
Du hast ja wohl einen Vogel. Wenn du Gesang hören willst, kauf die CDŽs, aber ich singe bestimmt nicht.
Warum musst du mir ständig widersprechen?!
Mit einem Ruck stand er auf, ließ den Stuhl hinter sich umfallen und warf mit aller Kraft ein Glas Wasser neben sie an die Wand. Laut klirrend fielen die Scherben zu Boden und mit seinen Augen blickte er sie nahezu herrisch an.
Du wirst tun, was ich dir sage, hast du mich verstanden?!
Kaoru schluckte schwer und bekam kein Wort über die Lippen. Ihr steckte der größte Kloß im Hals, den sie jemals erlebt hatte und ihre Hände zitterten.
A-aber ich kann wirklich nicht singen. wimmerte sie nach einiger Zeit und eine Träne rollte an ihrer Wange herunter.
Lüg mich nicht an! Noch vor einer Minute habe ich dich singen gehört! brüllte er sie an. Sicher war er wieder im ganzen Haus zu hören.
Aber es klang schrecklich. wimmerte sie ihm wieder entgegen.
Wie kannst du es wagen meinen Geschmack in Frage zu stellen?!
Groß bäumte er sich vor ihr auf und ihre Augen blickten unsicher zu ihm auf.
Trag mich ein. Ich werde versuchen, für dich zu singen.
Seine imposante, fast übermächtige Gestalt verlor sich allmählich wieder und er nahm wieder am Tisch Platz. Mit einem Füllfederhalter trug er sie in den Musikkurs ein und begann plötzlich zu lachen.
Hattest du Angst?
Doch Kaoru traf diese Frage, wie ein Schlag ins Gesicht. Sie machte Kehrt und verließ eilig sein Zimmer. Aufgelöst stürmte sie in den Speisesaal und nahm neben Sassy, Nora und Susi Platz. Etwas irritiert blickten die drei zu ihr.
Alles ok bei dir?
Alles in Ordnung. Ich habe nur schlecht geschlafen.
Weinst du?
Nein, alles ok.
Kaoru schluckte alles herunter und quälte sich ein Lächeln ins Gesicht. Ratlos zuckte Sassy mit den Schultern und biss in ihr Brot. Wenn sie nicht reden wollte, würde sie sie auch nicht dazu zwingen. Als Constantine gegen acht noch immer nicht im Speisesaal aufgetaucht war, kam allgemeine Unruhe auf. Alles tuschelte und blickte wieder zu Kaoru. Sicherlich hatte man ihn im ganzen Haus gehört und man hatte sie sicherlich auch gesehen, als sie wie eine angestochene die Treppen herunter gestürmt war. Kaoru ließ alles an sich abprallen und reagierte nicht auf das Gerede der anderen. Kurz nach acht räumten dann alle ihr Geschirr ab. Obwohl sie noch nichts gegessen hatte, stand auch Kaoru auf und begab sich mit Sassy, Nora und Susi zum Sportplatz. Knapp dreihundert Schüler liefen ziellos auf dem großen Rasen umher und bildeten einzelne Trauben mittendrin Kaoru, die zwar auch einer Gruppe angehörte, sich aber einsam wie nie fühlte. Er hatte sie so laut angefahren und sogar mit einem
Glas nach ihr geworfen. Noch immer saß der Schock bei ihr tief, denn wenn er schon bei solchen Lappalien so ausrastete, was sollte dann erst werden, wenn er ihre grässliche Stimme hören würde? Panik machte sich in Kaoru breit und sie ballte ihre Hände zu Fäusten, um sich etwas abzureagieren.
Mit großen Schritten kam Mister Griffin auf die Schüler der Klasse neun C, zu der auch Kaoru gehörte, zu und grinste breit. Er trug eine viel zu kurze Hose und ein Shirt, dass er seinen Bierbauch betonte, als alles andere.
Guten Morgen. Ich hoffe, ihr habt alle gut geschlafen und seid heute fit!
Eher gequält war die Antwort der Klasse, die er erhielt.
Nun, wir fangen zuerst mit dem Aufwärmen an und dann machen wir einhundert Meter Lauf.
Er fing an sich zu dehnen und alle äfften ihn nach. Ganz am Rand stand Kaoru. Sie stand da, wie angewurzelt und rührte sich nicht. Glücklicherweise stand sie so weit abseits, dass Mister Griffin ihre keineswegs sportlichen Aktivitäten nicht bemerkte. Sie stand einfach nur da und rührte sich nicht. Auch beim einhundert Meter Lauf mogelte sie sich irgendwie durch und umging ihn einfach. Gegen halb elf wurde eine Pause eingelegt und alle packten ihre Lunchpakete aus, die sie sich noch beim Frühstück gemacht hatten. Kaoru hatte sich schon etwas gewundert, dass alle etwas in ihre Taschen steckten, doch richtig realisiert hatte sie es nicht. Während sich alle in den kühlen Schatten setzten, blieb sie mittig auf der großen Wiese sitzen und starrte ein großes Büschel Gras an, welches von irgendwem ausgerissen worden war. Alles war so unwirklich und hätte man sie jetzt umgestoßen, sie hätte es wahrscheinlich nicht mal bemerkt. Und so bemerkte sie auch nicht, wie sich ein großer dunkle
r Schatten über ihr bildete.
Constantine stand direkt hinter ihr und verdeckte die Sonne.
Willst du einen Kollaps kriegen? Setz dich wenigstens in den Schatten, wenn du schon nicht isst und trinkst.
Er packte sie am Arm und hob sie sachte hoch.
Tu mir nicht weh, bitte. Bitte nicht wieder schreien.
Kaoru verdeckte ihr Gesicht mit der anderen Hand und wimmerte wieder leise auf.
Wie kommst du darauf, dass ich dir weh tun könnte?
Doch sie antwortete ihm nicht, sondern kauerte sich auf dem Boden zusammen.
Kaoruchan. Komm jetzt. Du kriegst noch einen Sonnenstich.
Alles bitten und gut zureden brachte nichts. Sie saß wie versteinert am Boden und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Constantine blickte sich um. Alles starrte sie an. Die gesamte Schule hatte nichts besseres zu tun, als zu glotzen.
Was?! rief er plötzlich in die Menge und alles schaute schnell woanders hin. Schließlich nahm er Kaoru einfach und trug sie vom Sportplatz in den Schatten. Sie war steif, wie eine Puppe und rührte sich nicht. Unter einer großen Kastanie angekommen, setzte er sie ab und nahm neben ihr Platz.
Sei nicht traurig Kaoruchan. Wegen vorhin, nimm mir das nicht übel. Ich reagiere schnell gereizt. Ich wollte dich nicht so erschrecken.
Du hast mit Gegenständen nach mir geworfen, mich angeschrien, mir meine Meinungsfreiheit genommen und mich erniedrigt. Ich bin fertig mit dir Constantine. Sprich mich nie wieder an.
Ihre Stimme hatte es nicht einmal gewagt zu brechen. Sie hatte es ihm ruhig und sachlich gesagt und nun würde sie aufstehen und gehen. Wenn da nicht seine Hand wäre, die sie an der Gürtelschlaufe ihrer Hose festhielt.
Kaoru, hör mir zu. Ich weiß, das war dumm von mir...
Hör bitte auf. Zumindest heute kann und will ich dich nicht mehr sehen.
Sofort löste sich sein Griff und er nickte ihr zu. Er blickte sie an, wie ein kleiner Junge und irgendwie tat er ihr Leid. Doch sie verdrängte diesen Gedanken ganz schnell wieder, denn sicher war es genau das, was er damit erreichen wollte. Außerdem war das einzig Bemitleidenswerte heute Kaoru und nicht er. Die Erde dreht sich um die Sonne und nicht etwa die Sonne um Constantine. Das musste er doch nun endlich mal bemerkt haben?
Sie eilte schnellen Schrittes weg von ihm und verließ einfach den Sportplatz. Es war ihm ein Rätsel, wie sie seinem Hundeblick widerstehen konnte. Bisher war doch jede Frau dabei weich geworden. Nur sie nicht. Nun wollte er sie umso mehr. Die Jagd hatte begonnen. Doch zuerst musste er ihr Vertrauen zurück gewinnen. Als erste gute Tat meldete er sie bei ihrem Sportlehrer ab.
Ihr geht es also nicht gut? Und das konnte sie mir nicht selber sagen?
Sie hat sich so geschämt. Bitte, Sie dürfen nicht böse mit ihr sein.
So geht das aber nicht. Das gibt auf jeden Fall einen Eintrag ins Klassenbuch.
Ah ja?
Constantine blickte Mister Griffin tief in die Augen. Sicher würde er sich schnell davon abbringen lassen. Es dauerte nur Sekunden...
Sie ist entschuldigt. Wünsch ihr gute Besserung, wenn du sie siehst.
Das mache ich, danke, Mister Griffin.
Mit einem hämischen Lächeln drehte Constantine sich um und lief Kaoru nach. Es galt schließlich noch etwas gut zu machen.
Um sich irgendwie abzulenken brütete Kaoru über ihren Mathehausaufgaben. Irgendwie musste sie es schaffen, sich in den Stoff ein zu arbeiten, doch in ihrem Kopf war die Hölle los. ConstantineŽs Reaktion ließ ihr einfach keine Ruhe. Und von Parabeln hatte sie so gar keine Ahnung. Sie las sich immer wieder die Übungsaufgaben und Merksätze durch, doch so oft sie sie auch las, sie wurde einfach nicht schlau daraus. Also begann sie einfach drauf los zu zeichnen und kritzelte irgendwelche Formeln in ihr Heft. Es ergab zwar alles keinen Sinn, aber zumindest hatte sie es versucht.
Dieser blöde Scheiß! Ich kann das nicht! entfuhr es ihr lauthals und ihre Hefte und Bücher landeten laut auf dem Fußboden. Etwas erschrocken blickte sie zu der offen stehenden Tür. Constantine blickte sie fragend an und betrat ohne ihre Erlaubnis ihr Zimmer.
Ich sagte doch, dass ich dich heute nicht mehr ertragen kann.
Ohne ihr darauf zu antworten hob er die Bücher und Hefte wieder auf und warf einen Blick auf die Aufgaben.
Soll ich dir helfen?
Ich brauche keine Hilfe.
Kaoru. Bitte verzeih mein forsches Verhalten von heute morgen. Ich war so ungehalten.
Sie kniff ihre Augen zusammen und blickte ihn böse an.
Lass mich dir helfen.
Musst du nicht zurück zum Sport?
Nein, ich habe uns beide abgemeldet.
Wie? Einfach so?
Einfach so.
Er kniete sich neben sie und blickte sie verträumt an.
Bitte hab keine Angst vor mir.
Kaoru drehte rasch den Kopf weg und biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich war sie noch nicht so weit ihm alles zu verzeihen, doch wenn er sie so ansah, konnte sie ihm kaum noch böse sein.
Parabeln also, hmm?
Irritiert blickte sie ihn an.
Ich hole eben meine Brille, sonst kann ich das nicht lesen. Warte hier.
So schnell, wie er gekommen war, war er auch schon wieder verschwunden. Kaoru sprang auf und schmiss die Tür zu. Hastig drehte sie den Schlüssel im Schloss und setzte sich sicherheitshalber noch vor die Tür.
Sie konnte und wollte ihm das nicht so einfach verzeihen. Zu sehr hatte er sie geängstigt und erniedrigt. Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. Kurz darauf klopfte es an der Tür und sie vernahm seine Rufe. Doch sie blieb hartnäckig auf dem Boden sitzen und schwieg.
Kaoru, ich verstehe, dass du sauer auf mich bist, aber findest du dein Verhalten nicht langsam etwas kindisch?
Ich möchte heute einfach meine Ruhe haben! Das ist in keinster Weise kindisch.
Aber ich wollte dir doch bei deinen Hausaufgaben helfen?
Ich schaffe das schon allein. Geh jetzt, bitte.
Constantine holte gerade Luft, ließ es dann jedoch bleiben. Heute würde er sicherlich nicht wieder bei ihr landen. Er ballte die Hand zur Faust und drehte ab. Vielleicht hatte sie sich bis morgen beruhigt. Oder besser noch. Vielleicht gab Sassy ihm den Zweitschlüssel. Ein Grinsen huschte durch sein Gesicht und er lief los. So schnell wollte er sich nicht geschlagen geben. Auf dem Sportplatz angekommen, dauerte es nicht lange, bis Sassy ihm tatsächlich den Schlüssel aushändigte. Siegessicher lief er zurück ins Wohnheim und stoppte etwas außer Atem vor KaoruŽs Tür. Leicht irritiert entdeckte er, dass sie nur noch angelehnt war und schob sie ein wenig auf. Er warf einen kurzen Blick in das Zimmer das vor Leere nur so gähnte und knirschte sauer mit den Zähnen. Wo steckte sie nur schon wieder?
Er schlich durch die Flure und stoppte an jedem Zimmer, doch es war alles ruhig. An der Treppe angekommen wollte er es schon aufgeben, als er aus den Waschräumen merkwürdige Geräusche vernahm. Es kribbelte in seinem Bauch und er genoss dieses kleine Versteckspiel. Leise öffnete er die Tür und spitzte die Ohren.
Och, jetzt weint sie schon wieder.
Willst du sie nicht trösten Caro?
Lieber nicht. Nachher beschmutze ich mir noch die Finger an ihr.
Kaoru saß am Boden und reagierte schon gar nicht mehr auf die Gemeinheiten, die ihr Caro und Lisa an den Kopf warfen. Mit den Füßen stießen sie sie an und Kaoru nahm noch einmal ihren ganzen Mut zusammen.
Lasst mich endlich in Ruhe ihr dummen Schnepfen! Ihr seid auch nur stark, wenn ihr nicht allein seid. Ihr hässlichen Krücken!
Auf einmal klatschte es laut und Kaoru wimmerte laut auf.
Jetzt pass mal auf Mädchen. Du bist hier die Neue, also benimm dich auch so! Im Klartext heißt das für dich, dass du tun wirst, was wir dir sagen und wenn du noch einmal so eine große Fresse hast dann...
Dann was?! mischte Constantine sich ein und stellte sich mit verschränkten Armen in die Tür.
Nichts, schon gut. zischte Caro durch ihr Zähne und ließ von Kaoru ab.
Nein, sprich dich ruhig aus. Ich bin interessiert, was dann passiert.
Con... Const... murmelte Kaoru vor sich hin und rieb sich die schmerzende Wange.
Komm zu mir Kleine. Komm her.
Sie stand auf und lief ihm entgegen. Doch noch bevor sie ihn erreichte, stellte Lisa ihr heimtückisch ein Bein, über dass sie auch prompt stolperte. Im letzten Moment streckte Constantine seine Arme aus und fing ihren Sturz ab.
Caro und Lisa kicherten leise und blickten sie hämisch an.
Wieder knirschte Constantine mit den Zähnen.
Am Freitag feiern wir die Vampyra Missa. Ich erwarte euch um Punkt elf Uhr Abends im Garten. Ihr werdet doch kommen?
Was denn? Ernsthaft?! Caro kippte fast aus den Latschen vor Freude und auch Lisa strahlte nicht weniger.
Natürlich kommen wir!
Constantine nickt ihnen zu, nahm Kaoru an die Hand und führte sie aus den Waschräumen in den Flur. Zärtlich strich er ihr durch das Gesicht.
Sie wusste nicht wie ihr geschah. Sie trat von einem Übel ins Nächste und Constantine war nach diesen beiden Schnepfen eigentlich der letzte, den sie jetzt um sich haben wollte, doch da der Unterricht noch lange dauern würde, beugte sie sich schließlich und ließ ihn gewähren.
Du solltest dich ein bisschen entspannen. Was hältst du davon, wenn ich dir oben ein heißes Bad einlasse? Dann hast du deine Ruhe vor mir und kannst das alles vergessen?
Sie nickte ihm nur gedankenverloren zu und beobachtete, wie er ihr Handtuch und ihren Schlafanzug aus ihrem Zimmer holte. Um nicht neben ihm laufen zu müssen, ließ sie ihn allein und stieg bereits die Treppen hinauf. Ungeahnt schnell hatte er sie jedoch eingeholt und blickte sie besorgt an.
Du siehst blass aus, Kaoruchan.
Sie zuckte lediglich mit den Schultern. Mittlerweile war es sowieso egal. Oben angekommen, ließ er ihr sofort das versprochene heiße Bad ein und zog sich in sein Zimmer zurück. Endlich war sie allein. Sie schloss die Tür, ließ ihre Sachen unordentlich zu Boden fallen und stieg in die Wanne. Er hatte ein wohlriechendes Schaumbad in das Wasser gekippt und so hatte sich eine weiße Kronen gebildet. Kaoru schloss die Augen und ließ sich bis zum Hals von dem warmen Wasser umschmeicheln. Sie war so erschöpft, als hätte sie zehn mal beim hundert Meter Lauf teilgenommen und ihre Augen waren schwer. Ihre Entscheidung mit ihm mitzugehen verstand sie zwar selbst nicht so ganz, aber im Moment bereute sie nichts. Bis zu dem Punkt, als es nach gut zwanzig Minuten an der Tür klopfte. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen und sie richtete sich auf, um nach einem Handtuch zu suchen.
Darf ich rein kommen?
Was willst du? Ich habe nichts an.
Bist du in der Wanne?
Wo denn sonst? entfuhr es ihr ungewollt schroff und Constantine öffnete dreist die Tür. Er steckte den Kopf zwischen den Spalt und blickte sie fragend an.
Darf ich dir Gesellschaft leisten?
Spinnst du?!
Auch nicht, wenn ich dir deine Badesachen gebe?
Kurz überlegte Kaoru und schon warf er ihr ihren Badeanzug zu. Es war erstaunlich, was er innerhalb der paar Minuten in ihrem Schrank alles hatte finden können.
Er schloss die Tür von außen und wartete. Kaoru biss sich auf die Unterlippe. Lange würde er mit Sicherheit nicht warten, also schlüpfte sie schnell in ihren Badeanzug. Es war keine Sekunde zu früh, denn sie saß noch nicht ganz, als er die Tür wieder öffnete und eintrat. Er drehte den Schlüssel im Schloss, warf sein Handtuch über die Heizung und schälte sich aus seinen Sachen. Vor Schreck atmete Kaoru fast etwas von dem Schaum ein und wandte ihren Blick von ihm ab.
Was ist? Stimmt etwas nicht?
Du wirst dir ja wohl noch eine Badehose anziehen?!
Warum sollte ich? Ich geniere mich ja nicht so, wie du.
Das ist aber unverschämt. So was macht man nicht.
Man vielleicht nicht, ich schon.
Vollkommen unverblühmt stieg er nackt zu ihr in die Badewanne. Kaoru presste sich ihre Hände ins Gesicht und kniff die Augen zu.
Entspann dich Kaoruchan. Man sieht doch gar nichts.
Sie setzte sich in der großen Eckbadewanne so weit nach außen, wie es ihr nur möglich war und doch schien es nichts zu helfen, denn er pirschte sich langsam an sie heran. Schließlich schloss er seine Arme um sie und zog sie zum tiefsten Punkt in der Mitte zurück.
Entspann dich. Alles ist ok. Ich schreie dich nicht mehr an und ich beiße auch nicht. Zumindest nicht jetzt.
Kurz blickte sie ihn an und er grinste frech zurück.
Einfach locker lassen. Ja, so ist es gut.
KaoruŽs Steifheit löste sich etwas und sie nahm ihre Hände wieder vom Gesicht.
Warum machst du das?
Als Belohnung.
Wofür?
Wieder grinste er sie an und stieß sich etwas von ihr ab. Das Wasser schwabbte schon fast über und die Schaumblasen platzten nach einander weg.
Du musst strampeln, sonst ist der Schaum gleich ganz weg und ich kann dich sehen. Oder schlimmer noch. Du kannst mich sehen.
Kaum hatte er das ausgesprochen schäumte sie mit ihren Armen das Wasser neu auf und blickte ihn verstohlen an.
Bist du denn gar nicht neugierig?
Doch statt ihm zu antworten drehte sie nur den Kopf weg und hoffte, dass ihre roten Wangen nicht zu sehr auffielen.
Also ich an deiner Stelle würde die Gelegenheit nutzen. Wir müssen ja nicht bis zum äußersten gehen.
Ich werde gar nichts dergleichen mit dir machen. Nachher bildest du dir noch etwas darauf ein.
Na wenigstens redest du wieder vernünftig frech mit mir.
Wieder kam er auf sie zu und nahm sie in den Arm.
Du hast so schöne, zarte Haut Kaoruchan. Weißt du das?
Deine Hände sind ganz kalt.
Die werden schon wieder warm. Wenn du willst, darfst du sie auch warm rubbeln.
Das heiße Wasser wird schon dafür sorgen, dass du nicht auskühlst.
Kaoru verschränkte die Arme und wandte den Kopf von ihm ab. Doch er ließ sich davon nicht entmutigen. Weiter schmiegte er sich an ihren Körper und legte sein Kinn auf ihren Kopf.
Ich bin mindestens einen Kopf größer als du. stellte er belustigt fest.
Du bist ja auch ein Junge.
Ich habe schon Frauen gesehen, die wesentlich größer waren, als du.
Und ich sah schon Männer die waren wesentlich schöner als du. entfuhr es ihr schroff. Langsam löste er seine Umarmung und blickte sie fragend an.
So? Wen denn?
Keine Ahnung, ich kenne doch nicht alle beim Namen?!
Du lügst! Leise kicherte er auf und machte es sich am Wannenrand bequem.
Ich lüge nicht! log sie ihm entgegen und pustete sich eine Strähne ihrer Haare aus dem Gesicht.
So? Na dann beschreib mir doch mal, wie ein Mann aussehen muss, um dir zu gefallen.
Das geht dich gar nichts an!
Es interessiert mich aber! Mit seiner Hand spritzte er ihr etwas Wasser ins Gesicht und fing herzhaft an zu lachen.
Er muss in jedem Fall anders aussehen als du. Du bist nämlich gar nicht mein Fall.
Du bist eine so schlechte Lügnerin, Kaoruchan. Das müssen wir nochmal üben.
Du kannst mich mal.
Heute würde ich dir jeden Wunsch erfüllen. Also? Ich kann dich mal? Wo hättest du es gern?
Er machte eine auffordernde Handbewegung und griff nach ihrem Arm, um sie an sich heran zu ziehen.
Das sagt man doch nur so. Kaoru schob die Augenbrauen hoch und versuchte sich aus seiner Umarmung zu lösen.
Warum wehrst du dich denn so? Gefällt es dir denn so gar nicht?
Nein.
Warum lügst du mich an?
Ich lüge nicht. log sie ihn wieder an und biss sich auf die Unterlippe.
Ich wette mit dir, dass ich dich schneller als dir lieb ist in meinem Bett habe. Würde ich dir jetzt die Sachen vom Leib reißen, müsste ich nicht lange warten, bis du wohlwollend vor mir stehst und mich anflehst, dass ich dich nehmen soll.
Eingebildet bist du aber gar nicht oder?
Ich weiß, was ich zu bieten habe und ich weiß, wie meine Wirkung auf Frauen ist. Du bildest da keine Ausnahme und nun sag mir ins Gesicht, dass du es dir partout nicht vorstellen könntest mit mir zu schlafen.
Kaoru drehte verschämt den Kopf weg und schnippte mit einem Finger den Schaum auf der Wasseroberfläche weg.
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich Angst hätte. Außerdem bist du nicht der Typ Mann von dem ich mir eine langwährende Beziehung verspreche. Du bist eher der ab ins Bett und tschüss Typ. Glaube ich jedenfalls.
Angst? Du hättest Angst vor mir?
Nicht vor dir, sondern vor der zeit, die danach käme.
Wieder zog er sie an seinen Körper und legte seinen Kopf auf ihre Schultern. Mit den Lippen strich er an ihrem Hals entlang. Er müsste es nur noch tun, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Er hörte ihr Blut rauschen und ihren rasenden Herzschlag. Doch erst wollte er sie verführen. Sie würde sich ihm schon noch hingeben.
Wie dumm von mir. lenkte sie plötzlich ein und schob sich wieder ein Stück von ihm weg. Ich hätte dir das gar nicht erzählen dürfen. Jetzt denkst du sicher, dass ich frigide bin. Ich meine, ich weiß es nicht, aber ich denke, dass ich es nicht bin. Aber wie gesagt, ich weiß es nicht genau.
Shht. Er legte seinen Finger auf ihre Lippen und lächelte sie verständnisvoll an. Ich denke nicht, dass du frigide bist. Du bist eben noch unerfahren.
Verschreckt wich sie noch ein Stück von ihm weg und blickte ihn an.
Ich habe nicht gesagt, dass ich noch unerfahren bin!
So hörte es sich aber an.
Dann musst du dich verhört haben.
Kaoru ich habe dir doch gerade eben schon mal gesagt, dass du eine sehr schlechte Lügnerin bist.
Aber...
Hör schon auf. Ich erkenne es doch auf zehn Meter Entfernung, ob jemand Erfahrung hat oder nicht.
Kaoru senkte den Kopf und nickte leicht. Recht hatte er. Es gab für sie keinen Grund noch irgendetwas abzustreiten.
Komm zu mir kleine Kaoruchan.
Constantine lehnte sich mit ausgebreiteten Armen an den Wannenrand und blickte sie an. Unsicher kroch sie wieder zu ihm herüber. Egal, was für ein Ekel er auch sein konnte, es gab einfach Momente, wo sie sich seinem Charme nicht widersetzen konnte. Nun legte sie ihren Kopf auf seine kühlen Schultern und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sachte strich er ihr mit dem Finger unter dem Kinn entlang und hob ihren Kopf etwas an.
Mit seinen blauen Augen blickte er direkt in ihre und lächelte ein wenig.
Darf ich dich küssen?
Frag doch nicht so doof.
Die letzten beiden Male warst du davon nicht so begeistert. Ich will dich nicht schon wieder überrumpeln. Also, darf ich?
Unschlüssig zuckte Kaoru mit den Schultern. Ganz vorsichtig strich er ihr mit dem Daumen über die Lippen und lächelte wieder.
Mach die Augen zu Kleines.
Sie hatte ihre Augen noch nicht ganz geschlossen, als seine Lippen über ihre strichen. Ein kleines Feuerwerk zündete in ihrem Bauch und sie ließ sich in seine Arme fallen. Ganz zärtlich biss er ihr auf die Unterlippe und lugte durch ein Auge in ihr Gesicht. Kaoru verzog keine Miene, also schien es ihr zu gefallen.
Um Kaoru wurde alles so unwirklich. Sie schien zu fallen, spürte jedoch keine Angst oder gar Panik. Nein, es war wunderschön. Constantine konnte, wenn er wollte so romantisch sein und sein Kuss übertraf alles was sie bisher erlebt hatte. Er hatte so wunderschöne, weiche Lippen. Sie konnte es kaum fassen, dass sie das nicht bereits beim ersten Kuss bemerkt hatte. Aus ganz weiter Ferne hörte sie ihn ihren Namen sagen und spürte, wie er leise lachte. Also öffnete sie ihre Augen und blickte ihn an. Irgendwie war ihr das jetzt peinlich, doch sein Lächeln lies alle Scham in ihr verschwinden.
Du wirst mir doch nicht etwa einschlafen?
Hatte ich nicht vor, nein. Aber das Wasser wird schon kalt.
Dann lass uns in mein Zimmer gehen.
Ich weiß nicht.
Kaoru stieg aus der Wanne und wickelte sich in ihr Handtuch.
Leiste mir doch noch ein wenig Gesellschaft. Bitte.
Constantine. Das geht mir zu schnell.
Hat es dir eben etwa doch nicht gefallen?
Das ist es nicht. Natürlich war es schön, aber ich möchte noch nicht weiter gehen. Sei mir nicht böse.
Sie nahm ihre Sachen und verließ eilig das Bad. Es war das Beste, was sie machen konnte. Kaoru war sich sicher, dass es in seinem Zimmer nicht nur beim Küssen geblieben wäre und für mehr als das fühlte sie sich einfach noch nicht bereit. In ihrem Zimmer zog sie sich an und blickte zum Fenster heraus.
Sogleich fielen ihr Sassy, Nora und Susi auf, die gesammelt mit dem Rest der Klasse auf das Wohnheim zuliefen.
Bereits wenige Sekunden später öffneten sie die Tür und blickten Kaoru geschafft an.
Man, was für ein Tag. Schrecklich. entfuhr es Nora und sie wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn.
Du kannst von Glück reden, dass Constantine dich abgemeldet hat. Wir haben nach dem hundert Meter Lauf nur noch Mist gemacht. Sassy wedelte wild mit dem Finger in der Luft herum und ließ sich auf ihr Bett fallen. Basketball haben die uns spielen lassen. Und dass, wo hier keiner größer als eins siebzig ist. Die haben ja wohl eine Vollmeise!
Kaoru kicherte leise. Sie hatte Sassy noch nie so schimpfen gehört. Eigentlich war sie eher der ruhige Typ, aber heute war ihr wohl eine Laus über die Leber gelaufen.
Und Caro wieder! seufzte Susi laut auf und warf sich die Hände ins Gesicht. Constantine hat sie doch tatsächlich zur Vampyra Missa eingeladen. Am Freitag! Mit Lisa zusammen! Ich fasse es nicht. Seit drei Jahren bin ich nun hier und hoffe auf den Tag, an dem er mich einlädt und die beiden Gänse?! Die werden eingeladen! Ich könnte platzen!
Woher wollt ihr das denn wissen? fragte Karo und ließ die Unwissende heraus hängen.
Na sie haben es lang und breit auf dem Sportplatz berichtet. antwortete Sassy ihr und ballte ihre Hände zu Fäusten. Das ist so ungerecht! schrie sie spitz auf und schlug mit der Faust in ihr Kissen.
Warum seid ihr denn alle so scharf auf diese Party? Ich meine, was ist daran so besonders?
Schon allein die Tatsache, dass die Oberschüler immer sagen, dass es ein Fest und keine Party ist. entgegnete Susi ihr wieder und setzte sich neben Kaoru auf das Bett. Da gehen eben alle hin, die Rang und Namen haben. Es ranken sich schon richtige Mythen um dieses Fest. Es heißt, dass es sich bei dem Fest um eine Jagd handelt. Wer es schafft, seinen Jägern zu entkommen wird ein Blutgeborener. SusiŽs Augen begannen zu strahlen.
Was soll das denn sein?
Keine Ahnung, aber frag mal die Lotte, sie ist eine.
Lotte?! entfuhr es Kaoru und sie erinnerte sich an das Mädchen, das so nett zu ihr war, nachdem Constantine so die Beherrschung verloren hatte.
Und wenn man es nicht schafft? fragte Kaoru wieder.
Nun, einige Schüler sollen niemals zurück gekommen sein. Munkelt man. SusiŽs Stimme ging in ein mysteriöses Flüstern über und die Mädchen rückten näher zusammen.
Es heißt, dass man hier auf dem Schulgelände mal ein Mädchen gefunden hat. Sie war tot und übel zugerichtet, aber ihr Gesicht war nicht ängstlich, sondern es strahlte. Vor Freude.
Humbug! Kaoru reckte den Zeigefinger in die Luft und riss alle aus ihrer Gruselstimmung. Das ist absoluter Käse! Wenn ich vor meinem Mörder flüchte, dann lache ich mich darüber nicht schlapp. Ich freue mich auch nicht! Das ist alles totaler Quatsch!
Ah ja? antwortete Nora spitz. Na dann besuch doch mal die Schulbibliothek und lass dir die alten Zeitungsartikel zeigen. Da steht alles schwarz auf weiß drin!
Genau! pflichtete Sassy ihr bei und nickte eifrig.
Dann kannte sie eben ihren Mörder und hatte ihm blind vertraut.
Allgemeine Ratlosigkeit machte sich unter den anderen drei breit und Kaoru nickte zufrieden mit dem Kopf.
Seht ihr? Alles nur Humbug! Was haltet ihr davon, wenn wir am Freitag mal ein bisschen spionieren gehen?
Bist du verrückt, Kaoru?! Das ist strengstens verboten! Susi klatschte sich ihre Hände gegen die Wange und schüttelte den Kopf.
Na und wenn schon?! Ich bin neugierig, ich werde hin gehen. Wenn ihr nicht wollt, dann lasst es eben.
Du bist verrückt! Ich glaube, du hast keine Ahnung was mit Leuten passiert, die man beim spionieren erwischt. Nora blickte sie ernst an und schüttelte mit dem Kopf.
Was denn?
Sie werden hart bestraft. Die Selma aus der zwölften hat ihre Neugier auch nicht abstellen können und wurde erwischt. Constantine hat sie einen Monat lang drüben im Nebenhaus schlafen lassen. Seit dem ist sie total durch den Wind. Susi, wie lange ist das jetzt schon her? Ein Jahr?
Nein, länger.
Ist auch egal. Seit dem sie dort schlafen musste, hat sie einen Hasch mich!
Nur weil sie im Nebengebäude schlafen musste?
Nur? wiederholte Nora spitz. Das drüben ist die Hölle auf Erden! Hast du dir diese Bruchbude mal angesehen? Da drüben spukt es!
Geister? Oh nein Leute, ohne mich. Diesen Mist könnt ihr wem anders erzählen, aber nicht mir. Leichen, Verrückte Mädchen und Gespenster? Ihr klingt, als würdet ihr mir etwas aus einem Gruselfilm erzählen. Ohne mich, das glaube ich nicht.
Mach doch, was du willst. Aber behaupte nachher nicht, wir hätten dich nicht gewarnt. Sassy stieg aus ihrer Sporthose und schlüpfte in ihre Shorts.
Verbissen kaute Kaoru auf ihrem Finger herum. Natürlich war das alles reiner Blödsinn, aber warum waren die drei nur so überzeugt davon? Kaoru konnte sich einfach kein Reim darauf machen. Aber eins war sicher. Sie würde dieses Fest ausspionieren. Komme, was wolle. Am Freitag würde sie schon erfahren, was es damit auf sich hatte. Sie warf einen Blick auf den kleinen Wandkalender und begann zu strahlen. Nur noch zweimal schlafen.

Am nächsten Morgen saßen die vier wieder gemütlich am Frühstückstisch, vollzogen die allmorgentliche Zeremonie des Stillschweigens, wenn Constantine den Saal betrat und begaben sich schließlich zum Unterricht. KaoruŽs Herz begann zu rasen, als Miss Owen alle Schüler aufforderte ihre Hausaufgaben abzugeben. Sie hatte sie in der ganzen Aufregung vollkommen vergessen und starrte nun stur auf ihren Tisch. Miss Owen stand auf und kam auf Kaoru zu.
Junge Dame. Dein Heft bitte.
Es tut mir Leid...
Dein Heft Kaoru. Bitte. wiederholte sie etwas lauter und Kaoru drückte es ihr in die Hand. Die erste sechs bereits am vierten Schultag. Wie schrecklich und das, wo doch diese Schule so schrecklich teuer war. Sie wollte ihre Mutter doch nicht enttäuschen. Miss Owen teilte ein paar Übungsblätter aus und während die Klasse still arbeitete, kontrollierte und benotete sie die Hausaufgaben. Immer wieder blieben KaoruŽs Blicke an der Lehrerin hängen und sie biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich sah sie, dass Miss Owen nach ihrem Heft griff und schnaufte laut auf. Welch Katastrophe!
Nach gut zwanzig Minuten teilte sie die Hefte wieder aus und schrieb die neuen Hausaufgaben an die Tafel.
Diese Aufgaben sind etwas umfangreicher. Ihr habt eine Woche Zeit. Ich sammle am nächsten Donnerstag wieder ein. Schreibt sie ab und dann könnt ihr in die Pause gehen.
Hastig schlug Kaoru ihr Heft auf, um nicht noch eine Hausaufgabe zu vermasseln, als sie auf die rot geschriebenen Zeilen stieß.
Sehr gut, weiter so. stand unter den Aufgaben, die wie aus Zauberhand in ihrem Heft standen und Kaoru knallte sich die Hand an die Stirn.
Constantine! entfuhr es ihr und sie musste schmunzeln. Hatte er also ihre Aufgaben gelöst und sie in Supersonntagsausgehschrift in ihr Heft notiert. Jetzt verstand sie auch was er damit meinte, als er sagte, er wolle sich belohnen. Wieder schmunzelte Kaoru vor sich hin, als sie plötzlich eine Papierkugel am Kopf traf. Sie drehte sich um und sah zu Sassy.
Schreib das ab! presste sie geflüstert heraus und kritzelte schnell weiter und so begann nun endlich auch Kaoru aus ihren Träumen zu erwachen und schmierte hastig die Aufgabe von der Tafel in ihr Heft.
Nach dem Unterricht verzog Kaoru sich direkt auf ihr Zimmer und brütete über den Aufgaben. Sie hatte noch immer keine Ahnung, wie sie auf eine Lösung kommen sollte. Anhand der gelösten Aufgaben von Constantine versuchte sie einen Rechenweg abzuleiten, doch ihre Mühe war zwecklos.
Darf ich rein kommen? hörte sie Constantine vor der Tür fragen.
Sicher, komm rein.
Er trat ein und nahm auf SassyŽs Schreibtischstuhl Platz.
Na? Versuchst du dich wieder an den Parabeln?
Ja, allerdings ist es sinnlos. Ich werde sie nie verstehen.

Du willst Kaoru also ins offene Messer laufen lassen?! Sassy blickte zu Nora und Susi und schüttelte den Kopf. Das kann ich nicht mit ansehen. Sie mag manchmal etwas eigenartig sein, aber das hat sie nicht verdient. Sie weiß ja gar nicht, auf was sie sich da einlässt.
Aber so könnten wir erfahren, was auf dem Fest so los ist.
Sicher, wenn sie danach noch reden kann? warf Susi ein und kippelte mit ihrem Stuhl. Sie hatten es sich zu dritt in NoraŽs Zimmer bequem gemacht und diskutierten heiß.
Ach nun komm, so schlimm wird es schon nicht. Außerdem, vielleicht ist sie gut und wird gar nicht erwischt?
Und wenn doch? Ich kann das nicht. Wieder schüttelte Sassy energisch mit dem Kopf und ihre Haare flogen wild durch die Luft.
Musst sie ja nicht dazu anheizen. Sei einfach still und gut.
Ich werde mich hüten! Sie sollte wissen, dass wir das mit Selma aus der zwölften ernst meinen.
Nora stand auf und öffnete ein Fenster.
Ich bin genau so neugierig, wie sie. Allerdings traue ich mich nicht, selbst zu gehen.
Die Frage ist doch, was dir deine Neugierde wert ist Nora. Sassy blickte ihr kritisch ins Gesicht. Ist deine Neugier so schlimm, dass du dafür Kaoru opfern würdest?
Nora überlegte kurz und nickte schließlich mit dem Kopf.
Dann geh selbst! Ich werde auf jeden Fall alles tun, um Kaoru davon abzuhalten. Das letzte was ich in diesem Schuljahr noch brauchen kann, ist eine tote Zimmergefährtin.
Sassy stand auf und verließ schweigend das Zimmer.

Das heißt also, dass die Parabel auf jeden Fall durch die Punkte laufen muss, die ich ausgerechnet habe?
Genau. Im Regelfall kommt immer eine Parabel raus. Allerdings ist Miss Owen manchmal auch fies. Ich hatte schon Aufgaben, wo die errechneten Punkte eine Linie bildeten. Ich habe stundenlang gegrübelt, wo ich mich da verrechnet habe und dabei war mein Ergebnis richtig.
Das klingt echt übel. Ich hätte gar nicht die Geduld mir die Aufgaben stundenlang durch den Kopf gehen zu lassen. Ich würde durchdrehen.
Ach was. So, jetzt rechne mal diesen Punkt aus und trag ihn in das Koordinatensystem ein.
Constantine blickte Kaoru durch seine Brille hinweg an und lächelte. Sie schien schon an den einfachsten Aufgaben zu verzweifeln. Ihm war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, wie sie die nächsten Schuljahre noch packen sollte.
Der Punkt liegt bei drei.
Nicht ganz, du hast das Minus vor der Zahl unterschlagen.
Also?
Das will ich von dir wissen.
Wieder vertiefte Kaoru sich in ihre Aufgaben. Constantine verfolgte jede Bewegung, die sie machte. Sein Magen war leer, er musste bald etwas essen. Dieses Hungergefühl ließ ihn fast verrückt werden. Außerdem war er müde. Es war immer so anstrengend und er musste bald schlafen. Essen und schlafen. Danach würde es ihm besser gehen.
Und ist das Ergebnis richtig? unterbrach Kaoru seine Gedankengänge und er kehrte in die Realität zurück.
Äh, ja. So wie ich das sehe, ist es richtig. Trag es ein.
Kaoru schmierte in ihrem Heft herum und kritzelte wild irgendwelche Punkte in ihr Koordinatensystem.
Was machst du da?
Na ich trage alles ein?
Du hast doch erst einen Punkt errechnet? Wie kannst du da schon drei eintragen?
Achso... Kaoru runzelte die Stirn und überlegte. Wie war sie doch gleich auf die anderen beiden Punkte gekommen?
Also, nochmal zurück. Radier die zwei neuen Punkte wieder aus.

Sassy stand vor ihrem Zimmer und lauschte. Was hatte Constantine schon wieder hier verloren? Sonst machte er sich immer rar? Er lebte schon immer nach dem Motto -Willst du gelten, mach dich selten- doch seitdem Kaoru an der Schule war, war er wie ausgewechselt. Schließlich klopfte sie sachte an und wurde herein gebeten.
Sassy, sieh mal! Ich mache gerade Hausaufgaben und ich glaube, ich habe es schon fast verstanden! strahlte Kaoru sie an und hielt ihr Heft in die Höhe.
Schön. antwortete Sassy ihr stumpf und sah zu Constantine, der sie keines Blickes würdigte. Mario hatte schon Recht, mit dem, was er sagte. Constantine war ein sehr eigener Charakter. Manchmal zahm, wie ein Lamm, manchmal wild, wie ein Tiger. Doch im Moment war er einfach nur eingebildet. Wenigstens Hallo hätte er sagen können, aber es kam rein gar nichts.
Sassy kramte in ihrer Schultasche nach ihren Hausaufgaben und dachte an ihr Gespräch mit Susi und Nora zurück. Sie würde es verhindern
Am Freitag ist ja wieder das Fest, nicht Constantine?
Endlich blickte er sie an und nickte leicht.
Kaoru will auch kommen. stellte Sassy in den Raum und wandte den Blick von den beiden ab.
So bemerkte sie auch nicht ConstantineŽs angespannte Reaktion.
Kaoru, dich habe ich nicht eingeladen. stellte er im ruhigen Ton fest und blickte nun ihr in die Augen.
Wer sagt denn, dass ich auch kommen wollte?
Na du, hast du doch selbst gesagt. Streite es bloß nicht ab, ich habe Zeugen.
Schon gut. Kaoru spürte, wie es in ihrem Bauch kribbelte. Warum musste Sassy sie nur verraten? Sicherlich hätte man sie gar nicht bemerkt!
Ich will nicht, dass du kommst. Wenn ich dich erwischen sollte, wirst du die Strafe deines Lebens bekommen.
Ah ja? Und wie soll die aussehen?
Das spielt jetzt noch keine Rolle. Interessant wird es erst für dich, wenn ich dich tatsächlich erwischen sollte.
Sassy grinste hämisch vor sich hin. Es war gut, dass er gerade da war. Er wusste schließlich am Besten, was es hieß, sich auf das Fest zu schmuggeln.
Kaoru blies die Wangen auf und zuckte mit den Schultern.
Ich werde nicht kommen, ok? Versprochen.
Wirklich?
Wirklich. Aber jetzt lass uns mit den Aufgaben weiter machen.
Sassy spürte es genau. Kaoru log und natürlich würde sie hin gehen. Doch Constantine hatte die Sache bereits abgehakt. Er glaubte ihr also? Sie biss sich auf die Unterlippe und blickte beide fragend an.
War noch etwas? Kaoru blickte zu ihr und auch Constantine sah sie energisch an.
Nein nichts, du lügst nur nicht besonders gut.
Ich lüge nicht!
Doch natürlich! Glaubst du ich bin doof?!
Im Moment denke ich das schon!
Beide Mädchen schrien sich laut an und Kaoru stand auf.
Ich lüge nicht! Bedrohlich machte sie einen Schritt auf Sassy zu.
Du lügst! Ich verwette meinen Arsch darauf, dass du lügst!
Ruhe ihr beiden! Ich sagte doch, dass ihr euch vertragen sollt! schaltete Constantine sich plötzlich ein und stand auf.
Sassy, ich habe Kaoru darüber belehrt, was passiert, wenn sie kommen sollte. Wenn sie sich nicht an ihr Versprechen hält, wird sie bestraft und gut.
Aber ich will genau das verhindern! Ich möchte nicht, dass du sie bestrafst! Das hat sie nicht verdient.
Ich merke, dass du ihr eine gute Freundin sein willst, aber wenn du sie nicht belehren kannst, dann vielleicht eine Strafe. Schmerzen sind ein guter Lehrer.
Schmerzen?! schaltete Kaoru sich nun wieder ein. Willst du mich etwa schlagen?!
Schmerz kann auch seelisch stattfinden. Es soll Leute geben, die verzweifelt sind, weil sie eine Woche lang die Schultoiletten putzen mussten.
Putzen also? Naja, schaden kann es nicht.
Kaoru streckte ihm die Zunge heraus und verschränkte die Arme. Toiletten putzen war zwar nicht so ihr Ding, aber ihrer Neugierde brachte das keinen Abbruch.
Constantine, erzähl Kaoru doch mal, wie Selma damals bestraft wurde.
Warum sollte ich das tun?
Weil sie es wissen sollte, bevor sie einen dummen Fehler macht.
Ich bin überzeugt, dass sie keinen Fehler machen wird, wenn sie weiß, was gut für sie ist.
Constantine, ich bitte dich, erzähl es ihr! Sassy faltete die Hände vor ihrem Gesicht und blickte ihn flehend an, doch seine Reaktion brachte lediglich einen eisigen Blick hervor. Schließlich schüttelte er seinen Kopf und stand auf.
Ich werde jetzt nach oben gehen. Kaoruchan, mach deine Hausaufgaben weiter. Wenn du fertig bist, werde ich sie mir ansehen. Komm dann in mein Zimmer.
Aber so richtig verstanden habe ich es noch nicht!
Dann wirst du so lange an den Aufgaben arbeiten, bis du es verstanden hast. Er blickte sie kühl an und wandte sich schließlich ab.
Aber Constantine, gibt das nicht wieder Ärger, wenn ich da oben allein herum laufe?
Das lass mein Problem sein.
Mit diesen Worten schloss er die Tür hinter sich und ließ die Mädchen allein.
Toll! giftete Kaoru Sassy entgegen und ließ sich gefrustet auf ihren Stuhl fallen. Ohne ihn verstehe ich diesen Mist hier nie. Danke echt!
Diese Aufgaben spielen im Moment überhaupt keine Rolle Kaoru! Verstehst du nicht, dass es unheimlich gefährlich ist, heimlich auf dieses scheiß Fest zu gehen?!
Du tust gerade so, als würde man da Menschen ermorden! Komm endlich runter!
Kaoru! Du bist neu hier! Du hast doch keine Ahnung!
Aber du oder was? Warst wohl auch schon da hä?!
Sassy klatschte ihr die flache Hand ins Gesicht und Kaoru blickte sie mit großen Augen an.
Spinnst du?!
Nein du spinnst! Du wirst sofort mit kommen!
Sassy packte ihren Arm und zerrte Kaoru die Treppen zur dritten Etage hoch. Sie bogen einige Male ab und standen schließlich vor einer Tür.
Was willst du hier?! Und überhaupt! Bist du bekloppt?! Was schlägst du mich einfach?!
Sassy klopfte unbeeindruckt an und wartete, dass jemand öffnete. Schließlich klickte die Tür leise und öffnete sich einen Spalt.
Hallo? hörten sie eine weinerliche Stimme sagen.
Selma? Selma, ich bin es Saskia aus der Unterstufe. Es ist ein Notfall!
Was gibt es? Ich will allein sein.
Du musst es erzählen, ich bitte dich Selma! Erzähl der Neuen, was passiert, wenn man sich zur Vampyra Missa selbst einlädt.
Das kann ich nicht!
Die Tür schlug wieder zu und sanfte Schritte bewegten sich von den beiden weg.
Selma, ich bitte dich, es ist wirklich ein Notfall!
Du hast doch eine Macke und die da drin auch! Ihr spinnt alle beide. Hast du geglaubt, wenn mir dieses Märchen jemand anders erzählt, dann glaube ich es?!
Plötzlich öffnete sich die Tür wieder.
Kommt rein. hörten sie das Mädchen flüstern und SassyŽs Griff um KaoruŽs Handgelenk wurde wieder kräftiger. Mit sanfter Gewalt zerrte sie sie in das Zimmer und verschloss die Tür. Das Rollo war herunter gelassen und es herrschte Dunkelheit, die durch ein paar Sonnenstrahlen, welche sich durch die unzähligen Löcher im Rollo ihren Weg in den Raum bahnten, etwas verdrängt wurde. Die Wände waren mit Postern fast schwarzen Postern behängt. Eines unheimlicher, als das andere. Überall Frauen, die aussahen, als würden sie gleich Selbstmord begehen, überall Blut, Tod und Verderben. Was für schreckliche Bilder!
Kaoru sah sich etwas irritiert um und suchte krampfhaft nach dem Mädchen, der diese weinerliche Stimme gehörte.
Dürfen wir uns setzen? durchdrang SassyŽs Stimme die unangenehme Ruhe.
Setzt euch nur. entgegnete Selma den beiden.
Noch immer versuchte Kaoru ihren Standpunkt aus zu machen.
Mach doch mal Licht. Oder mach das Rollo hoch! maulte Kaoru los und machte sich auf den Weg zum Fenster.
Wage es dir nicht! herrschte Selma sie plötzlich an und sie fühlte eine kalte Hand auf ihrem Arm. Ich vertrage das Sonnenlicht nicht. Nicht mehr. hänge sie dem Satz noch an und nahm ihre Hand wieder von KaoruŽs Arm.
Mach eben ein Licht an. flötete Kaoru wieder, die mit Sicherheit gleich gehen würde, wenn diese Selma nicht gleich mit diesem Mist aufhören würde.
Setz dich jetzt hin und sei nicht so pampig! giftete Sassy sie an und zerrte sie am Handgelenk zu sich auf den Boden herunter.
Vielleicht will ich ja gar nicht sitzen?!
Mensch Kaoru...
Kaoru darf auch gern stehen bleiben. entgegnete Selma den beiden, nahm eine Kerze und zündete sie an. Sie stellte sie auf den Boden und nahm neben Sassy Platz. KaoruŽs Mund stand offen, ohne dass sie es merkte und sie musste sich plötzlich setzen. Endlich bemerkte sie, wie sie Selma anstarrte und blickte verschämt wo anders hin.
Sieh nicht weg, Kaoru. Sieh mich ruhig an. Du willst also auf das Fest gehen?
Kaoru zuckte mit den Schultern und suchte sich etwas, was sie anstarren konnte.
Möchtet ihr etwas trinken?
Gern. entgegnete Sassy ihr freundlich.
Und was ist mit dir?
Kaoru fasste ihren ganzen Mut zusammen.
Warum siehst du so aus?
Selma lächelte etwas, stand auf und goss Traubensaft in drei Weingläser, um den beiden zwei zu überreichen. Sie nahm wieder Platz, nippte an ihrem Glas und blickte Kaoru scharf an.
Weil ich genau so war, wie du.
Was meinst du damit?!
Ich wollte unbedingt auf dieses Fest! Ich war schon seit der sechsten Klasse auf dieser Schule, doch Constantine lud mich nie ein. Ich hielt es nicht mehr aus. Mehr als fünf Jahre hatte ich gewartet, doch dann musste ich es einfach wissen.
Ja und?
Sieh mich doch an. Das haben sie aus mir gemacht. Es war die schlimmste Nacht meines Lebens.
Ihr verarscht mich doch. Die Haare sind niemals echt.
Selma griff nach KaoruŽs Hand und legte eine Strähne ihrer Haare hinein.
Aber wie können Haare so weiß werden?
Ich werde dir erzählen, was ich gesehen habe. Es ist immer wieder schlimm für mich, wenn ich an diese Nacht zurück denken muss und ich möchte weinen, doch mit meiner Lebensfreude versiegten auch meine Tränen. Ich kann weder weinen, noch kann ich Freude empfinden. Ich kann die Sonne nicht vertragen und ich spüre auch sonst kaum noch, dass ich in einem Körper stecke.
Selma nahm die Strähne ihres Haares und warf sie sich über die Schulter. Kaoru lief es kalt den Rücken herunter. Dieses Mädchen sah aus, als wäre sie hundert Jahre alt. Nicht, weil ihre Haut faltig war, sondern weil sie verbraucht wirkte. Ihre Augen strahlten nicht so, wie es normalerweise sein sollte. Sie waren tief in die Augenhöhlen gefallen und ihre Haut war grau und blass. Ihre Haare waren weiß, wie Schnee und ihr Körper sah regelrecht verhungert aus.
Es war Winter, ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Und es sollte wieder eine Vampyra Missa stattfinden. Ich hatte alles sorgfältig geplant. Mein Versteck, mein Fluchtweg, die Leute, die kommen wollten, ich wusste einfach über alles Bescheid. Gegen acht Uhr, es war ja bereits dunkel, machte ich mich auf den Weg und versuchte vom Pavillon aus etwas zu erkennen. Es hatte so viel geschneit, dass ich kaum durch das Geäst sehen konnte, also schlich ich mich weiter ran. An einem großen Baum machte ich Halt und sah mich um. Überall liefen die geladenen Gäste herum. Sie waren alle schwarz angezogen und wirkten irgendwie total unheimlich. Außerdem waren da noch zwei Mädchen aus dem nahe liegenden Dorf. Sie hoben sich total von der breiten Masse ab und wirkten fehl am Platz. Sie waren angezogen, als wollten sie zur Disco gehen. Na jedenfalls kam Constantine irgendwann auch dazu und Musik begann zu spielen. Ich war total enttäuscht, denn ich hatte mir das alles viel toller un
d besser vorgestellt. Hinten, ganz hinten im Wald ist eine alte Grabstätte. Auf dem Waldboden liegt ein großer Gedenkstein mit merkwürdigen Inschriften. Umrandet wird er von Grabsteinen, alle total überwuchert und teilweise schon verfallen. Anfangs tanzten alle noch zusammen und lachten. Eine ganz normale Party dachte ich und wollte schon gehen, als die Musik plötzlich verstummte und zwei Jungen die Mädchen zu diesem Gedenkstein schleiften. Sie schrien wie am Spieß und wehrten sich, doch sie hatten keine Chance. Sie wurden auf diesen Stein gefesselt und alle anderen standen um sie herum. Um besser sehen zu können, schlich ich mich noch weiter heran. Constantine hatte mich mit Sicherheit schon entdeckt, doch ich bemerkte es nicht. Als ich einen günstigen Standort erreicht hatte, stoppte ich wieder sah ihnen zu, wie sie irgendwelche Formeln sprachen. Ich glaube, es war Latein ich weiß es aber nicht genau.
Als ob Constantine Latein könnte! Mag sein, dass er schlau ist, aber er ist kein Übermensch. fiel Kaoru ihr ins Wort und schob die Unterlippe hervor.
Ein Übermensch ist er wahrlich nicht, Kaoru. entgegnete Selma ihr und nippte wieder an ihrem Glas.
Constantine trug einen langen schwarzen Mantel mit Umhang, ein schwarzes Hemd, schwarze Hosen, ja selbst seine Schuhe waren schwarz. Er wirkte blass, aber keines Falls krank oder gar schwach, nein. Er kam auf die Mädchen zu und zückte ein Messer. Mit der Klinge schnitt er den Mädchen erst in die Hand und dann löste er ihre Fesseln. Er ließ das Messer fallen und drehte sich zu allen um. Er grinste so hämisch, dass es mir bis heute noch kalt über den Rücken läuft. Alle anderen jubelten ihm zu und pfiffen. Plötzlich stieß er die Mädchen weg, fletschte seine Zähne und rief -Die Jagd ist eröffnet!-
Wieder nippte sie an ihrem Glas und wippte leicht hin und her.
Die Mädchen haben geheult und rannten los, die anderen folgten ihnen. Es war eine Hetzjagd. Es ging um Leben und Tod!
Hä?! Das verstehe ich nicht. Constantine hat seine Zähne gefletscht?! Er ist doch kein Hund...
Dazu komme ich noch, hör mir zu. Die Mädchen rannten also in den Wald und ich verlor alle aus den Augen. Nach kurzer Zeit hörte ich einen Aufschrei, so grausam, so angst erfüllt, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Ich identifizierte ihn als einen Schrei von einem der Mädchen. Mir wurde es zu unheimlich, also machte ich mich leise aus dem Staub. Ich ging gerade aus auf das Wohnheim zu, als ich auf einmal ein Wimmern vernahm, dass immer lauter wurde. Plötzlich kam mir eines der Mädchen aus dem Dorf entgegen und rief nach mir. Sie rief immer wieder, dass ich ihr helfen solle und dass Bestien hinter ihr her wären. Im ersten Moment war ich sprachlos, wusste nicht, was ich machen sollte. Wenn ich ihr helfen würde, dann würde man mich entdecken, ging es mir durch den Kopf. Andererseits konnte ich sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Also nahm ich sie an der Hand und wir liefen gemeinsam auf das Wohnheim zu. Sie weinte und auch mir rannen die Tränen an den Wangen he
runter. Mich beschlich ein wahnsinniges Gefühl der Angst. Mein Bauch kribbelte unangenehm, mein Herz raste, meine Hände wurden kalt. Und ich hörte, wie sie näher kamen. Es war nicht zu überhören. Sie lachten und ich konnte hören, wie sie sich immer wieder etwas zu riefen, verstehen konnte ich es aber nicht. Das Wohnheim kam in Sicht und ich fasste neuen Mut, doch das Mädchen stolperte und ihre Hand glitt aus meiner. Ich stoppte, drehte um und wollte ihr schnell beim Aufstehen helfen, als plötzlich Constantine auf uns zu kam. Er hatte riesige Schwingen, mit schwarzen Federn, die im Mondlicht glänzten. Außerdem hatte er Reißzähne, wie eine Raubkatze und rote Augen.
Zitternd stellte Selma ihr Glas ab und stand auf. Aus ihrem Nachtschränkchen zog sie einen Briefumschlag und übergab ihn an Kaoru.
Was ist das?
Sieh selbst.
Kaoru öffnete den Umschlag und blickte hinein. In dem Kuvert lagen ein paar schwarze Federn.
Und was sind das für Federn?
Sie sind von Constantine. Er kam auf uns zu, packte das Mädchen am Arm und zerrte es vor meinen Augen weg. Sie wimmerte und blickte mir nach, doch plötzlich biss er zu und ihre Augen wurden stumpf und kalt. Er hat sie gebissen, mitten in den Hals! Ihr Widerstand ließ rasch nach und irgendwann hing sie leblos in seinen Armen. Ich bekam Panik und rappelte mich auf. Ich rannte, so schnell wie ich konnte, doch noch vor der Tür des Wohnheims machte ich wieder Kehrt, denn da stand Constantine schon wieder. Ich rannte zurück in den Wald, doch er holte mich rasch ein und packte mich. Ich flehte ihn an, dass er mich nicht umbringen soll, doch er war so kalt und grausam. Mit einem grauenerregendem Schrei brüllte er mir ins Gesicht. Das Blut lief an seinem Mund herunter und ich konnte den Eisengeschmack in meinem Mund spüren. Ich flehte ihn an, doch er war skrupellos und nahm mich in seinen Arm. Er flüsterte mir ins Ohr, dass er mir gesagt hätte, dass ich bestraft werde, wenn ich auf d
ie Vampyra Missa komme, ohne dass ich eingeladen bin und biss zu. Ich spürte den Sog an meinem Hals und wurde immer schwächer. Doch noch bevor ich bewusstlos wurde, ließ er von mir ab. Ich lag die ganze Nacht nur wenige Meter vom Wohnheim entfernt im Wald. Ich lag auf dem Boden und wurde eingeschneit. Ich spürte keine Kälte, keine Wärme, keine Trauer. Ich spürte nur die Angst. Am nächsten Morgen kam die Sonne heraus und brachte den Schnee, der auf mir lag zum Schmelzen. Doch bereits ein Strahl in mein Gesicht genügte, um mir einen stechenden Schmerz zu bereiten. Also flüchtete ich mich mit letzter Kraft in das verfallene Nebengebäude und verschanzte mich dort.
Sassy leerte ihr Glas in einem Zug und stellte es geschockt neben sich auf den Boden.
Ich dachte, deine Strafe war es, dort einen Monat lang zu schlafen.
Es war Strafe genug, ihm an diesem Abend begegnet zu sein. Dass ich dort schlafen durfte, war Glück. Ich konnte ja nicht raus. Die Sonne hätte mich sonst umgebracht. Ihre Strahlen brennen auf der Haut, als würde man bei lebendigem Leibe angezündet. Es sind unglaubliche Schmerzen. Ich hatte mich in das Nebengebäude gerettet und blickte mich etwas um. Es war erstaunlich. Ich sah im Dunkeln plötzlich besser, als im Hellen. Überall hingen Spinnweben und es roch sehr intensiv nach altem Holz. Holz und muffiger Stoff. Ich kroch auf allen vieren über den staubigen Boden und suchte mir ein Versteck. Ich war unglaublich müde und erschöpft und erschreckte mich fast zu Tode, als ich auf einmal ein paar Füße vor mir sah. Ich blickte an ihnen hoch und erstarrte, als ich Constantine entdeckte. Er nahm meinen Arm und hob mich hoch. -Dumme kleine Selma- sagte er zu mir und trug mich durch das Haus. Er stieg unzählige Treppen hinab und wir betraten einen Saal. Ich fragte ihn, was er mit mir
vor hat, doch er lächelte nur und meinte, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Auf einem uralten Sofa legte er mich schließlich ab und kniete sich zu mir. Er meinte, dass ich hier schlafen und mich erholen soll. Irgendwann würde es besser werden. Und dann ließ er mich allein.
Du bist also freiwillig dort geblieben? Kaoru runzelte die Stirn und blickte zu Sassy.
Ich hatte keine Wahl, ich war so schwach.
Und Constantine ist also ein Vampir ja?
Genau.
Ihr habt eine Meise. Ich gehe. Und ich werde zum Fest gehen. Also machtŽs gut.
Kaoru war im Begriff auf zu stehen, als Selma sie plötzlich packte. Ihre Augen wurden rot und traten etwas hervor. Ihre Eckzähne wurden lang und spitz und ihr verdorrter Körper baute plötzlich unglaubliche Kräfte auf. Sie packte Kaoru an den Schultern und schüttelte sie durch.
Verstehst du es nicht du dummes Göhr?! Willst du auch so werden?! So wie ich?!
Ihre Stimme kreischte und kratzte in den Ohren und Sassy war vor Schreck aufgesprungen.
Willst du als Untote den Rest der Welt überdauern?! Du kannst nie mehr sterben! Du bist eine Sklavin von den Blutgeborenen und ihren Erschaffern! Du hast keine Kontrolle mehr über dich, du darfst deine Meinung nie mehr äußern! Du wirst so aussehen, wie ich! Willst du das?!
Lass mich los! Du Monster!
Kaoru schlug gegen SelmaŽs Arme und wand sich aus ihren Fängen. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihr war übel. Mit einem Satz riss sie die Tür auf und wollte fliehen, doch Selma packte sie wieder und zerrte sie in ihr Zimmer.
Du wirst diesen Fehler sicher nicht machen Kaoru! Sieh mich an! Sieh mich an und merke dir, was deine Augen erblicken! Wenn du willst, dass das dein Schicksal ist, dann geh! Willst du es?!
Wieder schüttelte sie sie an den Schultern und Tränen rannen Kaoru über die Wangen.
Lass mich! kreischte sie ihr entgegen und versuchte, nach ihr zu schlagen.
Geh zu Charlotte! Geh zu ihr und frag sie! Sie ist eine Blutgeborene und wird dir alles bestätigen! Sie war die erste und einzige, die so eine Nacht überlebt hat! Frag sie!
Ich frage sie, aber jetzt lass mich los!
Kaoru wand sich aus ihrem Griff und flüchtete aus dem Zimmer. Mit einem Tränenschleier vor den Augen rannte sie fast blind durch die langen Gänge und suchte nach der Treppe, die in die untere Etage führten, als sie plötzlich gegen eine Wand rannte. Plötzlich nahm die Wand Formen an und berührte sie sanft.
Hast du deine Hausaufgaben fertig?
Kaoru presste ihre Augen zusammen und quetschte selbst die letzte Träne aus ihnen heraus. Verschreckt blickte sie Constantine an und kreischte laut.
Weg! Du Monster! Weg von mir!
Sie stieß sich von ihm ab und lief ziellos weiter. Was sollte sie glauben? Was sollte sie tun? Wo sollte sie hin? Was war nur geschehen? Immer noch drehte sich alles in ihr und die Übelkeit wurde schlimmer. Endlich fand sie die Treppe und lief hinunter, direkt in die Waschräume. Am Waschbecken übergab sie sich bereits und ihre Beine zitterten. Mit Toilettenpapier wischte sie sich über den Mund und spülte das Erbrochene notdürftig mit Wasser weg. Ihre Beine waren schwer wie Blei und so schien es Stunden zu dauern, bis sie endlich ihr Zimmer erreichte. Sie legte sich ins Bett und schlief sofort ein.
Mit ihrer Bettdecke fechtete sie wilde Kämpfe aus und schreckte schließlich hoch. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach zehn war. Sassy lag in ihrem Bett und schlief. Sie schien das gar nicht gestört zu haben. Dafür Kaoru um so mehr und so schlug die ihre Bettdecke auf und schlich sich aus dem Zimmer. Leise stieg sie die Treppen nach oben und blickte sich immer ängstlich um. Sie hatte Constantine versetzt, schlimmer noch. Sie hatte ihn als Monster beschimpft und ihn von sich weggestoßen. Sie lief durch die dritte Etage und zupfte an ihrem Pulli herum.
Sie wusste ja gar nicht, wo LotteŽs Zimmer war, wie sollte sie sie also fragen, ob es stimmte, was Selma gesagt hatte?
Lotte? presste sie geflüstert, aber deutlich hörbar heraus und lauschte. Es war eigentlich absurd zu hoffen, dass nur sie es hörte, aber Kaoru fand einfach keine Ruhe. Plötzlich vernahm sie aus ConstantineŽs Zimmer Geräusche und schlich hastig den Flur wieder zurück.
Kaoru, komm her. hörte sie ihn sagen und blieb stehen. Na komm schon her.
Constantine?
Komm zu mir.
Seine Tür war nur angelehnt und seine Stimme klang nicht verärgert, also ging sie langsam auf sein Zimmer zu.
Darf ich rein kommen?
Sicher, komm rein.
Sachte drückte sie gegen die Tür und betrat das Zimmer.
Kannst du nicht schlafen?
Nein.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie sich um. Sie entdeckte seine Silhouette an seinem Schreibtisch. Er hatte also noch nicht geschlafen. Kein Wunder also, dass er sie gehört hatte.
Du wohl auch nicht, was? brachte sie noch hervor und fummelte wieder am Ärmel ihres PulliŽs herum.
Nein.
Plötzlich kam eine unangenehme Stille auf.
Tja. warf sie in den Raum und wartete auf eine Reaktion.
Doch noch immer war Ruhe.
Also, ich gehe dann wieder.
Was wolltest du hier oben? entgegnete er ihr immer noch ruhig und sachlich.
Eigentlich wollte ich zu Lotte.
Du magst sie, was?
Ich kenne sie ja kaum.
Und was willst du dann bei ihr?
Ich... ich wollte mich mit ihr unterhalten.
So? Über was denn? Seine Fragen bohrten sich direkt durch KaoruŽs Körper und sie wurde steif, wie ein Brett.
Das möchte ich dir nicht sagen, sei mir nicht böse. Bitte, vielleicht kann ich es dir irgendwann sagen, aber...
Schon gut. Lass uns nachsehen, ob sie noch wach ist.
Total irritiert über seine freundliche Reaktion nickte sie schließlich und folgte ihm aus dem dunklen Zimmer in den Flur. Genau gegenüber seines Zimmers klopfte er an der Tür.
Herein?
Lotte? Kaoru möchte dich sprechen. Ist das ok?
Sicher.
Lotte öffnete die Tür und lächelte beide an.
Komm rein Kaoru.
Sie legte ihren Arm auf KaoruŽs Schultern, schob sie in ihr Zimmer und nickte Constantine zu.
Was gibt es denn? Setz dich. Willst du etwas trinken?
Nein, ich wollte dich nur etwas fragen.
Schieß los. Und setz dich, du machst mich nervös. grinste Lotte ihr entgegen und zeigte auf ihr Bett. Nachdem beide Platz genommen hatten, begann Kaoru die schreckliche Geschichte von Selma zu erzählen. Unter Tränen endete sie schließlich und blickte Lotte an.
Stimmt das so? Ich bin so durcheinander. Sie meinte, du wärst eine Blutgeborene und Constantine meinte letztens unten im Garten, dass da ein Jäger wäre. Es war unheimlich und da hat immer etwas geknurrt, aber er wollte mir nicht sagen, was los ist und...
Jetzt beruhig dich erstmal und hol Luft. Leg dich mal hin, ich mache das Deckenlicht aus und dafür die Schreibtischlampe an. Wenn du willst, kannst du bei mir schlafen.
Ich will nicht schlafen. Ich will Antworten.
Die bekommst du auch, aber jetzt leg dich erstmal hin.
Widerwillig legte Kaoru sich hin und beobachtete Lotte, wie sie die Lampe am Schreibtisch einschaltete und dafür die Deckenfluter ausschaltete.
Also, begann sie und setzte sich neben das Bett. Selma hat Recht.
Kaoru fiel alles aus dem Gesicht und ihr Herz raste. Wo war sie hier nur gelandet?!
Was hat das zu bedeuten?!
Selma wurde für ihre Neugierde bestraft. Sie hatte es verdient.
Dann ist Constantine ein Vampir?!
Du musst deshalb keine Angst vor ihm haben. Er wird dich nicht anrühren, das verspreche ich dir.
Wie kannst du das so sagen? Und außerdem, ich verstehe das nicht! Ich meine, er läuft schließlich am helllichten Tag draußen herum und verbrennt nicht.
Nun, Constantine ist ein sehr starker Vampir. Ab einem gewissen Alter kann einem Vampir selbst die Sonne nichts mehr anhaben. So ist es auch bei ihm.
Wie alt ist er denn?
Nun, genau weiß ich es nicht, aber ich schätze er wird sechshundert Jahre alt sein.
Sechshundert?! Ich glaube dir kein Wort!
Das musst du auch nicht. Ich erzähle dir gern mehr, aber nur, wenn du es auch willst.
Was heißt Blutgeboren?
Blutgeboren ist man, wenn man gebissen wird und danach das Blut des VampirŽs trinkt.
Und wer hat dich von seinem Blut trinken lassen?
Lotte begann leise zu lachen und warf ihre Haare nach hinten.
Niemand. Ich habe es mir einfach genommen.
Wie meinst du das?
Ich war wie Selma. Neugierig, jung und unerschrocken. Ich habe mich genau wie sie auf ein Fest geschlichen und wurde erwischt. Damals war Constantine noch nicht ihr Anführer, sondern ein junger Mann namens Magnus. Er war groß, gut gebaut und hübsch. Er war magisch und ich war seit dem ersten Tag in ihn verliebt. Er erwischte mich damals auch und biss mich. Ich war so unter Schock, dass ich nach seinem Arm griff und auch zu biss. Sein Blut floss in meinen Mund und ich schluckte es einfach. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Er ließ sofort von mir ab. Ich hingegen fühlte mich so stark wie nie. Ich fühlte eine wahnsinnige Kraft in mir und griff Magnus an. Constantine kam auf uns zu und lachte nur. Schließlich packte er MagnusŽ Kopf und drückte ihn nach oben. Ich biss zu und er zerfiel zu Staub.
Du hast es geschafft, einen Vampir zu töten?!
Allerdings. Seit diesem Tag ist Constantine als ältester Vampir der Anführer hier.
Das klingt alles so abgehoben.
Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Und was hat es mit dem Jäger auf sich?
Tja, Jäger sind eigentlich Blutgeborene wie ich. Sie jagen ihre Schänder und versuchen, sie zu töten.
Das heißt, wenn ein Blutgeborener einen Vampir in den Hals beißt, dann stirbt der Vampir?
Genau.
Und wenn du beispielsweise mich beißt?
Lotte kicherte wieder und blickte Kaoru an.
Dann wirst du entweder so wie ich oder so wie Selma. Je nachdem, wofür du dich entscheidest.
Wieder begann sich in KaoruŽs Kopf alles zu drehen. Sie war irgendwie im falschen Film. Das musste es sein. Vampire gab es nicht. Nein, es gab sie nicht.
Du solltest jetzt schlafen Kaoru. Morgen ist doch wieder Schule.
Kaoru schloss ihre Augen und schlief sofort ein. Sie war erschöpft und musste das alles erstmal verarbeiten.

Lotte stand auf und verließ ihr Zimmer. Sie klopfte bei Constantine an die Tür und bat um Einlass.
Was hat sie dir erzählt?
Selma hat gesungen, wie ein Vogel.
Dieses Miststück! Constantine ballte seine Hände zu Fäusten und schnaubte wild auf. Das wird sie bereuen. Und was hast du ihr erzählt?
Ich habe ihr die Wahrheit gesagt. Ich denke, dass du so wie immer reagieren wirst und da wäre es doch schon komisch, wenn Selma plötzlich verschwindet oder?
Damit habe ich meine Karten bei Kaoru verspielt. Wenn sie dir wirklich glaubt, und ich denke, dass sie es tut, dann wird sie mich hassen. Mehr, als sie es ohnehin schon tut.
Ich denke nicht, dass sie dich hasst.
Und woher willst du das wissen?
Mag sein, dass ich nicht die klügste bin, aber ich habe trotzdem noch weibliche Intuition. Mein Bauchgefühl sagt es mir.
Bauchgefühl? So was hast du noch?
Constantine grinste sie hämisch an und beide mussten schließlich lachen.
Sei nicht immer so streng mit ihr, dann wird sie dich schon mögen.
Sie wird mich mögen müssen!
Erzwingen kannst du es nicht. Nicht bei ihr. Sie mag treudoof sein, aber sie hat ein reines Herz.
Und ich will, dass sie es mir schenkt.
Damit du es dann zerquetschen kannst oder was?
Constantine grinste wieder und nahm Platz.
Sie ist noch Jungfrau. Ich darf sie nicht beißen. Also schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich mache sie zu meinem Spielzeug und dann vernasche ich sie gleich doppelt.
Warum musst du dir auch immer alles gleich kaputt machen?
Wie meinst du das?
Hast du schon mal dran gedacht, dich zu verlieben?
Ich?! Constantine sprang auf und funkelte Lotte wild an. Ich bin ein Geschöpf der Nacht. In meiner Brust schlägt zwar ein Herz, aber es kann nicht lieben!
Das stimmt nicht! Du kannst lieben, du willst es bloß nicht.
Ich kann und will nicht! Mein Blut ist kalt, so kalt wie mein Herz. Ich kann keine Liebe empfinden. Menschen sind Beute, nichts weiter.
Und du schläfst mit deiner Beute?
Menschen sind Beute Charlotte! Nur Beute! Was ich mit ihnen mache, kann dir doch absolut egal sein!
Ich will damit nur sagen, dass ich es schade finde.
Was findest du schade?
Den Gedanken, dass du dein ganzen Leben lang allein sein wirst. Ohne einen Menschen oder einen Vampir, der dich liebt, der sich um dich sorgt oder der sich freut, wenn er dich sieht.
Diese Sachen bedeuten mir nichts. Das ist alles nur Geschwafel und bringt mich nicht weiter! sein Ton wurde herrisch und seine Reißzähne drückten sich aus seinem Oberkiefer heraus. Ich brauche nur die Nacht und Blut. Das ist alles, was ich begehre.
Dann überlass mir Kaoru. Ich will, dass sie mir gehört.
Niemals! Ich habe sie bereits auserwählt. Nach der Vampyra Missa ist sie die nächste.
Lotte senkte ihren Kopf und nickte schließlich.
Vergessen wir das. entgegnete er ihr wieder ruhig und sachlich und reichte ihr seine Hand.
Lass uns etwas trinken gehen.
Er zwinkerte ihr zu und Lotte griff nach seiner Hand. Durch das offene Fenster wehten noch ein paar schwarze Federn herein und es wurde ruhig.

Als Kaoru ihre Augen aufschlug, blickte Sassy sie groß an.
Aufstehen. Wir sind beide spät dran.
Wie spät ist es?
Steh einfach auf und gut.
Sassy war bereits angezogen und Kaoru wühlte sich aus ihrem Bett. Doch Halt! Ihr Bett?! Irritiert blickte sie sich um.
Wie komme ich hier her?!
Constantine hat dich heute Morgen wieder hergebracht. Bist wohl bei Lotte eingeschlafen.
Achso.
Kaoru erinnerte sich an den vergangenen Tag und wieder lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
Kaoru, hör auf zu träumen. Mach hin.
Also stand sie endlich auf und zog sich schnell an. Auf dem Weg in den Speisesaal sammelten sie Nora und Susi noch ein und sprachen von nichts anderem mehr, als von dem nächsten Fest. Kaoru verkündete, dass sie es nicht mehr vor hatte, dort hin zu gehen. Selbst mit einer Einladung würde sie dort nicht hingehen. Ganz sicher nicht.
Nora nahm diese Nachricht etwas enttäuscht auf und Sassy blickte sie böse an.
Am Freitag haben wir wieder Wahlpflichtkurs! Ich freue mich total. Endlich wieder entspannter Unterricht. wechselte Susi das Thema und biss in ihr Brötchen.
Welchen Kurs habt ihr denn so belegt?
Ich bin im Kunstkurs, Susi auch und Nora du bist ja bei den Sportlern, nicht? entgegnete Sassy ihr.
Ja genau. Und wo bist du Kaoru?
Gesang. murmelte sie vor sich hin.
Im Chor?! Nora brüllte laut los und lachte sich fast schlapp. Was willst du denn bei den Luschen?
Constantine will es so. Ich hatte keine Wahl.
Wieso sollte er das wollen? fragte Susi irritiert.
Er will, dass ich für ihn singe, hat er gesagt. Dabei singe ich absolut scheußlich. Wirklich!
Na vielleicht muss er dich erstmal singen hören, damit er es begreift? schmunzelte Nora vor sich hin.
Dass ich was begreife? hörte sie plötzlich hinter sich sagen und drehte sich verschreckt um.
Constantine! Ich wusste gar nicht...
Dass ich was begreife, Nora?
Dass ich nicht singen kann! ergriff Kaoru das Wort und blickte ihn verbittert an. Ich singe wie eine Schnapsleiche. Wirklich.
Und ich sagte dir, dass du es in diesem Kurs lernen wirst. Ich habe mir gedacht, dass ich dich morgen den ganzen Tag begleiten werde. sprach er und verließ den Tisch der Mädchen.
Was soll ich denn jetzt machen? Ich will nicht mit ihm zusammen sein. Nicht eine Minute will ich mit ihm verbringen! Kaoru legte ihr Brötchen auf den Teller und schob es hin und her.
Sei einfach nett zu ihm. Du musst ja nicht allein mit ihm sein. Sieh halt zu, dass immer irgendwo Leute um euch herum sind und gut. bekam sie von Sassy als Antwort.
Meinst du, dass das so einfach ist? entgegnete Nora ihr und runzelte die Stirn. Wenn ich überlege, wie oft er ihr schon am Hacken klebt.
Alle beugten sich zur Tischmitte und begannen zu flüstern.
Ich muss ihn doch irgendwie abschütteln können?
Benimm dich daneben! Vielleicht verliert er dann das Interesse? Sassy blickte prüfend in die Runde. Alles nickte.
Also soll ich rülpsen und schmatzen und...
Genau!
Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich meine, das ist nicht meine Art.
Das schaffst du schon. Sassy zwinkerte ihr aufmunternd zu.
Also gut.
Alle setzten sich wieder normal hin und aßen weiter. Der Schultag verlief normal langweilig, wie immer und am späten Nachmittag fanden sich Sassy und Kaoru in ihrem Zimmer ein, um gemeinsam die Hausaufgaben zu erledigen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Ohne eine Antwort ab zu warten, trat Constantine ein und blickte Kaoru fragend an.
Was? erwiderte sie seinen Blick.
Deine Hausaufgaben in Mathe. Die hätte ich gern gesehen.
Ich habe sie noch nicht ganz fertig.
Aber wir hatten doch vereinbart, dass du sie fertig machst? Stattdessen lässt du dir von irgendwelchen Oberschülern Gruselmärchen erzählen!
Woher...?
Du hast mich gestern als Monster beschimpft. Warum? Was habe ich dir getan? Seine Stimme klang enttäuscht, doch keinesfalls sauer oder gar herrisch.
Ich war durcheinander.
So durcheinander, dass es dir nicht möglich war, deine Hausaufgaben zu erledigen?
Spinnst du? Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig! Wenn ich meine Hausaufgaben fertig habe, gebe ich sie dir ok?!
Du gibst sie mir sofort oder wir vergessen die ganze Sache.
Gut, dann vergessen wir es eben.
Das wird Konsequenzen haben Kaoruchan.
Mit dem erhobenen Zeigefinger zeigte er auf die Mädchen und schmiss schließlich die Zimmertür hinter sich zu.
Was hat er wohl vor?
Keine Ahnung.
War ich ungerecht zu ihm?
Bitte?! Kaoru, du hast wohl vergessen, wer beziehungsweise was er ist?!
Nein, natürlich nicht.
Plötzlich vernahmen die beiden laute Schreie aus dem Treppenhaus und stürzten zur Tür, die sie ungehalten aufrissen.
Lass mich! Constantine ich flehe dich an, lass mich los.
Doch er antwortete nicht und fasste noch fester zu.
Das ist Selma! entfuhr es Sassy verschreckt und die Mädchen liefen langsam aus ihrem Zimmer.
Was hat er denn vor?
Sassy zuckte mit den Schultern. Eine weitere Zimmertür öffnete sich und Susi und Nora steckten ihre Köpfe heraus.
Was ist los hier?
Er hat Selma! rief Kaoru ängstlich und so folgten sie alle vier dem lauten Geschrei.
Constantine, bitte...
Schweig! Für deinen Verrat wirst du brennen!
Er riss die Tür zum Garten auf und warf Selma in das Gras. Die Sonne brannte sich in Sekunden durch ihre fade Haut. Kaoru kreischte laut auf und schließlich verwehte der Wind einen kleinen Haufen Asche, die sterblichen Überreste von Selma.
Was hast du getan?! brüllten die vier Mädchen wie im Chor und tobten. Doch Constantine blickte einem Mädchen nach dem anderen tief in die Augen.
Was meint ihr? Ich weiß nicht, wovon ihr redet?
Na wir reden von... äh... Kaoru geriet ins Stocken und blickte zu den anderen, doch die waren auch schon am Überlegen. So sehr sie auch nachdachten, es wollte ihnen nicht einfallen.
Kaoru, was ist jetzt mit deinen Hausaufgaben? lenkte er alle ab und sah sie mit einem scharfen Blick an.
Die, die habe ich noch nicht fertig.
Und warum nicht? Du wolltest sie doch schon gestern zu mir bringen?
Ja, ich weiß, aber... Ich muss es vergessen haben.
Ja, weil du mal wieder geschlafen hast. So viel, wie du schläfst, würde ich das mal einen Arzt checken lassen.
Constantine war eiskalt. Er hatte die Gedanken der Mädchen so manipuliert, dass er ihnen alles auftischen konnte. Sie würden es ihm glauben, denn sie konnten sich an das eben geschehene nicht erinnern. Genau, wie Sassy und Kaoru sich nicht mehr an das Gespräch mit Selma oder mit Lotte erinnern konnten. Constantine war die Nummer zu heiß geworden und er wollte Kaoru unbedingt. Er wollte sie als echten Wildfang. Und er wollte sich sein Werk nicht von Selma zerstören lassen, also war er gezwungen, schnell zu handeln.
Wollen wir die Hausaufgaben eben schnell zusammen machen?
Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich mit Sassy zusammen noch die Aufgaben von heute erledigen.
Also gut. Dann mach erst die neuen Aufgaben und komm dann einfach zu mir hoch, ja?
Na gut.
Die Mädchen zogen sich wieder in ihre Zimmer zurück und ackerten ihre Aufgaben durch. KaoruŽs Kopf schmerzte etwas und sie meinte, dass er sie heute schon einmal nach den Hausaufgaben gefragt hatte, doch sie legte es als Déjà-vu zu den Akten.

Constantine hingegen stieg gelassen die Treppen zu der dritten Etage hinauf, als ihm Lotte eilig entgegen kam.
Was war los? Ich hatte ein sehr merkwürdiges Gefühl?
Doch er grinste sie nur an und schwieg.
Was hast du gemacht? Wo ist Selma? Und... Oh Gott...
Lotte senkte den Kopf und verstand. ConstantineŽs Machtspiele gingen also in die nächste Runde. Bald würde ihn niemand mehr stoppen können.
Ich werde Kaoru nachher noch bei den Mathehausaufgaben helfen. entgegnete er Lotte kühl und ließ sie auf der Treppe stehen.
Wirst du ihr etwas tun?
Ich kann nicht. Nicht so lange sie noch unschuldig ist. Aber das ist eine Situation, die ich schnellstens ändern will.
Noch einmal grinste er sie an und zog sich in sein Zimmer zurück. Lotte schüttelte den Kopf und blies sich durch das Gesicht.
Kaoru tat ihr Leid. Bald würde sie wie ein Braten auf seinem Teller liegen und er müsste sich nur noch das beste Stück von allen nehmen.

So, mit Deutsch sind wir also durch. gähnte Kaoru müde heraus und rieb sich die Augen. Vielleicht hatte Constantine ja wirklich Recht? Sie war schon wieder total erschöpft. Sie hätte auf der Stelle einschlafen können.
Lass uns Mathe eben schnell zusammen machen. Ich helfe dir dabei, ok? Dann musst du auch nicht zu Constantine hoch ok?
Meinetwegen. So schlimm ist er gar nicht. Gestern war er ganz nett, eigentlich.
Hast dich wohl in ihn verguckt?
Was?! Also Sassy, ich bitte dich.
Beide begannen zu lachen und lösten im Handumdrehen die restlichen Aufgaben. Nun, Sassy löste, Kaoru schrieb ab.
Morgen muss ich zum Chor. Muss ich irgendwas mitnehmen?
Deine Stimme und gute Laune. grinste Sassy ihr entgegen und kaute auf einem Bleistift herum.
Gute Laune? Naja ich weiß ja nicht. Wo ist Constantine eigentlich? Also in welchem Kurs?
Auch Kunst, allerdings eine andere Richtung, als ich.
So? Was malt er denn so?
PortraitŽs und Akt, so wie ich das mitbekommen habe. Jedenfalls lassen sich die Mädchen gern von ihm zeichnen. Sind alle eh nur auf das eine aus.
Akt? Das ist nackt nicht wahr?
Genau.
Ist er denn so beliebt, dass alle Mädchen gleich mit ihm ins Bett wollen?
Ich denke schon. Du weißt ja selbst, wie er manchmal sein kann. Das macht ihn wahrscheinlich attraktiv. Ach keine Ahnung, mir reicht Mario völlig aus.
Habt ihr schon?
Habt ihr schon was?
Na du weißt schon. Das eben.
Sex?
Kaoru nickte Sassy zu.
Ja, es war wirklich schön. Hast du denn schon mal mit einem Mann geschlafen?
Ich?! Niemals! Ich fand das immer zu zeitig für mich. Deshalb habe ich immer einen Rückzieher gemacht.
Weiß Constantine das auch?
Ich denke schon.
Na, nicht dass er nur deswegen so hinter dir her ist.
Wie meinst du das? Er ist doch gar nicht hinter mir her.
Ach Kaoru, nun tu nicht so. Dir muss es doch auch aufgefallen sein. Er ist hinter dir her. Jeden Tag aufŽs Neue.
Ist das so offensichtlich?
Na aber hallo! Früher hat er sich nie in dieses Zimmer verirrt. Jetzt kommt er schon regelmäßiger als ich hier her.
Nur weil ich Jungfrau bin?
Woher soll ich das wissen? Vielleicht ja vielleicht nein. Keine Ahnung. Frag ihn doch mal.
Bist du verrückt?! Nachher rastet er wieder so aus.
Sassy zuckte mit den Schultern und verstaute ihren abgeknabberten Bleistift in ihrer Federmappe.
Lass uns was essen gehen ja?
Meinetwegen.
Auf dem Rückweg können wir ja mal bei der Poststelle nachfragen, ob was für uns angekommen ist.
Poststelle?
Ja. Irgendwie muss man hier Kontakt nach außen halten.
Ich sollte Constantine zumindest Bescheid geben, dass ich die Aufgaben schon fertig habe. Wartest du auf mich?
Komm einfach in den Speisesaal, wenn du bei ihm fertig bist ja?
Also gut.
Kaoru schnappte sich ihr Heft, stieg wie so oft schon die Treppen zur dritten Etage hoch und klopfte an seine Tür. Irgendwie war ihr mulmig zu Mute. Sie konnte sich zwar nicht erklären, woran das lag, aber das Gefühl wollte nicht verblassen. Im Gegenteil, als er öffnete, sie freundlich in sein Zimmer bat und seinen Arm um ihre Schultern legte, wurde es noch heftiger.
Ich bin schon fertig mit den Aufgaben.
Oh! Ja, äh, dann zeig mal her.
Seine anfängliche Freude schien drastisch nachzulassen. Kaoru versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und strahlte munter weiter.
Die Aufgaben sind alle richtig gelöst. Hast du das allein gemacht?
Sassy hat mir ein bisschen geholfen.
Und hast du es jetzt verstanden?
Ich denke schon. Naja, ich werde jetzt mal wieder gehen.
So schnell schon?
Verschreckt drehte Kaoru sich noch einmal zu ihm um und blickte in sein trauriges, fast schon enttäuschtes Gesicht.
Nun ich wollte noch etwas essen gehen.
Achso.
Seine Enttäuschung war schon fast greifbar und Kaoru versuchte irgendeinen günstigen Moment abzupassen, an dem sie gehen konnte, doch es wollte sich einfach nicht ergeben.
Komm doch einfach mit. hörte sie sich plötzlich sagen und hätte sich am liebsten selbst auf die Zunge gebissen.
Bist du sicher?
Warum nicht? Komm schon. Kannst dich ja zu uns setzen, wenn du willst. Und wieder wünschte sie sich, ihre Zunge doch schon früher abgebissen zu haben.
Also gut.
Constantine legte wieder seinen Arm auf ihre Schulter und sie verließen gemeinsam sein Zimmer. Eigentlich war es ihr nicht so recht, wenn er sie begleitete. Was würden wohl die anderen sagen?
Der Speisesaal war schon gut besucht und es kehrte Ruhe ein, als Constantine zusammen mit Kaoru eintrat. Sassy warf nur einen kurzen Blick auf die beiden und nickte Susi und Nora zu.
Na komm schon. Steh hier nicht rum, wie angewurzelt.
Kaoru nahm seine Hand und zog ihn sanft durch den Speisesaal. An ihrem Tisch machte sie Halt und bot ihm einen Stuhl an, doch er packte nun sie an der Hand und führte sie zu seinem Tisch. Leises Tuscheln machte sich breit, als er ihr höflich den Stuhl zurecht rückte und sie etwas irritiert Platz nahm.
Nachdem auch er sich gesetzt hatte, fingen alle wieder an zu reden und zu essen.
Warum wollen wir nicht dort vorn sitzen? Ich meine, da vorn sitzen meine Freunde.
Und meine Freunde sitzen hier. Ich möchte, dass du bei mir sitzt Kaoruchan.
Aber Sassy und die anderen...
...können auch ohne dich essen. Ihr seht euch doch den ganzen Tag. Lass mir doch das bisschen Zeit, was mir mit dir bleibt.
Vollkommen durcheinander blickte sie ihn an. Hatte sie ihn gerade richtig verstanden? Er wollte Zeit mit ihr verbringen? Das war ja schon fast ein Antrag. Seine Freunde, die um sie herum saßen hatten davon kaum Notiz genommen und beachteten Kaoru gar nicht.
Stimmt etwas nicht?
Was?! Wieso?! fragte sie Constantine dumm doof.
Du starrst mich so an. Ist es denn so schlimm, dass ich Zeit mit dir verbringen möchte?
Achso, nein, also... Nein natürlich nicht, aber... Also es wundert mich.
Es wundert dich? Constantine lachte leise auf und kramte in dem Zeitungsberg, der mitten auf dem Tisch lag. Wieso wundert dich das?
Keine Ahnung. Ich dachte, du fändest mich vielleicht nicht so toll, weil du mich manchmal so anmaulst.
Wenn ich dich anmaule, dann nur, weil du es verdient hast. Außerdem hat hier jeder schon mal sein Fett weg gekriegt. Mach dir da nichts draus. Außerdem habe ich mich dafür schon bei dir entschuldigt, weißt du nicht mehr?
Doch schon.
Kaoru senkte den Kopf und nickte noch einmal zustimmend.
Wollen wir uns etwas zu essen holen?
Geh nur, Kaoruchan. Ich habe keinen Hunger.
Bist du sicher? Ich habe dich hier noch nie richtig essen sehen. Du bist doch nicht krank oder?
Ganz sicher nicht. Und nun geh schon, bevor dir alle anderen das Essen weg schnappen.
Wieder nickte Kaoru und stand schließlich auf, als er sich in seine Zeitung vertiefte. Einen Tag ohne dieses Papier schien er nicht zu überleben, aber ohne Essen kam er blendend aus. Es war ihr ein Rätsel. Ein Rätsel, auf das sie die Antwort bereits kannte, aber es wollte ihr einfach nicht einfallen. Sie begann auf dem Weg zu den TablettŽs vermehrt zu grübeln, gab es aber auf, als sich wieder so starke Kopfschmerzen bemerkbar machten. Nachdem sie sich etwas zu Essen ausgesucht hatte, marschierte sie direkt zu ConstantineŽs Tisch zurück und nahm neben ihm Platz.
Bist du sicher, dass du nichts essen willst?
Ganz sicher. Guten Appetit.
Danke.
Lustlos stopfte sie sich das Essen hinein und würgte es herunter. Er wollte also Zeit mit ihr verbringen. Er sagte das so selbstverständlich, dass es ihr nicht möglich war, ihm zu widersprechen. Ab und an warf er einen Blick zu ihr. Glücklich wirkte sie neben ihm nicht und er folgte ihren Blicken, die eindeutig zu SassyŽs Tisch führten.
Du siehst müde aus. Möchtest du vielleicht schon auf dein Zimmer gehen?
Äh... Müde war sie eigentlich nicht. Nicht ein Stück, aber das war ihre Chance, von diesem Tisch weg zu kommen. Ja. Das wäre schön.
Dann begleite ich dich ein Stück, nicht dass du mir zusammen brichst. Du siehst wirklich sehr sehr blass aus.
Was Echt?
Kaoru strich sich durch das Gesicht und steckte sich das letzte Stück Gurke in den Mund.
Also so schlecht geht es mir aber gar nicht.
Ist schon in Ordnung. Komm.
Constantine stand auf, legte seine Zeitung auf den Tisch und reichte Kaoru die Hand.
Mein Tablett...
Lass es stehen. Mario wird es nachher sicher gern für dich wegräumen.
Besagter blickte kurz auf und nickte kalt.
Also gut.
Und so verließen die beiden den Saal und schlenderten durch das Wohnheim.
Möchtest du wieder in meinem Bad duschen?
Nein, nein. Das ist schon in Ordnung, wenn ich hier unten dusche, aber danke.
Du bist ziemlich abweisend zu mir Kaoru.
Abweisend?!
Kaoru geriet ins Stocken und bemerkte, wie ihre Wangen sich röteten. Zwar sprach er die Wahrheit, mit dem, was er sagte, doch sie fühlte sich ertappt.
Naja. Ich mache mir Gedanken wegen morgen. Ich soll ja morgen singen. Ich kann es nicht.
Das sagst du mir schon zum x-ten Mal. Versuch es doch wenigstens. Warum machst du deshalb so eine Panik?
Weil es nicht das ist, was ich gewählt hätte, wenn ich die Wahl gehabt hätte.
Endlich war es raus. Kaoru war keinesfalls mit seiner Wahl zufrieden und hatte sich endlich Luft gemacht. Nun galt es seine herrische Reaktion ab zu warten und dann den Schock zu verdauen. Sie blickte ihn an, empfing jedoch ein verständnisvolles Lächeln.
Versuch es und wenn du es gar nicht magst, dann machst du eben etwas anderes.
Geht das denn einfach so?
Na sicher. Jeder trifft mal eine falsche Entscheidung und es wäre doch schade, wenn man diesen Fehltritt nicht wieder gut machen könnte, nicht?
Schon.
Was hättest du denn gewählt?
Ich weiß nicht. Vielleicht auch Kunst, so wie Sassy. Aber dann eher mit fotografieren und so. Das mache ich schon immer gern.
Fotos also... hmm...
Er umfasste seine Hände hinter seinem Rücken und folgte ihr langsam in Richtung ihres Zimmers.
Vielleicht habe ich da noch etwas für dich. Kann ich dir aber erst morgen sagen.
Was denn?
Er lachte leise und blickte sie an.
Ich kann es dir erst morgen sagen. Ich mache dir einen Vorschlag. Die ersten vier Stunden komme ich in deinen Kurs zum Singen und die anderen vier nehme ich dich in meinen Kurs mit. Was hältst du davon?
Ich weiß nicht.
Du willst also lieber acht Stunden lang singen?
Natürlich nicht!
Also gut, abgemacht?
Abgemacht.
Beide schlugen ein und er verabschiedete sich an ihrer Zimmertür mit einem Kuss auf ihre Wange. Kaoru ließ sich auf ihr Bett fallen und atmete zufrieden durch. Er hatte ihre Unzufriedenheit sehr human aufgenommen und war sogar richtig nett. Sie lächelte in sich hinein und warf einen Blick auf die Uhr. Sassy würde sicher bald aus dem Speisesaal kommen. In der Zwischenzeit könnte sie ja schon mal duschen gehen.
Gedacht, getan. Frisch geduscht betrat Kaoru von neuem ihr Zimmer, welches noch immer vor Leere gähnte. Sassy hatte sich wahrscheinlich noch bei Nora und Susi eingenistet.
Kaoru stellte ihren Wecker und schlief kurz darauf ein.

Ein grelles Kreischen, dass immer lauter wurde, riss Kaoru aus dem Schlaf. Entnervt töte sie ihren Wecker mit Blicken und trommelte schließlich mit der Hand auf den Schlummerknopf. Fünf Minuten hatte sie noch. Sie schloss die Augen und riss sie sogleich wieder auf.
Was, wenn Constantine sie abholen würde? Im hohen Bogen flog die Bettdecke weg und sie war innerhalb von wenigen Minuten angezogen und frisch gemacht. Wie ein Spaliersoldat stand sie inmitten des Zimmers und stierte auf die Tür. Sassy schüttelte nur verständnislos den Kopf und zog sich ruhig an. Und als hätte Kaoru es geahnt. Plötzlich klopfte es an der Tür und Constantine bat um Einlass.
Bin schon fertig! rief sie ihm entgegen und riss die Zimmertür weit auf.
Du hast heute aber außerordentlich gute Laune, was? grinste er ihr entgegen, reichte ihr den Arm zum Einhaken und lachte schließlich leise auf. Kaoru nahm sein Angebot an und hakte sich bei ihm ein.
Sassy, wir sehen uns ja gleich im Speisesaal oder?
Sicher. Je nachdem, wo du dich hinsetzt. kam leicht empört ihre Stimme aus dem Zimmer.
Kaoru biss sich auf die Unterlippe und blickte Constantine fragend an.
Wir werden sehen. Komm jetzt.
Schnellen Schrittes gingen die beiden zum Speisesaal. Dort angekommen, verharrte Constantine kurz und blickte sich um.
Wo möchtest du sitzen?
Naja. stammelte Kaoru vor sich hin. Ich würde schon gern bei Sassy und den anderen sitzen.
Gut.
Er umfasste ihren Arm und führte sie zu seinem Tisch. Enttäuscht nahm Kaoru Platz. Der Saal füllte sich und auch Nora, Susi und Sassy traten ein. Sie blickten zu Kaoru, die hilflos mit den Schultern zuckte.
Sie sitzt schon wieder bei ihm. stellte Nora genervt fest.
Gestern ja auch schon. fügte Susi hinzu und alle nahmen an ihrem Tisch Platz.
Kaoru verfolgte, wie Constantine Lotte zu nickte und die sogleich aufstand und zum Tisch der drei anderen ging.
Constantine wünscht, dass ihr heute mit an seinem Tisch sitzt. entgegnete sie den Mädchen freundlich und setzte ihr zuckersüßes Lächeln auf.
Bei Constantine am Tisch sitzen? Sassy drehte sich zu besagtem um und gaffte ihn an. Meinst du das Ernst?
Sicher. Kommt.
Ich bin nicht sicher, ob ich da wirklich sitzen will. stellte Nora genervt fest und verharrte auf ihrem Stuhl. Susi tat es ihr gleich.
Macht ihr, was ihr wollt. Ich wollte schon immer an diesem Tisch sitzen.
Sassy stand auf und stapfte aufgeregt zu der großen Tafel, an der natürlich auch Mario saß.
Darf ich mich hinsetzen, wo ich möchte?
Aber sicher.
Und so setzte sie sich neben ihren Schatz und strahlte über beide Ohren. Und auch Kaoru freute sich, dass sie Sassy ganz in ihrer Nähe hatte.
Hör mal. Ich sagte dir ja gestern, dass ich da etwas für dich hätte. Ich muss mich etwas korrigieren. Eigentlich möchte ich etwas von dir.
Kaoru verschluckte sich an ihrem heißen Kaffee und blickte Constantine groß an.
Wie? Du willst was von mir? Wie meinst du das?
Ich möchte, dass du heute im Kunstkurs ein paar schöne Fotos machst. Würdest du das für mich machen? Ich möchte sehen, was du kannst.
Sicher. Und was für Fotos?
Das zeige ich dir später.
Und wieder schlug er seine Zeitung auf und vertiefte sich in einen Artikel. Sassy und Kaoru schnitten Fratzen quer über den Tisch und kicherten leise vor sich hin. So viel Spaß hatte das Frühstück schon lange nicht mehr gemacht. Kaoru hielt kurz inne und folgte ihrem Gedanken. Wie toll musste es doch sein, wenn man so viel Macht hatte, wie Constantine. Sie überlegte, wie er wohl so beliebt geworden war, doch sie konnte sich keinen Reim darauf bilden. Schließlich war er zynisch, schnell reizbar und aggressiv. Andererseits konnte er total gefühlvoll, nett und anschmiegsam sein. Das alles passte überhaupt nicht zusammen. Als ihr langsam die Kaffeetasse aus der Hand zu gleiten schien, kehrte sie in die Realität zurück und schnitt wieder eine grässliche Grimasse zu Sassy.
Ihr beiden habt Spaß was? bemerkte Constantine hinter seiner Zeitung und schüttelte den Kopf.
Du kannst uns doch gar nicht sehen. entgegnete Kaoru ihm und streckte die Zunge heraus. Er konnte sie nicht sehen, denn sein Gesicht hing hinter der Zeitung und doch...
Er warf die Zeitung zu Boden, schnappte sich ihre Zunge mit den Fingern und blickte sie an.
Na? Überrascht?
Wie hast du das gemacht? schnalzte sie ihm mit ihrer Zunge in seiner Hand entgegen.
Leise lachte er auf und ließ sie wieder los.
Man muss nur aufmerksam genug sein.
Vollkommen verdattert blickte sie zu Sassy. Die lachte gerade Tränen dank dieser Aktion und Kaoru zog die Augenbrauen zusammen.
Ich kann das irgendwann auch und dann bist du das Versuchskaninchen, Sassy!
Ich warte sehnsüchtig auf diesen Tag. lachte sie weiter und widmete sich ihrer letzten Tomate auf dem Teller.
Mario? flüsterte sie ihrem Freund entgegen und blickte ihn fragend an. Du bist so ruhig, ist alles in Ordnung?
Doch Mario reagierte gar nicht, sondern fixierte Constantine mit seinem Blick. So, wie es sich entwickelte, konnte es nicht weiter gehen. Sein Blick schweifte zu Lotte und plötzlich nickte er mit dem Kopf, ein Zeichen, dass er sie sprechen wollte. Sassy beobachtete die beiden. Ein stechender Schmerz durchzog sie. Lief da etwas zwischen den Beiden? Vielleicht hatte sie es gar nicht bemerkt? Eigentlich war es ja klar. Mario verbrachte immer viel Zeit mit Lotte, die nicht gerade schlecht aussah. Sie wohnten auf der selben Ebene und ihre Zimmer lagen nah beieinander. Sassy biss sich auf die Unterlippe.
Mario? fragte sie wieder und zupfte an seinem Ärmel.
Ja? antwortete er endlich und Sassy atmete erleichtert auf. Können wir nachher vielleicht kurz reden?
Sicher. Aber hat das Zeit bis heute Nachmittag?
Wieso nicht gleich nach dem Frühstück?
Ich muss noch mit Lotte reden, deshalb ist es nach dem Frühstück eher schlecht.
Wie konnte er ihr das so unverblühmt sagen? Hatte er kein Herz? Konnte er die Sache zwischen sich und Lotte nicht besser verstecken? SassyŽs Herz versetzte ihrem Körper wieder einen stechenden Schmerz und sie nickte ihm unterwürfig zu. Lieber am Nachmittag reden, als gar nicht. Mario legte seinen Kopf auf die Seite und blickte sie fragend an.
Ist alles in Ordnung?
Sicher. entfuhr es ihr trocken und sie starrte still auf ihren Teller.

Im Saal wurde es langsam unruhig und die ersten räumten ihre Tabletts weg, um zum Unterricht zu gehen. Kaoru blickte sich um. Sie hatte wirklich überhaupt keine Lust auf vier Stunden singen. Doch ConstantineŽs Blick durchzog sie wie ein Blitz, der keine Widerrede duldete. Er würde schon recht bald merken, dass Kaoru nicht singen konnte. Und dann würde er seine Wahl bereuen. Sicher würde er aus den Ohren bluten und sich schreiend am Boden wälzen.
Kaoru schmunzelte vor sich hin und fing leise an zu kichern. Unbemerkt legte Constantine seine Zeitung auf den Tisch und betrachtete sie von der Seite. Mit einem Lächeln im Gesicht schüttelte er den Kopf.
Komm Kaoru, wir sollten uns auch langsam auf den Weg machen. er legte seinen Arm auf ihre Schulter und blickte sie mit seinen leuchtenden Augen an. Ich will dich endlich singen hören.
Kaoru schluckte schwer und nickte schließlich. Keine Widerrede. Nicht widersprechen.
Sie verließen den Speisesaal und er führte sie durch die Schule zu den Räumen der Wahlpflichtfächer. Sie waren separiert abgetrennt und auf den Fluren liefen viele Schüler herum. Als sie Constantine mit seiner Errungenschaft entdeckten wurde es still und es bildete sich eine Schneise in der Mitte des Ganges, damit beide passieren konnten. Kaoru sah sich etwas ängstlich um und zupfte nervös an ihrem Pulli. Sie wollte doch nicht singen.
Constantine hingegen öffnete eine der großen schweren Holztüren und schob sie in das Zimmer. Gleich zehn Paar Augen starrten sie fragend an, wandten den Blick aber schnell wieder ab.
Hier ist deine Gruppe. Setz dich zu den anderen. Ich nehme hier hinten Platz.
Aber...
Nun geh schon, sie werden dich nicht fressen.
Langsam schlich sie sich zu den anderen. Niemand grüßte sie, niemand wagte es sie auch nur anzusehen. Kaoru senkte den Blick und ließ sich auf einen der Stühle nieder. Vor ihr stand ein Notenständer. Auf ihm ein kleines Heft mit Liedtexten. Sie schlug es auf und überflog die Eintragungen. Ihre Augen weiteten sich.
`Was ist das denn?!Ž raste es durch ihre Gedanken und wieder blickte sie sich im Raum um. Niemand reagierte. Was sollte das denn für Musik werden? Sie kannte nicht einmal die Sprache?!
Hallo Kaoru. hörte sie endlich jemanden sagen und ihr wurde es etwas mulmig, als sie sich nach der Stimme umdrehte.

Was hast du vor?! kreischte Lotte und lief Mario hastig nach. Beide stiegen die Treppen hoch und er stoppte plötzlich genau vor ihr.
Sie wird ihm den Untergang bringen! Hast du seine Blicke nicht gesehen? Wenn das so weiter geht, sind wir bald des Todes!
Wovon redest du?! Glaubst du nicht, dass auch Vampire sich verlieben können?
Doch! Eben drum! preschte er Lotte an und ballte seine Fäuste. Bisher war der Clan für ihn sein ein und alles. Jetzt, wo dieses Göhr da ist, vernachlässigt er alles. Letztens erst sagte er, dass ich die Vampyra Missa ausrichten soll!
Das ist doch gut! Du solltest dich geehrt fühlen!
Nein Lotte! Du verstehst das nicht. Mag sein, dass es daran liegt, dass du eine Blutgeborene bist. Ich sehe es eben anders.
Und was willst du dagegen tun?
Wir müssen das Mädchen verschwinden lassen. So schnell wie möglich. Ich werde ihr noch heute eine Einladung zur Vampyra Missa schreiben. Wenn sie aus dem Weg geschafft ist, dann wird Constantine vielleicht endlich wieder normal.
Stell dir vor man würde das mit Sassy machen. Würdest du nicht in Trauer versinken?
Saskia ist ein ganz anderes Thema. Sie lässt mir Freiräume und engt mich nicht so ein, wie es Kaoru mit Constantine macht.
Kaoru macht doch gar nichts! Merkst du denn nicht, dass es eher umgedreht ist? Er belästigt sie doch die ganze Zeit!
Er hat ja auch das recht dazu.
Du widersprichst dir Selbst Mario. Merkst du das? Du sagst...
Halt jetzt deinen Mund. Ich will, dass du mich entschuldigst. Ich werde erst zur zweiten oder dritten Stunde kommen. Ich muss diesen Brief noch schreiben. Kaoru muss ihn noch vor heute Abend bekommen.
Na dann gutes Gelingen. Constantine wird sie ab der vierten Stunde mit in den Kunstkurs nehmen. Ich bin gespannt, wie du ihr diese Fälschung übergeben wirst.
Fälschung? lachte er ihr böse entgegen. Constantine sagte mir, dass ich die Vampyra Missa planen soll. Dazu gehören auch die Einladungen. Sie sind offiziell und gültig.
Wenn er heraus bekommt, dass du Kaoru etwas tun willst, wird er dich in der Luft zerreißen!
Er bekommt es nicht raus.
Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher. Schließlich bin ich Mitwisserin.
Lotte stieg empört die Treppen herunter, doch Mario folgte ihr und packte sie am Hals. Ihre Gesichter lagen nah beieinander und Lotte beugte sich weiter nach hinten. Ihr Rücken berührte bereits das Treppengeländer.
Du wirst nichts verraten. Solltest du es wagen, finde ich Mittel und Wege auch dich aus dem Weg zu räumen, ist das klar?
Verschreckt nickte sie ihm zu.
Aus der ersten Etage beobachtete Sassy alles. Sie hatte also Recht. Sie waren schon so unvorsichtig geworden, dass sie sich auf der Treppe küssten. Sie sah Lotte nur von hinten und sie sah Mario, wie er seine Hand um ihren Hals gelegt hatte. Es wirkte tatsächlich so, als würden sie sich küssen. Dass sie eigentlich stritten kam Sassy nicht in den Sinn. Tränen rollten an ihren Wangen herunter und sie lief zurück in ihr Zimmer. Ersticken sollten sie an ihrem Kuss!
Sie warf sich auf ihr Bett und weinte bittere Tränen. Wie konnte er ihr das nur antun?

Tut mir Leid, aber kennen wir uns?
Kaoru blickte fragend in die Augen des Jungen, der sie namentlich angesprochen hatte.
Nein, aber ich habe schon so einiges von dir gehört. Mein Name ist Luka. er schnappte sich einen Stuhl und setzte sich neben sie.
Freut mich. lächelte sie ihm entgegen und atmete auf. Sie war froh gleich jemanden gefunden zu haben, der so nett zu ihr war. Und was hast du so von mir gehört?
Naja, so dies und das. Hauptsächlich, dass du heute morgen bei Constantine am Tisch gesessen hast. Das macht im Moment die größte Runde.
So ein Blödsinn. Nur wegen so einem dusseligen Tisch?
Allerdings, nicht jeder darf da sitzen.
Und wenn schon.
Luka grinste sie groß an.
Was denn?
Schön, dass du da bist.
Was? Wieso das denn?
Wir haben nicht all zu viele Mitglieder. Ein Wunder, dass du beigetreten bist.
Und warum?
Naja, wer singt heutzutage noch?
Naja, die ganzen Stars zum Beispiel?
Siehst du hier irgendeinen Star? lachte er ihr entgegen und blickte sich aufgesetzt suchend um.
Nein. schmunzelte sie ihm zu und musste noch mehr lachen, als er mit den Händen ein Fernglas imitierte.
Aber schön, dass du hier bist. Bringt etwas frischen Wind in die Gruppe.
Constantine legte seinen Zeigefinger unter sein Kinn und beobachtete die beiden. Seinem Blick entging nicht und er stand schon in Flammen, als er bemerkte, dass Luka, einer aus der Klasse unter ihm, mit dem Stuhl näher an Kaoru heran rückte. Gleich würde er aufstehen und den Körper dieses Lustmolches in der Luft zerreißen. Und wenn er mit ihm fertig war, würde er Kaoru mit sich nehmen und sich endlich holen, wonach es ihm die ganze Zeit verlangte. Er ballte eine Hand zur Faust und zog seine Oberlippe hoch, sodass man seine menschlichen Zähne sehen konnte. Er kochte vor Wut, vor Eifersucht, vor Hass für diesen Jungen. Schließlich stand er auf und legte Luka die Hand auf die Schulter.
Du beeinflusst sie zu sehr. Sie soll sich auf den Text konzentrieren. entgegnete er ihm kühl und blickte tadelnd zu Kaoru. Gerade als sie Luft holen wollte, um sich zu beschweren winkte Luka ihr zu und stand auf.
Ist schon gut. Ich will deinen Lover nicht reizen.
Verschreckt blickte Kaoru abwechselnd zu den beiden, doch Constantine reagierte gelassen und warf ihm ein kaltes Lachen zu.
Spricht da der Neid?
Nein? Neid wofür? Für das, was du dir noch nicht genommen hast?
Sofort ballten sich ConstantineŽs Hände und er hob sie ruckartig in die Höhe.
Nicht schlagen! rief Kaoru und klemmte sich mit aller Kraft an ConstantineŽs Arm. Er hat es sicher nicht so gemeint.
Tzz.. entfuhr es Constantine und mit einem hämischen Lachen drehte Luka ab. Kaoru atmete tief ein und blies die Luft erleichtert durch ihr Gesicht. Das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnte, war eine Schlägerei. Wieder fiel ihr Blick auf den Text und die vielen Noten, die sie vor sich sah. `Oh FortunaŽ, das war also das Stück was er von ihr hören wollte und sie biss sich auf die Unterlippe. Sie kannte weder das Lied, noch den Text, noch sonst irgendwas und als dann endlich die Kursleiterin eintrat wurde ihr mulmig. Nett war sie, aber doch wollte sie, dass Kaoru sang und das behagte ihr gar nicht.
Ich kenne das Lied nicht. Noten lesen kann ich auch nicht. Tut mir Leid.
Das ist kein Problem. Ich schlage vor, dass du dir erstmal etwas anhörst und dann versuchst du einfach einzusteigen.
Gerade als Kaoru dagegen protestieren wollte, trafen sich ihr Blick und der von Constantine und ihre Stimmer versagte ihr den Dienst.







© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz