Abschied

Autor: Kusja
veröffentlicht am: 21.08.2013


„Du gehst.“ Keine Frage, eine Feststellung.
Wir stehen uns gegenüber im Flur. Ein Koffer zwischen uns. Eine ganze Welt, Welten.
Sie versucht zu lächeln:“ Nun ja, es war abzusehen.“ Das Lächeln erreicht ihre Augen nicht. Es sieht verkrampft aus, gezwungen.
„Einer von uns beiden hätte über kurz oder lang diesen Schritt gemacht. Er war...“ „...unausweichlich.“, beendet sie den Satz für mich. Dieses mal bin ich derjenige, der versucht zu Lächeln.
Es zieht schmerzlich in meinen Mundwinkeln. Im Spiegel hinter ihr, sehe ich mein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt. Als hätte ich Zahnschmerzen.
Stille. Angestrengt denke ich darüber nach, was man noch sagen könnte. Etwas, was in den letzten Tagen, Wochen, noch nicht gesagt wurde , es fällt mir nichts ein. Ich schweige. Wir vermeiden es uns in die Augen zu sehen. Keiner will den unausgesprochenen Vorwurf des Anderen in ihnen lesen, schon wieder.
„Du verlässt mich“ „Du lässt mich gehen“.
Sie räuspert sich, blickt auf, streicht sich mit zittrigen schlanken Händen eine braune Haarlocke hinter das Ohr.
Sie ist nervös. Lässt die Hand wieder sinken, räuspert sich noch mal. Zupft an ihrem grünen Top herum.
„Hast du...“, fangen wir beide an, müssen lachen. Es hört sich schwer und krächzend an. Wie alte, seit Jahren nicht geölte Scharniere. Unsere Blicke kreuzen sich für einen Moment. Ich sehe Schmerz in ihren Augen, ehe ich meine wieder sinken lasse. Schaue auf meine Schnürsenkel.
„Du zuerst“, sage ich.
Sie versucht die Hände in die Hosentaschen ihrer Jeans zu stecken, versucht ruhig zu klingen, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. Zu gut kenne ich sie. Mir entgeht nicht das leichte Zittern ihrer Lippen, ich lasse mir Nichts anmerken. „Hast du nichts vergessen? Alles eingepackt?“
Überflüssige Frage. Sie kennt mich, ich vergesse nie etwas. Sie weiß es, beißt an ihrer Unterlippe herum. Trotzdem antworte ich. „Ja.“
Stille. Eine laute Stille. Gefüllt mit den Streitereien der letzten Wochen, den Vorwürfen, den Tränen, den Schuldzuweisungen.
„Und..“, wieder schaffe ich es nicht meinen Satz zu Ende zu bringen. „Ich komme zurecht, irgendwie.“ Dieses mal ist ihr Lächeln echt, traurig, sehnsüchtig, aber echt. „Mach dir keine Sorgen“, fügt sie hinzu. Das tue ich nicht. Ich weiß, dass sie das überstehen wird. Es wird Zeit brauchen, auch bei mir, aber wir werden darüber hinwegkommen, irgendwann.
Es gibt nichts mehr zu sagen, wir beide wissen das. Den Moment noch länger hinauszuzögern wäre gefährlich. Die Stimmung droht zu kippen. Ich will nicht in einen Streit verfallen, nicht heute, nicht unter diesen Umständen.
Sie scheint meine Gedanken zu erahnen. Tritt unruhig von einem Bein auf das Andere. Mir fällt es leichter meine Nervosität unter Kontrolle zu halten, doch dann bemerke ich ihren Blick, der auf meine Hand gerichtet ist. Mir war nicht klar, das ich sie die ganze Zeit zu einer Faust geballt hatte. Ich entspanne sie, meine Knöchel knacken. Das Geräusch durchbricht die Stille.
Ich breite zaghaft meine Arme aus, nicht wissend, wie sie darauf reagieren wird. Ihr Körper spannt sich an, bereit die Flucht zu ergreifen. „Zum Abschied?“, meine leise Stimme ist mehr eine Bitte, als eine Frage.
Zögernd kommt sie näher. Unbeholfen umarmen wir uns, den vollgepackten Koffer dazwischen. Ein letztes Mal sauge ich den Duft ihres Körpers ein, den Duft nach ihrem Himbeershampoo, den Duft des Sommers, an dem wir uns kennengelernt hatten, so vertraut und doch so fremd, entfremdet.
Ich lasse sie los, trete einen Schritt zurück.
„Leb\' Wohl“, ihre Stimme droht zu brechen. Hastig wendet sie sich ab und geht ins Wohnzimmer. Ich packe meinen Koffer. Meine Hand streckt sich nach der Wohnungstür aus. Vorsichtig drücke ich die Türklinke runter, trete ins Treppenhaus. Werfe einen letzten Blick zurück. Der Flur bleibt leer.
Meine Schritte hallen bereits im Treppenhaus wieder, während der dumpfe Knall der ins Schloss fallenden Tür mich auf meinem Weg begleitet.







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