Herz über Kopf - Liebe kennt keinen Verstand - Teil 4

Autor: Pumpernickelbrot
veröffentlicht am: 15.05.2015


Sonntag 27. März
Das vibrieren ihres Handys weckte sie auf. Schlaftrunken nahm sie den Anruf entgegen "Ja..." gähnte sie.
"Du bist also bei mir?"
"Hä? Lisa? Was ist los?"
"Ray hat gerade panisch angerufen ob du bei mir geschlafen hast... er macht sich sorgen weil er dich nicht erreicht."
"Oh shit! Ich bin eingeschlafen. Was hast du gesagt?"
"Dass du unter der Dusche bist."
"Danke Lisa"
"Wo bist du denn wirklich"
"Erzähl ich dir ein anderes Mal"
"Also ist es Amir oder der Typ über den du nicht mit mir reden willst"
Neben ihr regte sich David.
"Wir reden später Lisa, ich muss Schluss machen?" flüsterte sie ins Handy und beendete das Telefonat.
"Guten morgen" grüßte David verschlafen nachdem sie aufgelegt hatte. Er gähnte herzhaft und richtete sich langsam auf.
"Hast du gut geschlafen?" fragte er während er sich gleichzeitig ordentlich streckte.
"Ja danke." sie lächelte ihn an "aber ich muss jetzt los."
"Kein Frühstück?"
"Vielleicht ein anderes Mal"
"Okay, ich bring dich noch zu deinem Auto"
Vor ihrem Auto gab er ihr noch ein Küsschen auf die Wange. "War wirklich schön gestern."
"Ja fand ich auch" erwiderte sie ehrlich.
"Hey, kann ich dich noch was blödes fragen?"
"Was denn?"
"Gibst du mir deine Nummer" nun musste sie lachen.
"Hast du dein Handy hier?"
"Ich merk sie mir schon" Sie sagte ihm die Nummer und fuhr nachhause.

Montag 28. März
Am Montag nach der Uni schaffte sie es einfach nicht Lisa vom Thema abzulenken.
"Komm schon sag, bei wem hast du am Samstag geschlafen?" fragte sie immer wieder.
"Sein Name ist David"
"Hast du nur bei ihm oder auch mit ihm geschlafen?"
"Nur bei ihm Lisa! Ich kenne ihn erst seit knapp drei Wochen."
"Wo hast du ihn kennen gelernt?"
"Als ich mit Cora spazieren war hat er mich angesprochen." das war zumindest nur halb-gelogen. Richtig Kennengelernt hatte sie ihn ja wirklich im Park.
"Und wie sieht er aus? Was macht er beruflich? Wie alt ist er?"
"Er sieht gut aus, ehrlich gesagt weiß ich gar nicht was er arbeitet und er ist einundzwanzig."
"Und, denkst du da wird mehr daraus?"
"Nein, sieht nicht so aus"
"Warum nicht?"
"Naja er hat... er hat einen sehr strengen Glauben und ich... nunja ich passe nicht in seine Gemeinschaft"
"Ist er etwa in einer Sekte?"
"Ja so etwas in der Art"
"Hoffentlich keine gefährliche, oder eine von diesen Selbstmordsekten oder was weiß ich was"
"Naja, zumindest keine in die ich hineingezogen werden will"
"Kann er denn nicht... nunja... Austreten?"
"Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal ob er das überhaupt will."
"Eigenartig. Was die machen ist doch so eine Art Gehirnwäsche oder?"
"Ja das ist es wirklich"
"Was findest du den bloß an so einem?"
"Ich weiß es nicht. Wenn wir alleine sind wirkt er ganz normal. Und er hat etwas geheimnisvolles an sich. Außerdem ist er mir gegenüber sehr Rücksichtsvoll. Irgendetwas hat er eben an sich..."
"Ja geheimnisvoll... wahrscheinlich führen die da irgendwelche eigenartigen Rituale bei ihm in der Sekte durch und das macht ihn so geheimnisvoll. Vielleicht solltest du dich besser von ihm Fernhalten. Vor allem wenn du nicht einmal weißt was für eine Sekte das ist."
"Er führt keine eigenartigen Rituale durch. Er ist eigentlich ein ganz normaler Kerl, es ist nur seine Gemeinschaft die... nunja... definitiv nicht gut ist. Weder für ihn noch für sonst jemanden."
Sie diskutierten noch eine Weile weiter. Mit der Sekte hatte sie die perfekte Metapher geschaffen. Einerseits hasste sie es, ihre beste Freundin zu belügen doch andererseits tat es gut endlich mit jemanden über David zu reden ohne die ganze Wahrheit über ihn sagen zu müssen. Das hätte vermutlich nicht einmal Lisa verstanden. Sam musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich Gefühle für David hatte. Wäre er nur nicht in dieser Gruppe. Wäre er nur keiner von denen. Wäre er nur kein Nazi.

Er öffnete die Tür, doch anstatt wie erwartet Sam zu sehen, stand dort Marius. Ohne ihn zu grüßen drängte sich der Anführer der Gang in den kleinen Flur und sein Blick fiel sofort auf die Decke die über dem Spiegel hing. Kurzerhand riss er die Decke weg und ging weiter in das kleine Wohnschlafzimmer. Dass die Flagge nicht mehr über dem Schlafsofa hing entging ihm natürlich auch nicht.
"Wo ist deine Flagge?" fragte er wütend.
"Meine Mutter war zu Besuch, da hab ich sie abgenommen" log David.
"Du verleugnest wer du bist? Dave, du weißt du warst immer wie ein kleiner Bruder für mich, doch in letzter Zeit lass ich dir einfach zu viel durchgehen. Du widersprichst mir, bist kaum noch bei unseren Treffen bei Raimund, trägst deine Stiefel nicht mehr und jetzt das. Was ist los?"
"Es ist nichts, es war wegen meiner Mum... Ich hab ihr versprochen von Ärger fernzubleiben"
Plötzlich begann Marius boshaft zu lachen.
"Wegen deiner Mami also" er lachte immer noch und ehe David wusste wie ihm geschah hatte er schon Marius\' Faust im Gesicht.
"Vergiss nicht wer du bist und wem deine treue gehört, Bruder. Es würde nicht gut für dich ausgehen, glaub mir. Heute Abend will ich dich in einem normalen Aufzug ? und nicht mit diesen lächerlichen Turnschuhen ? bei Raimund in der Garage sehen. Es wird Zeit dass du wieder ein bisschen Action bekommst. Vergiss deinen Schlagring und dein Messer nicht"
Nach diesen Worten verschwand er wieder. David stand regungslos da. Seine Nase blutete von Marius\' Schlag und sein Kopf hämmerte. Scheiße. Er schnappte sich sein Handy und tippte die Nummer ein die Sam ihm am Vortag genannt hatte. Keine Antwort. Also entschied er sich für eine SMS
- Sam, bitte geh heute Abend auf gar keinen Fall in den Park und schon gar nicht zu meinem Haus. Besser du bleibst ganz Zuhause und dein Bruder und euer Mitbewohner auch! Die Jungs haben irgendetwas vor. Pass auf dich auf. David - Dann pfefferte er das Handy aufs Sofa und ballte die Fäuste. Scheiße. Scheiße. Scheiße.

Freitag, 1. April
Es war Freitag, seit er ihr am Montag diese komische SMS bekommen hatte, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Natürlich hatte sie seine Warnung ernst genommen und war mit Steve und Ray zuhause geblieben. Allmählich machte sie sich Sorgen. Gedankenverloren verließ sie die Uni, Lisa hatte die letzte Vorlesung geschwänzt um mit Fabian übers Wochenende zu seiner Familie nach Österreich zu fahren. Dann sah sie ihn. David lehnte an der Motorhaube seines VWs den er auf den Universitätsparkplatz geparkt hatte. Schon vom weiten erkannte sie den violetten Ring der sich über sein linkes Auge zog.
"Was ist passiert?" fragte sie besorgt als sie endlich bei ihm angekommen war.
"Ist nicht so schlimm wie es aussieht" tat er das blaue Auge mit einer Handbewegung ab und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, "es ist schön dich zu sehen"
Dann sprang er von der Motorhaube und öffnete die Beifahrertür für sie. Ohne etwas zu sagen stieg sie ein und er tat es ihr gleich.
"Heute Abend bin ich bei meiner Mutter zum essen eingeladen..." begann er plötzlich "ich hab mich gefragt ob du vielleicht Lust hättest mich zu begleiten?"
"Essen? Zu deiner Mutter?"
"Warum nicht?"
"Ich weiß nicht... ich meine... ist sie so wie... ähm... wie deine Freunde?"
"Nein sie ist kein Nazi! Sie hasst mich dafür. Nach dem Vorfall am See damals mit deinem Bruder hatten wir eine Weile Kontakt, doch letzten Freitag haben wir uns sozusagen wieder Vertragen."
"Willst du mich mitbringen um ihr zu beweisen, dass du dich geändert hast?"
"Das ist gemein. Du weißt, dass mir einiges an dir liegt, deshalb will ich dich mitnehmen."
"Sagst du mir wie das mit deinem Auge passiert ist?" wechselte sie plötzlich das Thema ohne auf seine Einladung zu antworten.
"Besser nicht"
"Warum nicht"
"Weil du mich ohnehin schon für ein Monster hältst."
"Du hast dich also wieder geschlagen?"
"Können wir bitte über etwas anderes reden?"
"Mit wem?"
"Wenn du es unbedingt wissen willst: Mit einer Bande Türken die wir in der Fußgängerzone getroffen haben."
"Du widerst mich an!" was hatte sie erwartet? Er war noch immer der Gleiche. Hatte sie etwa geglaubt er würde sich für sie Ändern? Woher sollte das blaue Auge auch sonst stammen? Etwa von einem aus seiner Gang? Plötzlich wurde ihr schlecht.
"Lass mich sofort aussteigen."
Augenblicklich hielt er den Wagen an.
"Sam bitte, du wusstest von Anfang an wer ich bin. Wer meine Freunde sind."
"Deine Freunde? Eine Bande von rassistischen Arschlöchern ist das. Das ist alles"
"Und ich bin einer von ihnen..."
"Was willst du dann von mir? Warum hast du mich damals gewarnt? War das etwa alles nur ein Spiel für dich?"
"Ich weiß auch nicht was das zwischen uns ist. Ich weiß nicht warum ich dich damals gewarnt habe. Aber Spiel war das sicher keines. Du bist mir wirklich wichtig, das weißt du hoffentlich."
"Dann steig aus! Steig aus aus dieser verfluchten Gang, David, bitte! Das bist doch nicht du. Du bist doch nicht wirklich so!"
"Aus so einer Gang steigt man nicht so einfach aus... zumindest nicht lebendig"
"Willst du überhaupt aussteigen?"
"Die Jungs sind meine Familie. Marius ist wie ein Bruder für mich. Natürlich ist nicht alles gut was sie... ich meine was wir machen! Aber ich gehöre dazu, das wird sich auch nicht ändern."
"Was willst du jetzt hören? Dass es mich nicht stört, dass du ein Nazi bist?"
"Ich will, dass es dich stört! Ich will, dass es dich abschreckt! Es wäre besser für dich wenn du dich von mir fernhältst. Ich verspreche dir meine Clique wird dir und deinen Freunden nicht mehr in die Quere kommen, dafür sorge ich. Aber vielleicht sollten wir das, was zwischen uns ist, einfach beenden. Wir sollten uns nicht mehr sehen. Ich will dich nicht verletzen"
"Das tust du bereits. Mich verletzt deine Einstellung. Es verletzt mich wenn ich sehe wie du dein Leben wegwirfst. Das bist doch nicht du. Vielleicht bin ich die einzige die weiß wer du wirklich bist. Wenn du wirklich einer von denen wärst dann hättest du mich vorhin nicht gefragt ob ich mit dir zu deiner Familie essen gehe, dann wären wir nun nicht gemeinsam hier in deinem Wagen!"
"Das war eine dumme Idee. Ich bin wer ich bin, Sam. Ich habe keine Wahl."
"Man hat immer eine Wahl!" wütend sprang sie aus dem VW und knallte die Autotür hinter sich zu und lief das restliche Stück nachhause wo sie sich sofort in ihrem Zimmer einschloss. Irgendwann klopfte Ray an ihre Tür um zu fragen was passiert sei, doch sie wimmelte ihn ab. Lisa rief an doch sie ging nicht ans Telefon. Wie konnte sie nur so dumm sein? Er war ein Rechtsradikaler, ein Rassist, ein Nazi. So jemand ändert sich nicht von heute auf morgen einfach so. Wieder läutete ihr Handy. David. Sie drückte auf ablehnen. Er hatte recht gehabt. Es wäre besser wenn sie sich nicht wiedersehen würden. Dieser Gedanke machte sie jedoch unglaublich traurig.

Samstag, 7. Mai
Lisa tanzte überdreht um Sam herum. Sie spazierten gerade, gemeinsam mit Fabian, hinunter zum See. Es war der erste richtig heiße Tag dieses Frühlings und endlich wieder Zeit für ein Lagerfeuer am Strand. Cora rannte glücklich neben den Freunden her. Auch die Labradorhündin liebte den See. Von weitem hörten sie schon die Musik die von der Feuerstelle zu ihnen durchdrang. Die anderen waren also schon dort. Als sie endlich dazu stießen erkannte Sam neben den üblichen Gesichtern, nämlich denen von Ray, Steve, Amir und Oskar, auch Aishe, eine Studienkollegin von ihr, die fest an Oskar gekuschelt am Feuer saß. Cora begrüßte die Jungs mit einen freudigen Schwanzwedeln und beschnupperte Aishe neugierig.
"Hey Leute" grüßten Sam, Lisa und Fabian die anderen und setzten sich dazu ans Feuer.
"Hier Sam, auf der Decke ist noch Platz" lud Amir sie ein neben ihm am umgekippten Baumstumpf, über den er eine große Decke gespannt hatte, zu sitzen.
Sie grillten gemeinsam Würste, tranken Bier und später spielten Oskar und Fabian abwechselnd auf der Gitarre. Sie sangen Songs wie \'Wonderwall\', \'Hotel California\' und \'Summer of 69\'. Cora lag die meiste Zeit friedlich an Sam gekuschelt, die noch immer neben Amir saß. Mittlerweile hatten sie sich die Decke über die Schulter gelegt und genossen die gemütliche Stimmung am Feuer.
"Cora, was ist los" Sam erschrak als ihre Hündin plötzlich aufsprang. Schnell konnten alle am Feuer erkennen was den Labrador aufgeschreckt hatte. Eine Gruppe von Menschen kam in ihre Richtung. Ray, Steve und Sam erkannten sie sofort. Dann auch Fabian und Lisa. Es war die Nazigang. Bevor Sam es verhindern konnte rannte Cora freudig auf David zu.
"Cora, komm sofort wieder her" sie stand auf und mit ihr auch Amir. Zum Glück gehorchte Cora ihrem Frauchen und sie dackelte mit eingezogen Schwanz, vermutlich weil David sie ignoriert hatte, zurück zur Feuerstelle.
Die Nazigang kam nun weiter auf Sams Clique zu. Es waren neben den üblichen sechs, Marius, Klaus, Lukas, Mario, Raimund und natürlich David auch noch zwei weitere Männer die sie noch nie gesehen hatte. Außerdem hatten sie auch vier Mädels dabei. Eine davon, eine vollbusige Blondine, in Davids Armen. Es waren fast fünf Wochen vergangen seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seit ihrem Streit in seinem Auto. Danach hatte er einige Male versucht sie telefonisch zu erreichen, doch sie hatte seine Anrufe immer ignoriert oder weggedrückt. Ihn nun hier mit der Nazibande und einer Frau in seinen Armen zu sehen versetzte ihr dennoch einen Stich. Er schaute sie nicht direkt an. Ganz im Gegensatz zu Marius, der Sam geradezu mit den Augen auszog. Das entging natürlich auch Amir nicht, der sich sofort schützend vor sie stellte.
Weil die Gang keine Anstalten machte am Feuer vorbeizugehen erhoben sich nun auch alle anderen Jungs vom Lagerfeuer.
"Wir wollen keinen Ärger" ergriff Oskar, dessen Freundin Aishe vor Angst zitterte, das Wort.
Marius wandte nun endlich seinen Blick von Sam ab und wandte sich Oskar zu.
"Dann hättet ihr nicht herkommen sollen"
"Das ist ein öffentlicher Grund" mischte sich nun Amir ein.
"Mit dir redet keiner Kanake"
"Ihr könnt uns nicht provozieren, wir wollen hier nur friedlich am Feuer sitzen" sagte Oskar während Sam Amir an der Hand zurückhielt der schon nach vorne preschen wollte "er ist es nicht wert" flüsterte sie ihm kaum hörbar ins Ohr.
"Komm Marius, wir verschwinden hier" sagte David plötzlich laut. Für einen kurzen Moment trafen sich seine Blicke mit Sams. Sofort bekam sie eine Gänsehaut.
"Wenn du denkst, dir nicht die Hände schmutzig machen zu müssen dann verschwinde" zischte Marius wütend in Davids Richtung ehe er sich wieder der Clique am Feuer zuwandte "mir ist nach ein wenig Action!"
David lies das blonde Mädchen in seinen Armen los und trat nun direkt neben Marius.
"Ich bitte dich, ich bin nicht in Stimmung. Können wir jetzt bitte zu Raimund in die Garage gehen?" flüsterte er dem Anführer der Gang flehend zu. Doch dieser stieß ihn nur unsanft zur Seite. "Ich hab mit der Schokoschnitte da noch eine Rechnung offen und ich bin der Boss. Ich hab keine Lust auf deine Widerworte die ganze Zeit. Stehst du etwa nicht mehr zu uns?"
"Du weißt, dass ich immer zu dir stehe aber ich --"
"Aber was?" fiel Marius ihm ins Wort "du bist für uns, dann benimm dich auch so!" Dann stürzte er ohne Vorwarnung auf Amir, der immer noch vor Sam stand, zu. Der Rest der Gang tat es ihm gleich. Lisa schrie kurz auf und schnappte sich ihr Handy um die Polizei zu rufen, doch Raimund war schneller und schlug ihr das Handy aus der Hand, worauf hin Fabian sofort auf ihn los ging. Die zwei Unbekannten gingen zu zweit auf Steve los, während sich Oskar mit Klaus und Mario mit Ray schlug. Im gleichen Moment kam Lukas Marius zu Hilfe und riss Amir von ihm weg. Sofort kam Marius auf Sam zu und packte sie am Arm.
"So Puppe, du kommst jetzt mit" sagte er über Coras lautes Knurren hinweg und versuchte sie von der Schlägerei weg zu schleifen. Sie waren noch keinen Meter weit gekommen als David plötzlich vor ihnen stand.
"Lass sie sofort los" sagte David ruhig.
"Bist du verrückt geworden?" schrie Marius außer sich vor Zorn und stieß Sam zur Seite bevor er sich David zuwandte. "Was soll das, hast du etwa vergessen wer hier das Sagen hat?" Plötzlich hörte die Schlägerei auf und Marius\' Leute lauschten dem Streit zwischen ihm und David.
"Ich hab gesagt ich bin nicht in Stimmung. Wenn du so wenig darauf gibst was deine Leute wollen dann wird es wohl langsam Zeit, dass jemand anderes das Sagen hat!"
"Willst du mich etwa herausfordern David?" Der Anführer der Gang lachte spöttisch.
"Wenn ich das will dann sicher nicht vor denen" er nickte zum Lagerfeuer wo noch immer beide Parteien herumstanden und die Auseinandersetzung zwischen den beiden beobachteten. Zur allgemeinen Überraschung gab Marius klein bei. "Wir gehen" sagte er zu seinen Leuten und stapfte zornig voraus. David warf Sam einen kurzen Blick zu und ging zu seiner Gruppe. Er legte die Hand wieder um die blonde Frau und zog mit den anderen gemeinsam ab.
"Was war das denn eben?" fragte Steve als die Gang außer Sichtweite war.
"Sieht aus als hätten diese Nazischweine interne Probleme" spottete Ray, der sich schon wieder ein blaues Auge eingefangen hatte. Nun begannen sie über den Streit von Marius und David zu witzeln. Keinem schien aufgefallen zu sein, dass David genau dann dazwischen ging als Marius sich an Sam vergehen wollte. Keinem außer Lisa.
"Eine Art Sekte würde ich diese Gang aber nicht nennen" flüsterte sie später in Sams Ohr.
"Was meinst du?"
"Tu nicht so falsch. Ich weiß warum dieser David sich plötzlich gegen seinen \'Anführer\' gestellt hat. Warum hast du gelogen?"
Ertappt sah Sam sich um ob jemand sie belauschte. Sie erinnerte sich an das Gespräch vor einigen Wochen, hätte sie damals bloß nicht seinen echten Namen gesagt. Natürlich konnte ihre beste Freundin nun eins und eins zusammenzählen.
"Hättest du es verstanden wenn ich dir die Wahrheit gesagt hätte?"
"Natürlich nicht! Spinnst du? Er ist ein Nazi Sam! Ein Nazi!"
"Er ist... er ist --"
"-- Was ist er? Rechtfertige das nicht. Nur weil er dich jetzt verteidigt hat macht das noch lange keinen guten Menschen aus ihm."
"Ich weiß"
"Was gibt es zu tuscheln" mischte Fabian sich ein. Lisa strafte Sam nochmal mit einem vorwurfsvollen Blick und wandte sich ihrem Freund zu, "nichts Schatz, wir sind nur froh, dass diese Arschlöcher abgezogen sind. Hoffentlich schlagen sie sich jetzt gegenseitig die Köpfe ein."
"Ja, das wäre natürlich super" lachte er.

"Was bildest du dir eigentlich ein?" schrie Marius, immer noch außer sich vor Zorn, als sie wieder an ihrem Stammtreffpunkt, Raimunds Garage, waren.
"Lass uns \'nen Moment alleine, Babe" sagte David zu der Blondine und zog Marius am Arm von den anderen Schaulustigen weg "Ich will dir nicht deinen Platz als Anführer streitig machen Bruder, aber wenn du weiterhin meine Entscheidungen übergehst werde ich das müssen. Wir schlagen uns schon oft genug. Ich hab keine Lust aufs Gefängnis und eine dieser Mädchen hätte garantiert die Bullen gerufen. Außerdem, was willst du mit der Negerfotze? Du bist ja nahezu besessen von ihr. Ich wollte nicht, dass du dir die Hände oder sonst was schmutzig machst, verstanden?"
"Ich bin besessen von ihr? Das ist schon das zweite Mal, dass du die Kleine in Schutz genommen hast"
"Was nicht nötig wäre wenn du es nicht so auf sie abgesehen hättest. Was hattest du überhaupt mit ihr vor? Du wolltest sie sicher nicht von den anderen weg zehren um ihr ein paar aufs Maul zu geben" David wurde übel beim Gedanken daran, was Marius mit Sam gemacht hätte, wenn er nicht dazwischengegangen wäre.
"Du kannst dir schon denken was ich vorhatte. Und das werde ich sicher bald nachholen"
Neben der Übelkeit kroch immer mehr Zorn in David hoch, am liebsten hätte er Marius jetzt an Ort und Stelle krankenhausreif geprügelt, doch er ließ sich nichts anmerken.
"Hast du den keinen Stolz mehr Marius? Sie ist eine Negerin. Du solltest mir danken, dass ich dazwischen gegangen bin" schauspielerte er weiter.
"Die Kleine ist so hell, da kann man sich ja auch einreden sie sei eine Weiße. Außerdem sollten wir wenigstens etwas von diesen ganzen Niggern in unserem Land haben."
David schluckte seinen Zorn erneut runter und senkte die Stimme: "Ich sag dir Mal was, Marius! Die anderen reden schon... so etwas gehört sich nicht für unseren Anführer! Es gibt genug deutsche Weiber die sich um uns reißen, da brauchst du nichts mit Niggern oder sonst irgendwelchen Kanaken anfangen, wenn du keinen Aufstand haben willst."
Marius war zwar nicht dumm, aber der aller hellste war er auch nicht. Und offensichtlich vertraute er David noch genug um die Lüge zu glauben. "Danke für die Warnung, Bruder, ich werde mich vorsehen"

Sonntag, 8. Mai
Ihr Handy klingelte schon den ganzen Morgen pausenlos, doch sie hatte einfach keine Lust mit Lisa zu sprechen und sich für ihre Freundschaft zu David rechtfertigen zu müssen. Genervt schaute sie aufs Display, doch es war nicht Lisa. David. Sofort drückte sie auf \'Annehmen\'.
"David! Ist alles okay mit dir?" fragte sie besorgt.
"Aber sicher doch, wie geht es dir?" kam es zurück.
"Dank dir gut!"
"Können wir uns treffen?"
"Gerne..."
"Ich hol dich in zehn Minuten bei dir zuhause ab"
"Bis dann"
Schnurstracks war sie auf den Beinen und richtete sich für das Treffen her. Es ging ihm gut. Gott sei Dank. Sie schlüpfte in eine enge, hellblaue Röhrenjeans und dazu ein schwarzes Top und legte etwas Wimperntusche auf ehe sie sich von Ray und Steve, die wiedermal im Wohnzimmer zockten, verabschiedete. "Was hast du vor?" wollte Ray wissen. "Ich treffe mich mit Freunden von der Uni" gab sie knapp zurück. Lisa konnte sie im Moment wohl nicht als Alibi gebrauchen. Kurz überlegte sie ob sie Cora mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen.
"Ich weiß gar nicht wie ich dir für gestern danken sollte" sagte sie als sie wenig später in seinem Wagen saß.
"Gar nicht. Es hätte erst gar nicht so weit kommen dürfen"
"Das war nicht deine Schuld, David"
"Marius scheint besessen von dir zu sein, ich weiß nicht warum"
"Vielleicht weil du dich schon zweimal meinetwegen gegen ihn gestellt hast?"
"Ich lasse mir etwas einfallen, dass er dich und deine Freunde in Ruhe lässt. Versprochen. Irgendetwas fällt mir schon ein."
"Wer war das Mädchen? Deine Freundin?" rutschte es ihr heraus als sie plötzlich wieder an die vollbusige Blondine vom Vorabend denken musste.
"Kerstin? Meine Freundin? Das hast du doch hoffentlich nicht wirklich gedacht."
"Ich weiß nicht, du hattest deinen Arm um sie gelegt."
"Wenn ich eine Freundin hätte dann wärst du das" stellte er nüchtern fest. Er musste grinsen als ihm auffiel dass sie bei seinen Worten knallrot angelaufen war. "Aber bevor ich ein Mädchen als meine Freundin bezeichne, möchte ich sie zumindest einmal geküsst haben" ergänzte er frech. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße. Als sie in seiner Wohnung ankamen, fiel ihr als erstes auf, dass das Hakenkreuz endgültig vom Spiegel verschwunden war. Eine Woge der Zuneigung machte sich in ihr breit. Als er ihrem Blick folgte lächelte er sie kurz an und schlüpfte an ihr vorbei ins Wohnschlafzimmer. Sie setzte sich zu ihm auf die Couch und musterte ihn.
"Was arbeitest du eigentlich?"
Er lachte. "Was ich arbeite? Wie kommst du denn darauf?"
"Keine Ahnung, mir ist nur gerade klar geworden wie wenig ich über dich weiß"
"Ich mach verschiedene Stunden- und Aushilfsjobs und nebenbei mache ich ein Fernstudium, weiß aber keiner" er zwinkerte ihr zu.
"Ehrlich, du studierst?" fragte sie erstaunt.
"Tu bloß nicht so überrascht. Genau wegen solcher Reaktionen erzähl ich das keinem"
"Sorry" sagte sie lächelnd "was studierst du denn?"
"Mathe"
"Wow, welches Semester?"
"Sechstes, diesen Sommer mache ich meinen Bachelor"
"Wow"
"Sagtest du schon"
"Ich bin beeindruckt..."
"Hast du heute noch etwas vor?" wechselte David das Thema.
"Nein, noch nicht."
"Es ist noch früh, wir könnten etwas unternehmen."
"An was hättest du denn gedacht?"
"Schwimmst du gerne?"
"Jaa..."
"Es hat eine neue Therme aufgemacht. Eine knappe Stunde von hier"
"Klingt toll!"
Eine Stunde später standen sie vor dem Eingang der Therme. Ohne auf ihren Protest zu hören bezahlte David beide Eintrittskarten.
"Willst du dir eine Umkleide teilen oder nimmst du dir eine eigene?" neckte er sie. Sam rollte nur mit den Augen und verschwand grinsend in einer Kabine. Als sie sich umgezogen hatte musterte sie sich in dem kleinen Spiegel der sich in der Kabine befand. Sie trug einen schlichten aber sehr schön geschnittenen schwarzen Bikini der ihrer eher zierlichen Figur schmeichelte. Kritisch beäugte sie ihren Busen, der zwar dank des guten Schnitts des Oberteils schön zur Geltung kam, aber dennoch bei weitem nicht mit dem dieser Kerstin mithalten konnte. Sie dachte daran wie lächerlich David die Vorstellung gefunden hatte, dass diese Kerstin seine Freundin war und daran was er dann gesagt hatte: Wenn ich eine Freundin hätte dann wärst du das. Bei dem Gedanken an diese Worte machte ihr Herz einen Hüpfer. Sie lächelte ihrem Spiegelbild aufmunternd zu, band sich ein Handtuch um, und verließ die Kabine. David war schon fertig. Auf seinem rechten Oberarm klebte ein großes Pflaster. Sofort wan dte sie ihren Blick davon ab, sie hatte nicht vergessen was sich an dieser Stelle befand, und begutachtete den Rest seines schlanken Körpers. Seitlich über seinen Bauchnabel war eine feine weiße Narbe, vermutlich von einer groben Auseinandersetzung, zu sehen. Ansonsten war sein ganzer Körper geradezu Makellos. Er war zwar dünn, dennoch zeichneten sich seine Muskeln deutlich ab. Die Badehose war zu weit um etwas darunter erkennen zu lassen. Als sie merkte woran sie da gerade dachte lief sie sofort rot an und wandte augenblicklich den Blick von dieser Stelle seines Körpers ab. Doch es war zu spät, er war ihrem Blick bereits gefolgt und hatte auch das Erröten bemerkt.
"Ich kann mich auch gerne ganz ausziehen" provozierte er sie mit einem breitem Grinsen während sie sich schon auf den Weg zu den Liegen machte und tat als hätte sie ihn nicht gehört.

Für David war es der schönste Tag seit langem. Er konnte sich nicht mehr erinnern wann er das letzte Mal soviel Spaß hatte. Es war fast als wären sie ein ganz gewöhnliches Paar.
"Willst du später noch einen Film schauen?" fragte er als sie am späten Nachmittag die Therme verließen.
"Wenn ich einen aussuchen darf"
"Aber sicher, ich muss vorher nur schnell zu meiner Mutter, heute ist Muttertag. Kommst du mit?"
Zehn Minuten später standen sie mit einer Packung Pralinen und einem Blumenstrauß von der Tankstelle vor dem kleinen Reihenhaus.
Markus, der Freund von Davids Mutter öffnete die Tür. Als er Sam sah konnte er seine Überraschung im ersten Moment nicht verbergen. Mit einem ehrlichen Lächeln ließ er die Beiden eintreten.
"Silvia, David ist hier, und er hat eine Freundin mitgebracht" rief er in die Küche. Mit Kochlöffel in der Hand und verschmierter Kochschürze eilte sie sofort zu ihrem Sohn und Sam um die Beiden zu begrüßen.
"Hey Mum, das ist Sam, eine Freundin von mir!"
"Freut mich, Sie kennenzulernen Frau Zimmermann" Sam streckte ihre Hand aus die sogleich von Silvia geschüttelt wurde "Bitte nenne mich Silvia mein Kind"
Sie gingen alle Gemeinsam ins Esszimmer wo Markus gleich Kaffee und Kekse für alle herrichtete. Nach den anfänglichen Gesprächen über aktuelle Themen, Kochrezepten und Sams Studium konnten Markus und Silvia ihre Neugierde nicht mehr zurückhalten.
"Du hast dich also endlich von deiner Gang gelöst?" fragte die Mutter an ihren Sohn gewandt als Sam auf der Toilette war.
"Das ist kompliziert"
"Sag nicht dass du dich hinter dem Rücken deiner Freundin noch mit diesen... mit diesen... Gestalten herum treibst."
"Zum einen ist sie nicht meine Freundin und zum anderen mache ich gar nichts hinter ihrem Rücken. Sie weiß Bescheid über mich."
"Du wirst dem Mädchen nur das Herz brechen wenn du dich nicht von deinen sogenannten Freunden trennst"
"Das ist alles nicht so einfach. Können wir bitte über etwas anderes reden?"
"Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt?"
"Im Park. Sam geht dort immer mit ihrem Hund spazieren"
"Und du hast sie angesprochen?"
"Wir kannten uns vom sehen."
"Woher?"
"Muss das sein Mum?"
Silvia antwortete nicht sondern sah ihren einzigen Sohn weiter fragend an.
"Okay..." sagte David schließlich "das erste Mal haben wir uns bei Gericht gesehen, die Verhandlung damals... die Kläger waren ihr Bruder und ihr Mitbewohner."
"Wie -" begann sie doch unterbrach sich jäh weil Sam von der Toilette retour kam.
"Fahren wir dann?" fragte David an Sam gewandt und erhob sich vom Tisch. Er drückte Seiner Mutter noch einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich mit einem Händeschütteln von Markus. Dann legte er einen Arm um Sams Taille und führte sie hinaus. Im Auto nahm er ihre Hand und legte sie unter die seine auf den Schalthebel. Ein angenehmes kribbeln durchfuhr Sam bei seiner Berührung. Während der Fahrt zu seiner Wohnung warfen sie sich immerzu kurze Blicke, gefolgt von verlegenem aus dem Fenster schauen, zu. In Davids Wohnung, in der sich mittlerweile kein Hinweis mehr auf eine rechte Einstellung fand, packte er sie plötzlich bestimmend aber Zärtlich am hinteren Hals und zog ihren Kopf zu sich. Bevor er sie küsste schaute er ihr nochmal tief in die Augen ehe er erst neckisch und dann immer leidenschaftlicher küsste. Ihr entwich ein leises Keuchen als seine Zunge die ihre fand und er mit der freien Hand sanft über ihren Rücken strich und seinen Körper an ihren presste. Als er sich wieder von ihr löste und sie in seine blauen Augen blickte erkannte sie, dass sie sich unglaublich in ihn verliebt hatte. Geschockt von dieser plötzlichen Erkenntnis und überfordert mit ihren Gefühlen floh sie, ohne ein Wort zu sagen, aus der Wohnung. Sie hörte noch sein flehendes "Sam, bitte" als sie durch das Treppenhaus ins Freie rannte.





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