Bestia - Prolog

Autor: Ashe
veröffentlicht am: 25.02.2015


»Ich warte auf meine Mami«, trillerte ich und ließ meine Beine an der Bank baumeln. »Sie ist nämlich auf die Jagd gegangen.« Der Mann mit dem großen Hut und den starrenden Augen blinzelte mich verworren an. Anscheinend schien ich ihn mit meinen Worten erschreckt zu haben. Deshalb versuchte ich stets höflich zu bleiben, genau wie es mir meine Mama beigebracht hatte.
»Meine Mami jagt bestimmt genug für uns Drei. Du kannst auch mitessen, wenn du möchtest.« Er zupfte sich an seinem steifen Hut. »Oh, das ist ja sehr nett von deiner Mama, aber du meinst bestimmt, dass sie etwas zu ?« Er blickte um sich und die Dunkelheit schien ihm etwas auszumachen.
»Oh keine Sorge, meine Mama kann nachts nämlich sehr gut sehen. Außerdem ist sie sehr schnell.« Er kratzte sich am Kopf und strich über meine Haare. »Du sagst deine Mama kann bei Nacht sehen?« Ich nickte stolz. Eines Tages möchte ich genauso stark und schnell wie meine Mama sein. »Sie ist die Beste aus unserer Familie.« Er schien nun interessiert zu sein, also fragte er neugierig. »Welche Familie seid ihr denn?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Tante Gwendolyn sagte mal: „Wir sollten aufpassen, was wir zu unserem Essen sagen. Schließlich soll es ja schmecken.“ »Das darf ich nicht sagen«, kicherte ich und mir gefiel es mit dem Mann zu spielen. Aber wo blieb Mama so lange? Sie war schon seit einiger Zeit weg und langsam begann mein Magen wehzutun. Ich tippte mit dem Finger darauf.
»Hör mal, Kleine, wir sitzen schon seit über einer halben Stunde hier und eigentlich sollte ich nach Hause zu meiner Frau zurückkehren, aber ich kann doch keine Achtjährige einfach hier draußen in der Dunkelheit sitzen lassen.« »Meine Mama kommt bald«, sagte ich lächelnd und dennoch zweifelte ich langsam an meinen Worten. Wo blieb Mama? Sonst brauchte sie nie solange um das Essen zu besorgen. Ob etwas passiert war?
Er fuhr sich nervös über sein stoppeliges Kinn. »Ja, das glaube ich dir ja gern, Kleine, aber es ist sehr gefährlich hier draußen alleine zu sitzen.« Ich schüttelte widerspenstig den Kopf. »Nein, die Jünglinge werden von den Elementen geschützt. Mir kann nichts passieren.« Wieder ein Blinzeln des seltsamen Mannes. Ob er etwas im Auge hatte? Jedenfalls schien er über uns nicht Bescheid zu wissen. „Ist der dumm.“ »Offensichtlich hat dich deine Mama vergessen oder sie ?« Er fuhr sich über den Nacken, als ob er dort schwitzen würde. »? weißt du, Kleines, ich glaube deine Mama hat dich unfairerweise ausgesetzt.« Er schaute mich nun fest an. »Sie hat dich verlassen.« Mein Entsetzen über seine Worte trieben mir die Tränen in die Augen. »Nein, das würde meine Mama nie tun! Du lügst!« Er erhob sich von der Bank und hielt mir seine Hand hin. »Na komm, ich bringe dich zu mir nach Hause und dann werden wir dich morgen zu ganz vielen anderen Kindern bringen, die so sind wie du.« Sprach er von ganz vielen anderen Bestia? So viele Kinder? Das wäre wunderbar. Aber ich konnte nicht gehen, schließlich hatte ich meiner Mama versprochen hier zu bleiben und auf sie wie ein gehorsames Kind zu warten.
»Kann ich morgen mit dir mitgehen zu diesen vielen Kindern? Weil ich habe meiner Mama versprochen auf sie zu warten. Sie wird gleich kommen.« Die dunklen Augen des Mannes schienen zu zittern. Er empfand Mitleid, aber warum? »Deine Mama wird nicht kommen, Kleines. Es ist mitten in der Nacht und alle Geschäfte haben geschlossen.« Aber was hatten denn die Futterstände der Menschen mit uns zu tun? Irgendwie wirkte der Mann sehr unerfahren. Ob ich ihn aufklären sollte? Ein Achtjähriges Mädchen wie ich war die Intelligenteste aus der Klasse. »Nein«, lachte ich laut und schlug mir, wie die Erwachsenen es manchmal tun, auf die Oberschenkel. »Meine Mama ist doch im Park und jagt.« »Was jagt sie denn?« Seine Stimme klang plötzlich überhaupt nicht mehr freundlich. Irgendwie war er angespannt.
Das war das größte Geheimnis, dass wir den Menschen niemals preisgeben durften. Tante Gwendolyn sagte immer, dass dann der Teufel los sei.
Ich tat so als hätte ich einen Schlüssel in der Hand, um damit meinen Mund zuzusperren. Anschließend warf ich ihn im großen Bogen weg. Der Mann schaute dem unsichtbaren Gegenstand hinterher.
»Ach so, ist das dann dein Geheimnis?« Ich nickte siegreich. »Wenn du mit mir kommst, dann zeige ich dir einen wunderschönen Schlüssel mit roten Glitzersteinen.« Die Vorstellung war so wundervoll, dass ich erfreut aufsprang und in die Hände klatschte. Als der Mann lächelte und meine Hand nahm, spürte ich eine Kälte in ihm. Irgendwie verlor ich das Vertrauen zu dem Menschen mit den dunklen Augen. »Warte!«, rief ich und er hielt tatsächlich an.
Er blickte zu mir hinunter. »Stimmt etwas nicht?« Seine Finger waren nun angespannt und zitterten.
»Meine Mama!«
»Sie wird nicht kommen! Versteh das nun endlich!«, rief er mit bösartiger Stimme und schließlich löste ich mich ruckartig von seinen Händen. Mit einem großen Schritt trat ich zurück und legte sie hinter meinen Rücken.
»Du bist böse! Hab ich es doch gewusst!« Sein Gesicht veränderte sich von einem Male. Aus der freundlichen Grimasse wurde ein gemeiner Ausdruck und irgendetwas wirkte an ihm sehr gefährlich. Seine Aura begann zu sprühen und berührte meine. Bereits dieser Kontakt sagte mir alles.
»Komm mit mir mit, Kleines, bei mir bekommst du alle Süßigkeiten die du dir wünschst.« Igitt! Wie eklig. Ich mochte kein Zucker und schon gar nicht Bonbons. Tante Gwendolyn sagte: „Zucker simuliert nur einen gestillten Hunger und bringt dein Blut in Wallungen. Dem genmanipulierte Essen der Menschen kann man heute nicht mehr vertrauen. Aber ihre Körper sind noch rein genug.“ »Das mag ich aber nicht!«, zischte ich zurück und klammerte mich an die Bank, als der Mann versuchte nach mir zu packen. Schließlich beäugte er seine Umgebung und bemerkte, dass wir allein waren. Warum mussten die Menschen immer so aufsässig und nervig sein? Was erwartete der Mann in Schwarz von mir? Eigentlich hatte er sich zu fürchten.
»Mamé, paque tera te yiz!«, rief ich auf bestiaisch. Der Mann verdutzte, ließ sich jedoch nicht lange beirren und packte meinen Bauch. Schließlich zerrte er so lange an mir, bis meine schwachen, kleinen Arme nachgaben.
Er hielt mich schmerzhaft umklammert, brüllte mir einmal ins Ohr, damit ich Ruhe gab und setzte schließlich zum Gehen an. »Mamé!«, kreischte ich wehrlos und plötzlich konnte ich ihre starke, kraftvolle Aura spüren. Sie war ganz in der Nähe. Außerdem hatte Mama sich satt gegessen.
»Gibst du jetzt endlich auf?«, grollte er und hielt mir seine Hand vor den Mund, damit die Gegend in eine einzige Stille versank. Meine Arme hatten aufgehört zu schlagen, als die Aura meiner Mutter so nah war, dass sie mir sofortige Wärme schenkte.
Der Mann blieb abrupt stehen und bemerkte wie ruhig ich mich plötzlich benahm. Er schaute zu mir und musste im ersten Moment gedacht haben, dass ich bewusstlos geworden war. Doch da irrte er. »Was hast du?« »Hallo Mama«, sagte ich lächelnd und der Mann drehte sich mit mir im Arm um.
Vor ihm stand eine schlanke, kraftvolle und sehr reizbare Frau. Ihre Haare waren die gleichen wie meine. Sie hingen wie ein glänzender Seidenschal an ihr hinab und die dunkelbraune Farbe verschmolz mit der Dunkelheit um sie. Die hellgrauen Augen leuchteten durch den Schatten in ihrem Gesicht. Sie sah unzufrieden aus.
»Lass mein Kind sofort auf den Boden!«, befahl sie mit angsteinflößender Stimme. So klang Mama, wenn sie gereizt war.
Der Mann lachte. Er wühlte mit der freien Hand in seinem Mantel und zog eine Waffe heraus. Diese hielt er meiner Mama in Richtung Kopf. »Jetzt bist du wohl weniger stark, hm?« „Ist der doof? Weiß der eigentlich mit wem er es hier zu tun hat?“ Die Menschen waren wirklich dumm, genau wie Tante Gwendolyn immer sagte: „Die Menschen sind für uns wie die Tiere für die Menschen sind. Das ist einfach so. Außerdem beschützen wir Unschuldige und diese von den Göttern in die Welt gesetzte Lebensform ist schuldig!“ »Du wirst wohl zu meiner nächsten Mahlzeit, Freundchen!«, sagte Mama gehässig und leckte sich dabei über ihre roten Lippen. Daran hing wohl noch Blut.
Plötzlich zitterte der Mann und ließ mich los - obwohl er sich eigentlich zuvor stark gefühlt hatte - und entfernte sich einen Schritt von ihr. Schließlich rannte ich in die wohltuende Aura meiner Mama und sofort verspürte ich ein Heimatgefühl.
Sie streichelte behutsam über mein lockiges Haar. »Setz dich wieder auf die Bank, Schatz. Mama besorgt dir noch eine Mahlzeit, in Ordnung?« Sie wechselte den Blick zum Mann. »Itara pasû, Kidé!« - Schließe deine Augen, Kleines.
Ich tat was Mama befiehlt, baumelte mit den Beinen, als ich auf der Bank saß und legte die Hände über meine Augen. Schließlich wollte Mama noch nicht, dass ich sehe wie sie jagte. Sie sagte: „In eurem Alter sollte man spielen, seinen Körper kennenlernen, Fähigkeiten austauschen und sich noch so lange es geht vom Mutterblut ernähren.“ Wenn ich groß war, durfte ich endlich mit Papa auf die Jagd gehen. Aber Papa war nie zu Hause, er musste immer arbeiten gehen und für unsere Familie sorgen. Dabei war Papa doch total reich!
Ich summte vor mich hin und im Hintergrund konnte ich das Schreien und Flehen des Mannes mit den dunklen Augen hören.









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