In my Life - Teil 11

Autor: MarieCurie
veröffentlicht am: 05.05.2014


Den ganzen Sonntag habe ich einfach nur auf der Couch gelegen, nichts getan und Filme geschaut. Ich muss sagen, dass war ein perfekter Sonntag.

Doch jetzt renne ich wieder wie aufgescheucht mit Jani im Gepäck zur Bushaltestelle. Dort angekommen springen wir schnell in den Bus. Der Busfahrer müsste uns eigentlich mittlerweile kennen, weil er einfach immer wegen uns, pardon wegen mir, warten muss. Egal.
Jani, Steve und Ich ergattern uns einen Platz und lassen uns müde nieder.
„Was war Samstag noch so? Irgendwas was ich verpasst hab?“, frage ich in die Runde.
„Nö, wir haben noch eine Kneipentour gemacht und haben Andy und Michaela getroffen.“
Wer zum Teufel sind Michaela und Andy? Kenn ich nicht.
„Ok. Muss ich nicht kennen, oder?“
„Die von Freitag. Ich habe sie dir eigentlich vorgestellt.“ Ich zucke mit den Schulten. Sie hat mir viele Vorgestellt.
„Bist du eigentlich gut nach Hause gekommen?“, fragt Steve.
Ich verdrehe die Augen „Wenn es nicht der Fall wäre, würde ich wohl kaum hier sitzen sondern irgendwo tot am Straßenrand liegen. Darius hat mich aufgesammelt.“
Die beiden schauen mich verblüfft an.
„Ja was?“, frage ich genervt. „Er hat Feierabend gemacht, hat mich gesehen und fand es besser mich mitzunehmen, als mich meinem grauenhaften Schicksal, mich zu verlaufen, zu überlassen.“
„Achso.“, kam es von Jani.
Achso? Ich sehe ihr an, dass sie am liebsten ihr „Aw, wie süß“ - Grinsen aufsetzen will. Sie lässt es aber. „Jani, sag was du zu sagen hast..“, meine ich nur.
„Das ist ja soooooo süß. Er hätte dich auch einfach laufen lassen können. Er ist extra so ein riesen Bogen gefahren, damit du unbeschadet nach Hause kommst.“ Ich hätte niemals gedacht, dass eine Frau so wie ein Meerschweinchen quieken könnte, aber Janine überrascht mich ja sowieso immer wieder.
Im Gegensatz zu ihr finde ich das bescheuert von ihm einen Umweg in kauf zu nehmen, nur um mich nach Hause zu fahren. Ich meine, ich habe mich ja nicht gerade von meiner Schokoladenseite gezeigt und trotzdem will er mehr von mir wissen. Komischer Mann.
„Jani, mach mal halblang, ok? Er wollte nur nett sein und mir keinen Heiratsantrag machen.“
„Jani, Luce hat recht. Darius ist zu allen nett. Ich bezweifle, das das an Lucy lag.“ Steve zwinkert mir zu. „Vielen Dank auch. Ich weiß ich bin zum kotzen aber musst du mir das immer wieder so verdeutlichen?“, maule ich ihn an.
Steve murmelt etwas wie ein „Sorry“ und schenkt seinem Smartphone seine Aufmerksamkeit. Jani tut es ihm gleich und ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren.
Ich muss heute unbedingt zu Dad. Ich bin einfach unmöglich. Ich lass ihn in einer Irrenanstalt allein und sage ihm, dass ich erst wieder in einer Woche vorbei komme. Er braucht jetzt jemanden zum reden und ich denke ich sollte diese Person für ihn sein.

Der Bus hält und wir steigen aus. Erste Stunde Mathe, mal wieder. Bei dem Gedanken seufze ich einmal gequält und gehe dann zum Mathekurs.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren...“ Mein Mathelehrer beginnt immer so seine Standpauke, wenn eine Arbeit miserabel ausgefallen ist. „..ist ihnen eigentlich bewusst, dass sie hier ihr Fachabitur machen und nicht ihren Hauptschulabschluss. Sind Sie alle zu dumm oder wollen sie alle nicht?“ Er dreht sich um, schnappt sich den Stapel mit arbeiten und fängt an sie zu verteilen.
Als er vor mir stehen bleibt, und ich sage euch, wenn Blicke töten könnten, ich wäre schon 10 mal tot, schmeißt er die Arbeit auf den Tisch und geht weiter. Ungläubig starre ich die Prozentzahl an die vor mir liegt. Wer sagt's denn. 69%, wo kommen die denn her? Ich grinse leicht, weil ich den stummen Krieg zwischen mir und meinem Mathelehrer gewonnen habe. Steve hat da weniger Glück. Seine Arbeit schmückt nun eine hässliche 5. Jani hat wieder einmal 98% und es ist wahrlich ein Mysterium wie sie das schafft. Leute außerhalb unseres Freundeskreises behaupten sie würde mit den männlichen Lehrern schlafen und die weiblichen bestechen. Absoluter Quatsch. Sie lernt einfach nur.

Der Rest des Schultages verläuft wieder einmal unspektakulär und so sitze ich im Bus zur Klapse. Ich habe mich nach der Schule noch telefonisch angekündigt,damit ich nicht umsonst dort auftauche.

Der Aufzug funktioniert immer noch nicht, also bezwinge ich die Stufen des Treppenhauses erneut und komme völlig aus der Puste auf dem Stockwerk an, auf dem mein Vater nun vorübergehend lebt.
Vor seiner Zimmertür stoppe ich kurz und höre zwei Stimmen.
„Rainer, die wollen dich rausschmeißen. Sie halten es für keine gute Idee dich weiter als Richter einzusetzen. Sie denken in deinem Zustand hättest du keine Kontrolle mehr über das was du sagst und verurteilst vielleicht irgendwann Jemanden zu unrecht.“ Das hört sich an wie Andreas, ein Freund von Dad.
„Das ist doch totaler Quatsch. Ich mache eine beschissene Therapie und wovon soll ich leben? Ich habe sonst keine Ausbildung. Die können das nicht einfach machen.“ Dad klingt verzweifelt.
Ich klopfe einfach an, gehe hinein und schaue in zwei Augenpaare, die sich sofort zu mir drehen.
„Hi Dad, hi Andreas.“ Ich winke einmal. „Lucy, was machst du hier? Sagtest du nicht du kommst erst am Freitag?“ Ich schüttle den Kopf und lächle leicht. „Ich lass dich nicht eine Woche hier allein, Dad. Ich hab außerdem eben hier angerufen, dass ich komme.“
Er versucht auch zu lächeln, aber auf Grund der gegebenen Umstände gelingt es ihm eher nicht.
„Ich habe es gehört. Andreas, kann man da gar nichts machen? Kannst du nicht ein gutes Wort für Dad einlegen?“ Ich hoffe zwar wirklich, dass er was tun kann, doch ist mir die Realität bewusst. Mir ist bewusst, dass Dad nie wieder eine Stelle als Richter irgendwo bekommt. Er ist Beamter, aber auf Grund einer solchen Sachlage kann es durchaus passieren, dass er seinen Job verliert.
„Ich schaue was sich machen lässt. Ich gehe jetzt. Rainer ich komme bald noch einmal vorbei.“
Er dreht sich um und verlässt den Raum.
Dad schaut zu Boden und es sieht aus als wäre er den Tränen nahe.
„Dad.. Das wird schon wieder. Wir bekommen das hin, ok?“ Ich gehe auf ihn zu und umarme ihn einfach.
„Mir ist es egal was du in der Vergangenheit geleistet hast. Mir ist es im Moment egal, ob du mich zwei Jahre vernachlässigt hast, ok? Ich will nur das es dir wieder besser geht. Ich brauche dich.“
Ich löse mich und er lächelt etwas. „Das ist das Beste was du jemals zu mir gesagt hast. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, dass du irgendwann ein mal mehr Gefühle zeigst.“ Und er weint nicht. Er bleibt stark, er bleibt stark für mich.
„Dad komm schon, jetzt werd nicht sentimental.“ Ich lache und boxe ihm ganz leicht gegen die Schulter. Er lacht und es einfach ein gutes Gefühl ihn zum lachen zu bringen.
„Was machen sie hier mit dir? Geben sie dir Drogen oder wieso bist du so gut drauf?“ Ich setze mich mit ihm an den Tisch am Fenster und schalte seinen Fernseher aus. „Keine Ahnung. Und wenn, tun sie mir bestimmt was in den Kaffee.“, schmunzelt er.
„Wie geht’s dir so Lucy? Was hast du am Wochenende gemacht?“ Er legt den Kopf schräg und lächelt mich an.
Und ganz plötzlich wird mir wieder schlecht. Die Erinnerung an Samstag morgen ist wieder deutlich in meinem Kopf.

'War's denn wenigstens gut, damit ich mir nicht ganz so schäbig vorkomme?'

Ich komme mir trotzdem schäbig vor. Ich hasse mich dafür und dann Freunde ich mich auch noch mit Darius an. Mir geht’s eindeutig zu gut.
„War bei Jani auf einer Party und so was.“, meine ich und mache eine wegwerfende Bewegung. Bitte wechsle einfach das Thema, Dad. Bitte.
„Ok und was machst du die Woche so? Lernst du noch für die Schule?“, grinst er.
„Jetzt mal im ernst Dad, was geben die dir hier? Wie können sich Emotionen so schnell verändern? Eben warst du noch total am Boden, als ich hereinkam.“ Ich schüttle ungläubig meinen Kopf. Der Mann macht mich fertig.
„Lucy du bist da, ok? Du bist meine Tochter und mir geht es gut, wenn ich weiß, dass meine Tochter mich nicht hasst, für das was ich getan habe.“
„Wie schafft ihr es alle immer wieder mir ein schlechtes Gewissen zu machen?“, schnaube ich und Dad lacht.

Ich bin noch etwas geblieben und habe mich dann dafür entschieden zu Steve zu fahren.
Also sitze ich jetzt in Steves Zimmer und sehe ihm dabei zu wie er Borderlands 2 spielt.
„Dad hat heute mehr gelacht als in seinem ganzen Leben vorher. Ich glaube sie geben ihm Drogen.“, seufze ich.
„Oder..“, wirft Steve, weiterhin auf sein Spiel konzentriert, ein. „..er ist einfach nur froh, dass du ihn besucht hast und ACH FUCK MAN.“ Ich muss lachen. Steve ist zu putzig wenn er beim Zocken ausrastet.
Er hat vielleicht Recht. Heute war es das erste mal seit langem, dass ich mich so gut mit Dad verstanden habe.
Mein Handy vibriert.
-Hi Lucy, was machst du heute? Darius. -

„Steve? Hast du Darius meine Nummer gegeben?!“, frage ich leicht gereizt.
Er sieht beschämt zu Boden. „N..Nö, wieso?“
„Du bist ein schlechter Lügner. Wieso um Himmels Willen gibst du meine Nummer irgendwelchen Menschen, ohne ich vorher zu fragen?“, frage ich immer noch gereizt.
„Ich habe sie ihm gegeben, weil er mir erzählt hat das ihr noch mal von vorne anfangen wollt.“
„Hast du sie ihm aufgeschwatzt oder wollte er sie haben?“ Bestimmt hat er sie ihm aufgeschwatzt.
„Ich hab ihm gesagt, dass ich ihm sie gebe und er hat sie einfach angenommen. Gott, tu nicht so als geht eine Welt unter. Darius ist ein verdammt guter Kerl.“ Er verdreht seine Augen.
Er hat ja Recht. Steve wendet sich wieder seinem Spiel zu und ich ringe innerlich mit mir und tippe ihm einfach eine Antwort.

-Hi. Ich weiß das du die Nummer von Stevie hast. Hab ihm fast den Kopf abgerissen, aber eben nur fast. Ich mach heute jedenfalls nichts Großartiges.-

Ich sehe wie Steve zum 5. Mal an einer Mission scheitert und zerre ihm den Controller aus der Hand. Ich konzentriere mich auf die Mission und habe auch eigentlich einen guten Lauf, als mein Handy erneut vibriert. Ich gebe den Controller komischerweise direkt an Steve und wende mich meinem Smartphone zu.

-Alles Klar. Wenn du nichts Weltbewegendes machst, können wir auch zusammen unproduktiv sein. Ich komm dich in einer Stunde abholen.-

Bitte was? Ich schaue verwundert auf mein Handy. Der Kerl ist doch bescheuert.

-Wie kommst du auf die Idee, dass ich Lust habe irgendwas zu machen?-

Ich kann mir gerade mal verkneifen kein „und das noch mit dir“ hintendran zu setzen. Ich bin kein Unmensch.

-Wenn du keine Lust hast, können wir es auch lassen.- Kam nach ein paar Minuten zurück.

Irgendwie breitet sich ein doofes Gefühl in mir aus. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich mal wieder zu schroff war oder so. Aber will ich wirklich mit ihm was unternehmen? Das war letztens echt unangenehm in seiner Nähe zu sein. Ich habe immerhin besoffen mit ihm geschlafen. Aber er ist ja doch irgendwie nett. Na gut.

-Sorry. Ich bin in einer Stunde fertig.- tippe ich.

Steve schaut mich fragend an. „Alles klar? Du wirkst etwas verstört.“
Ich zeige auf mein Handy und nuschele: „Darius und ich unternehmen was.“
Ein grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Na dann, viel Spaß.“ Er zwinkert mir zu und wie ich dieses Zwinkern hasse. Ich könnte ihm an die Gurgel springen.
„Jaja, tschau“, maule ich, nehme meine Schuhe und verschwinde.

Ich laufe an den paar Häusern vorbei und betrete dann unser Haus. Wie immer ist alles ruhig.Was habe ich auch erwartet? Eine „Dein-Dad-ist-wieder-gesund-und-kommt-nach-Hause“- Überraschungsparty? Wohl kaum.

Ich gehe geschmeidig in mein Zimmer und stelle mich vor den Kleiderschrank. Ich grübele was ich denn nun anziehen will und plötzlich kommt mir ein verdammter Gedanke. Dieser Gedanke hat es in sich, obwohl er für andere Frauen einfach nur banal oder sogar normal ist. Doch es trifft mich irgendwie ziemlich hart.
Wieso zum verdammten Teufel stehe ich 15 Minuten vor meinem Kleiderschrank und frage mich was ich denn nun am besten anziehe, um weder aufzufallen noch zu leger zu wirken?
Was ist nur aus mir geworden, dass ich jetzt auch schon so am Rad drehe wie Jani?
Und gerade dessen zum Trotz ziehe ich einfach einen Kapuzenpulli mit Bandlogo an und normale Röhrenjeans.
Lucy, für dich gibt es noch Hoffnung, hoffe ich jedenfall..
Meine Haare bürste ich mir einmal mit der Hand durch.
Passt doch. Das bist einfach du. So siehst du immer aus.






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