Dafür hasse ich ihn - Teil 5

Autor: Wolfskatze
veröffentlicht am: 30.01.2014


Sonntagmorgen, vier Uhr. Ich liege wach im Bett und kann nicht mehr schlafen. In wenigen Stunden muss ich die Ehre unserer Schule retten. Und meine eigene. Hinter mir liegt eine Woche mit hartem Extratraining. Trotzdem bin ich total aufgeregt. Meine letzte Begegnung mit Finn sitzt mir noch in den Knochen. Immer wieder wandern meine Gedanken zu ihm. Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Dafür hasse ich ihn.
Ich stehe auf und stelle mich unter die Dusche. Schlafen kann ich sowieso nicht mehr. Das heiße Wasser entspannt mich ein wenig. Ich gehe gedanklich nochmal meine Strategie für heute durch. Das wird der anspruchsvollste Kampf seit langem. Nicht, dass ein Kampf gegen Finn je einfach war, aber wenn so viele Menschen und Kampfrichter zuschauen, ist das eine ganz andere Situation. Ich schließe die Augen und lehne mich gegen die Wand. Das war ein Fehler, denn sofort sehe ich wieder seine Augen vor mir. Seine wunderschönen schwarzen Augen.
Mit einem Kopfschütteln vertreibe ich die Bilder und rufe mir ins Gedächtnis, was seine Familie meiner angetan hat. Das macht mich traurig, aber wenigstens denke ich nicht mehr an ihn.
Nach einer Ewigkeit trockne ich mich ab und ziehe mich an. Im Spiegel betrachte ich mein Gesicht. Bis auf meine saphirblauen Augen ist mein Gesicht eher langweilig. Ich finde mich nicht besonders schön. Deshalb meide ich Spiegel. Auch, weil meine Augen so kalt aussehen. Ich kann meinen eigenen Blick nicht ertragen.

Nach dem Frühstück wird es ernst. Die Kämpfe der Jüngeren waren schon gestern. Also liegen nur noch wenige Kämpfe vor meinem. Ich bin das Finale. Damit liegen alle Hoffnungen auf mir - mal wieder. Aber das ist auch eine große Last.
Noch zwei Stunden. Ich sitze unruhig in der Halle und träume vor mich hin, während die Anderen kämpfen. Ich sehe mich um. Wo ist er? Ich kann ihn nicht sehen. Ist Finn etwa nicht da? Oder versteckt er sich vor mir?
Dann ist es plötzlich soweit. Ich werde aufgerufen. Finn und ich betreten den Ring. Er sieht wieder unglaublich gut aus. Wir verbeugen uns - eine Pflicht bei solchen Kämpfen - und es geht los.
Unser Kampf ist geprägt von riskanten Manövern und knappen Situationen. Ein paar Mal hatte er mich fast, und andersrum. Nach zwanzig langen Minuten wird der Kampf abgebrochen. Unentschieden. Wie immer. Naja, fast immer. Zumindest bei allen offiziellen Turnieren.
Wir sind beide total erschöpft. Nach einer weiteren Verbeugung dürfen wir gehen. Meine Lehrerinnen und Mitschülerinnen sind enttäuscht. Sie hatten von mir endlich mal einen Sieg erwartet. Aber wenigstens habe ich nicht verloren.





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