Voiceless - Teil 9

Autor: Emiliemia
veröffentlicht am: 05.03.2014


Es tut mir wirklich wirklich Leid, dass es schon wieder so lange gedauert hat! :o ich hatte zwischendurch eine Schreibblockade und/oder keine Zeit :/
Hier kommt der nächste Teil, viel Vergnügen. :)


- Sam -

Eric ist stocksauer, das kann man wunderbar in seinem Gesicht lesen. Er funkelt mich wütend an.
»Es ist noch nicht vorbei, Sam.«, sagt er finster.
Noch nicht vorbei? Ist das ein Wettkampf um die Gunst von Summer oder wie?
»Ich kann mich nicht erinnern, daraus einen Wettbewerb gemacht zu haben, Eric.«, sage ich ganz leise, für den Fall, dass Summer wach ist und zuhört. »Du wolltest doch, dass ich mit ihr Zeit verbringe. Du hast mir sogar Geld angeboten. Woher der plötzliche Sinneswandel? Hast du eine Erleuchtung gehabt oder wie?«, Letzteres kann ich mir wirklich nicht verkneifen und meine Mundwinkel zucken kurz nach oben.
Eric schnaubt, weiß dann aber nicht so recht, was er sagen soll, weswegen er sich dann abwendet und geht. Die Tür fällt mit einem lauten Krachen ins Schloss und ich gehe kopfschüttelnd wieder ins Wohnzimmer.
Summer ist wach und ich setze mich neben sie. Sie sieht furchtbar mitgenommen aus und ihre sonst so gebräunte Haut ist blass und hat eine eher ungesunde Farbe angenommen.
Und wieder einmal fühle ich mich unglaublich schlecht. Sie hat es nicht verdient. Sie hat das alles wahrlich nicht verdient.
»Das war alles meine Schuld.«, sage ich leise. »Tut mir Leid.«
Für einen Moment ist ihr Blick verwirrt, doch dann sehe ich den Widerspruch in ihren Augen. So, als ob sie meiner Aussage nicht zustimmen will.
Und in diesem Augenblick habe ich einen Tagtraum. Ich träume, dass sie den Mund aufmacht und dass sie anfängt zu sprechen. Dass sie es meinetwegen tut. Dass sie meinetwegen ihre Blockade überwindet und redet.
Aber Träume entsprechen selten der Realität.
»Hör mal, ich mache dir jetzt eine Nudelsuppe, in Ordnung? Du bleibst schön hier und ruhst dich eine Weile aus, okay? Ich mache dir den Fernseher an.«
Ich reiche ihr die Fernbedienung. Unsere Hände berühren sich und es fühlt sich so an, als würden abertausende von Funken sprühen, imaginär natürlich. Summers Wangen röten sich leicht und sie weicht schüchtern und verlegen meinem Blick zur Seite aus.
Das tut weh.

In der Küche bemerke ich, dass Summer praktisch gar nichts zu essen hier hat. Ich sehe im Mülleimer nach und entdecke volle Einkaufstüten, mit allerlei Essen drin und wundere mich, wieso Summer das alles weggeschmissen hat. Dann fällt mir ein, dass ihre Tante am ersten Tag doch am Markt einkaufen war.
Ich gehe zurück ins Wohnzimmer.
»Hey, ich hab gerade gemerkt, dass du nichts zu essen hier hast. Ich werde die Nudeln für die Nudelsuppe holen und morgen gehen wir einkaufen, okay?«
Also sprinte ich den Pfad hinunter zu mir nach Hause und durchsuche die Küchenschränke nach einer Packung Nudeln.
»Suchst du was?«, höre ich meine Mutter hinter mir sagen.
»Nudeln.«, erwidere ich. Sie grinst, geht zum hintersten Schrank hin und reicht mir dann eine Packung.
»Wo ist Summer?«
»Bei sich Zuhause, deswegen muss ich schnell wieder hin.«
»Werde ich dich auch irgendwann mal wieder zu Gesicht bekommen, oder bleibst du jetzt für den Rest deines Lebens bei ihr?«, gluckst sie und merke wie mein Gesicht rot wird. Ich grinse als Antwort, soll sie sich doch was darauf einbilden und verschwinde durch die Haustür.

Während ich in Erics Küche die Nudelsuppe vorbereite, höre ich im Hintergrund wie Summer von Sender zu Sender schaltet. Nach wenigen Minuten schaltet sie ihn aus.
Sie ist also kein Fernseh-Mensch. Hätte ich mir eigentlich auch denken können.
Da ich keine Stille mag, schalte ich das Radio an. Und ich schalte perfekt ein, weil wenige Sekunden, denn das Lied 'With a little help from my friends' von The Beatles erklingt.
Ich summe leise den Text mit und schaue nach, ob das Wasser schon kocht. Und als ich den Deckel wieder rauf setze, weil das Wasser noch nicht einmal ein bisschen blubbert, wird mir klar, was ich da gerade singe. Beziehungsweise, was für eine Bedeutung der Text hat.
'Oh, I get by with a little help from my friends.'
“Ja, ich schaffe es mit ein wenig Hilfe von meinen Freunden.“
Es würde perfekt zu ihr passen, wenn sie es singt. Oder zumindest davon überzeugt ist, dass sie es schaffen kann. Und ich meine damit jetzt nicht, dass sie es schafft jemals wieder zu reden. Ich meine damit, dass sie lernt mit ihrem Verlust umzugehen, dass sie weiß, wie sie am besten ihre Stärken einsetzen kann.
Dass sie wieder anfängt richtig zu leben. Mit allem drum und dran.


- Summer -

Sam hört die Beatles. Ich hätte ihm nicht zugetraut, dass er so etwas hört. Aber ehrlich gesagt, finde ich es gut, denn das zeigt, dass er Geschmack hat und dass er, zumindest was die Musik angeht, nicht oberflächlich ist.
Aus der Küche weht ein leichter, würziger Duft ins Wohnzimmer und ich merke, wie ich so langsam wirklich Hunger bekomme. Hoffentlich fängt mein Magen nicht an zu knurren.
Einige Minuten später, kommt er wieder, mit einer dampfenden Schale in der Hand.
»Hier, ich hoffe es schmeckt.«, sagt er und reicht mir die Suppe. Erneut gibt es einen leichten, elektrisierenden Schlag, als unsere Hände sich kurz berühren, doch ich schaffe es, nicht rot zu werden.
Ich beginne zu essen. Und es schmeckt richtig gut. Sein Blick ruht auf mir und ich glaube, er würde gerne wissen, ob es mir schmeckt. Doch ich senke meine Augen auf meine nackten Fußspitzen, die unter der Decke hervorragen.
Nachdem ich einige Löffel gegessen habe, lege ich eine kurze Pause ein und hebe den Blick und versuche Sam in die Augen zu sehen.
»Magst du's?«, fragt er.
Irgendetwas in seinen Augen, lässt die Blockade um meine Mundwinkel herum bröckeln. Es ist dieses Funkeln, dieses unglaublich schöne Funkeln, was mich zu einer Entscheidung führt. Ich kann nicht ewig so weiter machen. Es muss etwas getan werden, denke ich mir.
Lächeln fühlt sich seltsam an. Nach einer so langen Zeit. Mein Kiefer schmerzt, aber dennoch… Danach ich fühle mich unglaublich gut. Und das gute Gefühl verstärkt sich, als ich Sams Gesichtsausdruck sehe. Fassungslos, überrascht und strahlend zugleich.
»Wusstest du eigentlich, dass du ein wunderschönes Lächeln hast?«, er sagt es ganz sanft und behutsam, so, als ob ich vollkommen zerbrechlich wäre. Röte schießt mir ins Gesicht und meine Wangen fangen an zu glühen. Ich will nicht wissen, wie ich aussehe. Wahrscheinlich wie eine rote Ampel.
Weil ich nicht weiß, was ich machen soll, esse ich einfach die Suppe weiter, den Blick wieder auf meine Füße gerichtet. Das gute Gefühl ist verschwunden, die Unsicherheit hat mich wieder. Ich weiß nicht, wie ich mit Komplimenten umgehen soll.

Sams Blick ruht immer noch auf mir. Er wartet bis ich fertig bin, dann nimmt er mir die Schüssel ab und bringt sie in die Küche zum Abwaschen. Ich lehne mich zurück und schaue nach draußen. Wie lange war ich eigentlich weg? Und weiß Dr. Hawn eigentlich schon von den Anfällen? Und Eric?
Der Himmel ist immer noch blau. Ich kann also nicht so lange weg gewesen sein. Aus der Küche höre ich den Wasserhahn laufen. Und wie Sam leise das Lied von den Beatles singt. With a little help from my friends.
»Hey, ich weiß, was wir heute noch machen können!«, schallt es aus der Küche und ich richte mich unwillkürlich noch mehr auf. Aus Neugierde oder aus Angst, vor dem was kommen wird? Vielleicht beides.
»Mir ist gerade eingefallen, dass ich Monopoly zu Hause habe.«, während er spricht, kommt er zurück ins Wohnzimmer. »Ich werde es holen, okay? Bin gleich wieder da.«
Und mit diesen Worten verschwindet er im Garten.
Monopoly.
Es ist ewig her, dass ich das gespielt habe.
Ich setze vorsichtig meine Füße auf den Boden und stehe ganz langsam auf. Wenn er das schon mit mir spielen will, dann wenigstens draußen. Mir wird zum Glück nicht schwindelig und ich schaffe es ohne Probleme zum kleinen Holztisch auf der Terrasse. Der Zigarettenrauch von Eric schwebt immer noch in der Luft und beißt in der Nase. Ich verziehe das Gesicht, erhebe mich und beschließe, mich unter dem Kirschbaum auf dem Rasen zu setzen.
Unwillkürlich muss ich an meine erste Begegnung mit Eric denken. Er war mir vorgekommen wie ein hyperaktiver, aber dennoch liebenswerter Jack-Russel.
Wie sehr der erste Eindruck doch täuschen kann. Jetzt weiß ich nicht so recht, was genau ich von ihm halten soll. Er führt sich immer seltsamer auf, vor allem wenn Sam bei mir ist. So langsam habe ich das Gefühl, dass Eric eifersüchtig ist. Aber warum?


- Sam -

Ich klinge bestimmt wie ein verliebter Vollidiot, wenn ich von Summer schwärme. Aber ich kann nun mal nicht anders.
Das Bild, das sich mir bietet, als ich den Garten wieder betrete, ist unglaublich schön und schmerzhaft zugleich.
Summer sitzt mit dem Rücken zu mir gegen den Kirschbaum gelehnt. Ihre braunen Haare, fallen wie ein Wasserfall über ihre Schultern und bewegen sich ganz sanft, kaum merklich im leichten Wind.
Ich verharre für einige Augenblicke am Tor und betrachte sie. Sie hat den Kopf leicht in den Nacken gelegt und blickt zum Himmel, die Beine lang ausgestreckt und übereinander gelegt. Sie wirkt wie ein gefallener Engel, der zurück in den Himmel möchte. Und das ist sie auch. Ein gefallener Engel. So zart und zerbrechlich und doch so stark und anmutig.
Worte können selten treffend beschreiben, was man empfindet.
Der Anblick schmerzt. Wenn ich jetzt zu ihr hingehe, zerstöre ich alles, den friedlichen Moment, den träumerischen Augenblick. Aber weil ich so egoistisch und süchtig nach ihr bin, setze ich mich langsam in Bewegung und lasse mich schließlich neben sie aufs Gras sinken.
Sie sieht mich an und ich habe das Gefühl, dass ihre Augen nicht mehr so leer wie vorher wirken.
»Du weißt, wie Monopoly geht oder soll ich es dir erklären?«, frage ich freundlich.
Summer lächelt leicht und mein Herz hüpft vor Freude. Ihr Lächeln bedeutet Ja. Und dass ich der Erste bin, bei dem sie es schafft zu lächeln, macht mich so unglaublich stolz, dass ich praktisch platzen könnte.
Ich teile das Geld aus und sie sucht sich eine Spielfigur aus. Sie nimmt das Schiff. Vielleicht mag sie das Meer?
Wenn das der Fall sein sollte, dann nehme ich sie in den nächsten Tagen zum See mit.

Zu Anfang versuche ich sie gewinnen zu lassen, doch sie merkt es und ich sehe nach und nach wie ihr das missfällt. Also spiele ich so, wie ich immer spiele.
Und sie gewinnt trotzdem.
Dennoch fühle ich mich wie ein Sieger, als die Partie zu Ende ist und sie wieder ein bisschen lächelt. Es hat ihr Spaß gemacht.
Die Dämmerung bricht langsam aber sicher herein und Summer hilft mir das Spiel wegzuräumen. Dabei berühren sich unsere Hände erneut und sie zuckt leicht zurück. Ich tue so, als ob ich das nicht bemerkt hätte.
So ein kleiner Stich in der Brust kann ganz schön weh tun.
»Wenn du möchtest, kannst du mit uns essen. Oder ich bleibe hier und esse mit dir.«, schlage ich vorsichtig vor. Summer blickt zum Haus. Dann zu mir. Und ich verstehe, was sie mir sagen will.
»Okay, dann wärme ich wieder die Nudelsuppe auf, in Ordnung?«
Summer steht auf und wirkt dann mit einem Mal sehr verlegen. Zögerlich reicht sie mir ihre Hand zum Aufhelfen. Ich kann nicht anders als breit zu grinsen, ergreife ihre Hand und lasse mich von ihr hochziehen. Sie ist stärker als ich angenommen habe. Aber das sage ich ihr nicht. Ich glaube, das würde ihr nicht so gefallen.

Sie bleibt mit mir in der Küche, während ich die Suppe wieder aufwärme. Ich habe wieder das Radio angeschaltet und gute alte Musik aus den 60ern füllt das Schweigen zwischen mir und Summer. Es scheint sie nicht zu stören, dass ich nichts zu erzählen habe, denn immer wenn ich sie unauffällig ansehe, dann wippt sie leicht mit dem Kopf oder aber auch mit dem Fuß zur Musik mit.





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