Braune Augen - Teil 5

Autor: e93
veröffentlicht am: 13.11.2013


FÜNF


„Hey, das ist schon mein dritter. Hatte davor Bacardi und Tequila. Wo wart ihr so lange?“, forschte er nach und mein Mund war kurz davor aufzuklappen. Er hatte schon drei Gläser getrunken?
„Cagla kennst du ja bereits.“, meinte Edgar, Cagla begrüßte ihn mit Wangenküssen und dann zeigte ihr Freund auf mich und sprach weiter: „Und das ist Irem.“ Als er meinen Namen aussprach, hielt ich kurz die Luft an, doch dann fiel mir ein, dass er meinen Namen nicht kannte. Zumindest hatte er es nicht von mir erfahren! Geduldig wartete ich auf seine Reaktion, ehe er nun mich mit Wangenküssen begrüßte. Als er mir so nah war und ich seinen Parfüm mit dem Alkoholgeruch wahr nahm, wurde mir leicht schwindlig. Er setzte sich wieder hin und auch wir anderen nahmen Platz. Sofort flirtete Cagla mit Edgar und ich schaute mir die Getränkekarte an.
„Trinkst du Alkohol?“, fragte Eser mich plötzlich und ich schüttelte nur leicht den Kopf.
„Dann würde ich dir vorschlagen, dass du es mal probierst. Diese Bar gehört meinem Cousin, also die Getränke hier sind für uns billiger als auf der Karte und zudem lade ich dich ein. Also lass dich nicht von dem Preis einschüchtern!“, erzählte er und ich blickte ihm geradewegs in die Augen.
„Du willst das ich Alkohol trinke?“, fragte ich ungläubig und er nickte: „Ja, probiers.“
Sofort schüttelte ich den Kopf und bedankte mich: „Danke, aber ich verzichte.“
„Glaub mir, ich fühle mich frei, wenn ich das Zeug trinke. Es lässt mich alles vergessen, ich hab das Gefühl zu schweben.“ Aufmerksam hörte ich ihm zu aber rollte die Augen. Drehte er jetzt auch noch richtig durch?
Nach fünf Minuten kam ein Kellner und nachdem Cagla eine Tequila Sunrise, Edgar einen Strawberry Colada und er einen Planter’s Punch bestellten hatten, schaute ich mir noch einmal die Karte an und sagte: „Einen normalen Kiba, bitte.“ Der Kellner schaute mich etwas skeptisch an, doch nickte und fragte Eser: „Was für eine Shisha, wollt ihr?“, doch da wir schon eine Shisha auf dem Tisch stehen hatten, antwortete er: „Bring uns erst mal die Getränke, wir rauchen erst die zu Ende.“ Somit verschwand der Kellner und während Cagla und Edgar inzwischen auch angefangen hatten an der Shisha zu ziehen, blickte Eser mir tief in die Augen und hauchte: „Du bist wunderschön.“
Ihn diese Worte sagen zu hören, ließ mein Herz wie verrückt schlagen und ich blickte ihm tief in die Augen. Anschließend nahm er einer meiner gemachten, schwarzen Locken in die Hand und spielte damit. Es lief mir kalt den Rücken runter und ich biss mir auf die Lippen, da mir mein Traum wieder eingefiel.
„Wie alt bist du?“
„zwanzig und du?“
„zweiundzwanzig.“, antwortete er ruhig und legte seinen Arm nun um meine Schulter. Ich konnte seinen Parfüm inhalieren und vergaß völlig, wie sehr ich ihn doch eigentlich hasste.
„Was machst du schulisch oder arbeitest du schon?“
„Fachoberschule.“, antwortete ich schüchtern und fragte zurück: „Und du?“
„Ich studiere Medizin.“
Als er das sagte, blickte ich ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein ernst, oder?“
Er fing an zu lachen und sein Lachen klang wirklich verführerisch.
„Nein, das war ein Scherz. Ich studiere Kommunikationswissenschaften.“
Was für ein Witzbold. Ich rollte bloß die Augen und dann kamen auch schon die Getränke.
Während meine Freundin mit ihrem Lover die Zeit romantisch verbrachte, schaute ich aus dem Fenster und konnte nicht glauben, dass Eser wirklich hier war und wir so etwas wie ein Date hatten.
„An was denkst du?“
„An di...“, fing ich meinen Satz an doch fügte sofort hinzu: „Diddl.“
Und schon wieder fing er an zu lachen und hilfesuchend trank ich einfach meinen Drink. Dieser Typ machte mich so nervös!

„Ehm, das war mein Glas.“, ertönte seine Stimme und ich hielt inne. Deswegen schmeckte es so anders?
Unverzüglich legte ich es zurück und entschuldigte mich: „Es tut mir leid.“
Er nahm das Glas, trank ebenfalls daraus und führte es mir an die Lippen. Keine Ahnung wieso, doch ich öffnete meine Lippen und trank aus dem gleichen Glas wie er! Oh mein Gott!
Er lächelte sein traumhaftes Lächeln, der mich auch wahrhaftig an meinen Traum erinnerte, legte seine Hand an meine Wange und kam meinen Lippen näher. Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst davor hatte, dass er es hören könnte!
„Eser...“, hauchte ich und gerade als sich unsere Lippen berühren sollten, rief Cagla laut: „Ah das ist mein Lied! Oluruna birak von Sila!“
Eser löste sich von mir und ging sich kurz durch die Haare, ehe Cagla aufstand und zum Sänger lief und das Mikro einfach aus seiner Hand nahm und sang:

„Oluruna bırak her neyse geçer
Hayata zulmedip üzülmeye mi değer?
Oluruna bırak her neyse geçer
Gün doğsun hele bir üzülmeye mi değer?
Üzülmeye mi değer?
Oluruna bırak... „

Sie hatte wirklich eine fabelhafte Stimme und jeder klatschte in die Hände. „Noch ein Lied von ihr, bitte.“, bat sie und der Sänger sprach kurz mit seinen Bandkollegen, ehe diese ein weiteres Lied von ihr spielten: Sila & Gökhan Keser – Bazen.
Plötzlich stand Eser auf, nahm das zweite Mikro, aus der Hand des Sängers und startete:

„Elimizden ipler Nasıl Kayıyor Bazen
Zamandan Başka Çare Nasıl Kalmıyor Bazen
Hepimizin Hayatı Nasıl Duruyor Bazen
Tecrübenin Katli Şartı Bumuymuş Zaten
Yarın Öbür Gün Aşkın Adı Değişir Yazık Olur
Her Çarpıntıya Koşarsan Kalbin Yorulur
Nasıl Kızıyorum Kendime Bazen Bazenler
Çoğalıyor Bazen Nasıl Kızıyorum Kendime
Bazen Bazenler Çoğalıyor Bazen.

Başımızdan Neler Geldi Geçti Hatırlarmısın
Seni Aradım Kimlerde Aşka inanırmısın
Ama Göremedim Ellerde inanırmısın
Şimdi Daha iyiyim Desem Alınırmısın
Yarın Öbür Gün Aşkın Adı Değişir Yazık Olur
Her Çırpıntıya Koşarsan Kalbin Yorulur.“

Er hatte eine Stimme, die mir eine Gänsehaut einflöste und jeder hörte ihm verträumt zu.
Das er so gut singen konnte, hätte ich niemals gedacht! Es berührte mein Herz und meine Seele und ich musste, während er sang, an ihn denken. Den letzten Teil sang er mit Cagla zusammen und alle klatschten erneut.
„Eser, komm noch ein Lied!“, forderte Cagla ihn auf und mit einem spitzbübischen Lächeln bejahte er: „Klar, warum nicht?“ und diesmal suchte er ein Lied aus und wenig später erklang die Melodie zum Lied Lüzumsuz Savaş von Murat Dalkılıç & Zeynep. Er hatte wirklich die Gabe zu singen und während er sang, legte er seinen Arm um ihre Schulter und sie sang mit ihm mit. Cagla würde auch zu ihm sehr gut passen. Sie war ein hübsches Mädchen und auch wenn Edgar wirklich ein süßer Kerl war, hatte ich das Gefühl das sie zu Eser mehr passte. Für einen Moment zog sich mein Magen zusammen. Während sich in mir die Eifersucht sammelte, wirkte Edgar sehr stolz.
Nach diesem Lied kamen beide wieder an den Tisch und er lachte mit Edgar über irgendeinen Insider, auch Cagla mischte sich beim Gespräch ein und mir blieb nichts anderes übrig, als einfach mein Glas in die Hand zu nehmen, meinen Strohhalm festzuhalten und den Kiba zu trinken. Ich fühlte mich wirklich wie eine Außenseiterin und anscheinend hatte auch Eser das bemerkt, denn er legte seine Hand auf meine Oberschenkel und drückte leicht zu. Es fühlte sich an wie Stromschläge. Nebenbei rauchten sie die Shisha. Wenn Esers Hand nicht auf meinem Schoß liegen würde, würde ich wahrscheinlich vorschlagen zu gehen, doch ich wollte hier bleiben, bei ihm.
Vielleicht eine Viertelstunde sprachen sie miteinander und ich saß einfach stumm da, bis sich Eser zu mir drehte und mich fragte: „Alles okay? Willst du noch etwas trinken?“
„Ja, alles okay und nein, danke.“, antwortete ich freundlich und er kam mit dem Schlauch der Shisha näher zu mir, legte seinen Arm um meine Schulter und schlug vor: „Zieh wenigstens einmal.“
„Nein, ich will wirklich nicht.“
Er schaute mich mit einem Welpenblick an und murmelte: „Für mich?“
Ich schmunzelte, zog einmal dran und hustete sofort los. Er lachte erneut und zeigte mir, wie es richtig ging. So rauchten wir die Shisha gemeinsam fertig.
„Eser?“
„Hmm?“, fragte er und blickte mir direkt in die Augen.
„Warst du schon mal verliebt? Sei ehrlich...“
„Nein, noch nie!“, antwortete er aufrichtig und gestand: „Die einzige Frau, die ich lieben würde, wäre meine Mutter, wenn sie nicht meine Mutter wäre. Keine Ahnung, ich halte nichts von Liebe und noch nie konnte ich meine Jungs verstehen, die so richtig verliebt waren. Bei mir gibt es das einfach nicht. Keine Ahnung, ich glaube Gott hat mir diese Gabe nicht mit in die Wiege gelegt.“


Ach und jetzt gab er dafür auch noch Gott die verdammte Schuld? Ungläubig starrte ich ihn an und schlug seine Hand, die immer noch auf meinem Oberschenkel ruhte, weg. „Tut mir Leid, ich finde du spinnst einfach nur! Wie kannst du Gott da einmischen? Was hat er damit zu tun, wenn du die richtige Frau noch nicht gefunden hast, ha?“
Auf meine Reaktion hin, kniff er nur seine Augen und blickte mir tief in meine. Ich klatschte mir selbst gegen die Stirn. „Du hast echt zu viel getrunken, ist dir das bewusst, mein Lieber?“ Oh Gott, wie konnte ich nur glauben, dass ich etwas von ihm wollen würde? Von diesem Dummkopf?! Diesem arroganten Arsch?! Möge Gott mir für diesen hässlichen Gedanken vergeben. Amen! Plötzlich stand ich auf, lief an die Kasse und bezahlte meinen Getränk, ehe ich wieder zurück lief und Cagla gereizt mitteilte: „Ich fahr nach Hause, pass auf dich auf.“
Sie schien schockiert zu sein und war dazu sprachlos, denn sie blickte mich nur verwirrt an und dann hilfesuchend zu Edgar, doch plötzlich stand Eser auf, nahm sein Handy das auf dem Tisch lag, verabschiedete sich von Cagla und Edgar, packte mich am Arm und zerrte mich aus der Bar raus.
„Denkst du ernsthaft, ich wusste nicht wer du bist? Aber was sollte ich tun? Caglas und Edgars Laune versauen?“, fragte er zornig mit einer sehr lauten Stimme und drückte mich gegen die kalte Wand. Genau in diesem Moment fing es auch noch zu regnen an. Was für ein scheiß! Oh Gott, wieso konnte ich nicht etwas gutes träumen? Vielleicht das er starb oder so? Dann würde dieser Traum wahr werden und nicht dieser hässliche hier!
„Du wusstest also schon die ganze Zeit, wer ich bin?“, fragte ich und starrte ihn hasserfüllt an.
„Na klar, denkst du ernsthaft, das ich so dumm bin und das nicht checke? So betrunken bin ich nicht! Aber ich wusste es... du wirst dich in mich verlieben, wenn ich dich respektvoll behandle!“, quittierte er und schnaubte, ehe er mir näher kam und interessiert forschte: „Schämst du dich eigentlich nicht in so einem Kleid rumzulaufen?“ Das wir beide nass wurden, schien ihn nicht zu interessieren. Er führte sogar provozierend seine Hand unter mein Kleid und wanderte langsam hoch.
„Weißt du was? Ich nehme es zurück, du bist kein kaputtes sondern ein billiges Spielzeug!“
Was bildete sich dieser Penner eigentlich ein? So blind vor Zorn wie ich war, schaffte ich es mich zu befreien und schob ihn kräftig nach hinten, sodass er auf seinem Arsch landete.
„Aaaah yetti be!! (Aah, es reicht jetzt!) Die Erde dreht sich NICHT um dich, du bist nicht die Sonne! Manyak! (Dummkopf) Weißt du was ich von solchen Kerlen wie dich halte? Möglichst viel Abstand!“ Angewidert spuckte ich auch noch in sein Gesicht, zeigte ihm meinen Mittelfinger, lief in diesem Regen einfach über die Straße und blendete die ganze Welt aus. So ein scheiß Tag!

In den nächsten Tagen war ich nur in der Schule, auf der Arbeit und am Abend dann wieder Zuhause. Ich hatte einfach keine Lust mehr raus zu gehen und erst recht nicht diesem Idioten zu begegnen.
Verdammt, ich hasste ihn und wie ich ihn hasste!
Heute war Donnerstag und direkt nach der Schule begab ich mich in die Bäckerei. Paulus war bereits dort.
„Oh, Irem, na alles klar?“, fragte er und begrüßte mich mit einem Handschlag.
Ich lächelte ihn freundlich an und nickte: „Ja, alles in bester Ordnung. Ich geh mich mal umziehen, bis gleich.“ Somit lief ich nach hinten zu den kleinen Kabinen und zog mir meine Schürze und mein Hemd an. Folglich lief ich erst mal ins hintere Büro, wo ich meinen Chef begrüßte und der mir die Aufgabe gab, die restlichen Brote die sie heute früh gebacken hatten, fertig einzupacken.
Insgesamt arbeiteten hier fünfzehn Leute, acht waren für das Backen am frühen zuständig und die anderen fünf, Paulus und ich ausgeschlossen, hauptsächlich für den Verkauf. Alle anderen waren schon älter als wir, deswegen hatte ich auch nichts großartiges mit ihnen zu tun.
Auf Befehl vom Chef kümmerte ich mich hinten um die verschiedenen Brote, die alle noch heute verkauft werden müssten. Währenddessen stand Paulus an der Kasse und bediente die Kunden. Eigentlich wäre das ja meine Aufgabe, aber was solls?
Urplötzlich fing Paulus an zu lachen und begrüßte motiviert: „Oh Eser, alles klar bei dir?“
Diese Worte reichten aus, dass ich wieder unglaublich wütend wurde! Wieso kam er ausgerechnet hierher? Hatte der Typ es auf mich abgesehen? Umso weniger ich mit ihm zu tun hatte, umso mehr glücklicher war ich. Doch es kam noch besser, denn überraschenderweise rief Paulus nach mir rief: „Hey Irem, bring mal 1000kg Roggenbrot.“ Das war das erste Mal das ich Paulus verfluchte und ihn umbringen könnte! Wütend nahm ich ein Roggenbrot aus der Kiste raus und wenn ich wissen würde, dass der Kerl das alleine essen würde, hätte ich sogar drauf gespuckt, aber natürlich tat ich das nicht, sondern brachte es brav Paulus.
Dieser fragte Eser gastfreundlich: „Geschnitten oder so?“
„Geschnitten.“, antwortete dieser und beachtete mich keineswegs. Ich legte das Brot in die Schneidemaschine und machte es anschließend in eine Plastiktüte, ehe ich es ihm reichte und Paulus ihn kassierte. „2,15 €, bitte.“
Er nahm sein Portmonee raus und gab einen Fünf Euro-Schein.
Genau in diesem Moment kam ein anderer Kunde, sodass Paulus mir die Aufgabe gab, das Geld zu wechseln. Widerwillig tat ich es und als ich das Geld ihm, ohne ihn anzuschauen, überreichte, hielt er meine Hand fest und befahl kaum hörbar: „Schau mich an.“
Hasserfüllt hob ich also meinen Kopf an und blickte ihm tief in seine braunen Augen. Verdammt, wieso hatte ich das getan? Es ließ meinen Herz für einen Bruchteil höher schlagen, bis ich meine Hand weg zog und unfreundlich fragte: „Noch was?“
„Ja, aber nicht von hier sondern von dir... wir werden uns begegnen Irem, wir zwei werden uns nochmal über den Weg laufen und glaub mir, ich schwöre dir, dass wird für dich alles andere als angenehm!“
Seine Stimme hörte sich angsteinflößend ein und dennoch streckte ich ihm unauffällig die Zunge raus und erwiderte frech: „Davon kannst du nur träumen!“
Wenige Augenblicke später drehte sich Paulus zu uns um und forschte: „Gibts ein Problem?“
„Nein, gar nicht. Eser wollte auch schon gehen.“, antwortete ich unschuldig lächelnd und warf diesem arroganten Türken nochmal einen vernichtenden Blick zu, ehe er Gott sei Dank die Bäckerei wieder verließ.


Gegen 20 Uhr hatte ich Feierabend, ich zog mich um, verabschiedete mich von meinem Chef und Arbeitskolleginnen und verließ die Bäckerei. Paulus war schon seit einigen Stunden weg. Gerade als ich die Bäckerei verließ und Richtung Frankfurt Hauptwache lief, sah ich Eser wieder mit irgendwelchen Menschen dastehen und rauchen. Was tat dieser Kerl eigentlich nicht? Alkohol? JA! Rauchen? JA! Sex? JA! Aber okay, mittlerweile war das selbst bei unseren Jungs völlig normal. Es war ein Wunder, wenn es einen gab, der nicht so wahr! Genauso auch bei den Mädchen, aber mir war es inzwischen egal. Ich meine, wir wollen nicht vergessen, dass ich bei Eser beinahe schwach geworden wäre, nicht?
„Irem.“, hörte ich plötzlich eine weibliche, unbekannte Stimme nach mir rufen und drehte mich um, ich musste mich kurz umschauen, um zu erkennen, dass es eine Blondine aus seiner Gruppe war. Sie hatte hellblonde Haare, ein hübsches, markantes Gesicht und dazu große, wunderschöne blaue Augen. Was erschreckend war, sie und ihre Stimme wirkten wirklich sehr sympathisch. „Ja.“, erwiderte ich und schaute zu ihr rüber. „Kannst du mal kurz kommen?“
Keine Ahnung wieso, aber ich tat es. Ich lief auf sie zu und sah vom Augenwinkel, wie Eser uns geduldig beobachtete, während ein anderes Mädchen die Luft scharf einzog und ein Typ zu der Blondinen sagte:
„Ann, lass sie. Scheiß drauf.“
Ann\'s Gesichtsausdruck veränderte sich. Vom süßen, unschuldigen Lächeln, war es zu einem sadistischen und diabolischen Grinsen geworden. Während mich ihr Blick fesselte, realisierte ich gar nicht, wie sie mir eine Ohrfeige verpasste. Erst als ich die brennende Stelle an meiner Wange spürte und sie ungläubig anschaute.
„Was soll das denn?“, fragte ich nun gereizt und daraufhin antwortete sie wirklich sehr wütend: „Das Gleiche kann ich dich auch fragen! Wer bist du kleine Schlampe, dass du dir einbildest Eser wie Dreck zu behandeln?“
Es war erschreckend, wie bedrohlich ihre Stimme trotz ihres eher hohen Stimmtons anhörte.
„Ach so, hat er sofort geplaudert oder was?“, fragte ich und blickte zu Eser. „Sen gercekten tam kafadan sakatsin! Gelip benimle konusmayip bunlarami gidiyorsun, piskopat!“ (Du bist wirklich gestört im Kopf! Anstatt mit mir zu sprechen, gehst du zu denen, Psychopath.)
Und schon wieder bekam ich eine deftige Ohrfeige. „Zu deiner Information, meine Mama ist halb Türkin und was geht dich das an, was er macht? Ich bin seine beste Freundin, natürlich merke ich es, wenn etwas bei ihm nicht in Ordnung ist! Man sollte dich dumm und dämlich schlagen!“, ertönte ihre Stimme und man konnte erkennen, wie hasserfüllt sie mir gegenüber war.
„Misch du dich da nicht ein! Hat er keine Hände, die er benutzen kann?“
„Er schlägt keine Mädchen.“, erwiderte das andere Mädchen, die rötliche Haare hatte und ebenfalls wirklich hübsch war.
„Außerdem, wer ein Problem mit meinem besten Freund hat, hat auch eins mit mir!“, sprach diese Ann weiter und schubste mich gegen die nächst beste Wand die sie fand. Die Passanten schauten uns zwar skeptisch an, doch liefen ohne ein Wort einfach weiter.
Ich weiß nicht wieso, aber ich wehrte mich einfach nicht, ich blickte sie einfach nur provokant an und war gespannt darauf, wie weit sie mit ihrem 1,56 Metern, wenn überhaupt gehen würde.
„Ann, nicht hier, hier sieht dich jeder.“, sprach die Rothaarige aus und daraufhin packte mich diese Halbtürkin am Arm. Sie hatte wirklich einen festen Griff und lief mit mir, bis wir die Einkaufspassage durchliefen und uns mitten in Frankfurt befanden, wo all die ganzen Banken standen.
„Du siehst zwar total süß aus, aber dein Verhalten macht dich echt hässlich. Du bist ein richtiger Mannsweib, wie ekelhaft. Kein Wunder, dass ihr nur beste Freunde seid und nicht ein Paar.“ Keine Ahnung wieso ich ausgerechnet diese Worte sagte, aber es war mir danach und es war mir auch danach zu lachen. Ann dagegen wurde wütend und schlug mir mitten ins Gesicht und rammte ihren Knie direkt in mein Bauch. „Er ist mein Cousin, du Kranke! Wenn man keine Ahnung hat, dann einfach mal die Fresse halten.“
„Ach so, Cousins die beste Freunde sind oder was?“, erwiderte ich amüsiert und ich wusste, dass ich total dämlich rüber kommen musste.
„Was geht dich das an?“, fragte sie verärgert und schlug mich erneut, als sie es wieder versuchte, versuchte ich ihre Hand festzuhalten, aber sie war wirklich stark, auch wenn sie es nicht zeigte. Die Sache war die, ich fand diese Situation witzig, ich konnte es nicht ernst nehmen und deswegen mich nicht konzentrieren. Es war für mich einfach nicht real. Als ich sie gegen ein parkendes Auto schubste, lachte sie diabolisch, nahm aus ihrer Tasche einen Taschenmesser und lief damit auf mich zu. Mit der einen Hand drückte sie mich gegen die Wand und behauptete: „Für dich würde ich sogar liebend gerne im Knast landen. Dann ist die Welt wenigstens einen Parasiten mehr los!“ Ich versuchte mich zu wehren, doch als sie die Klinge an mein Hals legte, konnte ich auch nichts mehr tun. Wir beide waren alleine hier. Die Gruppe war nicht mitgekommen.
Langsam spürte ich, wie die kalte Klinge mich am Hals berührte. Ein Schmerz durchzog meinen Körper.
„Ann, yeter!“ (Ann, es reicht!), forderte eine bekannte Stimme sie auf und daraufhin steckte sie das Messer wieder in ihre Hosentasche, blickte mir tief in die Augen und drohte: „Wenn du dich noch einmal mit ihm anlegst, schwöre ich dir, ich mach dein Leben zur Hölle!“
„Jetzt verschwinde!“, befahl Eser und ich sah nur, wie seine Cousine die Straße wieder zurück lief, an der wir hoch gekommen waren.
„Wieso kannst du nichts für dich behalten?“, forschte ich nur leise lachend und spürte, dass mein Hals bluten musste, es fühlte sich komisch an, auch wenn die Ritze nicht zu tief war.
„Sie kennt mich eben gut, sie weiß, wenn ich echt abgefuckt bin. Aber das war nicht das, was ich heute in der Bäckerei gemeint hatte.“, sprach er und nahm ein Taschentuch und tupfte damit das Blut von meinem Hals ab.
„Was willst du von mir?“
„Irem, es macht mir Spaß mich mit dir anzulegen, weil du nicht so bist wie andere und mich echt dazu bringen kannst, Hass und Wut zu spüren. Ich empfinde normalerweise für Frauen eher warme Gefühle, aber du strapaziert meine Nerven! Ich bin nicht stolz auf das, was meine Cousine getan hat, aber ich hatte auch keinen Grund sie davon abzuhalten.“
„Wow, soll ich das als Kompliment sehen?“ Meine Stimme hörte sich sehr sarkastisch an.
„Ja, solltest du. Du bist die erste Frau, die ich als mein Feind sehe.“ Anschließend begann er zu lachen und mit den Worten: „Möge der Bessere, diesen Krieg zwischen uns beiden gewinnen.“, lief er ebenfalls wieder zurück.
Merkte er überhaupt wie kindisch er sich benahm? Er hatte keinen Charakter! So etwas wie er, war doch nur ein Sprücheklopfer! Er ließ sogar seine Cousine für sich kämpfen! So ein ehrenloser Bastard! Aber gut, er hatte mir den Krieg offiziell angekündigt, jetzt war ich dran!





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