New story - Teil 13

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 23.08.2013


Kapitel 13

Chris

Sie kommt noch zur Schule. Doch sie wirkt wie ein Geist. Sie meidet mich. Würdigt mich keines Blickes. Nicht, dass ich etwas anderes verdient hätte. Ich sehe auf die Visitenkarte in meiner Hand und denke ein weiteres Mal an jene Nacht zurück. Ironisch, dass jene Nacht, die Will das Leben gekostet hat, das meine gerettet hat.

Ich setzte mich in der Mittagspause auf die Bank vor der Schule und starre in den Himmel. Warum hast du mich damals leben lassen und nicht ihn? Jesus... Ich schließe die Augen. Mein Handy klingelt und ich nehme ab. „Chris. Wie geht es dir?“ Die Stimme meines Jugendpastors erklingt aus dem Hörer. Was soll ich Antworten? „Michel, was gibt’s?“
„Ah, du weichst meiner Frage aus. Also war es richtig dich anzurufen. Komm doch auf einen Kaffee vorbei.“

„William Hall, sagst du? Bei dem Namen klingelt was bei mir...“ Es hat nicht lange gedauert, bis Michel mich zum Reden gebracht hat. Er hat so eine Gabe. Im Gebet hatte er den Eindruck, dass mit mir etwas nicht stimmt und hat angerufen, also bin ich zu ihm gegangen. Im Gespräch sind wir dann auf Will zu sprechen gekommen. (Sowohl ihn als auch sie)
Am Tag nach Williams Tod, habe ich mir genauer angesehen, was ich eigentlich vom Boden aufgehoben hatte. Es hatte sich als eine Visitenkarte entpuppt. Aus irgend einem Grund, wollte ich mehr darüber wissen und bin an den Ort gefahren. Es hatte sich als ein Gemeindehaus herausgestellt. Neugierig doch verschüchtert, schlich ich vor dem Eingang herum, bis Michel mich irgendwann fand und mich einlud. Auf die Frage, wie ich hin gefunden hatte, antwortete ich damals nur, ich hätte die Visitenkarte gefunden.
Heute erzähle ich ihm die ganze Geschichte von Will. Dann fällt es Michel ein. „Ja doch...“, er schnippt mit den Fingern, „ich habe einige Male mit ihm gesprochen! Ich habe ihn zufällig einmal auf der Straße getroffen und ihm meine Visitenkarte gegeben. Dann haben wir miteinander telefoniert.“ Dann wird er ruhiger. „Ich habe mich schon gefragt, welchen Grund es haben könnte, dass er nicht mehr anruft.“ Ich sehe auf den Boden. „Chris, du brauchst dir deswegen keine Gedanken zu machen.“ Er legt eine Hand auf meine Schulter. Ich weiß, dass du denkst, es ist deine Schuld. Aber so wie du es Schilderst was es eher ein Versehen. Nicht, dass ich diese Kämpfe beschönigen will... Aber du hast deine Fehler längst eingesehen und Jesus hat dir deine Fehler längst vergeben, also stell seine Vergebung nicht in Frage, indem du dir selbst nicht vergibst.“
Ich sehe auf den Boden.
„Du machst dir Gedanken darüber, dass das Mädchen dich hasst, nicht wahr?“
Ich nicke.
„Sie kennt nur die halbe Wahrheit.“
„Das wird nichts ändern.“
„Ich glaube, ich sollte mal mir ihr reden.“
„Warum?“
„Hätte ich früher gewusst, wer sie ist, hätte ich es ohnehin gemacht“, lächelt Michel, „Es gibt etwas, das sie vielleicht wissen sollte.“

Will

„Will, da ist ein Michel sowieso für dich am Telefon.“ Die Stimme meiner Mutter schrillt aufdringlich durchs Treppenhaus. Wer? Ich gehe hin und nehme das Telefon entgegen nur um damit in meinem Zimmer zu verschwinden. „Hallo?“
„Hallo Will. Mein Name ist Michel Corner. Ich bin der Jugendpastor aus der Gemeinde am Stadtrand. Hast du kurz Zeit für mich?“
„Warum?“ Ich habe wirklich keine Lust mich ausgerechnet jetzt von irgendwem über Jesus voll quatschen zu lassen.
„Ich würde gerne mit dir über Will Hall sprechen.“
Meine Hand wird zittrig. William? Was hat er mit ihm zu tun? Bestimmt ist es wegen Chris! „Diese Sache geht Sie nichts an!“
„Oh, es ist nicht wie du denkst... Ich kannte Will gewissermaßen.“
Ich muss einen Moment darauf achten, dass mir der Hörer nicht aus der Hand fällt.
„Wie wäre es, wenn wir uns in Ruhe unterhalten?“

Zwei Stunden später sitze ich in einem Café und schweige den Jugendpastor aus Chris\' Gemeinde bei einem Milchkaffee an. Nach der Begrüßung wusste ich nicht mehr was ich noch sagen soll – er offenbar nicht, wie er anfangen sollte. „Aaalsooo“, beginne ich gedehnt. „Sie kannten William?“
„Nun ja... ja...“ Er räuspert sich. „Einmal habe ich ihn zufällig bei einer Aktion auf der Straße kennengelernt. Meine Gemeinde hatte ein kleines Missionsfest auf der Straße. Wir haben Flyer verteilt und zum Gottesdienst eingeladen. Dabei habe ich Will getroffen und mich mit ihm unterhalten. Über dies und jenes.“ Er lächelt versonnen. „Im Gespräch hat er ziemlich kühl und desinteressiert getan. Aber scheinbar hat es ihn dann doch noch interessiert. Irgendwann hat er mich angerufen und mir gesagt, er hätte den Gottesdienst besucht. Ich habe ihn leider nicht gesehen, aber wir haben seither öfter telefoniert.“
„Warum erzählen Sie mir das?“
Er zögert. „Wusstest du...dass er darüber nachsann, sich das Leben zu nehmen?“
Ruckartig stehe ich auf. Die Blicke der Leute richten sich auf mich, wie eine Kompassnadel zum Norden. Ich beuge mich zu ihm vor und zische. „Wollen Sie mir jetzt erzählen, dass er ohnehin sterben wollte und absichtlich in den Tod gerannt ist?“
„Oh nein, natürlich nicht! Im Gegenteil! Bitte...“ er weist auf meinen Stuhl. „Bitte setze dich noch einmal.“
Ich zögere. Bittend sieht er mich an und schließlich setzte ich mich doch noch. „Er hat mir von seiner Freundin erzählt, die er unheimlich liebt.“ Mit warmen Blick sieht er mich an. „Doch er war verzweifelt. Er hat sich gefragt, was denn mit ihm nicht stimmte. So sehr er diese Freundin auch liebte. Es war ihm nicht genug. Er fühlte sich leer.“
Was sagt dieser Mann da? Er hat mich doch geliebt. Er war doch glücklich mit mir! Fahrig taste ich nach Halt und umklammere schließlich meine Kaffeetasse. „Er fragte sich, ob er vielleicht nicht im Stande war, wirklich zu lieben. Dann erzählte er mir von den Straßenkämpfen. Kämpfe von denen er sich abhängig gefühlt hat. Er sagte der Schmerz zeige ihm, dass er noch lebendig war.“ Tränen steigen mir in die Augen. Ich schlucke sie schmerzhaft mit dem Klos in meinem Hals herunter. „Entschuldige. Ich war so frei mich nach dem Todesdatum zu erkundigen...“ er kramt nach einem Notizblock und legt ihn vor mich hin. „Ich habe die Angewohnheit mir den ein oder anderen Anruf zu notieren.“ In krakeliger Schrift, steht bei dem Datum zwei Tage vor Williams Tod sein Name und etwas, das ich nicht entziffern kann. Auf meinen fragenden Blick hin erklärt er: „An diesem Tag habe ich mit ihm ein sehr tiefgehendes Gespräch geführt. Er hat mich auf den Gottesdienst angesprochen zu dem er gekommen war. Er fragte: Ist die Liebe Jesu wirklich so erfüllend, wie der Pastor gesagt hat? Ich habe ihm erklärt, dass Gott selbst die liebe ist. Darum wissen wir ohne ihn gar nicht, wie wahre Liebe ist. Insofern: Ja, sie ist erfüllend. Am Ende dieses Gesprächs, haben wir ein Gebet gesprochen. Er hat Jesus in sein Leben aufgenommen.“
Zorn flackert in mir auf. „Sie wagen es mir so etwas zu sagen?“ Ich balle die Fäuste. „Erst stellen Sie unsere Liebe infrage und dann sagen Sie mir, zwei Tage nach dem er diesen Jesus in sein Leben eingeladen hat, hat er ihn verrecken lassen? Bei einem Kampf. Ein Kampf, den er gar nicht hätte führen dürfen, wenn das, was Sie sagen wahr ist!“
„Will... wir kennen die Beweggründe für Dinge die geschehen manchmal nicht.“ Er legt mir seine Visitenkarte hin und verabschiedet sich.





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